1113 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 1836/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verschlechterung der politischen Lage in Nicaragua vor den Wahlen

Die Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 08. Juli 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In Nicaragua werden voraussichtlich am 7. November 2021 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Rund vier Monate vor dem geplanten Urnengang versucht die Regierung unter Präsident José Daniel Ortega Saavedra, den Wahlausgang zu ihren Gunsten zu beeinflussen und mittels kontroverser Gesetze (darunter das NGO-Gesetz zur Regulierung für „ausländische Agenten“, gegen „Hassverbrechen“ und „Hochverrat“ sowie Cyberdelikte), welche aufgrund des Fehlens von klaren Definitionen im Gesetzestext eine willkürliche Anwendung ermöglichen, führende politische Herausforderer vor den Wahlen zu schwächen oder aus dem politischen Wettbewerb auszuschließen.

So wurde am 20. Mai ein Strafverfahren gegen die bekannte Oppositionspolitikerin Christiana Chamorro wegen Vorwürfen von Geldwäsche in Bezug auf die von ihr geleitete Stiftung eingeleitet und Chamorro unter Hausarrest gestellt. Zudem wurde die Inhaftierung des Präsidentschaftskandidaten Arturo Cruz um 90 Tage verlängert. Chamorro und Cruz gelten als jene Kandidaten, denen für November die stärksten Chancen für einen Sieg eingeräumt werden. Somit können die stärksten Herausforderer des Präsidenten nicht an den Wahlkampfveranstaltungen teilnehmen. Weitere PräsidentschaftsanwärterInnen, OppositionspolitikerInnen und Geschäftsleute wurden seither inhaftiert. Nicht zuletzt werden seit Anfang Mai Vereinigungsbemühungen der zersplitterten Oppositionsparteien rechtlich erschwert bis unmöglich gemacht, unabhängige Medienunternehmen durchsucht, Versammlungsfreiheiten eingeschränkt und JournalistInnen unter Druck gesetzt. Freie und faire Wahlen im November werden somit aus jetziger Sicht immer unwahrscheinlicher.

Der 2011 und 2016 wiedergewählte nicaraguanische Präsident Ortega hat in den letzten Jahren seine Macht zunehmend konzentriert. Ein nach den Zusammenstößen von 2018 zwischen Opposition und regierungsnahen Sicherheitskräften und sandinistischen Paramilitärs mit Hunderten von Toten und Tausenden Flüchtlingen eingeleiteter nationaler Dialogprozess zwischen Regierung und der parteiunabhängigen Bürgerallianz sowie internationalen Garanten verlief trotz teils positiver Ergebnisse letztlich im Sand. Seit April 2018 sind mehr als hundert Personen aus politischen Gründen inhaftiert worden, von denen viele nach wie vor in Haft sind. Obwohl die Proteste seit 2019 abgeflaut sind, bleiben die Missstände, welche den Massenprotesten von 2018 auch zugrunde lagen, weiterhin bestehen. Die politische Spaltung im Land und repressive Regierungsmuster, sowie die zunehmende Gewalt und Einschüchterung von MenschenrechtsverteidigerInnen, FrauenrechtsaktivistInnen (die aufgrund ihres Geschlechts härterer Diskriminierung und Repression ausgesetzt sind), UmweltaktivistInnen, die indigene Bevölkerung oder Studierende wurden durch die COVID-19 Krise und den wirtschaftlichen Abschwung zusätzlich verschärft.

 

Das Vorgehen der Behörden von Nicaragua im Vorfeld der Wahlen und die Festnahmen politischer Oppositioneller sind klar zu verurteilen. Die Justiz und bestehende Gesetze werden in diesem Zusammenhang eindeutig für politische Zwecke instrumentalisiert, um gegnerische KandidatInnen vor der Wahl unschädlich zu machen, was eine klare Missachtung der Grundprinzipien einer jeden Demokratie darstellt. Ein anhaltendes Verunmöglichen von politischer Konkurrenz im Vorfeld der Wahlen sowie mögliche Missstände beim Wahlgang selbst könnten letztlich neue Unruhen auslösen, und somit die derzeit schwierige politische und wirtschaftliche Lage Nicaraguas weiter verschärfen.

Die am 4. Mai 2021 verabschiedete Wahlreform war nicht das Ergebnis des Dialogs zwischen Regierung und Opposition und weicht von den Empfehlungen der Wahlbeobachtungsmissionen der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten ab, indem sie Regeln enthält, die den Wahlwettbewerb und die Ausübung der politischen Rechte einschränken und die öffentlichen Freiheiten entgegen internationalen Standards einschränken.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 19. Oktober 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, MMMag. Dr. Axel Kassegger und Petra Bayr, MA MLS.

 

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 10 19

                         Dr. Ewa Ernst-Dziedzic                                         Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau