1119 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (1103 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grenzkontrollgesetz und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden (Erstes EU‑Informationssysteme-Anpassungsgesetz)

Mit diesem Gesetzesvorhaben, mit welchem das EU – Polizeikooperationsgesetz (EU-PolKG), das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), das Grenzkontrollgesetz (GrekoG) und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StBG) geändert werden (Erstes EU-Informationssysteme– Anpassungsgesetz), sollen die erforderlichen Adaptierungen aufgrund der rezenten Verordnungen der Europäischen Kommission betreffend das – bereits bestehende – Schengener Informationssystem
(im Folgenden: SIS) und das neu geschaffene Einreise-/Ausreisesystem (engl.: Entry/Exit System, im Folgenden: EES) vorgenommen werden.

Die derzeit in Betrieb befindlichen europäischen Informationssysteme – das SIS, das Visa‑Informationssystem (im Folgenden: VIS) und das europaweite Fingerabdruck-Identifizierungssystem Eurodac (im Folgenden: Eurodac) – sind bisher voneinander getrennt und für die Mitgliedstaaten nur bedingt gegenseitig abfragbar. Basierend auf den Empfehlungen eines Berichtes der bei der Europäischen Kommission eingerichteten hochrangigen Expertengruppe für Informationssysteme und Interoperabilität vom Mai 2017 hat sich die Europäische Union seither vermehrt dem Thema der Interoperabilität europäischer Datenbanken gewidmet und dabei den Fokus nicht nur auf bereits bestehende Applikationen (SIS, VIS, Eurodac), sondern auch auf die in Entstehung befindlichen Systeme EES, European Travel Information and Authorisation System (ETIAS) und European Criminal Records Information System – Third Country Nationals (ECRIS-TCN) gelegt. Zur Herstellung der Interoperabilität zwischen diesen europäischen Informationssystemen wurden.

-       die Verordnung (EU) 2018/817 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU‑Informationssystemen in den Bereichen Grenzen und Visa und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EU) 2016/399, (EU) 2017/2226, (EU) 2018/1240, (EU) 2018/1726 und (EU) 2018/1861 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Entscheidung 2004/512/EG des Rates und des Beschlusses 2008/633/JI des Rates, ABl. Nr. L 135 vom 22.05.2019 S. 27, und

-       die Verordnung (EU) 2018/818 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU_Informationssystemen (polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration) und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2018/1726, (EU) 2018/1862 und (EU) 2019/816, ABl. Nr. L 135 vom 22.05.2019 S. 85,

erlassen. Des Weiteren wurden bereits bestehende Unionsrechtsakte adaptiert und gänzlich neue Verordnungen bezüglich der neu zu schaffenden Systeme erlassen bzw. befinden sich derzeit noch in Ausarbeitung.

Auch wenn die Änderungen betreffend das SIS nicht ausschließlich auf das Bestreben der Herstellung der Interoperabilität zwischen den europäischen Systemen zurückzuführen sind, so ergänzen die bestehenden und die noch einzurichtenden Systeme künftig einander. Die Systeme sollen die nationalen Behörden beim Grenzmanagement, bei der Migrationssteuerung, der Visabearbeitung sowie der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus unterstützen. Letzteres gilt insbesondere für das SIS, das derzeit das von den Strafverfolgungsbehörden am stärksten genutzte Instrument für den (europaweiten) Informationsaustausch darstellt.

Die Unionsrechtsakte zu den betroffenen Informationssystemen und zur Herstellung der Interoperabilität zwischen diesen sehen zeitlich gestaffelte Inbetriebnahmen der verschiedenen Systeme vor. Daher müssen auch die national erforderlichen Anpassungen – abhängig von den unterschiedlichen Zeitpunkten der Inbetriebnahme – zeitlich gestaffelt erfolgen. Die Verordnungen zur Änderung des bestehenden SIS sowie zur Errichtung des EES betreffen jene Systeme, für die die Inbetriebnahme der neuen bzw. modifizierten Systeme am frühesten vorgesehen ist.

Mit dem gegenständlichen Gesetzesvorhaben sollen daher insbesondere die erforderlichen Adaptierungen aufgrund der Verordnungen betreffend das SIS sowie das EES vorgenommen werden.

Nähere Ausführungen zu den Verordnungen betreffend das SIS:

Wie bereits erwähnt, dient das vorliegende Gesetzesvorhaben der Umsetzung und Durchführung einer Reform und Weiterentwicklung des SIS, das mit dem Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen – SDÜ), BGBl. III Nr. 90/1997, erstmals eingeführt wurde.

Das SIS bildet als gemeinsames elektronisches Fahndungssystem das Kernstück der Schengen_Zusammenarbeit. Es wurde als eine der wichtigsten Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall der Binnengrenzkontrollen zur europaweiten Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität eingerichtet und dient der Personen- und Sachenfahndung in den Schengen-Mitgliedstaaten. An die Stelle des ursprünglichen Schengener Informationssystems trat das ergänzte Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II), ABl. Nr. L 381/4 vom 28.12.2006 S. 4, und des Beschlusses 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II), ABl. Nr. L 205 vom 07.08.2007 S. 63.

In Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben betreffend das SIS wurden mit BGBl. I Nr. 132/2009 die notwendigen nationalen Bestimmungen im EU-PolKG geschaffen sowie mit BGBl. I Nr. 65/2013 weitere erforderliche Adaptierungen vorgenommen.

Vor dem Hintergrund der gestiegenen Herausforderungen an das SIS – insbesondere in Zusammenhang mit der Bekämpfung bestimmter Formen von schwerer Kriminalität, einschließlich Terrorismus, sowie illegaler Migration – hat die Europäische Kommission das System einer Prüfung und Evaluierung unterzogen. Basierend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen legte die Kommission im Dezember 2016 ein Reformpaket von drei Verordnungen vor, welche die bisherigen Rechtsgrundlagen zum SIS während einer Übergangszeit stufenweise abändern und ergänzen sollen, um sie schließlich ab einem von der Kommission festgelegten Zeitpunkt der Inbetriebnahme des neuen Systems vollständig zu ersetzen.

Es handelt sich bei diesen Verordnungen um

-       die Verordnung (EU) 2018/1860 über die Nutzung des Schengener Informationssystems für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 312 vom 07.12.2018 S. 1 (im Folgenden: „Verordnung – SIS Rückkehr“),

-       die Verordnung (EU) 2018/1861 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der Grenzkontrollen, zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006, ABl. Nr. L 312 vom 07.12.2018 S. 14, in der Fassung der Verordnung (EU) 2019/817, ABl. Nr. L 135 vom 22.05.2019 S. 27 (im Folgenden: „Verordnung – SIS Grenze“) und

-       die Verordnung (EU) 2018/1862 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, ABl. Nr. L 312 vom 07.12.2018 S. 56, in der Fassung der Verordnung (EU) 2019/818, ABl. Nr. L 135 vom 22.05.2019 S. 85 (im Folgenden: „Verordnung – SIS Polizei und Justiz“).

Die Verordnungen wurden am 28. November 2018 vom Rat der Europäischen Union angenommen. Sie traten am 28. Dezember 2018 in Kraft.

Das Datum der Inbetriebnahme des solcherart erweiterten und modernisierten SIS wird von der Kommission bis spätestens 28. Dezember 2021 mit Beschluss gemäß Art. 66 Abs. 2 der Verordnug – SIS Grenze und gemäß Art. 79 Abs. 1 der Verordnung – SIS Polizei und Justiz (Art. 20 der Verordnug – SIS Rückkehr verweist diesbezüglich auf Art. 66 Abs. 2 der Verordnug – SIS Grenze) festgelegt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen technischen und rechtlichen Vorkehrungen zu treffen, um die vollständige Durchführung der neuen Verordnungen zu gewährleisten.

Die Verordnungen stellen eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dar. Durch sie werden bestehende Lücken geschlossen sowie der Anwendungsbereich und die Funktionen des SIS in unterschiedlichen Bereichen erweitert: Beispielsweise werden neue Ausschreibungskategorien geschaffen, die Datenkategorien bei SIS-Ausschreibungen erweitert und neue technische Möglichkeiten und biometrische Funktionen vorgesehen. Darüber hinaus wird ein breiterer Zugriff auf SIS_Ausschreibungen auf nationaler und europäischer Ebene geschaffen und es werden Europol ein uneingeschränkter Zugriff auf das SIS und der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) die Anbindung an das SIS ermöglicht.

Ziel der Verordnungen ist es, zu einer besseren Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität, zur Gewährleistung eines hohen Maßes an Sicherheit in der EU sowie zur Migrationssteuerung beizutragen; dies insbesondere durch die Feststellung illegal aufhältiger Personen, die merhrfache oder falsche Identitäten benutzen.

Die neuen Verordnungen sind zwar grundsätzlich unmittelbar anwendbar. In einigen Bereichen sind jedoch Anschluss- und Durchführungsbestimmungen im nationalen Recht erforderlich. Dies gilt etwa im Fremdenrecht für die Schaffung entsprechender Datenübermittlungsbestimmungen, um den innerstaatlich für Grenzschutz, die Erteilung von Visa, Einwanderung sowie Fremdenwesen und Asyl zuständigen Behörden (vgl. Art. 34 Abs. 1, 2 und 3 der Verordnung – SIS Grenze) den Informationsaustausch mit dem beim Bundeskriminalamt eingerichteten SIRENE-Büro und damit die Teilnahme an dem in den Verordnungen verschiedentlich vorgesehenen Austausch von Zusatzinformationen (vgl. etwa Art. 6 bis 12 der Verordnung – SIS Rückkehr und Art. 26 bis 30 der Verordnung – SIS Grenze) zu ermöglichen.

Die Verordnung – SIS Polizei und Justiz und die Verordnung – SIS Grenze bilden zusammen die Rechtsgrundlage für die Einrichtung und den Betrieb des SIS und enthalten daher eine Vielzahl an gleichlautenden Bestimmungen über die Systemarchitektur und grundsätzliche Funktionsweise des SIS. Gemäß Art. 4 dieser beiden Verordnungen besteht das SIS wie bisher schon – basierend auf der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und dem Beschluss 2007/533/JI – aus einem zentralen System („zentrales SIS“, bestehend aus einer technischen Untersützungseinheit „CS-SIS“ und einer einheitlichen nationalen Schnittstelle „NI-SIS“), einem nationalen System („N.SIS“) und einer Kommunikationsinfrastruktur zwischen dem zentralen SIS und der jeweiligen NI-SIS. Bereits die Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und der Beschluss 2007/533/JI stellten es den Mitgliedstaaten frei, ob der Zugriff auf Fahndungsdaten aus der zentralen SIS II-Datenbank direkt, d.h. über die nationale Schnittstelle (NI-SIS), oder im Wege einer nationalen Kopie des SIS II (die somit einen Teil des Datenbestands des N.SIS ist) erfolgt. Österreich hat sich im Zuge der technischen Umsetzung dafür entschieden, dass der Zugriff auf Fahndungsdaten aus dem zentralen SIS im Wege einer nationalen Kopie des SIS erfolgt, die regelmäßig mit der zentralen SIS-Datenbank synchronisiert (Art. 4 Abs. 6 der Verordnung – SIS Polizei und Justiz und der Verordnung – SIS Grenze) wird. Diese Vorgangsweise soll beibehalten werden.

Des Weiteren ergeben sich künftig unmittelbar aus den Verordnungen jene Ausschreibungskategorien, die im SIS vorgenommen werden können, sowie jene Datenkategorien, die eine Ausschreibung im SIS enthalten darf, weshalb die diesbezüglich bisher maßgeblichen Bestimmungen im EU-PolKG zu entfallen haben und Adaptierungen im BFA-VG sowie im SPG erfolgen.

In der Verordnung – SIS Polizei und Justiz werden die Voraussetzungen und Verfahren für die Eingabe von Personen- und Sachfahndungsausschreibungen in das SIS und deren Verarbeitung sowie für den Austausch von Zusatzinformationen und ergänzenden Daten zum Zwecke der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen festgelegt. In dieser Verordnung werden in Art. 20 Abs. 2 jene Datenkategorien angeführt, die künftig im SIS zu diesen Zwecken ausgeschrieben werden dürfen. Eine Ausschreibung im SIS hat zumindest die in Art. 22 Abs. 1 angeführten Datenkategorien zu enthalten (Mindestdatensatz). Sofern jedoch weitere Daten verfügbar sind, sind diese der Ausschreibung ebenfalls beizufügen.

Des Weiteren werden gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. d und e der Verordnung – SIS Polizei und Justiz neue Ausschreibungskategorien betreffend schutzbedürftige Personen, die am Reisen gehindert werden sollen, festgelegt. Hiervon sind etwa Kinder und schutzbedüftige volljährige Personen erfasst, bei denen ein konkretes und offensichtliches Risiko besteht, dass sie aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gebracht werden oder dieses verlassen und Opfer von Menschenhandel, einer erzwungenen Eheschließung, geschlechtsspezifischer Gewalt oder terroristischer Straftaten werden.

Die Eingabe der Ausschreibungen nach Art. 32 Abs. 1 lit. d und e der Verordnung – SIS Polizei und Justiz sowie die in eine Ausschreibung aufzunehmenden Datenkategorien (Art. 20 Abs. 2 leg. cit.) beruhen künftig zwar unmittelbar auf dem Unionsrecht, ohne dass es einer begleitenden Regelung im nationalen Recht bedarf. Mangels entsprechender innerstaatlicher Rechtsgrundlage würde dies jedoch dazu führen, dass aufgrund ein- und desselben Sachverhalts bestimmte Ausschreibungen in der nationalen Fahndungsevidenz, welche innerhalb des SPG geregelt ist, nicht vorgenommen bzw. bestimmte Datenkategorien in den nationalen Ausschreibungen nicht angeführt werden könnten, sodass den Behörden anderer Mitgliedstaaten umfangreichere Informationen zur Erfüllung der entsprechenden Aufgabe zur Verfügung stehen würden als den österreichischen Behörden. Um ein solches Informationsgefälle zu vermeiden, erscheint es erforderlich, die korrespondierenden nationalen Bestimmungen entsprechend anzupassen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen soll daher gewährleistet werden, dass auch den nationalen Behörden derselbe Informationsstand zur Verfügung steht, wie er nach der Verordnung – SIS Polizei und Justiz den Behörden anderer Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen ist.

Darüber hinaus kann bei der Eingabe einer Ausschreibung im nationalen Informationssystem unmittelbar, auf automationsunterstützte Weise – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – eine Ausschreibung im SIS erfolgen. Mit dieser Anschlussbestimmung soll daher auch sichergestellt werden, dass die in der Verordnung angeführten Ausschreibungs- und Datenkategorien vollumfänglich in das SIS aufgenommen werden.

Im Zuge der Novelle BGBl. I Nr. 65/2013 wurden die bis dahin im Vollzug aufgetretenen Auslegungsfragen betreffend das SIS – etwa hinsichtlich Ausschreibungen von abhanden gekommenen Gegenständen, wie insbesondere Dokumente und Wertpapiere – einer Klärung zugeführt und entsprechende gesetzliche Bestimmungen geschaffen. Diese für den Vollzug auch weiterhin relevanten Anschlussregelungen – insbesondere zu der an eine Ausschreibung im SIS konkret anknüpfenden innerstaatlichen Maßnahme – sollen zu Klarstellungszwecken beibehalten werden.

In der Verordnung – SIS Grenze werden unter anderem die Voraussetzungen und Verfahren für die Ausschreibung von Drittstaatsangehörigen in das SIS zum Zweck der Verweigerung der Einreise und des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten („Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung“) festgelegt. Künftig sind sämtliche Einreiseverbote, die in einem Verfahren im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (Rückführungsrichtlinie), erlassen wurden, zwingend im SIS auszuschreiben.

Jene Datenkategorien, die in einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung enthalten sein dürfen, werden in Art. 20 Abs. 2 der Verordnung – SIS Grenze festgelegt. Diese Datenkategorien entsprechen dabei weitgehend jenen gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung – SIS Rückkehr, welcher die Datenkategorien festlegt, die im Zusammenhang mit einer Ausschreibung zur Rückkehr im SIS verarbeitet werden dürfen. Es handelt sich dabei um alphanumerische Daten, biometrische Daten wie Lichtbilder und Gesichtsbilder sowie daktyloskopische Daten (d.h. Abdrücke von Fingern und Handflächen). Künftig können auch weitere Informationen zu dem ausgeschriebenen Drittstaatsangehörigen eingegeben werden, wie beispielsweise, dass die betreffende Person selbstmordgefährdet ist, eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt oder an einer terroristischen Aktivität beteiligt ist (Art. 20 Abs. 2 der Verordnung – SIS Grenze). Neu ist auch der Hinweis, ob die Entscheidung über die Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im Zusammenhang mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche oder nationale Sicherheit erfolgte oder welche Art von Einreiseverbot oder Maßnahme zur Verhinderung der Einreise in das Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten oder der Durchreise durch dieses verfügt wurde (Art. 20 Abs. 2 lit. q leg. cit.), sowie gegebenenfalls die Art der Straftat (Art. 20 Abs. 2 lit. r leg. cit.). Sämtliche der in Art. 20 Abs. 2 leg. cit. genannten Daten sind in das SIS einzugeben, soweit sie verfügbar sind. Jede Ausschreibung hat aber zumindest den Namen, das Geburtsdatum, die Gründe für die Ausschreibung, eine Bezugnahme auf die der Ausschreibung zugrunde liegende Entscheidung, die zu ergreifende Maßnahme im Falle eines Treffers und einen Hinweis auf den Ausschreibungszweck zu enthalten (Mindestdatensatz gemäß Art. 22 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 2 lit. a, g, k, m, n und q leg. cit.). Die Voraussetzungen für die Eingabe von Ausschreibungen nach der Verordnung – SIS Grenze sind in den Art. 24 bis 26 leg. cit. normiert. Wie bisher hat eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung zu erfolgen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder für die öffentliche oder nationale Sicherheit darstellt. Eine Neuerung besteht, wie bereits erwähnt, in der verpflichtenden Eingabe von Einreiseverboten im Sinne der Rückführungsrichtlinie in das SIS (Art. 24 Abs. 1 lit. b leg. cit).

Darüber hinaus normiert die Verordnung – SIS Grenze Regeln für die Konsultationen bzw. den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, wenn diese Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung eingeben oder eingeben möchten, die mit Entscheidungen eines anderen Mitgliedstaates (Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums für den längerfristigen Aufenthalt) kollidieren, oder wenn sie umgekehrt Entscheidungen über die Gewährung eines Aufenthaltsrechts (Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums für den längerfristigen Aufenthalt) erwägen, die mit Ausschreibungen anderer Mitgliedstaaten zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung kollidieren würden.

Im Vergleich zur geltenden Rechtslage wurde außerdem die Liste der zum Zugriff auf das SIS berechtigten (nationalen) Behörden erweitert. So kann nunmehr etwa den Staatsbürgerschaftsbehörden gemäß Art. 34 Abs. 2 der Verordnung – SIS Grenze und Art. 44 Abs. 2 der Verordnung – SIS Polizei und Justiz zur Prüfung eines Einbürgerungsantrags ein Zugriffsrecht auf das SIS zum Zwecke der unmittelbaren Suchabfrage eingeräumt werden. Davon soll innerstaatlich Gebrauch gemacht werden, weshalb eine entsprechende Abfragebefugnis im Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 vorgesehen wird.

Die Verordnung – SIS Rückkehr ergänzt die Verordnung – SIS Grenze im Bereich der Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Sie legt die Voraussetzungen und Verfahren für die Eingabe und Bearbeitung von SIS-Ausschreibungen in Bezug auf illegal aufhältige Drittstaatsangehörige, gegen die eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ergangen ist, fest. Wird gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung erlassen, soll künftig grundsätzlich zwingend eine Ausschreibung zur Rückkehr im SIS erfolgen. Wird gegen den Drittstaatsangehörigen auch ein Einreiseverbot erlassen, soll dieser – wie bisher – erst dann im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben werden, wenn er den Schengenraum verlassen und dadurch die Gültigkeitsdauer des Einreiseverbotes zu laufen begonnen hat. Durch die Einführung der neuen Ausschreibungskategorie „Rückkehrentscheidung“ soll die Vollstreckung von Rückkehrentscheidungen in den Mitgliedstaaten verbessert und dadurch zur Bekämpfung illegaler Migration innerhalb der Europäischen Union beigetragen werden. Die neue Ausschreibungskategorie erleichtert auch die gegenseitige Anerkennung von Rückführungs- bzw. Rückkehrentscheidungen aufgrund der Richtlinie 2001/40/EG über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen, ABl. Nr. L 149 vom 2.6.2001 S. 34. Sobald eine Rückkehrentscheidung vollstreckt ist, hat die nationale Behörde die entsprechende Ausschreibung im SIS zu löschen und gegebenenfalls – d.h. wenn die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot verbunden ist – eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung einzugeben.

Die Daten, die in einer Ausschreibung zur Rückkehr enthalten sein sollen, werden in Art. 4 der Verordnung – SIS Rückkehr festgelegt und stimmen weitgehend mit jenen Daten, die zum Zwecke einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS eingegeben werden, überein. Zum Mindestdatensatz zählen dabei der Name, das Geburtsdatum, die Gründe für die Ausschreibung, eine Bezugnahme auf die der Ausschreibung zugrunde liegende Entscheidung, die zu ergreifende Maßnahme im Falle eines Treffers, der letzte Tag der Frist für die freiwillige Ausreise, sofern eine solche Frist gewährt wurde, sowie die Angabe, ob die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie verbunden ist (Art. 4 Abs. 2 lit. a, f, j, l, m, x und z leg. cit.).

Ähnlich wie in der Verordnung – SIS Grenze sind auch in der Verordnung – SIS Rückkehr Verfahren für die Konsultation und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehen, z.B. im Falle eines Treffers zu einer Ausschreibung zur Rückkehr oder wenn Ausschreibungen zur Rückkehr mit Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten (Aufenthaltstitel oder Visum für den längerfristigen Aufenthalt) kollidieren (Art. 6 bis 12 der Verordnung – SIS Rückkehr).

Beim Daten- und Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten spielen die nationalen SIRENE_Büros (Supplementary Information Request at the National Entry, vgl. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung – SIS Grenze, Art. 7 Abs. 2 der Verordnung – SIS Polizei und Justiz sowie § 4 Abs. 1 des Bundeskriminalamt-Gesetzes, BGBl. I Nr. 22/2002) eine zentrale Rolle als Kommunikationsdrehscheiben zwischen den zuständigen Einwanderungs-, Visum- und Grenzbehörden verschiedener Mitgliedstaaten. Während die einzelnen Ausschreibungen zur Rückkehr sowie zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS in jedem Mitgliedstaat sichtbar sind, können anhand eines Austauschs von Zusatzinformationen Informationslücken zwischen den Staaten geschlossen werden. Die zuvor genannten zuständigen Behörden sollen diesen Austausch von Zusatzinformationen im Wege des beim Bundeskriminalamt eingerichteten SIRENE-Büros und unter Beachtung des von der Europäischen Kommission erstellten und aufgrund der nunmehrigen Weiterentwicklung des Schengener Informationssystems anzupassenden SIRENE-Handbuchs vornehmen (vgl. dazu den Anhang des Durchführungsbeschlusses 2013/115/EU über das SIRENE-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II), ABl. Nr. L 71 vom 14.3.2013 S. 1). Zur Gewährleistung eines schnellen und effizienten Austauschs der Informationen ist diesen – im Einklang mit nationalem Recht – ein leichter direkter oder indirekter Zugang zu allen einschlägigen nationalen Informationen, einschließlich nationaler Datenbanken und aller Informationen zu den Ausschreibungen des betreffenden Mitgliedstaats, zu gewähren (vgl. Art. 7 Abs. 2 2. UAbs. der Verordnung – SIS Grenze). Auf nationaler Ebene werden zu diesem Zweck entsprechende Datenübermittlungsvorschriften erlassen oder ergänzt.

Art. 17 der Verordnung – SIS Rückkehr verweist hinsichtlich der zum Zugriff auf die Daten im SIS berechtigten Behörden auf Art. 34 der Verordnung – SIS Grenze. Somit haben dieselben nationalen Behörden Zugriff auf die Daten der Ausschreibungen zur Rückkehr und die Daten der Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung.

Aufgrund der mit diesen Verordnungen einhergehenden Änderungen betreffend das SIS in den Bereichen Polizei und Justiz, Rückkehr und Grenze (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) sind in den nationalen Materiengesetzen Anpassungen in den Bestimmungen zu Datenübermittlungen, Ausschreibungskategorien und den Kategorien der zu verarbeitenden Daten erforderlich. Diese Änderungen betreffen das EU – Polizeikooperationsgesetz (EU-PolKG), das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), das Grenzkontrollgesetz (GrekoG) sowie das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG).

Nähere Ausführungen zu den Verordnungen betreffend das EES:

Im Rahmen des vorliegenden Gesetzesvorhabens erfolgen neben den Anpassungen aufgrund der Verordnungen betreffend das SIS auch Anpassungen im nationalen Recht aufgrund

-       der Verordnung (EU) 2017/2226 über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Ein_und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011, ABl. Nr. L 327 vom 9.12.2017 S. 20 (im Folgenden: „EES-Verordnung“) sowie

-       der Verordnung (EU) 2017/2225 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Nutzung des Einreise-/Ausreisesystems, ABl. Nr. L 327 vom 9.12.2017 S. 1 (im Folgenden: „Verordnung zur Änderung des Schengener Grenzkodex“).

Diese Verordnungen wurden am 30. November 2017 angenommen und traten am 29. Dezember 2017 in Kraft. Sie stellen – ebenso wie die Verordnung – SIS Polizei und Justiz, die Verordnung – SIS Grenze und die Verordnung – SIS Rückkehr – eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dar. Hintergrund dieser Verordnungen war es, durch die Etablierung eines wirksamen Managements an den gemeinsamen Außengrenzen den erhöhten Sicherheitsbedenken Rechnung tragen, insbesondere da eine Zunahme von Reisen in die Europäische Union erwartet wird und innerhalb dieser grundsätzlich keine Kontrollen an den Binnengrenzen durchgeführt werden. Daher legte die Europäische Kommission erstmalig am 6. April 2016 Vorschläge zur Einführung eines Einreise-/Ausreisesystems für die Grenzübertritte aller Nicht-EU-Bürgerinnen und EU-Bürger vor, welche auf den Arbeiten zu „Intelligente Grenzen – SMART Borders“ aufbaute.

Ziel dieser Verordnungen ist es daher, das Management der Außengrenzen zu verbessern, die Durchführung der Grenzkontrolle durch verschiedene automatisierte Prozesse effizienter zu gestalten und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU besser zu überwachen.

Durch die EES-Verordnung wird ein Einreise-/Ausreisesystem zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen geschaffen. Es soll an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand vollständig anwenden, eingesetzt werden (Sondernormen für einen eingeschränkten Einsatz des EES bestehen für Staaten, die den Schengen-Besitzstand noch nicht vollständig anwenden) und wird von der Agentur der Europäischen Union für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA) betrieben. Die EES-Verordnung regelt allerdings nicht nur die Einrichtung des EES, sondern ändert auch in Geltung stehende unionsrechtliche Rechtsakte – das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 (VIS-Verordnung) und die Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 (eu-LISA-Verordnung). Letztere ist mittlerweile außer Kraft getreten und – mitsamt den Änderungen aufgrund der EES-Verordnung – durch die Verordnung (EU) 2018/1726 über die Agentur der Europäischen Union für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA), zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und des Beschlusses 2007/533/JI des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011, ABl. Nr. L 295 vom 21.11.2018 S. 99, ersetzt worden.

Mit dem EES sollen personenbezogene Daten von bestimmten Drittstaatsangehörigen bei der Ein- und Ausreise elektronisch erfasst werden. Es handelt sich dabei um Drittstaatsangehörige, die zu einem Kurzaufenthalt (d.h. für 90 Tage innerhalb von 180 Tagen) in der EU zugelassen sind (visumbefreite oder visumpflichtige Drittstaatsangehörige), um Drittstaatsangehörige, die Angehörige eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers oder eines aufgrund eines bilateralen Abkommens freizügigkeitsberechtigten Drittstaatsangehörigen sind, aber selbst keine Aufenthaltskarte nach der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. Nr. L 158 vom 30.04.2004 S. 77, in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, ABl. Nr. L 141 vom 27.05.2011 S. 1(im Folgenden: Freizügigkeitsrichtlinie) besitzen, sowie um Drittstaatsangehörige, denen die Einreise für einen Kurzaufenthalt an der Außengrenze verweigert wird (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 der EES-Verordnung). Zu jedem dieser Drittstaatsangehörigen erstellt die Grenzkontrollbehörde ein persönliches EES-Dossier. Für die Erstellung und Aktualisierung des Dossiers eines Visuminhabers können Daten aus dem VIS in das EES importiert werden. Zu diesem Zweck soll das EES mit dem VIS verknüpft werden.

Durch ein eigenes Berechnungssystem ermöglicht das EES die automatisierte Berechnung der zulässigen Aufenthaltsdauer der Drittstaatsangehörigen. Die elektronische Erfassung der Daten soll dabei die Verpflichtung zur Abstempelung der Reisedokumente dieser Drittstaatsangehörigen ersetzen. Bisher konnte die zulässige Aufenthaltsdauer dieser Drittstaatsangehörigen nur anhand der in den Reisedokumenten manuell angebrachten Stempel berechnet werden, welche jedoch fälschungsanfällig und teilweise schwer lesbar waren. Durch Erfassung der Daten dieser Drittstaatsangehörigen im EES wird dem abgeholfen. Es soll dadurch auch die Effizienz der Grenzkontrolle erhöht werden. Als Ausgleich zum Wegfall der manuellen Abstempelung sieht die EES-Verordnung für Behörden, die für die Überwachung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zuständig sind, einen unmittelbaren Zugriff auf das EES vor. Diese können somit künftig anhand des EES den Zeitpunkt und den Ort der Ein- bzw. Ausreise dieser Drittstaatsangehörigen überprüfen.

Das EES trägt darüber hinaus zur Identifizierung von Personen bei, die die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer des zulässigen Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht oder nicht mehr erfüllen (Aufenthaltsüberzieher). Zu diesem Zweck sieht die EES-Verordnung die Verarbeitung von biometrischen Daten vor. Im EES wird sowohl von Drittstaatsangehörigen, die von der Visumpflicht befreit sind, als auch von jenen, die im Besitz eines Visums sind und für einen Kurzaufenthalt in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen, das Gesichtsbild im EES erfasst. Von visumbefreiten Drittstaatsangehörigen werden zudem Fingerabdrücke im EES verarbeitet. Fingerabdruckdaten von visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen werden – bereits nach der geltenden Rechtslage – auch im VIS erfasst, auf das über das EES zugegriffen werden kann.

Um den Visumbehörden Abfragen aus dem EES zu ermöglichen, wird durch Art. 61 der EES‑Verordnung auch die VIS-Verordnung angepasst. Angepasst werden unter anderem der Umfang der anlässlich der Erteilung (Art. 10 der VIS-Verordnung) und der Annullierung (Art. 13 leg. cit.) eines Visums zu verarbeitenden personenbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit der Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Visums bestehenden Abfrageberechtigungen (Art. 15 leg. cit.), die Abfrageberechtigungen der Grenzbehörden im VIS anlässlich des Grenzübertritts (Art. 18 leg. cit.) sowie der Abgleich mit dem VIS vor Anlage des persönlichen Dossiers im EES (Art. 19a leg. cit.). Außerdem wird eine Bestimmung zur Interoperabilität mit dem EES eingefügt (Art. 17a leg. cit.). Umgekehrt erfolgt künftig auch im Visaverfahren ein Zugriff auf das EES: so sieht Art. 24 der EES-Verordnung vor, dass die Visumbehörden zur Prüfung von Visumanträgen und zur Entscheidung über diese das System abfragen können.

Der enge Konnex zwischen der Datenverarbeitung im EES und jener im VIS macht es erforderlich, dass eu-LISA eine Kommunikationsinfrastruktur zwischen dem EES und dem VIS herstellt (Interoperabilität zwischen dem EES und dem VIS). Dadurch soll sichergestellt werden, dass Anfragen direkt über das EES an das VIS und umgekehrt gestellt werden können, was den Arbeitsaufwand der Behörden reduzieren soll.

Darüber hinaus kann gemäß Art. 29 der EES-Verordnung für Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten den innerstaatlich hierfür zuständigen Behörden Zugang zu den EES-Daten im Wege einer oder mehrerer zentraler Zugangsstellen gewährt werden. Hierbei erhalten diese Behörden nicht unmittelbar Zugriff auf die im EES gespeicherten Daten, sondern müssen gemäß Art. 31 der EES-Verordnung einen begründeten Antrag an die zentrale Zugangsstelle stellen. Diese prüft, ob die Bedingungen für den Zugang zu den EES-Daten gemäß Art. 32 erfüllt sind, und übermittelt gegebenenfalls diese Daten. Die Möglichkeit der Nutzung der EES-Daten zu den oben genannten Zwecken ergibt sich unmittelbar aus der Verordnung. Innerstaatlich sind lediglich die hierfür zuständigen zentralen Zugangsstellen festzulegen, an die die für diese Aufgaben zuständigen Behörden einen Antrag auf Zugang zu bestimmten EES-Daten stellen können.

Die Änderungen der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) stehen in Zusammenhang mit der Einführung des EES. Es werden unter anderem eine Pflicht des einreisewilligen Drittstaatsangehörigen zur Abgabe biometrischer Daten zum Zweck der Anlegung des persönlichen Dossiers normiert sowie Einzelheiten der Durchführung der Grenzübertrittskontrolle, die Verwendung von Self-Service-Systemen zur Vorabeingabe von Daten in das EES und die Verwendung von e-Gates beim Grenzübertritt sowie die Möglichkeit der Abstempelung von Reisedokumenten (neu) geregelt.

Der Einsatz von Self-Service-Systemen und e-Gates soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Grenzkontrolle soweit wie möglich zu automatisieren und arbeitsintensive Prozessschritte – wie etwa die Erfassung von biometrischen Daten und die Durchführung von Einreisebefragungen – über ein entsprechendes Gerät abzuwickeln. Dies trägt erheblich zur Beschleunigung des Prozesses des Grenzübertritts bei.

Die Bestimmungen der EES-Verordnung und der Verordnung zur Änderung des Schengener Grenzkodex sind grundsätzlich unmittelbar anwendbar und bedürfen keiner Umsetzung im innerstaatlichen Recht. Da den zuständigen Behörden für Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten gemäß Art. 29 der EES-Verordnung Zugang zu EES-Daten über eine oder mehrere zentrale Zugangsstellen gewährt werden kann, werden im EU – Polizeikooperationsgesetz (EU_PolKG) diese zentralen Zugangsstellen – welche innerhalb des BMI eingerichtet werden – benannt. In Ergänzung zu Art. 45 der EES-Verordnung erfolgt lediglich eine Klarstellung in § 3 Abs. 4 EU-PolKG hinsichtlich der Haftung des Bundes sowie der Anwendung der Bestimmungen der Amtshaftungsgesetzes. Darüber hinaus ist aufgrund der Änderung des Schengener Grenzkodex eine Anschlussbestimmung im Grenzkontrollgesetz (GrekoG) erforderlich.

Des Weiteren sollen durch das gegenständliche Gesetzesvorhaben erforderliche Anpassungen und Präzisierungen im BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) und im Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) vorgenommen werden, um den Bedürfnissen des Vollzugs Rechnung zu tragen und Rechtssicherheit herzustellen. Es handelt sich hierbei um geringfügige Änderungen, die aufgrund des engen inhaltlichen Konnexes zu jenen Anpassungen, die vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben ergehen (insbesondere der Schaffung von Datenverarbeitungsbestimmungen) geboten sind.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 20. Oktober 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl die Abgeordneten Christian Ries, Ing. Reinhold Einwallner sowie der Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, N, dagegen: S) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1103 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 10 20

                          Mag. Wolfgang Gerstl                                                             Karl Mahrer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann