OTA-Gesetz

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Durch die Schaffung des neuen Gesundheitsberufs Operationstechnische Assistenz werden neue Berufsreglementierungen normiert, die auf Grund des Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetzes (VPG), BGBl. I Nr. 67/2021, in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung erfordern.

Gemäß § 6 VPG werden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung folgende Inhalte geprüft:

1.     Rechtfertigung durch Ziele des Allgemeininteresses, die konkreten Risiken entgegenwirken sollen;

2.     Geeignetheit und Angemessenheit der Regelung;

3.     Verhältnismäßigkeit der Regelung unter Berücksichtigung gelinderer Mittel;

4.     Verhältnis zu bestehenden Vorschriften und kombinatorische Effekte insbesondere in Bezug auf bestimmte berufsrechtliche Anforderungen;

5.     Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr, die Wahlmöglichkeit für Verbraucher und die Qualität der Dienstleistung;

6.     berufsspezifische Zusammenhänge zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Berufsqualifikation;

7.     spezifische Anforderungen an die vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen;

8.     Nichtdiskriminierung.

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird nach dem in der Anlage des VPG angeführten Prüfschema durchgeführt.

1. Allgemeininteresse:

a. Aufgrund welchen Allgemeininteresses ist die Regelung erforderlich?

Die Erforderlichkeit der Reglementierung von Berufen, die bei operativen Eingriffen an Menschen assistieren, liegt im Allgemeininteresse der öffentlichen Gesundheit.

b. Bei der Reglementierung von Gesundheitsberufen, die Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben, dient diese der Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus?

Die Operationstechnische Assistenz ist als Gesundheitsberuf reglementiert, die Regelungen, die Mindestanforderungen an die Ausbildung sowie die Erfordernisse an die Berufsangehörigen normieren, dienen der Sicherheit der Patient:innen, die sich einer Operation unterziehen, und stellen durch diese Anforderungen das erforderliche Gesundheitsschutzniveau sicher.

c. Welchen Risiken für Berufsangehörige, Verbraucher:innen und Dritte soll das angestrebte Ziel des Allgemeininteresses entgegenwirken?

Eine Nichtreglementierung der Ausbildung und des Berufs der Operationstechnischen Assistenz würde bedeuten, dass Personen, die Assistenzleistungen für den operierenden Arzt/die operierende Ärztin am/an der Patient:in erbringen, den/die Patient:in für die Operation vor- und nachbereiten sowie die Funktionsfähigkeit der Operationseinheit sicherstellen, nicht über eine gesetzlich vorgesehene Ausbildung verfügen. Dies würde das Risiko für Patient:innen als Verbraucher:innen bergen, dass die Ablauf-, Aufbereitungs-, Desinfektions- und Sterilisationsprozesse und -maßnahmen im Operationsbereich nicht aufgrund gesicherter Qualifikationsanforderungen an die Operationstechnischen Assistenz erfolgen und dass diese damit einem erhöhten Gesundheitsrisiko bei Operationen ausgesetzt wären. Die operierenden Ärzt:innen könnten sich nicht auf qualitätsgesicherte Assistenzleistungen verlassen und die Krankenhausträger hätten eine erhöhte Organisationsverantwortung, wenn das Personal nicht über eine entsprechende spezialisierte Ausbildung verfügt.

2. Angemessenheit

Inwiefern ist die Regelung geeignet, die Ziele des genannten Allgemeininteresses in systematischer und kohärenter Weise zu erreichen (Angemessenheit) und inwiefern wird den Risiken bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise entgegengewirkt?

Durch die Reglementierung des Berufs und der Ausbildung der Operationstechnischen Assistenz wird den unter Punkt 1.c. dargelegten Risiken zielgerichtet entgegengewirkt, indem die Berufsqualifikation für die diesem Beruf zufallenden Tätigkeiten ein qualitätsgesichertes Zusammenarbeiten im OP garantiert und damit die Patientensicherheit für Personen, die sich einer Operation unterziehen, gewährleistet ist. Die Gesundheitsversorgung von Menschen erfordert ein qualitätsgesichertes interprofessionelles Handeln der Berufsangehörigen der Gesundheitsberufe, dies ist durch die Reglementierung der Ausbildung und des Berufsbildes der einzelnen Gesundheitsberufe gewährleistet.

3. Verhältnismäßigkeit in Bezug auf gelindere Mittel

Weshalb ist das angestrebte Ziel nicht durch gelindere Mittel oder bestehende Regelungen erreichbar (Verhältnismäßigkeit)? Warum kann das Ziel nicht durch Maßnahmen erreicht werden, die gelinder sind, als die Tätigkeiten vorzubehalten, dies insbesondere wenn die Vorschriften nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken?

Leben und Gesundheit von Menschen sind das höchste Gut, das besonderen Schutzes durch die Rechtsordnung bedarf. Insbesondere Patient:innen sind eine besonders vulnerable Personengruppe, die sich ex ante darauf verlassen können müssen, dass nur qualifizierte Berufsangehörige Gesundheitsdienstleistungen an ihnen durchführen. Durch gelindere Mittel als der Reglementierung der erforderlichen Berufsqualifikation für gesundheitsberufliche Tätigkeiten am Menschen, wie beispielsweise ausschließlich verbraucherschutzrechtliche oder haftungsrechtliche Maßnahmen, kann kein ausreichender Schutz von Leben und Gesundheit der Patient:innen gewährleistet werden, zumal derartige Maßnahmen erst nach dem Eintritt eines Schadens ex post greifen würden.

4. Kombinatorische Effekte

In welchem Verhältnis stehen die Regelungen zu bestehenden Vorschriften, die den Berufszugang oder dessen Ausübung beschränken? Wie tragen die neuen oder geänderten Regelungen kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben im Allgemeininteresses liegenden Ziel bei und sind sie hiefür notwendig?

Folgende Anforderungen sind für die neuen Berufsreglementierungen relevant:

-       Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnung oder Berufsqualifikationen für die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten;

-       Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Fortbildung;

-       Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind.

Diese Anforderungen, die dem Schutz der Patient:innen dienen und dementsprechend allen Gesundheitsberufen immanent sind, sollen auch für den neuen Gesundheitsberuf Operationstechnische Assistenz gelten.

-       Registrierungsregelungen, die an den Besitz der Berufsqualifikation gebunden sind

Die meisten Gesundheitsberufe sind mittlerweile in Berufsregistern mit dem Ziel der Transparenz, der Qualitätssicherung und der Planung im Gesundheitswesen eingetragen. Die Registrierung der Berufsangehörigen des neuen Gesundheitsberufs Operationstechnische Assistenz dient ebenfalls diesen Zwecken und erleichtert darüber hinaus auch die Überprüfung und Evaluierung der neuen Regelungen im Hinblick auf die Akzeptanz, das Funktionieren und nicht zuletzt die Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

5. Auswirkungen

Welche Auswirkungen haben die Regelungen auf

a.     den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr,

b.     die Wahlmöglichkeit für Verbraucher:innen,

c.      die Qualität der Dienstleistung?

In welcher Weise wurden diese Auswirkungen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt?

a.     Der freie Personen- und Dienstleistungsverkehr ist durch die Regelung nicht beeinträchtigt, da eine Anerkennung der im Herkunftsstaat erworbenen Berufsqualifikation nach den Bestimmungen der Richtlinie 2005/36/EU vorgesehen ist.

b.     Auch die Wahlmöglichkeit für Verbraucher:innen (im gegebenen Setting Patient:innen) ist durch die Regelung nicht beeinträchtigt, da Operationstechnische Assistent:innen im Operationsteam des jeweiligen Leistungserbringers (Krankenanstalt, ärztliche Ordination, Gruppenpraxis, Primärversorgungseinheit) eingesetzt werden und der/die Patient:in weiterhin die freie Entscheidung über den die jeweilige Operation betreffenden Behandlungsvertrag hat.

c.      Bei der vorgesehenen Regelung steht die Qualität der Dienstleistung, die durch die verpflichtende Berufsqualifikation der Operationstechnischen Assistenz jedenfalls gewährleistet ist, im Vordergrund.

6. Berufsspezifische Zusammenhänge

Die folgenden Anforderungen sind zu prüfen, sofern sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind.

a. Welcher Zusammenhang besteht zwischen

           1. dem Umfang der von einem Beruf erfassten oder einem Beruf vorbehaltenen Tätigkeiten und der erforderlichen Berufsqualifikation,

           2. der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die sie wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf Niveau, Eigenart und Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung,

           3. dem Grad an Autonomie bei der Ausübung des Berufs und den Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere, wenn die mit dem Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen?

Das Berufsbild der Operationstechnischen Assistenz umfasst die eigenverantwortliche perioperative Betreuung und Versorgung der Patient:innen sowie die Assistenz des/der Arztes/Ärztin bei operativen Eingriffen.

Die im Rahmen dieses Berufsbildes der Operationstechnischen Assistenz zufallenden Kompetenzen umfassen im OP-Bereich, in der Notfallambulanz, im Schockraum, in der Endoskopie und in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP)

-       das Instrumentieren in allen operativen Fachrichtungen einschließlich Vorbereitung der erforderlichen Instrumente, Apparate und Materialien,

-       die Durchführung operationsspezifischer Lagerungen und Positionierungen,

-       einfache intraoperative Assistenz,

-       die Vorbereitung und Koordination der Arbeitsabläufe zur Herstellung der Funktionsfähigkeit einer Operationseinheit für die Durchführung operativer Eingriffe,

-       die OP-Dokumentation und

-       die präoperative Übernahme und postoperative Übergabe der Patient:innen und Patientendaten

unter Berücksichtigung der notwendigen Ablauf-, Aufbereitungs-, Desinfektions- und Sterilisationsprozesse und -maßnahmen im Rahmen des Medizinproduktekreislaufs.

In der multiprofessionellen Zusammenarbeit trägt die Operationstechnische Assistenz im Rahmen ihres Berufsbildes zur Aufrechterhaltung der Behandlungskontinuität bei, insbesondere bei Hygienemanagement, Versorgung von Präparaten und Explantaten, Mitwirkung beim Qualitäts- und Risikomanagement, Mitwirkung bei der Planung des Operationsbetriebes, Mitwirkung in der Ausbildung und Anleitung von Auszubildenden, Mitwirkung an der Weiterentwicklung von Handlungsabläufen, Standards, Prozessoptimierung, Medizinprodukten, Zulassungsverfahren.

In die Kompetenz der Operationstechnischen Assistenz bei Notfällen fallen das Erkennen und Einschätzen von Notfällen und Setzen entsprechender Maßnahmen sowie die eigenverantwortliche Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen, solange und soweit ein:e Arzt/Ärztin nicht zur Verfügung steht.

Voraussetzung für den Erwerb der erforderlichen Kompetenzen für diesen medizinisch und technisch hochwertigen Beruf, der großteils in Eigenverantwortung in Krankenanstalten, ärztlichen Ordinationen und Gruppenpraxen sowie Primärversorgungseinheiten ausgeübt wird, ist die Absolvierung einer dreijährigen Vollzeitausbildung im Umfang von 4 600 Stunden (1 600 Stunden Theorie, 3 000 Stunden klinische Ausbildung) an staatlich bewilligten Ausbildungsstätten. Die fachliche Expertise und der internationale Vergleich haben ergeben, dass die qualitätsgesicherte Vermittlung des Qualifikationsprofils sowie die Gewährleistung des Theorie-Praxis-Transfers eine mindestens dreijährige Ausbildungsdauer erfordert. Im Hinblick auf einen niederschwelligen Zugang zur Ausbildung ist diese grundsätzlich auf Sekundarniveau angesiedelt, kann aber auch im Kombination mit hochschulischen Ausbildungen angeboten werden kann.


b. Kann die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen erlangt werden?

Die berufliche Qualifikation für die Ausübung des Berufs der Operationstechnischen Assistenz kann grundsätzlich nur durch Absolvierung der gesetzlich geregelten Ausbildung erworben werden. Allerdings entspricht der spezialisierte Beruf der Operationstechnischen Assistenz der Spezialisierung Pflege im Operationsbereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits-und Krankenpflege, sodass die Berechtigung zur Durchführung der entsprechenden Tätigkeiten auch diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen mit dieser Spezialisierung zukommt (siehe dazu lit. c). Darüber hinaus sind besondere Regelungen für die Durchlässigkeit des medizinischen Assistenzberufs Operationsassistenz vorgesehen (siehe lit. c) und es gelten allgemein die zwischen gesundheitsberuflichen Ausbildungen möglichen Anerkennungsregelungen.

c. Können die dem Beruf vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden und warum?

Das neu geschaffenen Berufsbild Operationstechnische Assistenz entspricht der Spezialisierung Pflege im Operationsbereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, sodass für den Einsatz im Operationsbereich diese beiden Berufe gleichermaßen eingesetzt werden können. Was die Kompetenzen der Operationstechnischen Assistenz in der Notfallambulanz, im Schockraum, in der Endoskopie und der Medizinprodukteaufbereitungseinheit betrifft, so fallen diese auch in die allgemeinen Kompetenzbereiche des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege und werden somit mit diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen auch ohne Spezialisierung geteilt.

Bestimmte prä- und postoperative Tätigkeiten sowie patientenferne perioperative Tätigkeiten werden auch mit dem medizinischen Assistenzberuf Operationsassistenz geteilt. In der neuen Reglementierung der Operationstechnischen Assistenz wird gegenüber dem medizinischen Assistenzberuf Operationsassistenz auch ein Anordnungs- und Aufsichtsverhältnis festgeschrieben.

d. Gibt es im Bereich des Berufs relevante wissenschaftliche und technologische Entwicklungen, die Auswirkungen auf den Abbau oder die Verstärkung der Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbraucher:innen haben? Wie werden diese Entwicklungen berücksichtigt?

Bei dem neuen spezialisierten Beruf der Operationstechnischen Assistenz handelt es sich um einen hochtechnisierten Beruf im Bereich der Operationstechnik, der laufenden wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen unterliegt. Ein Abbau der Informationsasymmetrie zwischen den Berufsangehörigen und den Verbraucher:innen (hier: Patient:innen) ist daher nur schwer realisierbar. Grundsätzlich obliegt die Aufklärung über die Durchführung der Operation den operierenden Ärzt:innen bzw. Anästhesist:innen. Die Berufsangehörigen der Operationstechnischen Assistenz tragen allerdings im Zuge der Vorbereitung der Patient:innen auf die Operation zur weiteren informativen Kommunikation bei.

7. Vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen

Wie ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf spezifische Anforderungen für die vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen sichergestellt, z.B. im Hinblick auf

a.     eine automatische vorübergehende Eintragung oder einer Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2005/36/EG;

b.     eine vorherige Meldung einschließlich der geforderten Dokumente gemäß Artikel 7 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2005/36/EG oder eine sonstige gleichwertige Anforderung;

c.      die Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zum Beruf oder dessen Ausübung gefordert werden;

d.     sonstige Anforderungen.

Da die Operationstechnische Assistenz im Hinblick auf ihre Anbindung an Einrichtungen, an denen Operationen durchgeführt werden, nicht freiberuflich tätig werden darf, kommt eine vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen nicht in Betracht.

8. Nichtdiskriminierung

Bewirkt die Regelung eine direkte oder indirekte Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes, wenn ja, aus welchen Gründen ist eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt?

Die Regelung entfaltet weder eine direkte noch indirekte Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes.