Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Gemäß EU-Ratsempfehlung 2016/C 349/01 sind insbesondere Mitgliedstaaten der Eurozone dazu angehalten, Produktivitätsräte oder -ausschüsse einzurichten. Diese sollen sich untereinander vernetzen und die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Produktivität analysieren. Hintergrund dafür ist, dass diese Merkmale für entwickelte Volkswirtschaften in einer Währungsunion etwa aufgrund der fehlenden Möglichkeit, individuell Wechselkurse zu gestalten, besondere wirtschaftspolitische Relevanz besitzen. Zudem sind im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise makroökonomische Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als verstärkende Elemente in den Fokus gerückt. Institutionelle Einrichtungen wie Produktivitätsräte und -ausschüsse können hier bei der Überwachung helfen. Sie tragen auch dazu bei, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit in der Union zu verbessern, wodurch sich die Fähigkeit der Schockabsorption erhöht. Eine Einrichtung von Produktivitätsräten oder – ausschüssen dient damit auch der Stabilität der Eurozone und der Finanzmarktstabilität.

Die Ratsempfehlung lässt es den Mitgliedstaaten frei, die vorgesehenen Aufgaben eines Produktivitätsrates oder -ausschusses einer geeigneten (d.h. vor allem unabhängigen) bestehenden Institution zu übertragen oder eine solche neu zu schaffen. Im Sinne der Verwaltungseffizienz und um Synergieeffekte zu nutzen, soll mit dem vorliegenden Entwurf in Österreich der Produktivitätsrat organisatorisch vom Sekretariat des Fiskalrates mitbetreut werden. Dazu sind zahlreiche Anpassungen erforderlich, die zur besseren Übersicht in Form eines neu zu erlassenden Gesetzes erfolgen sollen. Die Kernaufgaben des Fiskalrates selbst bleiben davon unberührt.

Besonderer Teil

Zu § 1:

Dieser Teil repliziert mit geringfügigen Anpassungen die bestehenden Aufgaben des Fiskalrates, die gemäß europarechtlicher Vorgaben weiterhin zu erfüllen sind. Künftig soll der Fiskalrat auch regelmäßig – nun explizit angeführt – die Qualität makroökonomischer und budgetärer Prognosen analysieren.

Was die fiskalpolitischen Ziele Österreichs iSd § 1 Z 1 und der geänderten Z 3 sind, war in der Vergangenheit nicht klar abgegrenzt und somit Gegenstand von Diskussionen. Hier soll durch den Verweis auf die Definitionen des B-VG und des BHG 2013 weiter präzisiert werden. Das B-VG legt in Art. 13 Abs. 2 und 3 fest, dass bei der Haushaltsführung ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, ein nachhaltig geordneter Haushalt sowie die Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben sind. Diese drei Ziele stellen die Oberziele der Haushaltsführung dar, die sich auch im BHG 2013 widerspiegeln. Das in Art. 13 Abs. 2 B-VG definierte Oberziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wird in § 2 Abs. 3 BHG 2013 nach Vorbild des Art. 3 Abs. 3 EUV weiter definiert als

•              ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität,

•              ausgewogenes Wirtschaftswachstum,

•              Preisstabilität,

•              eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft,

•              Vollbeschäftigung und

•              sozialer Fortschritt.

Zu Z 2 ist anzumerken, dass das Wachstumsziel sowohl im quantitativen Sinn, also reales Wachstum, als auch im qualitativen Sinn, also Zunahme der Lebensqualität, Verteilung des Wachstums und Nachhaltigkeit, zu verstehen ist.

Das Ziel der nachhaltig geordneten öffentlichen Haushalte spiegelt die Ausrichtung der Budgetpolitik wider. Mit Nachhaltigkeit in diesem Sinne nicht vereinbar sind eine unangemessene öffentliche Verschuldung sowie persistente öffentliche Defizite. Dabei spielen auch budgetäre Effekte durch unzureichende Emissionsreduktion (Stichwort: Klimaschutz) eine wichtige Rolle. Im Gegensatz dazu ist das budgetpolitische Ziel eines über den Konjunkturzyklus ausgeglichenen Haushaltes mit diesem Ziel vereinbar.

Das im Art. 13 Abs. 3 B-VG definierte Ziel der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern entspricht dem international etablierten Konzept des Gender-Budgeting. Hier steht die Verteilungswirkung der Budgetpolitik auf die Geschlechter bei Mittelaufbringung sowie -verwendung im Mittelpunkt.

In den schriftlichen Empfehlungen oder im Rahmen der Berichte des Fiskalrates kann explizit vermerkt werden, ob die Empfehlungen einstimmig gefasst wurden. In diesem Zusammenhang können inhaltliche Diskussionspunkte sowie von den Empfehlungen abweichende Meinungen im Fiskalrat im Bericht dokumentiert werden. Dies gilt in gleicher Weise für den gemäß § 5 einzurichtenden Produktivitätsrat.

Zu § 2:

Um die Aufgaben umfassend wahrnehmen zu können, soll der Fiskalrat aus 15 Mitgliedern bestehen. Auf eine entsprechende fachliche Expertise der Mitglieder des Fiskalrates ist zu achten. Unter anerkannten Expertinnen oder Experten sind insbesondere Personen zu verstehen, die im jeweiligen Fachbereich wissenschaftliche Arbeiten in renommierten Journalen publiziert bzw. ihren Forschungsschwerpunkt haben.

Um die Unabhängigkeit des Fiskalrates zu gewährleisten ist Transparenz in Bezug auf relevante externe Interessen notwendig. Daher sollen dementsprechende Tätigkeiten, wie z. B. berufliche Tätigkeiten, Lehraufträge, oder Publikationstätigkeiten, sofern eine interessengetriebene Einflussnahme nicht komplett auszuschließen ist, offengelegt werden. Zum Zweck der Operationalisierung dieser Transparenzbestimmung sollen weitere Details im Rahmen der Geschäftsordnung festgehalten werden. Die Offenlegung soll im Rahmen der Kurzbiografien des jeweiligen Mitglieds auf der Homepage abrufbar sein und nach Möglichkeit aktuell gehalten werden.

Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Zusammensetzung des Fiskalrates soll durch einen angestrebten Frauenanteil in Höhe von 50% sichergestellt werden.

Da die Funktionsfähigkeit des Fiskalrates stets erhalten bleiben muss, werden die Konsequenzen des Fernbleibens von Sitzungen nun explizit gesetzlich geregelt.

Scheidet ein Mitglied des Fiskalrates vorzeitig aus dieser Funktion aus, ist die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger auf die volle Funktionsperiode von sechs Jahren zu bestellen. Dies gilt in gleicher Weise für ein stellvertretendes Mitglied. Die übrigen Bestimmungen folgen im Wesentlichen den bisherigen Vorgaben für den Fiskalrat.

Zu § 3:

Die Modalitäten für den Fiskalrat entsprechen weitgehend den bisherigen Regelungen. Der Fiskalrat soll mindestens viermal jährlich und sooft es die Aufgaben erfordern zusammentreten. Auf eine angemessene Sitzungsverteilung im Kalenderjahr ist zu achten, um einen regelmäßigen Austausch sicherzustellen. Die Sitzungen des Fiskalrates sollen zudem ad hoc auf schriftliches Verlangen von drei stimmberechtigten Mitgliedern binnen einer Woche stattfinden.

Die Beschlussfähigkeit ist bei einem Mindestquorum von sieben stimmberechtigten Mitgliedern (einschließlich der Präsidentin bzw. des Präsidenten) gegeben.

Der Fiskalrat soll seine Arbeit ausgewogen erfüllen, dies ist bei der Auswahl der beigezogenen Expertinnen bzw. Experten zu berücksichtigen.

Die Aufgaben der Oesterreichischen Nationalbank und die Kostentragung des Fiskalrates bleiben unverändert. Um eine fundierte Analyse und Debatte des Fiskalrates zu gewährleisten, wird die Datenbereitstellung präzise geregelt.

Zu § 4:

Die Entsendungsregeln sind – unter Beachtung der fachlichen Anforderungen – flexibel gestaltet, sodass auch Personen, die als Mitglied zum Europäischen Parlament wählbar sind, in den Fiskalrat entsendet werden können.

Zu § 5:

§ 5 definiert die Aufgaben des neugeschaffenen Produktivitätsrates: Um der Empfehlung des Rates 2016/C 349/01 möglichst präzise zu entsprechen, wird in der Zielsetzung des Produktivitätsrates weitgehend der deutschen Sprachfassung gefolgt.

Zu Z 2: Zur Präzisierung des Wortes „Politikbereichen“ wird insbesondere auf die Definition der Staatsziele, analog zu § 1 Z 1, verwiesen.

Zu Z 4: Es soll auch auf Entwicklungen im europäischen Rahmen, bspw. das Europäische Semester und der „European Green Deal“, seit den Empfehlungen des Rates aus dem Jahr 2016, eingegangen werden. Der „European Green Deal“ wurde 2019 von der Europäischen Kommission als neue Wachstumsstrategie vorgestellt und bspw. im Rahmen der Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum implementiert. Das Fundament der Strategie bilden vier komplementäre Dimensionen:

ökologische Nachhaltigkeit,

Produktivitätszuwächse,

Fairness und

Makroökonomische Stabilität

Siehe hierzu u.a. Europäische Kommission, {SWD(2019) 650 final}

Die Zielsetzung soll somit auch in Übereinstimmung mit Art. 152 AEUV erfolgen und es soll weiters Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Berücksichtigung finden. Dementsprechend soll nicht das Recht, nach den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen oder durchzusetzen oder kollektive Maßnahmen zu ergreifen, beeinträchtigt werden.

Analog zum Fiskalrat sollen neben der analytischen Tätigkeit auch Empfehlungen erteilt und über deren Umsetzung an den Nationalrat berichtet werden. Um den internationalen Kontext von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität deutlich abzubilden, wird – wie dies auch bei den Fiskalräten Usus ist – der Austausch mit anderen Produktivitätsräten und -ausschüssen explizit angeführt. Auch der Öffentlichkeitswirkung und Transparenz wird ein entsprechender Stellenwert eingeräumt.

Die Bestimmung stellt in einer Aufzählung klar, dass Produktivität nicht nur in Sinne von Kennzahlen der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu sehen ist, sondern auch Aspekte der ökologischen Transformation und sozialen Verantwortung in Diskussionen und Analysen einfließen sollen. Zu der hier festgesetzten multi-dimensionalen Darstellung von Produktivität und damit langfristigem Wachstum wird auch in Österreich regelmäßig publiziert; siehe dazu u.a. Peneder, Köppl, Leoni, Mayerhofer, „A WIFO Radar of Competitiveness for the Austrian Economy“, Q 3 2021 in WIFO Reports on Austria.

Zu § 6:

Um die Aufgaben umfassend wahrnehmen zu können soll der Produktivitätsrat aus fünf Personen bestehen. Auf eine entsprechende fachliche Expertise der Mitglieder ist zu achten. Im Sinne der Ressourceneffizienz wird der Vorsitz des Produktivitätsrates von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Fiskalrates wahrgenommen.

Unter anerkannten Expertinnen oder Experten sind insbesondere Personen zu verstehen, die im jeweiligen Fachbereich wissenschaftliche Arbeiten in renommierten Journalen publiziert bzw. ihren Forschungsschwerpunkt haben.

Um die Unabhängigkeit des Produktivitätsrates zu gewährleisten ist Transparenz in Bezug auf relevante externe Interessen notwendig. Daher sollen dementsprechende Tätigkeiten, wie z. B. berufliche Tätigkeiten, Lehraufträge oder Publikationstätigkeiten, sofern eine interessengetriebene Einflussnahme nicht komplett auszuschließen ist, offengelegt werden. Zum Zweck der Operationalisierung dieser Transparenz­bestimmung sollen weitere Details im Rahmen der Geschäftsordnung festgehalten werden. Die Offenlegung soll im Rahmen der Kurzbiografien des jeweiligen Mitglieds auf der Homepage abrufbar sein sein und nach Möglichkeit aktuell gehalten werden.

Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Zusammensetzung des Produktivitätsrates soll durch einen angestrebten Frauenanteil in Höhe von 50% der Mitglieder und Ersatzmitglieder sichergestellt werden.

Da die Funktionsfähigkeit des Produktivitätsrates stets erhalten bleiben muss, werden die Konsequenzen des Fernbleibens von Sitzungen explizit gesetzlich geregelt.

Scheidet ein Mitglied des Produktivitätsrates vorzeitig aus dieser Funktion aus, ist die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger auf die volle Funktionsperiode von sechs Jahren zu bestellen. Dies gilt in gleicher Weise für ein stellvertretendes Mitglied.

Zu § 7

Der Produktivitätsrat soll sooft es die Aufgaben erfordern, mindestens jedoch zweimal pro Jahr, zusammentreten. Auf eine angemessene Sitzungsverteilung im Kalenderjahr ist zu achten, um einen regelmäßigen Austausch sicherzustellen. Die Sitzungen des Produktivitätsrates sollen zudem ad hoc auf schriftliches Verlangen von zwei Mitgliedern stattfinden.

Die Beschlussfähigkeit des Produktivitätsrates ist bei einem Mindestquorum von drei (einschließlich der bzw. des Vorsitzenden) gegeben.

Der neu geschaffene Produktivitätsrat soll seine Arbeit ausgewogen erfüllen, dies ist bei der Auswahl der beigezogenen Expertinnen bzw. Experten zu berücksichtigen.

Um eine fundierte Analyse und Debatte des Fiskalrates (§ 3) sowie des Produktivitätsrates zu gewährleisten, wird die Datenbereitstellung präzise geregelt.

Zur Sicherstellung eines hohen Qualitätsniveaus können Arbeiten, Studien und Analysen der Oesterreichischen Nationalbank, die diese im Rahmen ihrer volkswirtschaftlichen Analyse im Rahmen deren Aufgabenbereich erstellt, für den Produktivitätsrat nutzbar gemacht werden und in dessen Analyse einfließen. Dies ermöglicht einen effizienten Ressourceneinsatz und vermeidet eine Beanspruchung der Kapazitäten über Gebühr.

Die komplexen und auch neuen Aufgabenstellungen im Rahmen des Produktivitätsrates sind entsprechend zu berücksichtigen. Demnach ist für die Funktion des Vorsitzes eine angemessene Remuneration vorzusehen, die vom Bund bestimmt und direkt getragen werden. Die übrigen Mitglieder des Produktivitätsrates erhalten, abgesehen von einem pauschalen Kostenersatz für die Sitzungsteilnahme, kein Entgelt.

Um etwaige Bedenken hinsichtlich des Staatsfinanzierungsverbotes gemäß Art. 123 (1) AEUV und § 41 NBG nicht entstehen zu lassen, werden der Oesterreichische Nationalbank die direkten Kosten bis zu einer Höhe von EUR 250 000, die ihr aufgrund ihrer Aufgaben für den Produktivitätsrat entstehen, erstattet. Zu diesem Zweck erfolgt quartalsweise im Vorhinein eine Überweisung des Bundes im Ausmaß von 62.500 EUR. Damit ist insgesamt sichergestellt, dass es zu keiner Gewährung einer Kreditfazilität zugunsten des Bundes kommt.

Die Remuneration des bzw. der Vorsitzenden des Produktivitätsrates wird vom Bund übernommen, wobei das Ausmaß personenbezogen festzulegen ist.

Es ist davon auszugehen, dass insbesondere Analysen und volkswirtschaftliche Studien, die die Oesterreichische Nationalbank im Rahmen ihres originären Aufgabenbereiches erstellt, auch für den Produktivitätsrat nutzbar gemacht werden können. Darüberhinausgehende vom Produktivitätsrat beauftragte Studien stellen auch einen Mehrwert für die volkswirtschaftliche Analysetätigkeit der Oesterreichischen Nationalbank dar, was bei der Kostenverrechnung zu berücksichtigen ist.

Zu § 9:

Die Übergangsbestimmungen sollen gewährleisten, dass der bestehende Fiskalrat weiterarbeiten kann. Die Bestellung der Mitglieder des Produktivitätsrates ist nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in die Wege zu leiten. Nach Ablauf der aktuellen Funktionsperiode des Fiskalrates (das ist am 31. Oktober 2025) sind die Entsendungen gemäß § 3 Abs. 3 vorzunehmen. Ausgenommen davon wird die Funktion des Präsidenten des Fiskalrates, dessen Funktionsperiode verlängert und zeitgleich mit der ersten Funktionsperiode der bzw. des Vorsitzenden des Produktivitätsrates endet.

In der bisherigen Praxis hat sich die Bildung von Unterausschüssen nicht bewährt. Diese Möglichkeit wird daher nicht weitergeführt.

Zu § 10:

Aufgrund der Vorlagepflicht des jährlichen Berichts des Produktivitätsrates gemäß § 5 Z 6 an den Nationalrat und an die Bundesregierung durch die Bundesministerin bzw. den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ist diese Bestimmung auch von dieser Bundesministerin bzw. diesem Bundesminister zu vollziehen.