Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Mit diesem Bundesgesetz wird die Richtlinie (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette, ABl. Nr. L 111 vom 25.04.2019 S. 59 – in der Folge „Richtlinie (EU) 2019/633“ – in nationales Recht umgesetzt.

In der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette bestehen oft erhebliche Ungleichgewichte in Bezug auf die Verhandlungsmacht von Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. Durch die Richtlinie sollen Lieferanten, welche oft kleine und mittlere Unternehmen sind (sowohl landwirtschaftliche Erzeuger, als auch gewerbliche Produzenten sind betroffen) in der Lebensmittellieferkette gestärkt werden. Im vertikalen Verhältnis können ungleiche Machtverhältnisse für die Akzeptanz von Vertragsklauseln durch einen Vertragspartner ausschlaggebend sein. Marktmächtigere (insbesondere auch im Sinne von relativer Marktmacht) Unternehmen können in der Lage sein, Konditionen zu bestimmen, die oft nachteilig für die schwächeren Geschäftspartner sind. Die Akzeptanz von Konditionen, die einem leistungsgerechten Wettbewerb hinderlich sind, birgt viele Risiken. Einzelne Produkte oder Produktgruppen könnten aus dem Sortiment des Handels genommen werden. Letztlich könnte dies zum Ausscheiden von KMU aus dem Markt führen und eine höhere Konzentration bewirken, die langfristig für den Wettbewerb schädlich sein könnte.

Dem sog. „Fear effect“ (Angst, Klagen einzubringen, weil die Auslistung befürchtet wird) soll einerseits entgegengewirkt werden, indem eine Beschwerdestelle geschaffen wird, welche sicherstellt, dass Anfragen vertraulich behandelt werden, solange dies der Beschwerdeführer wünscht, und andererseits die Möglichkeit bietet, den Beschwerdefall zu analysieren, ob und welche rechtlichen Anknüpfungspunkte vorliegen. Dadurch können Fälle schon im Vorfeld gelöst werden.

Die Richtlinie verbietet bestimmte Handelspraktiken (z. B. zu lange Zahlungsfristen, kurzfristige Stornierungen, die einseitige Änderung der Bedingungen einer Liefervereinbarung etc.). Anhang I des Entwurfes enthält in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/633 eine Liste von unter allen Umständen verbotenen Handelspraktiken in Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette.

Anhang II des Entwurfes enthält eine Liste von Handelspraktiken, die verboten sind, außer, sie wurden zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder einer Folgevereinbarung zwischen Lieferanten und Käufer vereinbart. Damit wird Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 umgesetzt.

Die Bestimmungen zu dieser Gesetzesnovelle gelten nicht für Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Verbrauchern.

Durch das Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz 2017 (KaWeRÄG 2017), BGBl. I Nr. 56/2017, wurden bereits Schritte zur Vermeidung der Ungleichgewichte im Bereich der Lieferkette gesetzt. In den Erläuterungen wurden ausführlich Initiativen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments dargestellt und Beispiele von unter Umständen verbotenen Praktiken aufgelistet. In § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. Nr. 392/1977, wurde klargestellt, dass auch bestimmte in der Praxis relevante Praktiken umfasst sind (auch das Fordern von Rabatten, Sonderkonditionen, besonderen Ausstattungen, Rücknahmeverpflichtungen oder Haftungsübernahmen“.)

Der Fokus auf den niedrigsten Preis für den Endkonsumenten führt mittel- bis langfristig dazu, dass die erste Stufe der Lieferkette, nämlich die Produktion, besonders unter Druck gesetzt wird und letztlich viele Marktteilnehmer, insbesondere KMU, aus dem Markt ausscheiden, was zu Arbeitsplatzverlusten führt und die Produktvielfalt verringert. Dies erhöht die Marktkonzentration automatisch, und bewirkt das Gegenteil der Zielsetzung des Wettbewerbsrechts und schadet langfristig den Konsumenten und geht zulasten von Arbeitsplätzen und der Resilienz. Konsumentenwohlfahrt darf nicht nur die Preise für Konsumenten im Fokus haben, sondern es muss auch auf langfristige Auswirkungen, wie insbesondere bessere Qualität, mehr Innovation und Vielfalt abgestellt werden. Dies ist ein wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielsetzungen und Arbeitsplatzzielsetzungen im Regierungsprogramm.

Die Richtlinie trat am 30.4.2019 in Kraft (ABl. Nr. L 111 vom 25.4.2019 S. 59).

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 (Zivilrechtswesen) und Z 8 B-VG (Kartellrecht, Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes).

Besonderer Teil

Zu Z 1:

Bislang gab es keinen Kurztitel für das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen. Nunmehr wird ein Kurztitel eingefügt, der die Breite des Inhalts des Gesetzes abdeckt.

Zu Z 2:

Im Sinne einer Verbesserung der Struktur werden Abschnittsbezeichnungen eingeführt. § 1 ist als Generalklausel über die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/633 hinaus weiterhin anwendbar.

Zu Z 3 (§ 1 Abs. 3):

Die Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online Vermittlungsdiensten, ABl. Nr. L 186 vom 11.07.2019 S. 57, ist seit 12. Juli 2020 in Kraft und unmittelbar anwendbar. Hinsichtlich der Durchsetzung ist die Verordnung sehr offen formuliert und sieht in Art. 14 das Instrument der Unterlassungsklagen vor. In Österreich ist dieses System bereits bekannt und hat daher als öffentliche Stellen, welche Klagen zur Untersagung bzw. Beendigung von verordnungswidrigen Verhaltensweisen einbringen können, die Bundeswettbewerbsbehörde, die Wirtschaftskammer Österreich und den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb notifiziert. Schon jetzt kann die Bundeswettbewerbsbehörde nach § 7 Abs. 2 derartige Klagen einbringen. Um verordnungswidrige Verhaltensweisen als Praktiken gem. § 1 einzuordnen, erfolgt nun die Ergänzung im neuen § 1 Abs. 3.

Zu Z 4 (2. Abschnitt):

Zu § 5a:

Abs. 1 beschreibt den generellen Geltungsbereich dahingehend, dass dieser Abschnitt für unlautere Handelspraktiken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zwischen Unternehmern gilt. Der Abschnitt soll die Richtlinie (EU) 2019/633 umsetzen.

Abs. 2 übernimmt die Schwellenwerte der Richtlinie (EU) 2019/633. Die Kategorien werden um eine weitere Stufe, nämlich Lieferanten über 350 Millionen Euro und bis zu 1 Milliarde Euro gegenüber Käufern von mehr als 5 Milliarden Umsatz ergänzt. Ausgangspunkt dieser Richtlinie war das Konzept der relativen Marktmacht, welches in Österreich und Deutschland schon in der geltenden Rechtslage verankert ist. Die Beschreibungen der Größenverhältnisse zwischen Lieferant und Käufer, welche die relative Marktmacht widerspiegeln, waren bei den Debatten in den EU-Gremien ein sehr umstrittener Punkt und werden in dieser Form in Abs. 2 übernommen. Der in Abs. 2 Z 1 bis 5 genannte Jahresumsatz der Lieferanten und Käufer ist gemäß den einschlägigen Teilen des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. Nr. L 124 vom 20.5.2003 S.36, insbesondere den Art. 3, 4 und 6, einschließlich der Begriffsbestimmungen für „eigenständiges Unternehmen“, „Partnerunternehmen“, „verbundenes Unternehmen“ und gemäß anderer mit dem Jahresumsatz zusammenhängender Fragen zu verstehen. Auch Genossenschaften sind erfasst, sofern sie Agrarprodukte erzeugen und den Schwellenwert von 350 Millionen Euro nicht überschreiten. Unter Umsatz ist immer der Gesamtumsatz des Unternehmens, einschließlich der Partnerunternehmen und der verbundenen Unternehmen zu verstehen, auch wenn dieser nicht nur Lebensmittel betrifft.

Abs. 3 soll den Geltungsbereich konkretisieren, wobei entsprechend der Richtlinie (EU) 2019/633 auf eine Niederlassung in der Europäischen Union abgestellt wird. Im grenzüberschreitenden Fall wird es wohl darauf ankommen, dass sich die Beschwerde bei Unternehmen mit mehreren Niederlassungen auf eine angestrebte Vertragsbeziehung im Hinblick auf eine Lieferung an die betreffende Niederlassung bezieht. Dienstleistungen sind dann umfasst, wenn sie im Zusammenhang mit den in den Anhängen aufgelisteten Verboten in Verbindung stehen. Dienstleistungen, die der Käufer für den Lieferanten erbringt, umfassen insbesondere die Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse (Anhang I Z 9), Lagerung, Anbieten zum Verkauf, Listung oder Bereitstellung von Erzeugnissen auf dem Markt (Anhang II Z 2), Werbung (Anhang II Z 4), Marketingmaßnahmen (Anhang II Z 5), Einrichtung von Verkaufsräumlichkeiten (Anhang II Z 6), sonstige Dienstleistungen (z. B. Anhang I Z 4) in oder ohne Zusammenhang mit Erzeugnissen des Lieferanten. Bezüglich Sachverhalten mit Auslandsberührung wird auf die Anwendung österreichischen Rechts nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO (VO (EG) 864/2007) hingewiesen.

Abs. 4 setzt Art. 1 Abs. 2 dritten Unterabsatz iVm Art. 2 Z 3 der Richtlinie um, wonach Lieferanten mit einem Jahresumsatz von bis zu 350 Millionen €, die an die bezeichneten „Behörden“ liefern, in den Geltungsbereich der Richtlinie (EU) 2019/633 fallen. Diese generelle Bestimmung ist wohl deshalb erforderlich, da bei dieser Art der Käufer die Umsatzbestimmung gar nicht bzw. sehr schwer möglich ist (vgl. auch EG 11 der Richtlinie). Der Begriff „Behörden“ ist im konkreten Fall ein unionsrechtlicher Begriff und ist autonom im Sinne des Begriffs des öffentlichen Auftraggebers bzw. Sektorenauftraggebers auszulegen. Da die Richtlinie (EU) 2019/633 und der vorliegende Entwurf auch für Sachverhalte gilt, bei denen entweder der Lieferant oder der Käufer in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem Drittstaat niedergelassen ist (vgl. Art. 1 Abs. 2 UAbs. 4 sowie EG 12 der Richtlinie (EU) 2019/633), würde ein Verweis auf die innerstaatliche Definition der öffentlichen Auftraggeber und (öffentlichen) Sektorenauftraggeber zu kurz greifen.

Abs. 5 soll klarstellen, dass § 459 des Unternehmensgesetzbuches – UGB, dRGBl. S 219/1897, hinsichtlich der Zahlungsfristen für diesen Abschnitt subsidiär anwendbar ist. Durch die Richtlinie (EU) 2019/633 werden besondere Vorschriften für Lieferbedingungen im Agrar- und Lebensmittelbereich festgelegt, die den Bestimmung des Unternehmensgesetzbuches vorgehen.

Zu § 5b:

§ 5b setzt Art. 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 um und enthält die für diesen Abschnitt relevanten Begriffsbestimmungen. Es ist zwischen Lebensmitteln bzw. Lebensmittelerzeugnissen und Erzeugnissen, die in Anhang I des AEUV aufgeführt sind, zu unterscheiden. Lebensmittel bzw. Lebensmittelerzeugnisse fallen in jedem Fall unter den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2019/633 bzw. dieses Gesetzes, auch wenn sie nicht in Anhang I des AEUV aufgeführt sind (z. B. sind Tomaten, Äpfel, Leinsamen, lebende Tiere, Anhang I-Erzeugnisse; Schokolade, Ketchup, Dosengulasch, Tiefkühlpizza zwar keine Anhang I-Erzeugnisse, als Lebensmittel aber umfasst). Landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in diesem Anhang aufgeführt sind, fallen auch dann unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, wenn sie nicht der menschlichen Ernährung dienen (z. B. Flachsfasern, Schnittblumen, nicht aber Leinenstoff oder Duftöle auf pflanzlicher Basis). Trinkwasser fällt auch in abgefüllter Form nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes, da es nicht in Anhang I des AEUV angeführt ist. Der Begriff Lieferant deckt einerseits landwirtschaftliche Erzeuger ab, andererseits aber jede natürliche oder juristische Person, insbesondere auch gewerbliche und industrielle Lebensmittelerzeuger,- verarbeiter und -lieferanten ab. Ebenso sind Genossenschaften vom Begriff „juristische Person“ umfasst.

Zu § 5c:

Die in der Richtlinie (EU) 2019/633 vorgegebenen Verbote werden übersichtlich in den Anhängen I und II dargestellt. Abs. 1 legt fest, dass die Anwendung von unlauteren Handelspraktiken, die in Anhang I genannt werden, verboten ist. Die in Anhang II genannten Handelspraktiken sind dann verboten, wenn sie nicht zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder in einer Folgevereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Käufer vereinbart worden sind.

Gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/633 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass es sich bei den in den Anhängen festgelegten Verboten um übergeordnete zwingende Bestimmungen handelt. Diese sind auf alle in den Anwendungsbereich der Verbote fallenden Situationen anwendbar, unabhängig davon, welche rechtlichen Bestimmungen sonst für die Liefervereinbarung zwischen den Vertragsparteien gelten. Dies ist durch das absolute Verbot in Abs. 1 und die Nichtigkeitsklausel in Abs. 5 sichergestellt.

In Abs. 2 sollen Klarstellungen, die die Richtlinie vorgibt, erfolgen. Das Verbot gemäß Anhang I Z 1 lit. a gilt unbeschadet der Folgen von Zahlungsverzug und der Rechtsbehelfe gemäß der Richtlinie 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. Nr. L 48 vom 23.02.2011 S. 1 die – abweichend von den in der genannten Richtlinie festgelegten Zahlungsfristen – auf Grundlage der in der Richtlinie (EU) 2019/633 festgelegten Zahlungsfristen gelten (umgesetzt in § 459 UGB). Weiters gilt das Verbot gemäß Anhang I Z 1 lit. a unbeschadet der Möglichkeit eines Käufers oder Lieferanten, eine Wertaufteilungsklausel gemäß Art. 172a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 671 zu vereinbaren. Art. 172a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 ermöglicht Landwirten einschließlich ihrer Vereinigungen, mit ihrem Erstankäufer Wertaufteilungsklauseln zu vereinbaren, die auch marktbedingte Zu- und Abschläge einschließen, um so eine bessere Weitergabe von Marktsignalen zu erleichtern und die Erzeugerpreise in der gesamten Versorgungskette stärker an die Wertschöpfung zu koppeln. Da die Branchenverbände eine wichtige Rolle für den Dialog zwischen den Akteuren der Versorgungskette sowie die Förderung bewährter Verfahren und der Markttransparenz einnehmen, können diese Musterwertaufteilungsklauseln festlegen. Die Anwendung von Wertaufteilungsklauseln durch die Landwirte, ihre Vereinigungen und ihre Erstankäufer erfolgt auf freiwilliger Basis.

Zahlungen im Rahmen des europäischen Schulprogramms gemäß Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sind vom Verbot gemäß Anhang I Z 1 lit. a ausgenommen, weil die Anträge auf Beihilfe gemäß Art. 4 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/39, ABl. Nr. L 5 vom 10.01.2017 S. 1, innerhalb von drei Monaten nach Lieferung der beihilfefähigen Produkte (Milch und Milchprodukte, frisches Obst und Gemüse) an die Begünstigten (Kinder und Jugendliche) zu stellen sind. Deshalb ist die Zeitspanne zwischen Lieferung, Antragstellung und Auszahlung der Beihilfe auf Grund der speziellen Vorschriften im Rahmen des Schulprogramms wesentlich größer als die im Anhang I festgelegte Frist für Zahlungen betreffend verderblicher Lebensmittel. Daher wurde diese Ausnahme bereits in der Richtlinie verankert.

Ebenso sind Zahlungen von öffentlichen Einrichtungen, die Gesundheitsdienste im Sinne des Art. 4 Abs. 4 lit. b der Richtlinie 2011/7/EU anbieten, ausgenommen (umgesetzt im Bundesvergabegesetz, BGBl. I Nr. 65/2018). Auch Zahlungen im Rahmen von Liefervereinbarungen zwischen Lieferanten von Trauben und Most für die Weinerzeugung und deren unmittelbaren Käufern sind vom Verbot gemäß Anhang I Z 1 lit. a ausgenommen. Es müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: Die spezifischen Zahlungsbedingungen für Verkäufe sind in den Musterverträgen enthalten, die gemäß Art. 164 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vor dem 1. Jänner 2019 verbindlich vorgeschrieben wurden, und diese Ausdehnung der Musterverträge wird ab dem genannten Tag ohne wesentliche Änderungen der Zahlungsbedingungen zum Nachteil von Lieferanten von Trauben oder Most erneuert und die Liefervereinbarungen zwischen Lieferanten von Trauben oder Most für die Weinerzeugung und deren unmittelbaren Käufern sind mehrjährige Verträge oder werden zu mehrjährigen Verträgen.

Abs. 4 setzt Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2019/633 um. Verlangt der Käufer in den in Anhang II Z 2, 3, 4, 5 oder 6 genannten Fällen eine Zahlung, so muss der Käufer dem Lieferanten auf dessen Verlangen – je nach Sachlage – eine Schätzung der Zahlungen je Einheit oder der Zahlungen insgesamt in schriftlicher Form und in den in Anhang II Z 2, 4, 5 oder 6 genannten Fällen auch eine Kostenschätzung sowie die Grundlage für diese Schätzung in schriftlicher Form vorlegen.

Abs. 5 stellt klar, dass eine verbotene Handelspraktik in einem Vertrag absolut nichtig ist, die übrigen Vertragsbestandteile jedoch aufrecht bleiben (vgl. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/633 und Erläuterungen zu Abs. 1).

Zu § 5d:

Die Problemfälle zeigen, dass oft nicht ein langjähriges Verfahren vor Gericht, sondern die Aufrechterhaltung der Lieferbeziehung, jedoch zu fairen Konditionen, im Fokus steht. Um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen und damit schon im Vorfeld diesbezüglich Aufklärungsarbeit leisten zu können, wird eine Erstanlaufstelle eingerichtet. Die Erstanlaufstelle soll dem „Fear effect“ entgegenwirken und eine leicht zugängliche Möglichkeit für Lieferanten bieten, sich hinsichtlich möglicher unfairer Handelspraktiken in der Lieferbeziehung beraten lassen zu können. Viele Fälle sollten auf diese Art unbürokratisch und schnell gelöst werden. Eine Beratung vor der Erstanlaufstelle und allenfalls eine Schlichtung gemäß § 5f erhöhen die Chancen, dass die Lieferbeziehung aufrechterhalten werden kann und Lieferanten eben nicht ausgelistet werden. Die Tätigkeit der Erstanlaufstelle ist für die Unternehmer und landwirtschaftlichen Erzeuger kostenfrei.

Es wird die Zurverfügungstellung der Ressourcen geregelt. Die Erstanlaufstelle wird als Dienststelle beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus eingerichtet. Da eine Reihe von Vorbereitungsarbeiten, wie z. B. die Ausschreibung der Leitung erst mit dem der Kundmachung folgenden Tag eingeleitet werden können, soll die Tätigkeit der Erstanlaufstelle mit 1. März 2022 aufgenommen werden.

Ihre Aufgaben gemäß Abs. 2 sind insbesondere beratende Tätigkeiten bezüglich Beschwerden über Lieferbedingungen in der Agrar- und Lebensmittelkette. Die Erstanlaufstelle stellt somit eine Möglichkeit dar, Beschwerden näher zu analysieren und hinsichtlich der rechtlichen Relevanz näher zu prüfen. Die Vertraulichkeit ist dabei sicherzustellen.

Abs. 3 bestimmt, dass die Erstanlaufstelle eine Geschäftsordnung für ihren Tätigkeitsbereich erlässt. Diese hat Bestimmungen betreffend die von der Erstanlaufstelle durchzuführenden Tätigkeiten, wie Beratung und Mediation zu enthalten. Weiters sind Regeln über die bei der Erstanlaufstelle einlangenden Anfragen oder Beschwerdefälle, wie Fristen für deren Beantwortung in die Geschäftsordnung aufzunehmen. Auch Informationsverpflichtungen, wie das Unterhalten einer eigenen Internetseite und Bestimmungen über die Zusammenarbeit mit der Ermittlungsbehörde können Gegenstand der Geschäftsordnung sein. Im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer kann auch der Beschwerdegegner mit der Beschwerde befasst werden, um weitere Aufklärungen zu ermöglichen.

Durch die Einholung von Auskünften von den Beteiligten gemäß Abs. 4 außerhalb des behördlichen Vollzugs kann eine erste Einstufung des Sachverhalts erfolgen und damit auch dem Beschwerdegegner die Möglichkeit gegeben werden, seine Sicht darzustellen. Beteiligte sind der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner sowie Lieferanten, die auch von der gegenständlichen Handelspraktik betroffen sind und bezüglich derer die Erstanlaufstelle ebenfalls recherchiert.

Abs. 5 soll weitere Klarstellungen über die vertrauliche Behandlung der Identität des Beschwerdeführers als auch von bestimmten Informationen machen. Wenn der Beschwerdeführer dies wünscht, kann er auch gegenüber der Erstanlaufstelle seine Identität nicht bekanntgeben. Im Sinne von lösungsorientierten Zielsetzungen wird das in der Praxis aber kaum relevant sein. Die Erstanlaufstelle ist berechtigt, sämtliche personenbezogenen Daten zu verarbeiten, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß diesem Abschnitt erforderlich sind, das sind insbesondere Kontaktdaten, Daten betreffend das Unternehmen des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners, wie Umsätze, Strukturdaten und die Anzahl der Mitarbeiter. Über die Tätigkeit der Erstanlaufstelle ist gemäß Abs. 6 ein Bericht zu erstellen. Dieser hat die Art (im Sinne der Kategorisierung in den vorgesehenen Anhängen I und II) und die Anzahl der Beschwerdefälle zu enthalten. Weiters umfasst der Bericht eine Gliederung in die verschiedenen Produktgruppen, die Anzahl der Beschwerdefälle, die durch die Erstanlaufstelle selbst behoben werden konnten, die Anzahl der Beschwerdefälle, die an eine andere Stelle weitergeleitet wurden, sowie sonstige Beobachtungen zum Verhalten der Marktteilnehmer. Auch im Berichtswesen ist Anonymität sicherzustellen. Diese sonstigen Beobachtungen können auch positive Beispiele (best practises) umfassen. Dieser Bericht ist bis zum 15. März auf der gemäß § 5d Abs. 3 Z 3 eingerichteten Internetseite zu veröffentlichen.

Zu § 5e:

Die Abs. 1 bis 3 sollen Bestimmungen zur Bestellung, Unbefangenheit und allfälligen Abberufung von Leiter oder Leiterin und Stellvertreter oder Stellvertreterin enthalten. Der Leiter bzw. die Leiterin und ein Stellvertreter bzw. eine Stellvertreterin sind abweichend von § 141 Abs. 1 BDG 1979 und § 68 Abs. 1 VBG unabhängig von der besoldungsrechtlichen Einstufung befristet zu bestellen, Im Begutachtungsverfahren wurde vielfach auf die Notwendigkeit der Neutralität und der erforderlichen Qualifikation der Leitungsperson hingewiesen. Daher soll der Leiter oder die Leiterin von der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus nach Anhörung der Wettbewerbskommission bestellt werden. Die Erstanlaufstelle erledigt Vollziehung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Z 1 und 3 B-VG und ist unabhängig und weisungsfrei. Die Aufsichtsbefugnisse wurden diesem Artikel nachgebildet. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Erstanlaufstelle sind nur dem Leiter bzw. der Leiterin gegenüber weisungsgebunden. Der Leiter bzw. die Leiterin sowie alle Mitarbeiter der Erstanlaufstelle unterliegen der Amtsverschwiegenheit. Die Abs. 4 und 5 regeln die Aufsichtsbefugnisse. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen, die Erfüllung der der Erstanlaufstelle gemäß § 5d Abs. 2 obliegenden Aufgaben und die Gebarung der Erstanlaufstelle. Über die Funktionsweise der Erstanlaufstelle soll nach Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten dieser Novelle eine Evaluierung stattfinden.

Zu § 5f:

Für den Regelungsgegenstand steht die schnelle Ausräumung von Bedingungen, die einem leistungsge-rechten Wettbewerb hinderlich sind, im Vordergrund. Die Befassung einer Schlichtungsstelle soll daher der Erreichung dieser Zielsetzung dienen. Als Schlichtungsstelle soll nur eine von einer Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtete Schlichtungsstelle in Betracht kommen. Im Gesetz sind beispielhaft eine Notariatskammer oder eine Rechtsanwaltskammer aufgelistet, da in diesen Fällen die Neutralität am ehesten gewahrt bleibt.

Zu § 5g:

Diese Bestimmung setzt Art. 5 Abs. 1 bis 6 der Richtlinie (EU) 2019/633 um. § 5g Abs. 1 soll klarstellen, dass ein in Österreich niedergelassener Lieferant bei der Ermittlungsbehörde Beschwerden einbringen kann. Auch ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassener Lieferant kann Beschwerden einbringen, wenn der Käufer in Österreich niedergelassen ist. Die Ermittlungsbehörde kann auch amtswegig tätig werden. Abs. 2 regelt die Beschwerdemöglichkeiten von Erzeugerorganisationen und anderen Organisationen. Die Antragsbefugnisse nach § 7 Abs. 2 und Abs. 2a bleiben aufgrund dieser Beschwerdemöglichkeiten nach Abs. 1 und 2 unberührt. Abs. 3 setzt die anonyme Beschwerdemöglichkeit der Richtlinie (EU) 2019/633 um. Marktmächtigere Unternehmen können in der Lage sein, Konditionen zu bestimmen, die oft nachteilig für die schwächeren Geschäftspartner sind. Dem sog. „Fear effect“ (Angst, Klagen einzubringen, weil die Auslistung befürchtet wird) soll - neben der Einrichtung der Erstanlaufstelle durch die Sicherstellung der vertraulichen Behandlung begegnet werden.

Entsprechend der Richtlinie (EU) 2019/633 muss die zuständige Ermittlungsbehörde gemäß Abs. 4 dem Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist mitteilen, wie sie mit der Beschwerde weiter zu verfahren gedenkt.

Nach Art. 6 der Richtlinie (EU) 2019/633 muss die Ermittlungsbehörde mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet werden. Gemäß Abs. 5 ist die Ermittlungsbehörde mit Befugnissen ausgestattet, die entsprechend dem Ermittlungsverfahren des Wettbewerbsgesetzes – WettbG, BGBl. I Nr. 62/2002, nachgebildet sind. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Ermittlungsbehörde zur Einholung von Auskünften von Unternehmern und Unternehmervereinigungen befugt und kann geschäftliche Unterlagen unabhängig davon, in welcher Form diese vorliegen, anfordern und einsehen. Darüber hinaus kann die Ermittlungsbehörde auch vor Ort Auskünfte verlangen, sowie von Vertretern oder Beschäftigen des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Sachverhalten oder Unterlagen verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Ermittlungen in Zusammenhang stehen.

Abs. 6 soll die Durchführung von Hausdurchsuchungen regeln. Diese können nur aufgrund einer Anordnung des Kartellgerichts erfolgen. Die Vorgangsweise der Durchführung einer Hausdurchsuchung erfolgt sinngemäß zu den Bestimmungen des § 12 Abs. 3 bis 6 WettbG. Eine Hausdurchsuchung kann nur bei einem begründeten Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die in § 5c iZm den Anhängen verankerten Verbote angeordnet werden.

Die Auskunftserteilung durch Käufer sollte auf Anfrage der Ermittlungsbehörde freiwillig erfolgen. Erfolgt dies jedoch nicht, kann die Auskunftserteilung mittels Bescheid nach Abs. 7 angeordnet werden. Abs. 8 enthält die erforderlichen Sanktionsbestimmungen, wobei darauf Rücksicht genommen wird, dass bloße Beschäftigte, die keine Führungsrolle iSd § 11a Abs. 5 WettbG tragen, von dieser Sanktionierung nicht umfasst sind. Eine Doppelbestrafung nach § 9 Abs. 1 VStG ist ausgeschlossen. Bei einer unrichtigen oder irreführenden Auskunftserteilung droht eine Geldstrafe von 25 000 Euro. Wird entgegen eines Bescheides keine, eine unrichtige, irreführende oder unvollständige Auskunft erteilt, droht eine Geldstrafe von 75 000 Euro. Die erlangten Informationen sollen nur für die Zwecke der Ermittlungshandlung verwendet werden. Dieses Verwertungsverbot ist in Abs. 9 verankert. Die Ermittlungsbehörde ist berechtigt, sämtliche personenbezogenen Daten zu verarbeiten, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß diesem Abschnitt erforderlich sind, das sind im Wesentlichen Kontaktdaten, Daten betreffend das Unternehmen des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners, wie Umsatzdetails, Strukturdaten und die Anzahl der Mitarbeiter.

Zu § 5h:

Die Richtlinie (EU) 2019/633 ermöglicht den Mitgliedstaaten eine flexible Umsetzung bei der Auswahl der zuständigen Behörden. Es können auch mehrere Behörden vorgesehen werden (Art. 4 Abs. 1). In Österreich hat sich das System des Vollzugs mit Unterlassungsanträgen (gegen rechtswidrige Handlungen und Unterlassungen) bei Gericht bewährt. Betrifft die Beschwerde einen Käufer in einem anderen Mitgliedstaat, so ist die Beschwerde über die Kontaktstelle an die Ermittlungsbehörde im anderen Mitgliedstaat, wo der Käufer niedergelassen ist, weiterzuleiten. Die Richtlinie (EU) 2019/633 sieht auch die Möglichkeit eines amtswegigen Vorgehens vor, weshalb eine Ermittlungsbehörde mit Antragsbefugnissen vorzusehen ist. In diesem Sinne sind daher inklusive dem Gericht, das die Entscheidungen trifft, mehrere Behörden zuständig, weshalb die Nominierung einer zentralen Kontaktstelle gem. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 erforderlich ist. Die nationale Kontaktstelle für den Informationsaustausch im Rahmen der Europäischen Union ist die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Unter Informationsaustausch im Rahmen der Europäischen Union versteht die Richtlinie die Beratung über die Anwendung der Richtlinie, bewährte Verfahren, neue Fälle und neue Entwicklungen auf dem Gebiet der unlauteren Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette. Der Schwerpunkt dieses Austauschs liegt damit auf der Weiterentwicklung des Rechtsrahmens. Falls konkrete Vollzugsaufgaben bei diesem Austausch thematisiert werden, kann die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Ermittlungsbehörde einbeziehen (Abs. 1).

Abs. 2 regelt die Leistung von Amtshilfe an die Behörden anderer Mitgliedstaaten. Es wird klargestellt, dass die Leistung dieser grenzüberschreitenden Amtshilfe insbesondere in Fällen, in denen der Käufer in Österreich niedergelassen ist, erfolgt. Abs. 3 enthält Bestimmungen zur Erstellung des Jahresberichts gemäß Art. 8. Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/633. Auch im Berichtswesen ist Anonymität und Sachlichkeit sicherzustellen. Auf § 1 Abs. 4 WettbG wird hingewiesen, womit das Recht auf Auskunft für die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über alle Gegenstände der Geschäftsführung der Bundeswettbewerbsbehörde abgedeckt ist. Zu Fragen der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde wird auf das Rechtsgutachten im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetzes 2021 von Univ. Prof. DDr. Michael Potacs hingewiesen. Die Betrauung der Bundeswettbewerbsbehörde mit unabhängigen und abhängigen Vollzug wäre gleichzeitig möglich. Die gemäß der Richtlinie (EU) 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes, ABl. Nr. L 11 vom 14.01.2019 S. 3, zu gewährleistende Unabhängigkeit bezieht sich nur auf die Aufgabe der Wettbewerbsbehörde zur wirksamen Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV. Die Richtlinie (EU) 2019/633 sieht keinen unabhängigen Vollzug vor, dennoch soll die Bundeswettbewerbsbehörde auch bei ihren Vollzugsaufgaben nach diesem Gesetz unabhängig sein, worauf bei der Verallgemeinerung des Verweises im § 2 WettbG im Rahmen des Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetzes (KaWeRÄG 2021), BGBl. I Nr. 176/2021, bereits Bedacht genommen wurde.

Zu Z 5:

Zum Zweck einer Verbesserung der Struktur wird eine neue Abschnittsbezeichnung eingefügt.

Zu Z 6 (§ 6 Abs. 1):

Bei den Zuständigkeitsbestimmungen in § 6 Abs. 1 wird der neue § 5c ergänzt, um die Zuständigkeit des Kartellgerichts zur Untersagung von unlauteren Handelspraktiken nach § 5c und den entsprechenden Anhängen zu normieren.

Zu Z 7 (§ 6 Abs. 2, 3 und 4):

Im Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen gibt es bislang noch keine Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen. In Entsprechung von Art. 6 lit. e der Richtlinie (EU) 2019/633 wird nun für Zuwiderhandlungen gegen § 5c die Möglichkeit vorgesehen, dass eine Geldbuße beantragt wird und vom Kartellgericht verhängt wird. Anders als die Anträge auf Untersagung, die auch von den jeweiligen Beschwerdeführern oder den jeweiligen Verbänden gestellt werden können, ist die Beantragung von Geldbußen der Ermittlungsbehörde vorbehalten. Ebenso werden die Kriterien für die Bemessung von Geldbußen demonstrativ dargelegt. Geldbußen können bis zur Höhe von 500 000 Euro verhängt werden. Hinsichtlich Verjährung soll auf § 33 des Kartellgesetzes – KartG 2005, BGBl. I Nr. 61/2005, verwiesen werden. In § 6 Abs. 3 erfolgen Regelungen über die Veröffentlichung von Entscheidungen entsprechend Art. 6 Abs. 1 lit. f der Richtlinie (EU) 2019/633Abs. 4 setzt Art. 6 Abs. 1 lit. d zweiter Satz der Richtlinie (EU) 2019/633 um, welcher den weitreichenden Schutz der Identität des Beschwerdeführers bzw. sonstiger Informationen sicherstellen soll. Es muss dem Beschwerdeführer klar sein, dass seine Identität in einem Gerichtsverfahren offengelegt wird. Die Ermittlungsbehörde kann jedoch von einem Antrag an das Kartellgericht absehen, wenn der Beschwerdeführer seine Identität nicht bekanntgeben möchte, weil dies seinen berechtigten Interessen schaden würde. Dabei wird jedoch klargestellt, dass hier die Ermittlungsbehörde auch im Sinne des öffentlichen Vollzugsinteresses dennoch einen Antrag stellen kann, insbesondere bei fortgeschrittenem Verfahrens- bzw. Ermittlungsstand.

Die Ausübung der Befugnisse der Ermittlungsbehörde unterliegt angemessenen Garantien der Rechte der Verteidigung gemäß den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dies gilt auch, wenn der Beschwerdeführer gemäß § 5g Abs. 3 die vertrauliche Behandlung der Informationen beantragt.

Zu Z 8 (§ 7 Abs. 2 Z 1):

Eine Landwirtschaftskammer ist antragsberechtigt bzw. hat Parteistellung wenn sie als Körperschaft öffentlichen Recht eingerichtet ist. Die Antragsberechtigung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern bleibt unberührt.

Zu Z 9 (§ 7 Abs. 2a und 2b):

Die Antragsbefugnisse für Unterlassungsansprüche bei Zuwiderhandlungen gegen § 5c sind den bisherigen Regelungen nach § 7 Abs. 2 und den Bestimmungen des § 14 UWG nachgebildet. In Anlehnung an die Richtlinie werden neben Vereinigungen, die wirtschaftliche Unternehmerinteressen vertreten, auch Erzeugerorganisationen, andere Lieferantenorganisationen und Vereinigungen solcher Organisationen explizit als antragsbefugt genannt. Entsprechend der Regelung in § 5f Abs. 2 ist auch eine Landwirtschaftskammer antragsberechtigt bzw. hat Parteistellung wenn sie als Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtet ist. Das gilt für die Landwirtschaftskammern der Länder als Körperschaften öffentlichen Rechts.

Abs. 2b bestimmt als Ermittlungsbehörde die Bundeswettbewerbsbehörde. Die Ermittlungsbefugnisse richten sich nach dem WettbG.

Zu Z 10 (§ 7 Abs. 4):

Damit wird Art. 6 Abs. 1 lit. e der Richtlinie (EU) 2019/633 umgesetzt. Entsprechend § 48 KartG 2005 werden nun einheitliche Bestimmungen zu Einstweiligen Verfügungen vorgesehen.

Zu Z 11 (§ 9a):

Wenn auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze hingewiesen wird, so sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Zu Z 12 (§ 10)

Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ist mit der Vollziehung der §§ 5, 5a, 5b, 5c, 5g, 5h und 8 betraut. Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist für die Vollziehung der §§ 5d Abs. 1, 2, 4 bis 6, 5e und 5f zuständig. Eine gemeinsame Zuständigkeit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort besteht hinsichtlich § 5d Abs. 3. Im Übrigen ist die Bundesministerin für Justiz zuständig.

Zu Z 13:

Die Inkrafttretensbestimmung ist nunmehr in § 11 geregelt. § 12 kann entfallen.

Zu Z 14 (§ 11):

§ 11 Abs. 5 regelt das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes. Liefervereinbarungen, die vor Kundmachung dieses Bundesgesetzes abgeschlossen wurden, müssen bis zum 1. Mai 2022 mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Einklang gebracht werden. § 5a Abs. 2 Z 6 erweitert den Geltungsbereich über die EU-Richtlinie hinaus. Entsprechend der Befristung der vergleichbaren Bestimmung im deutschen Agrarorganisationen-und Lieferketten-Gesetz soll diese Bestimmung nach vier Jahren außer Kraft treten. Eine Verlängerung dieser Frist über Dezember 2025 hinaus wird Gegenstand einer Evaluierung sein. Darauf ist im Gesamtbericht für das Jahr 2024 nach § 5h Abs. 3 einzugehen, damit der Gesetzgeber allenfalls rechtzeitig handeln kann.

Zu Z 15 (Anhänge):

Anhang I enthält eine Liste von unter allen Umständen verbotenen Handelspraktiken in Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette. Dadurch wird Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/633 umgesetzt.

Die Z 1 bis 11 des Anhangs I und die Z 1 bis 6 des Anhangs II gelten für die jeweiligen Umsatzkategorien nach § 5a Abs. 2. In Z 10 von Anhang I wird zusätzlich ein Bestehen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts verlangt.

Z 1 lit. a verbietet im Fall, dass die Liefervereinbarung eine regelmäßige Lieferung von Erzeugnissen festlegt, die Bezahlung

- für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 30 Tage nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums, in dem Lieferungen erfolgt sind, oder mehr als 30 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags für diesen Lieferzeitraum, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist;

- für andere Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 60 Tage nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums, in dem Lieferungen erfolgt sind, oder mehr als 60 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags für diesen Lieferzeitraum, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist, wobei für die Zwecke der in dieser Ziffer genannten Zahlungsfristen anzunehmen ist, dass die vereinbarten Lieferzeiträume einen Monat nicht überschreiten.

Z 1 lit. b verbietet im Fall, dass die Liefervereinbarung keine regelmäßige Lieferung von Erzeugnissen festlegt, Bezahlungen

- für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 30 Tage nach dem Tag der Lieferung oder mehr als 30 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist;

- für andere Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse mehr als 60 Tage nach dem Tag der Lieferung oder mehr als 60 Tage nach der Festlegung des zu zahlenden Betrags, je nachdem, welcher der beiden Zeitpunkte der spätere ist.

Weiters folgen Klarstellungen, wann die Zahlungsfrist beginnt.

Z 2 verbietet die Stornierung einer Bestellung verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse so kurzfristig, sodass von einem Lieferanten nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden kann, dass er eine alternative Vermarktungs- oder Verwendungsmöglichkeit für diese Erzeugnisse findet. Eine Stornierungsfrist von weniger als 30 Tagen vor Lieferung gilt in jedem Fall als kurzfristig.

Z 3 betrifft die einseitige Änderung der Bedingungen einer Liefervereinbarung für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse in Bezug auf Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise oder im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen, soweit diese in Anhang II ausdrücklich genannt werden.

Z 4 betrifft das Verlangen von Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen des Lieferanten stehen.

Z 5 betrifft das Verlangen von Zahlungen für die Qualitätsminderung oder den Verlust von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, die in den Räumlichkeiten des Käufers auftreten oder nachdem das Eigentum auf den Käufer übergegangen ist, wenn die Qualitätsminderung oder der Verlust nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht wurden.

Z 6 betrifft die Verweigerung des Käufers, eine schriftliche Bestätigung der Bedingungen einer Liefervereinbarung zwischen dem Käufer und dem Lieferanten, für die der Lieferant eine schriftliche Bestätigung verlangt hat, auszustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Liefervereinbarung sich auf Erzeugnisse bezieht, die von einem Mitglied einer Erzeugerorganisation einschließlich einer Genossenschaft an die Erzeugerorganisation, der der Lieferant angehört, geliefert werden sollen, wenn die Satzung dieser Erzeugerorganisation oder die sich aus dieser Satzung ergebenden oder darin vorgesehenen Regeln und Beschlüsse Bestimmungen enthalten, mit denen eine ähnliche Wirkung erzielt wird wie mit den Bedingungen der Liefervereinbarung. Das Erfordernis der Schriftlichkeit kann dazu beitragen, unlautere Handelspraktiken zu verhindern.

Z 7 verbietet rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder die rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im Sinne der Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. Nr. 157 vom 15.6.2016 S. 1 durch den Käufer.

Z 8 verbietet die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art durch den Käufer gegenüber dem Lieferanten, sowie die Ergreifung von Vergeltungsmaßnahmen, wenn der Lieferant seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht, auch indem er bei der zuständigen Behörde Beschwerde einreicht oder bei einer Ermittlung mit dieser zusammenarbeitet.

Z 9 verbietet dem Käufer vom Lieferanten eine Entschädigung für die Kosten der Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten, obwohl weder fahrlässig noch vorsätzlich ein Verschulden des Lieferanten vorliegt, zu verlangen.

Z 10 verbietet es dem Käufer bei Bestehen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts ohne sachliche Rechtfertigung bei gleichwertiger Leistung unterschiedliche Bedingungen im Vergleich zu anderen Vertragspartnern, insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Preises oder die Zahlungsbedingungen, zu gewähren. Mit der Formulierung „wirtschaftliches Ungleichgewicht“ wird kein neuer Begriff der Marktbeherrschung eingeführt, sondern an den Tatbestand des KartG 2005 angeknüpft, welcher auch die relative Marktmacht (§ 4a KartG 2005) umfasst. Damit formuliert die Z 10 ein explizites Verbot, womit auch für den Bereich der Lebensmittelerzeugung für derartige Praktiken besondere Sensibilität untermauert wird. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung kann uU iZm mit der Menge, dem Zeitraum, konstanten Lieferungen, Qualität, Zuverlässigkeit, Haftungsfragen, Beschaffungswege, Angebot- und Nachfrageentwicklung etc. vorliegen.

Nach Z 11 ist es unzulässig, dass ein Käufer als Bedingung für die Lieferung von verderblichen Urprodukten ohne sachliche Rechtfertigung verlangt, dass der Lieferant seine Produkte unter Sicherstellung der vereinbarten Liefermenge an den Käufer nicht gleichzeitig in einem untergeordneten Ausmaß selbst vermarktet. Im landwirtschaftlichen Bereich spielt die Direktvermarktung eine besondere Rolle. Eine einseitige Beschränkung einer Direktvermarktung ohne sachliche Rechtfertigung in einem untergeordneten Ausmaß und bei Sicherstellung der vereinbarten Liefermenge an den Käufer soll daher vermieden werden.

Anhang II enthält eine Liste von Handelspraktiken, die verboten sind, außer, sie wurden zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder einer Folgevereinbarung zwischen Lieferanten und Käufer vereinbart. Damit wird Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 umgesetzt.

Z 1 verbietet die Zurücksendung nicht verkaufter Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse an den Lieferanten, ohne dass der Käufer für diese nicht verkauften Erzeugnisse oder für deren Beseitigung zahlt.

Z 2 verbietet, dass vom Lieferanten eine Zahlung dafür verlangt wird, dass seine Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse gelagert, zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt bereitgestellt werden. Die Kosten der Lagerung, Ausstellung oder Listung werden in der Regel vom Käufer getragen. Daher sollte eine Umwälzung der Kosten auf den Lieferanten nur dann möglich sein, wenn dies vorher klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder einer Folgevereinbarung vereinbart wurde.

Z 3 verbietet das Verlangen des Käufers vom Lieferanten, dass dieser die gesamten Kosten oder einen Teil davon für Preisnachlässe bei Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, die der Käufer im Rahmen einer Verkaufsaktion verkauft, trägt. Diese Handelspraktik ist verboten, außer in den Fällen, in denen der Käufer eine Verkaufsaktion veranlasst, vor deren Beginn der Käufer mitteilt, in welchem Zeitraum die Aktion laufen wird und welche Menge an Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen voraussichtlich zu dem niedrigeren Preis bestellt wird.

Z 4 verbietet das Verlangen des Käufers vom Lieferanten, dass dieser für die Werbung für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer zahlt. Ein Verkauf umfasst meist auch Zahlungen für Dienstleistungen, wie Marketing und Werbung. Nur mit vorheriger Vereinbarung sollen diese Kosten auf den Lieferanten übertragen werden.

Z 5 verbietet dem Käufer vom Lieferanten zu verlangen, dass dieser für die Vermarktung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen durch den Käufer zahlt.

Z 6 verbietet das Verlangen des Käufers vom Lieferanten für das Personal für die Einrichtung der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden, zu zahlen.

Im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten, welche keine Generalklausel haben, steht in Österreich die Möglichkeit offen, dass sich in der Rechtsprechung aufgrund der Generalklausel weitere Verbote zukunftssicher entwickeln können.