1194 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verkehrsausschusses

über die Regierungsvorlage (1168 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957, das Bundesbahngesetz und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden

Die Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraumes wurde im Wesentlichen durch die Novellen BGBl. I Nr. 96/2013 und BGBl. I Nr. 137/2015 des Eisenbahngesetzes 1957 innerstaatlich umgesetzt.

Bereits vor Erlassung dieser Richtlinie wurden wesentliche Inhalte der Richtlinie 2012/34/EU für die Eisenbahnunternehmen des ÖBB-Konzerns durch die Novellen BGBl. I Nr. 138/2003 und BGBl. I Nr. 95/2009 des Bundesbahngesetzes umgesetzt. Insbesondere sind die mit diesen Novellen geschaffenen Eisenbahnunternehmen „ÖBB-Infrastruktur-AG“, „ÖBB-Personenverkehr-AG“ und die „Rail Cargo Austria AG“ als Aktiengesellschaften konstruiert, für die dieselben gesellschaftsrechtlichen Regelungen gelten wie für alle anderen Aktiengesellschaften mit Sitz in Österreich. Dem Bund als indirekten Eigentümer dieser Eisenbahnunternehmen ist somit weder gesellschaftsrechtlich noch auf Basis einer anderen Rechtsnorm ein Eingriff in die unabhängige Stellung dieser Eisenbahnunternehmen möglich. Der Bund kann somit auch die Führung dieser Eisenbahnunternehmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen nicht unterbinden.

Eine Änderung der Richtlinie 2012/34/EU durch die Richtlinie (EU) 2016/2370 wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 60/2019 des Eisenbahngesetzes 1957 innerstaatlich umgesetzt.

Die Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG (Seveso III-Richtlinie) wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 137/2015 des Eisenbahngesetzes 1957 innerstaatlich umgesetzt; konkret durch eine Änderung des § 30a Abs. 1, der wiederum auf die die Seveso III-Richtlinie umsetzenden Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 verweist.

Diese innerstaatlichen Umsetzungen der vorangeführten Richtlinien wurden der Europäischen Kommission notifiziert.

Die Europäische Kommission hält die innerstaatliche Umsetzung dieser Richtlinien einerseits für unvollständig und andererseits als nicht im Sinne der Richtlinien umgesetzt und hat deshalb folgende Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich eingeleitet:

1.     Vertragsverletzungsverfahren 2020/2304 wegen unvollständiger Umsetzung der Richtlinie 2012/34/EU;

2.     Vertragsverletzungsverfahren 2020/2305 wegen Schlechtumsetzung der Richtlinie 2012/34/EU;

3.     Vertragsverletzungsverfahren 2019/0003 wegen unvollständiger Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2370; und

4.     Vertragsverletzungsverfahren 2020/2104 wegen Nichtumsetzung des hier relevanten Art. 13 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2012/18/EU.

Das Vertragsverletzungsverfahren 2019/0003 befindet sich bereits im Stadium der begründeten Stellungnahme der Europäischen Kommission, die übrigen Vertragsverletzungsverfahren im Stadium eines Mahnschreibens.

Der nächste Verfahrensschritt der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 2019/003 wäre bereits eine Klageerhebung gegen die Republik Österreich beim Gerichtshof der Europäischen Union wegen nicht vollständiger Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2370.

Um einen Rechtsstreit vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu vermeiden, wäre die Richtlinie (EU) 2016/2370 vollständig durch eine weitere Novelle des Eisenbahngesetzes 1957 innerstaatlich umzusetzen.

Im Zuge dieses Gesetzesvorhabens wären aus verwaltungs- und personalökonomischen Erwägungen auch die von der Republik Österreich in den anderen Vertragsverletzungsverfahren nicht bestrittenen innerstaatlichen Umsetzungsdefizite sowie innerstaatliche, die Richtlinie (EU) 2016/797 über Eisenbahnsicherheit und die Richtlinie (EU) 2016/798 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union betreffende Umsetzungsdefizite durch eine Novelle des Eisenbahngesetzes 1957, des Bundesbahngesetzes und des Unfalluntersuchungsgesetzes zu beseitigen.

Folgende Änderungen des Eisenbahngesetzes 1957 sind schwerpunktmäßig vorgesehen:

-       Möglichkeit des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, seine Funktionen an andere geeignete Unternehmen oder Stellen auszulagern; Überwachung der Gesetzeskonformität durch die Schienen-Control Kommission;

-       Möglichkeit des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, die Durchführung von Arbeiten und damit verbundenen Aufgaben an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen oder Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsunternehmen kontrollieren, auszulagern; Überwachung der Gesetzeskonformität durch die Schienen-Control Kommission;

-       Wahrnehmung von mit dem Bau und Betrieb einer Eisenbahn verbundenen Funktionen nicht nur durch ein einziges Eisenbahninfrastrukturunternehmen, sondern auch durch mehrere Eisenbahninfrastrukturunternehmen einschließlich Parteien öffentlich-rechtlicher Partnerschaften; Überwachung der Gesetzeskonformität durch die Schienen-Control Kommission;

-       Überwachung und Aufhebung von Kooperationsvereinbarungen zwischen einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen und einem oder mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen zwecks Erhöhung von Kundenvorteilen durch die Schienen-Control Kommission;

-       Verpflichtung der Schienen-Control Kommission, ihr zur Kenntnis gelangende Entscheidungen und Verfahren von zusammenarbeitenden Zuweisungsstellen und von zusammengeschlossenen entgelterhebenden Stellen zu überprüfen;

-       Verpflichtung der Zuweisungsstellen zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich gemachter Angaben;

-       Möglichkeit des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, bestimmte Eisenbahnstrecken für die Erbringung bestimmter Arten von Eisenbahnverkehrsdiensten – einschließlich der Bevorrangung solcher Eisenbahnverkehrsdienste im Zuweisungsverfahren von Fahrwegkapazität – auszuweisen und damit zusammenhängend ergänzende Regelungen für eine Rahmenregelung;

-       Verpflichtung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Erhebung von angemessenem Entgelt erst bei regelmäßiger Versäumung der Nutzung zugewiesener Zugtrassen;

-       Recht des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, auch Kosten für die Bearbeitung und Prüfung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität einzuheben;

-       Möglichkeit der Behörde, eine Verkehrsgenehmigung bei nicht mehr Vorliegen der Voraussetzungen hiefür auch nur auszusetzen;

-       Erweiterung der Mitteilungspflichten der Behörde an die Europäische Kommission bzw. die Eisenbahnagentur der Europäischen Union.

 

Der Verkehrsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. November 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc die Abgeordneten Melanie Erasim, MSc, Rebecca Kirchbaumer, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Dr. Johannes Margreiter sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA.


 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1168 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 11 30

              Hermann Weratschnig, MBA MSc                                         Alois Stöger, diplômé

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann