1212 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie

über die Regierungsvorlage (1167 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert wird

Mit diesem Bundesgesetz soll die Richtlinie (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette, ABl. Nr. L 111 vom 25.04.2019 S. 59 in nationales Recht umgesetzt werden.

In der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette bestehen oft erhebliche Ungleichgewichte in Bezug auf die Verhandlungsmacht von Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. Durch die Richtlinie sollen Lieferanten, welche oft kleine und mittlere Unternehmen sind (sowohl landwirtschaftliche Erzeuger, als auch gewerbliche Produzenten sind betroffen) in der Lebensmittellieferkette gestärkt werden. Im vertikalen Verhältnis können ungleiche Machtverhältnisse für die Akzeptanz von Vertragsklauseln durch einen Vertragspartner ausschlaggebend sein. Marktmächtigere (insbesondere auch im Sinne von relativer Marktmacht) Unternehmen können in der Lage sein, Konditionen zu bestimmen, die oft nachteilig für die schwächeren Geschäftspartner sind. Die Akzeptanz von Konditionen, die einem leistungsgerechten Wettbewerb hinderlich sind, birgt viele Risiken. Einzelne Produkte oder Produktgruppen könnten aus dem Sortiment des Handels genommen werden. Letztlich könnte dies zum Ausscheiden von KMU aus dem Markt führen und eine höhere Konzentration bewirken, die langfristig für den Wettbewerb schädlich sein könnte.

Dem sog. „Fear effect“ (Angst, Klagen einzubringen, weil die Auslistung befürchtet wird) soll einerseits entgegengewirkt werden, indem eine Beschwerdestelle geschaffen wird, welche sicherstellt, dass Anfragen vertraulich behandelt werden, solange dies der Beschwerdeführer wünscht, und andererseits die Möglichkeit bietet, den Beschwerdefall zu analysieren, ob und welche rechtlichen Anknüpfungspunkte vorliegen. Dadurch können Fälle schon im Vorfeld gelöst werden.

Die Richtlinie verbietet bestimmte Handelspraktiken (z. B. zu lange Zahlungsfristen, kurzfristige Stornierungen, die einseitige Änderung der Bedingungen einer Liefervereinbarung etc.). Anhang I des Entwurfes enthält in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/633 eine Liste von unter allen Umständen verbotenen Handelspraktiken in Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette.

Anhang II des Entwurfes enthält eine Liste von Handelspraktiken, die verboten sind, außer, sie wurden zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder einer Folgevereinbarung zwischen Lieferanten und Käufer vereinbart. Damit wird Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 umgesetzt.

Die Bestimmungen zu dieser Gesetzesnovelle gelten nicht für Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Verbrauchern.

Durch das Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz 2017 (KaWeRÄG 2017), BGBl. I Nr. 56/2017, wurden bereits Schritte zur Vermeidung der Ungleichgewichte im Bereich der Lieferkette gesetzt. In den Erläuterungen wurden ausführlich Initiativen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments dargestellt und Beispiele von unter Umständen verbotenen Praktiken aufgelistet. In § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. Nr. 392/1977, wurde klargestellt, dass auch bestimmte in der Praxis relevante Praktiken umfasst sind (auch das Fordern von Rabatten, Sonderkonditionen, besonderen Ausstattungen, Rücknahmeverpflichtungen oder Haftungsübernahmen“.)

Der Fokus auf den niedrigsten Preis für den Endkonsumenten führt mittel- bis langfristig dazu, dass die erste Stufe der Lieferkette, nämlich die Produktion, besonders unter Druck gesetzt wird und letztlich viele Marktteilnehmer, insbesondere KMU, aus dem Markt ausscheiden, was zu Arbeitsplatzverlusten führt und die Produktvielfalt verringert. Dies erhöht die Marktkonzentration automatisch, und bewirkt das Gegenteil der Zielsetzung des Wettbewerbsrechts und schadet langfristig den Konsumenten und geht zulasten von Arbeitsplätzen und der Resilienz. Konsumentenwohlfahrt darf nicht nur die Preise für Konsumenten im Fokus haben, sondern es muss auch auf langfristige Auswirkungen, wie insbesondere bessere Qualität, mehr Innovation und Vielfalt abgestellt werden. Dies ist ein wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielsetzungen und Arbeitsplatzzielsetzungen im Regierungsprogramm.

 

Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 01. Dezember 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dipl.-Ing. Olga Voglauer die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Cornelia Ecker, Maximilian Lercher, Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA, Erwin Angerer und Dr. Christoph Matznetter sowie die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, N, dagegen: S) beschlossen.

 

Ein im Zuge der Debatte von dem Abgeordneten Mag. Gerald Loacker eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit (dafür: teilweise S, F, N, teilweise S, N dagegen: teilweise V, G, teilweise V, F, G).

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1167 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 12 01

                        Dipl.-Ing. Olga Voglauer                                                         Peter Haubner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann