1224 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 2069/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden

Die Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 18. November 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Zu Art. 1 Z 1 und Art. 2 Z 1 (§ 80 Z 3 letzter Satz GSVG; § 76 Z 2 letzter Satz BSVG):

Entsprechend einer bereits mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 676/1991 erfolgten Klarstellung im § 120 ASVG soll nunmehr auch im GSVG und BSVG klargestellt werden, dass im Fall eines vorzeitigen Wochengeldanspruches (§§ 102a Abs. 1 GSVG und 98 Abs. 1 BSVG) der Versicherungsfall der Mutterschaft bereits mit Entstehen dieses Anspruches als eingetreten gilt.

Zu Art. 1 Z 2 und Art. 2 Z 2 (§ 102 Abs. 1 GSVG; § 97 Abs. 1 BSVG):

Es soll der Umfang des Versicherungsfalles der Mutterschaft konkretisiert werden.

Zu Art. 1 Z 3 bis 5 und Art. 2 Z 3 bis 6 (§ 102a Abs. 1 sowie Abs. 3 bis 6 GSVG; § 98 Abs. 1, 3, 5 und 6 BSVG):

Im § 102a Abs. 1 GSVG sowie im § 98 Abs. 1 BSVG erfolgen verschiedene Klarstellungen und redaktionelle Anpassungen.

Insbesondere wird klargestellt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vorzeitigen Anspruch auf Wochengeld bzw. Betriebshilfe nicht mehr nur durch ein amtsärztliches Zeugnis, sondern bei Vorliegen gewisser medizinischer Indikationen auch durch ein Zeugnis eines Facharztes für Frauenheilkunde oder für Innere Medizin nachgewiesen werden kann (vgl. Mutterschutzverordnung). Das Beschäftigungsverbot nach § 13a Abs. 5 des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes, BGBl. Nr. 431/1995, ist mit 31. Oktober 2019 entfallen und kann somit keinen vorzeitigen Leistungsanspruch mehr begründen.

Bei der Durchschnittsbetrachtung des § 102 Abs. 3 lit. b GSVG ist künftig unter Berücksichtigung der neuen Auszahlungsmodalitäten auch auf den Teilzeitraum nach Abs. 5 (vorzeitiger Anspruchszeitraum nach § 102a Abs. 1 letzter Satz GSVG, (regulärer) Zeitraum bis zur Geburt und Zeitraum nach der Geburt) abzustellen.

Im § 102a Abs. 4 GSVG wird ausdrücklich klargestellt, dass im Fall eines frühestens mit Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft angezeigten Ruhens oder einer Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit nach § 4 Abs. 1 Z 1 oder 10 GSVG mangels aufrechten Betriebes vom Erfordernis des Einsatzes einer Hilfskraft abzusehen ist.

Die in den Fällen des § 102a Abs. 4 GSVG bislang vorgesehene Auszahlung des Wochengeldes in einem Betrag im Nachhinein führt (insbesondere bei vorzeitigem Wochengeldanspruch) zu langen Zeiträumen ohne Leistungsbezug und damit teilweise zu existenzbedrohenden Situationen.

Künftig soll die Auszahlung von Wochengeld daher zur Vermeidung von Härten und im Sinne einer einheitlichen, verwaltungsökonomischen Administration sowohl in den Fällen des Abs. 3 als auch in solchen des Abs. 4 in bis zu drei Teilbeträgen (nach Ende eines allfälligen vorzeitigen Anspruchszeitraumes, nach der Geburt und nach Ende des gesamten Anspruchszeitraumes) erfolgen. Auf gesonderten Antrag kann eine Auszahlung in kürzeren, vier Wochen nicht unterschreitenden Intervallen erfolgen. Diese Regelung wird auch in das BSVG aufgenommen.

Wenn keine Ausnahme nach Abs. 4 vorliegt, kann eine Auszahlung zudem immer nur für jene zum Antragsdatum bereits abgeschlossenen Teilzeiträume erfolgen, für die der erfolgte Einsatz einer Hilfskraft bestätigt wird. Für die Auszahlung weiterer Teilzeiträume muss ein neuer Antrag gestellt werden, in dem der (weitere) Einsatz einer Hilfskraft bestätigt wird.

Die als Regelfall formulierte Pflicht des Versicherungsträgers, Vorkehrungen zur Beistellung einer Hilfskraft (§§ 102a Abs. 6 GSVG und 98 Abs. 6 BSVG) zu treffen, kann entfallen, weil diese Fälle zahlenmäßig zunehmend in den Hintergrund treten. Durch die Neuregelung kommt es zu keiner Leistungsverschlechterung.

Zu Art. 1 Z 6 (§ 102b GSVG):

Anders als das ASVG (vgl. § 165) enthält das GSVG aktuell keine Regelung zum Zusammentreffen von Wochengeld bzw. Betriebshilfe nach § 102a mit Unterstützungsleistung nach § 104a, sodass Parallelbezüge möglich sind.

Die Unterstützungsleistung soll den durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bewirkten Einkommensausfall (teilweise) ausgleichen und hat insofern klar Einkommensersatzfunktion.

Auch das Wochengeld und damit der Schwerpunkt der Leistungen nach § 102a GSVG hat sich durch die rechtlichen und faktischen Entwicklungen immer deutlicher in Richtung eines vollen (wenn auch pauschalierten) Einkommensersatzes entwickelt. Die kumulative Gewährung von Unterstützungsleistung und Wochengeld bzw. Betriebshilfe als Leistungen der Pflichtversicherung für denselben Zeitraum führt daher heute oftmals zu einer nicht intendierten Besserstellung gegenüber der Situation der aufrechten Erwerbstätigkeit. Trifft ein Anspruch auf Wochengeld oder Betriebshilfe nach § 102a mit einem Anspruch auf Unterstützungsleistung nach § 104a zusammen, soll daher künftig für diesen Zeitraum nur mehr das Wochengeld oder die Betriebshilfe gebühren.

Die Leistung des Krankengeldes aus der Zusatzversicherung nach § 106 soll aufgrund der zusätzlichen Beitragsleistung bei Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen hingegen weiterhin neben dem Wochengeld gebühren.

Zu Art. 2 Z 7 bis 10 (§ 148j Abs. 2, 3 und 5 sowie die Überschrift zu § 148j BSVG):

Das Leistungsrecht der bäuerlichen Unfallversicherung stellt seit der 22. BSVG-Novelle die Möglichkeit der Betriebsfortführung im Falle eines Arbeitsunfalles in das Zentrum seiner leistungspolitischen Überlegungen und unterscheidet sich deshalb grundlegend vom Leistungsrecht des ASVG, welches einen uneingeschränkten Rentenbezug bis zum Ablebensfall ermöglicht. In konsequenter Umsetzung dieses Grundkonzeptes versteht sich im Leistungsbereich des ASVG jegliche Kapitalisierung eines Leistungsanspruches als modifizierte Auszahlungsform eines an sich unveränderten Anspruches.

Das bäuerliche Leistungsrecht nach dem BSVG stellt demgegenüber die Fortführung des Betriebes trotz erlittenem Arbeitsunfalles in den Mittelpunkt und lässt dementsprechend die Betriebsrente ab dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bzw. ab dem Anfall einer Dauerleistung aus der Pensionsversicherung bzw. mit Erreichen des Regelpensionsalters wegfallen und gewährt gleichsam als Abfederung einen finanziellen Ausgleich zum Zwecke einer ‚geordneten Betriebsübergabe‘. Dieses Grundkonzept ist verfassungsrechtlich unbedenklich (VfGH zu Zl. 16/06 vom 19. Juni 2006), allerdings ist die systematisch gebotene Trennschärfe zum ASVG insofern nicht gegeben, als nach bisheriger Rechtslage für die Errechnung des Abfindungskapitals die auf § 184 ASVG beruhende Abfindungsverordnung anzuwenden ist.

Die Höhe der verpflichtenden Abfindung von Betriebsrenten aufgrund eines Wegfalls nach § 148i BSVG wird nach geltender Rechtslage gemäß § 299 Abs. 5 BSVG anhand der Abfindungsverordnung BGBl. II Nr. 245/1999 berechnet. Diese Abfindungsverordnung wurde ursprünglich für die Kapitalisierung von freiwilligen Abfindungen nach § 184 ASVG bzw. § 95 B-KUVG konzipiert und sieht eine aufgrund der unterschiedlichen Lebenserwartungen von Frauen und Männern eine nach Geschlechtern differenzierte Berechnung vor. Eine eigene Verordnung gemäß § 148j Abs. 3 BSVG (in der geltenden Fassung) bezüglich bäuerlicher Betriebsrenten wurde bislang nicht erlassen. Aufgrund des 2. Bundesrechtsbereinigungsgesetzes (BGBl. I Nr. 61/2018) tritt die aus dem Jahr 1999 stammende Abfindungsverordnung mit 31. Dezember 2021 außer Kraft.

Zudem hat der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 3. September 2014 (Rs C-318/13) unter Anwendung der Richtlinie 79/7/EWG ausgesprochen, dass eine einer Kapitalisierung von Rentenleistungen unterlegte, nach Geschlecht differenzierte Lebenserwartung dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen widerspreche und daher diskriminierend sei.

Durch die vorgeschlagene Lösung soll dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Jänner 2014 Rechnung getragen werden, indem an die Stelle der verpflichtenden ‚kapitalisierten Abfindung‘ eine Abfertigung tritt. Durch die Einfügung des Wortes ‚geschlechtsneutral‘ in § 148j Abs. 2 BSVG (in der Fassung dieses Initiativantrags) soll sichergestellt werden, dass die Nachfolgeregelung für die mit 31. Dezember 2021 außer Kraft tretende Abfindungsverordnung aus dem Jahre 1999 bei der Berechnung der Abfertigungshöhe nicht zwischen den Geschlechtern differenziert.

Das bevorstehende Außerkrafttreten der Verordnung BGBl. II Nr. 245/1999 sowie die im EuGH-Urteil dargestellte Europarechtswidrigkeit der nach Geschlechtern differenzierten Berechnung haben zur Folge, dass betreffend die verpflichtende Abfindung von Betriebsrenten eine Nachfolgeregelung zu treffen ist. Bei der noch zu erstellenden Nachfolgeverordnung gemäß § 148j Abs. 3 BSVG (in der Fassung dieses Initiativantrags) soll darauf geachtet werden, dass die Leistungshöhe der Abfertigungen im Wesentlichen auf einem ähnlichen Niveau im Vergleich zur derzeit gültigen Verordnung bleiben.

Die vorgeschlagene Änderung des Wortlautes im ersten Satz des § 148j Abs. 2 BSVG dieses Initiativantrags im Vergleich zum ersten Satz des § 148j Abs. 2 BSVG der geltenden Fassung soll bei der Ausarbeitung der ausstehenden Verordnung nach Abs. 3 (in der Fassung dieses Initiativantrags) den für die Erreichung der bereits genannten Ziele notwendigen Gestaltungsspielraum ermöglichen.

Notwendige Änderungen der Abfertigungsverordnung, welche sich beispielsweise durch Anpassungen an eine veränderte Lebenserwartung oder durch Änderungen der Rechtslage ergeben können, sollen künftig ohne das zusätzliche Erfordernis der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats rasch vollzogen werden können.“

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 2. Dezember 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Laurenz Pöttinger die Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Fiona Fiedler, Bed, Barbara Neßler, Rebecca Kirchbaumer, Mag. Markus Koza, Dr. Dagmar Belakowitsch,
Mag. Gerald Loacker, Alois Stöger, diplômé sowie die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Rebecca Kirchbaumer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Es kommt zu einer redaktionellen Berichtigung in Bezug auf die Verordnungsermächtigung nach § 148j Abs. 3 BSVG in der Schlussbestimmung des Art. 2.“

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Rebecca Kirchbaumer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, dagegen: S, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 12 02

                              Laurenz Pöttinger                                                              Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann