1266 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über den Antrag 2084/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend vehementes Eintreten gegen Mini-AKWs (SMRs) und Generation IV Nukleartechnologien auf EU-Ebene und

über den Antrag 1577/A(E) der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auftreten gegen Mini-Atomkraftwerke als Klimaschutzmaßnahme

Antrag 2084/A(E)

Die Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 2084/A(E) am 19. November 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Mitte der 2000er Jahre wurde mit der Reaktorgeneration III die Revolution der Atomindustrie ausgerufen: Vorzeigemodelle des neuen, sicheren und ökonomischen Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) wurden für Finnland und Frankreich angekündigt. Fast 20 Jahre später haben sich die EPR Projekte in Olkiluoto (Finnland) und in Flamanville (Frankreich) als wahre Finanz- und Baudebakel erwiesen. Die Baukosten des EPR in Flamanville haben sich laut französischem Rechnungshof von den geplanten 3,2 Milliarden Euro auf 19 Milliarden Euro mehr als versechsfacht. Der Betrieb wird frühestens 2023 mit mehr als einem Jahrzehnt Verspätung aufgenommen werden.

Kein Wunder also, dass der Weltnuklearbericht in seiner aktuellen Ausgabe der Atomindustrie ein düsteres Urteil ausgestellt hat. Der Bau von Atomreaktoren ist so kapitalintensiv und mit derart langen Vorlaufzeiten verbunden, dass Investorinnen sich schon längst den Erneuerbaren Energieträgern zugewandt haben. Im Jahr 2020 haben sie 17-mal so viel in Erneuerbare Energieträger investiert wie in Atomenergie. Das bestätigte auch kürzlich erneut die US-amerikanische Investment Bank LAZARD mit ihrem vielbeachteten Jahresbericht zu Energiepreisen: Die Stromgestehungskosten von Nuklearenergie haben ihren langjährigen Aufwärtstrend von 2020 auf 2021 fortgesetzt, während die Preise für Erneuerbare Energien weiter stark sinken. Kapitalkosten bzw. Stromgestehungskosten von Nuklearenergie übersteigen die von moderner Wind- und Sonnenenergie um das 10-fache bzw. 5-fache (https://www.lazard.com/media/451881/lazards-levelized-cost-of-energy-version-150-vf.pdf. Die Internationale Energie-Agentur hat kürzlich bekanntgegeben, dass der aktuell billigste Strom aus Photovoltaikanlagen kommt. Kurzum, ohne staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe würde kein Land der Welt mehr Atomkraftwerke bauen, es gibt schlichtweg keinen Business Case mehr für Atomenergie.

Die Atomindustrie steht unter Rechtfertigungsdruck und sucht nach neuen Argumenten, um an neue Fördergelder und Unterstützungen heranzukommen. Neue Technologien der sogenannten Generation IV sollen nun alten Probleme lösen. Besonders propagiert werden aktuell die sogenannten Small Modular Reactors (SMRs). Mit einer Leistung bis zu 300 MW und der Größe eines Wohnhauses sollen sie - billig am Fließband produziert - auf der ganzen Welt einsatzbereit sein und die Energiewende risikofrei und dezentral gewährleisten. Bill Gates und Rolls Royce investieren Millionen in deren Entwicklung. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat unter Berufung auf SMRs seinen Reduktionskurs in Richtung Atomstromanteil von 50% statt aktuell 70% aufgegeben und angekündigt eine Milliarde Euro in den Ausbau der Atomindustrie zu investieren. Auch Polen und die USA wollen auf SMRs setzen, um ihre Klimaziele zu erreichen.

Doch wie sicher, ökonomisch sinnvoll und verfügbar sind diese neuen Konzepte? Das Ökoinstitut Darmstadt hat im März 2021 gemeinsam mit der TU Berlin und dem Physikerbüro Bremen in einem ausführlichen, wissenschaftlichen Gutachten (in Folge Ökoinstitut-Gutachten genannt) zentrale Punkte beantwortet:

Zeitaspekt: Die Bekämpfung des Klimawandels erlaubt keinen Aufschub. Dieser ist aber Programm in der Atomindustrie, so auch in der Entwicklung von Kleinreaktoren. Einige der heute verfolgten Konzepte reichen in die 1970er bis 1950er Jahre zurück und sind noch immer weit von der Marktreife entfernt. Von den zahlreichen SMR-Konzepten, die sich weltweit in unterschiedlichen Planungsstadien befinden, hat es lediglich Russland mit dem schwimmenden Zwillingsreaktor „Akademik Lomonosow“ geschafft, Strom zu erzeugen. Der Reaktor wird mit Uran betrieben und mit Leichtwasser gekühlt - von sicher und risikofrei kann hier aber keine Rede sein.

Anderen SMR-Konzepte, die einen deutlichen Vorteil in Sachen Sicherheit und Ökonomie durch neue Brennstoffe und passive Kühlsysteme versprechen, befinden sich erst in frühen Planungsstadien. Bill Gates und das von ihm mitgegründete Unternehmen Terrapower etwa wollen bis 2027 mit ihrem Modell des Flüssigsalzreaktors Strom erzeugen. Die Radiochemie und Materialwissenschaft für dieses Konzept sind jedoch völlig ungelöst, ebenso wie das gestaffelte Sicherheitssystem, das jedoch einen Grundpfeiler für die Reaktorsicherheit darstellt. Derartige Ankündigungen sind traditionell über-optimistisch und bis zum serienmäßigen Einsatz wird es noch einmal Jahrzehnte dauern. Sogar renommierte Atomenergie-Befürworter, wie William Magwood, Generaldirektor der OECD Atomenergieagentur NEA geben mittlerweile zu bedenken: „Wenn diese Technologien nicht in etwa einem Jahrzehnt auf den Markt gebracht werden, sind sie für die Energiewende möglicherweise nicht mehr relevant.“

Da SMRs mit teils gänzlich neuen Technologien auf der ganzen Welt im Einsatz sein sollen, sind auch internationale behördliche Auflagen relevant für den zeitlichen Einsatz. Die Überwachung und Instandhaltung eines weltweiten Netzes an Minireaktoren wird Sicherheits- und Monitoringsysteme vor große Herausforderungen stellen. Zulassungsverfahren können mitunter den tatsächlichen Betrieb noch einmal um Jahre hinauszögern. Insgesamt zeigt sich schon jetzt eindeutig, dass SMRs und Generation IV Technologien für die Energiewende zu spät kommen werden.

Kostenaspekt: Aufgrund ihrer Modulbauweise können SMR am Fließband produziert werden und sind viel weniger kapitalintensiv als heute gängige Großreaktoren, so die Hoffnung. Laut Ökoinstitut-Gutachten werden Skaleneffekte hinsichtlich Produktionskosten erst ab einer Stückzahl von 3000 schlagend. Vorher wirken sich Skaleneffekte sogar negativ aus, denn pro Einheit erzeugtem Strom verbrauchen Kleinreaktoren mehr Baumaterial und Energie, benötigen mehr Brennstoff und erzeugen mehr Atommüll. Aus genau diesen Gründen sah man in den 1950ern und 1970ern vom Bau der Minireaktoren ab und begann mit dem Bau großer Reaktoren. Ein Zurück in die 1950er Jahre können wir uns aktuell nicht leisten.

Die derzeitige Nachfrage reicht jedenfalls nicht, um Produktionszahlen von mehreren Tausenden SMR ökonomisch zu rechtfertigen. Umgekehrt werden die hohen Baukosten bei geringen Produktionszahlen die Nachfrage nicht steigern - die SMR Entwicklung sitzt einem Henne-Ei Dilemma auf. Was wir aber mit Sicherheit sagen können: Jetzt auf völlig unerprobte Nuklearkonzepte am Papier zu setzen, heißt Milliardenbeträge mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit in den Sand zu setzen. Jeder Cent ist besser eingesetzt in den Bau billiger und schon etablierter Erneuerbarer Energieträger bzw. in die Weiterentwicklung von Speichertechnologien.

Das Ökoinstitut Gutachten zeigt eindrücklich, dass Kostenexplosionen der heute am weitesten fortgeschrittenen SMR-Projekte, dem chinesischen Versuchsreaktor CEFR, dem russischen Atom-Schiff „Akademik Lomonossov“ und dem argentinischen CAREM (seit 1984 in Entwicklung bzw. Bau), den Business Case für SMR noch geringer ausfallen lassen, als jenen für große Reaktoren: Die realen Kosten des „Akademik Lomonossov“ 70 MW-Reaktors sind mit US-$ 740 Millionen oder 10.571 Dollar pro Kilowatt installierte Leistung noch weit über denen der ohnehin schon unwirtschaftlichen größeren Reaktorkonzepte.

Sicherheitsaspekt: Die angebliche Sicherheit der Generation IV und SMRs in puncto Proliferation und Betriebssicherheit ist laut Ökoinstitut- Gutachten nicht gegeben. Ein Mini-Reaktor enthält naturgemäß weniger spaltbares Material. Tausende Mini-Reaktoren auf der gesamten Welt eingesetzt führen das Mengenargument wieder ad absurdum. Ganz im Gegenteil: Terroristische Organisation träumen wahrscheinlich von der schier unbegrenzten Möglichkeit, an Material zu kommen, das mit wenig zusätzlichem Aufwand waffenfähig gemacht werden kann, und das jedenfalls für eine „schmutzige Bombe“ mit großer radioaktiver Verseuchung verwendbar ist.

Generation IV Technologien, die tatsächlich ohne waffenfähige Spaltprodukte auskommen, sind nicht in absehbarer Reichweite bzw. noch gänzlich unerprobt. Das Ökoinstitut hält zudem fest, dass einige Vorteile neuer Brennstoffe oder Kühlsysteme hinsichtlich der Vermeidung sowohl von Kernschmelzen, als auch von Proliferation, Nachteilen in anderen Bereichen gegenüberstehen. Allein schon wäre ein komplett neues Netz an Überwachungs- und Sicherheitssystemen weltweit nötig, um einen reibungslosen Ablauf und Schutz vor terroristischen Angriffen zu gewährleisten.

Nach Einschätzung der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs ist der militärische Nutzen von Atomenergie für Nuklear-U-Boote, Atomwaffen, Flugzeugantriebe, etc von einer fundierten zivilen Atominfrastruktur abhängig. Diese garantiert nicht nur die Lieferung von spaltbarem Material, sondern auch das technische Know-How und die Manpower (https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/IPPNW-Information_How_nuclear_power_powers_the_bomb_2019_EN.pdf). Das Propagieren von SMRs und Generation IV Technologien wird dem derzeit beobachtbaren atomaren Wettrüsten weltweit weiter Zündstoff liefern. Der militärischen Nutzung von Nukleartechnologien darf kein Klimaschutzdeckmantel verliehen werden. Das wird allerdings gerade auf EU-Ebene probiert. Frankreich, Polen und weitere Staaten setzen sich massiv dafür ein, dass Atomenergie als nachhaltige Technologieform in die europäische Taxonomie-Verordnung eingeht. Es geht um nichts Geringeres als um Milliarden an Finanzflüssen, die in die Atomindustrie zu fließen drohen. “

 

Antrag 1577/A(E)

Die Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 1577/A(E) am 3. Mai 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Unter der Überschrift „Mini-Atomkraftwerke für den Klimaschutz“ berichtete faz.net am 27.04.2021 wie folgt:

„Joe Biden, Bill Gates und Boris Johnson setzen auf die Serienfertigung neuartiger Reaktoren. Steht die Kernkraft vor einer Renaissance?

Weit draußen im Nordosten Sibiriens liegt in der Hafenstadt Pewek ein Schiff in den Farben der russischen Nationalflagge vor Anker. Die Akademik Lomonossow, ein kantiger Riesenkahn, benannt nach einem russischen Naturwissenschaftler, ist das derzeit wohl umstrittenste Schiff der Welt. Umweltschützer schmähen es als „schwimmendes Tschernobyl“ und „Nuklear-Titanic“. Für die Internationale Atomenergieorganisation der Vereinten Nationen (IAEA) dagegen ist die Akademik Lomonossow der Vorbote einer neuen Zeit. Denn das Schiff ist eine Art schwimmendes Atomkraftwerk, das im entlegenen Pewek für die Stromversorgung der örtlichen Bevölkerung und Wirtschaft sorgt. Die Reaktoren im Schiffsrumpf sind laut IAEA die ersten ihrer Art auf der Welt, die schon Strom liefern.

Fachleute sprechen von „Small Modular Reactors“ (SMR). Rund um den Globus gibt es derzeit rund 70 Projekte zur Entwicklung solcher Atommeiler im Kleinformat. Die meisten von ihnen sollen freilich keine schwimmenden Kraftwerke werden wie das russische Atomstrom-Schiff, sondern an Land entstehen. Das Besondere: Sie haben zwar nur einen Bruchteil der Leistung konventioneller Großkraftwerke, sollen dafür aber sicherer und viel weniger teuer sein.

Die Internationale Atomenergieorganisation definiert SMR-Anlagen als Atomreaktoren mit einer Leistung von maximal 300 Megawatt. Zum Vergleich: In konventionellen Großkraftwerken kommen einzelne Reaktoren nicht selten auf 1300 Megawatt und mehr. Befürworter setzen darauf, dass SMR-Anlagen in Zukunft in großer Stückzahl und quasi in Serie gebaut werden, was die geringere Leistung der einzelnen Reaktoren ausgleichen würde. Die Freunde der Kleinkraftwerke glauben, dass die neue Technik zu einer globalen Renaissance der Atomenergie in der Stromerzeugung führen wird – und einen wichtigen Beitrag zur klimaschonenden Energieversorgung leisten kann.

„Es gibt auf der ganzen Welt ein wachsendes Interesse an der SMR-Technik“, sagt etwa der Nuklearexperte Stefano Monti von der IAEA. Das gilt nicht zuletzt für das Weiße Haus in Washington, wo ein neuer Präsident regiert. Joe Biden, 78 Jahre, ist auf seine alten Tage zum neuen Hoffnungsträger für den internationalen Klimaschutz avanciert.

Schon am ersten Tag im Amt ordnete Biden die Rückkehr der Vereinigten Staaten in das Klimaschutzabkommen von Paris an, das sein Vorgänger Donald Trump aufgekündigt hatte. Die Vergabe neuer Bohrlizenzen für die Ölindustrie wird beschränkt. Schließlich soll die größte Volkswirtschaft der Welt klimaneutral bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden - das hat Biden bereits im Wahlkampf versprochen. Doch was für so manchen deutschen Klimaschutz-Aktivisten eher verstörend sein mag: Der neue Regierungschef setzt beim angekündigten Radikalumbau des Energiesystems nicht nur auf Windräder und Photovoltaikanlagen. Biden will auch die Chancen neuartiger Atomkraftwerke wie der SMR-Anlagen ausloten.

Auch der britische Premierminister Boris Johnson ist ein Atomkraft-Fan. In Großbritannien arbeitet ein Konsortium um den Industriekonzern Rolls-Royce mit finanzieller Unterstützung der Regierung an der SMR-Technik. Bis zu 16 solcher Anlagen sollen auf der Insel gebaut werden und ältere konventionelle Atomkraftwerke ersetzen. In Kanada stehen die SMR-Reaktoren ebenfalls auf der energiepolitischen Agenda. Deutlich weiter sind Argentinien und China: Dort sind die ersten Klein-Atomkraftwerke bereits im Bau und könnten innerhalb der nächsten drei Jahre in Betrieb gehen.

Wer verstehen will, woher der Enthusiasmus für die neuen Mini-Meiler kommt, der muss wissen, wo die Probleme der bisherigen atomaren Großkraftwerke liegen. In Deutschland sind deren Tage bekanntlich gezählt: Die letzten drei Atomkraftwerke sollen Ende 2022 vom Netz gehen. Ähnliche Atomausstiegs-Beschlüsse gibt es auch in Belgien, Italien und der Schweiz. Und im milliardenschweren Klimaschutzprogramm „European Green Deal“ der EU kommt die Atomkraft bislang kaum vor.

Doch nicht nur in Europa, sondern auch global schwindet die Bedeutung der Atomkraft. Ihr Anteil an der Stromerzeugung auf der Welt ist seit Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts deutlich gefallen und macht derzeit nur noch rund 10 Prozent aus (siehe Grafik) . Was noch vor wenigen Jahren schwer vorstellbar erschien, ist heute Realität: Es wird auf der Welt insgesamt mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt als mit Atomkraft.

„Wir sind der Meinung, dass die Atomkraft auch in Zukunft eine Rolle im Energiesektor spielen kann“, sagt indes Peter Fraser, Strommarktexperte der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris. Aber die heutigen Riesen-Kraftwerke hätten zwei gravierende Nachteile: die häufig exorbitant hohen Investitionskosten und die langen Bauzeiten. Ein finanzieller Gau ist beispielsweise der Reaktorblock Flamanville 3 in der Normandie. An der Nuklearanlage mit einer vorgesehenen Leistung von 1600 Megawatt baut der französische Energiekonzern EdF bereits seit 2007. Fertig wird der neue Reaktor nach derzeitiger Schätzung frühestens 2023. Die erwarteten Baukosten haben sich in den vergangenen 14 Jahren auf 12 Milliarden Euro fast vervierfacht. Ähnlich gewaltige Kostensteigerungen und Verzögerungen gibt es beim Bau des Reaktorblocks Olkiluoto 3 in Finnland. Und auch das neue Kernkraftwerk Hinkley Point in England wird mit geschätzten Kosten von umgerechnet 25 Milliarden Euro sehr teuer.

Für den Bau von Mini-Atomkraftwerken soll dagegen viel weniger Geld notwendig sein. Fachleute schätzen, dass eine Anlage mit 300 Megawatt für rund eine Milliarde Euro möglich sein wird. Außerdem könnten die kleinen, technisch nicht so komplizierten Reaktoren sehr viel schneller gebaut werden als konventionelle Großkraftwerke. „In Zukunft wird es möglich sein, SMR-Kraftwerke in Serie herzustellen, ähnlich wie heute große Passagierjets“, sagt der IAEA-Experte Monti. Die kleinen Anlagen könnten in der Fabrik vormontiert und per Lastwagen, Zug oder Schiff an den Standort transportiert werden. Die Serienfertigung könnte die Baukosten deutlich senken, hoffen Befürworter.

Zumindest in den westlichen Industrieländern gilt der Neubau von atomaren Großkraftwerken dagegen vielen Fachleuten als kostenmäßig kaum noch konkurrenzfähig. In den Vereinigten Staaten gingen sogar ältere Atomkraftwerke vorzeitig vom Netz, weil sie unwirtschaftlich geworden seien, berichtet Peter Fraser von der Internationalen Energieagentur. Auch der Finanzmarkt zweifelt an der Zukunft großer Nuklearkraftwerke: Der Aktienkurs des französischen Atomkonzerns EdF ist seit 2007 um mehr als 80 Prozent gefallen. Westinghouse, ein bedeutender amerikanischer Hersteller traditioneller Atomkraftwerke, musste vor vier Jahren Gläubigerschutz beantragen.

Doch trotz der Misere bei konventionellen großen Atomkraftwerken setzen amerikanische Politiker in seltener parteiübergreifender Einmütigkeit auf die neuen Mini-Reaktoren. „Dafür gibt es von Republikanern wie Demokraten erhebliche Unterstützung“, sagt etwa Niko McMurray, ein Atomkraft-Experte der Denkfabrik Clearpath Foundation aus Washington, die sich nach eigenen Angaben für „konservative saubere Energie“ einsetzt. Die Entwicklung von SMR-Reaktoren wurde von Washington schon während der Regierungszeit von Barack Obama staatlich gefördert.

Der Republikaner Trump hielt daran fest. Erst im Oktober gewährte das Energieministerium dem Nukleartechnologie-Unternehmen Nuscale aus Oregon Subventionen von 1,4 Milliarden Dollar, um den Testbetrieb von SMR-Anlagen zu ermöglichen. Biden wiederum denkt über die Gründung einer neuen Regierungsagentur namens Arpa-C nach, die grüne Innovationen für den Klimaschutz und auch die Nukleartechnik voranbringen soll.

Auch Bill Gates setzt auf die Mini-Atomkraftwerke. Der Multimilliardär und Microsoft-Mitgründer hat schon vor vielen Jahren das Nuklearunternehmen Terrapower aus der Taufe gehoben, das an der SMR-Technik arbeitet. Gates, der Verwaltungsratschef von Terrapower ist, geht es dabei nach eigener Aussage um den Klimaschutz: Er hält die Weiterentwicklung der Atomkraft für einen wichtigen Hebel im Kampf gegen die Erderwärmung. Ein Argument lautet dabei, dass die Kosten für Wind- und Sonnenstrom in den vergangenen Jahren zwar rapide gefallen sind. Doch die Stromerzeugung mit Windrädern und Photovoltaik-Anlagen schwankt relativ stark, je nachdem ob die Sonne scheint und der Wind weht – oder eben nicht. In solchen Flautenzeiten könnten die Mini-Reaktoren aushelfen.

Denn während die großen Atomkraftwerke in ihrer Stromerzeugung häufig relativ unflexibel sind, können die kleinen SMR-Anlagen bei Bedarf schneller reagieren. „Sie sind flexibler, die erzeugte Strommenge kann bei Bedarf schneller hoch- und runtergefahren werden“, sagt Stefano Monti von der IAEA. Bisher sorgen vor allem klimaschädliche Gas- und Kohlekraftwerke für den Puffer in Flautenzeiten. Die Mini-Meiler wären eine emissionsarme Alternative dazu.

Kritiker halten dem entgegen, dass die neuen Kleinkraftwerke mit ähnlichen Sicherheitsrisiken behaftet seien wie konventionelle Großreaktoren - mal ganz abgesehen vom noch immer weitgehend ungelösten Endlagerproblem für hochradioaktiven Abfall. „Wenn man eine einzelne SMR-Anlage betrachtet, ist zwar weniger nukleares Material enthalten, das bei einem Unfall freigesetzt werden könnte“, sagt beispielsweise der Atomkraftexperte Christoph Pistner vom Öko-Institut in Darmstadt. Aber um auf dieselbe Leistung wie ein großes Kraftwerk zu kommen, brauche es eben auch ein Vielfaches an SMR-Anlagen. „Dadurch wiederum könnte das Risiko wachsen“, warnt Pistner. Derzeit gebe es rund 440 kommerzielle Atomkraftwerke auf der Welt, rechnet Pistner vor. „Damit die SMR-Technik einen signifikanten Beitrag zu Stromerzeugung leisten könnte, müssten womöglich Tausende solcher Anlagen gebaut werden.“ Für Atomkraftgegner ist das der Stoff, aus dem Albträume gemacht werden.“

 

Der Umweltausschuss hat den Entschließungsantrag 1577/A(E) erstmals in seiner Sitzung am 21. Oktober 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Walter Rauch die Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Robert Laimer, Michael Bernhard sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA. Die Verhandlungen wurden vertagt.

 

In seiner Sitzung am 7. Dezember 2021 hat der Umweltausschuss den Entschließungsantrag 2084/A(E) und den Entschließungsantrag 1577/A(E) unter einem in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter zu Entschließungsantrag 2084/A(E) fungierte Abgeordneter Ing. Martin Litschauer. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Michael Bernhard sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA.


 

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag 2084/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

 

Der Entschließungsantrag 1577/A(E) der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen ist damit miterledigt.

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Ing. Martin Litschauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 12 07

                         Ing. Martin Litschauer                                                         Lukas Hammer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann