Entschließung

betreffend Maßnahmen zur Umsetzung des Tierschutzvolksbegehrens

Die Bundesregierung wird ersucht, die Ambitionen im Tierschutz in Österreich und auf europäischer Ebene noch weiter zu verstärken und in ihrem Wirkungsbereich die folgenden Maßnahmen zur schrittweisen Umsetzung der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens zu setzen. Hierbei soll in allen Bereichen Planungssicherheit für betroffene Betriebe, positive wirtschaftliche Zukunftsaussichten durch ausreichend Marktanreize, sowie finanzielle Unterstützung gewährleistet werden. Das gesamtgesellschaftliche Anliegen Tierwohl soll dadurch breit von allen Gesellschaftsteilen – von Produzentinnen und Produzenten zu Konsumentinnen und Konsumenten - getragen werden.

Für eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzesentwürfe vorzulegen, Verordnungen in Begutachtung zu schicken, bzw. Programme zu entwickeln, mit welchen die folgenden Vorhaben umgesetzt werden:

Geflügel:

-       Gesetzliches Verbot des Schredderns von Küken, sowie gesetzliches Verbot des Tötens von lebensfähigen Küken, sofern diese nicht nachweislich der Futtergewinnung dienen.

-       Unterstützung der Branchenvereinbarung zum Aufbau der Alternativen zum Kükentöten, welche folgendes umfasst: in der Datenbank Poultry Health Data dokumentierte und in Österreich tatsächlich benötigte Futterküken, Junghahnenaufzucht, möglichst frühzeitige Geschlechtsbestimmung im Ei.

-       Förderung der Haltung von Zweinutzungsrassen bei Geflügel

-       Verbot der Käfighaltung von Küken, bei der Aufzucht von Junghennen und bei der Haltung von Zuchttieren, mit folgenden Ausnahmen: zeitlich beschränkt möglich für Wiederverkäufer von Junghennen und für Eliteherden zur gezielten Anpaarung

-       Regelung der Haltung von Wachteln

-       Einführung einer neuen Form der Biodiversitäts-Heckenweide, welche durch erhöhte natürliche Deckungsmöglichkeiten die Nutzung der Auslauffläche durch das Geflügel attraktiver und effizienter macht

-       Verbesserung der Haltungsbedingungen für Legehennen in Bodenhaltung durch verpflichtendes Angebot erhöhter Sitzstangen. Zudem wird die Bundesregierung ersucht, sich auf EU-Ebene für eine Anhebung der EU- Mindeststandards zur Haltung von Masthühnern, insbesondere erhöhte Sitzebenen, einzusetzen.

-       Einsatz auf EU-Ebene für EU-weite, hohe Mindeststandards in der Putenhaltung

Schweine:

-       Festlegung im Verordnungsweg zur maximalen Fixierungsdauer in der ab 1.1.2033 gültigen Regelung auf max. 1 Tag vor Geburtstermin bis max. 5 Tage nach Geburt (Umsetzung der Ergebnisse des Projekts Pro-SAU, Konkretisierung der derzeit festgelegten „kritischen Lebensphase“).

-       Vollzug des bestehenden Verbots des routinemäßigen Kupierens der Schwänze von Schweinen durch Festlegung eines Systems der verpflichtenden Tierhaltererklärung und Risikoanalyse auf schweinehaltenden Betrieben zur Beurteilung der Faktoren, die zu Kannibalismus und Schwanzbeißen führen, sowie der darauf basierenden verpflichtenden Umsetzung von Verbesserungen der Haltungsbedingungen. Mit diesem System wird erreicht, dass der Anteil von Schweinen mit unversehrten Schwänzen kontinuierlich erhöht wird, und damit das routinemäßige Kupieren der Schwänze endet.

-       Der ab 1.1.2022 vorgesehene höhere Förderstandard für Investitionen in Ferkelaufzucht und Schweinemast wird ab 1.1.2023 zum gesetzlichen Mindeststandard für Neu- und Umbauten.

             - Bewegungsmöglichkeit (Mindestflächen für die Buchten, bis zu 20% mehr Fläche)

             - Mit eigenem Liegebereich

             - Klimatisierung

             - Mehr Beschäftigungsmaterial

-       Unstrukturierte Buchten (Vollspaltenbuchten gem. bisherigem gesetzl. Mindeststandard) entsprechen daher nicht mehr den gesetzl. Vorgaben für Neu- und Umbauten und werden damit zum Auslaufmodell.

-       Im Rahmen des vor kurzem gestarteten Projekts IBeSt (Innovationen für bestehende Aufzucht- und Mastställe für Schweine in Österreich – zum Wohl von Tier und Mensch), werden alle relevanten Stakeholder (insbes. BMSGPK, BMLRT, VUW, BOKU, Bundesanstalten, Experten, Tierschutzorganisationen) in Form eines begleitenden Beirates eingebunden.

-       Ziel ist die Erarbeitung praxistauglicher Baulösungen ausgehend von den neuen Förderstandards unter Analyse der Auswirkungen auf Tierwohl, Tiergesundheit, Umwelt, Arbeitsabläufe, Zeitaufwand und Wirtschaftlichkeit. Eine Erweiterung des IBeSt-Projekts um die Beurteilung bestehender Qualitätsprogramme (AMA-Gütesiegel, Tierwohl, BIO...) nach denselben Parametern ist angestrebt.

-       Die AMA-Marketing GmbH möge sowohl durch das bestehende Konzept für die Weiterentwicklung von Tierwohlsystemen am Markt für Schweinefleisch die Grundlagen für eine Weiterentwicklung schaffen, als auch im Wege der Marktforschung ein System für mehr Transparenz bei Fleisch und Milch bereitstellen.

-       Umstellung der AMA-Gütesiegel Basisanforderungen auf den neuen Förderstandard für die Ferkelaufzucht und Schweinemast bis Ende 2032

-       Vollständige Umstellung der öffentlichen Beschaffung auf den Standard AMA-Gütesiegel Tierwohl oder BIO bis 2030, sowie Unterstützung der Pläne der AMA zum Ausbau der Schweinehaltung im Premiumsegment (AMA Tierwohlsiegel und Bio-Haltung) auf 1 Mio Schweine bis 2030.

-       Die ÖPUL Maßnahmen Tierwohl-Stallhaltung sowie die Investitionsförderung, welche den Umbau für tiergerechtere Haltungssysteme kofinanziert, sollen maßgeblich dazu beitragen.

Rinder:

-       Förderung des Aufbaus nationaler Vermarktungsschienen für österreichisches Kalbfleisch in Kooperation mit der AMA, wie die Aufnahme der Qualitätsstandards „Vollmilchkalb“ und „Kalb rosé“ ins AMA Qplus Rind Programm.

-       Förderung von Mastplätzen für mindestens 10.000 Kälber von Milchkühen, welche in Zukunft in Österreich gemästet und vermarktet werden um Kälberexporte aus Österreich massiv zu reduzieren

-       Start eines Dialoges zur Entwicklung neuer Regelungen von Kälbertransporten unter Berücksichtigung des Immunstatus

-       Aufbau eines Systems zur Vereinfachung lückenloser Retrospektivkontrollen von Zuchttiertransporten in Drittstaaten

-       Aufbau eines Systems zum Nachweis des Herdenaufbaus in den Zielländern, basierend auf bereits bestehenden Vorleistungen

-       Verbot des Exports von Schlacht- und Mastrindern in Drittstaaten

-       Förderung von Zweinutzungsrassen bei Rindern

Öffentliche Mittel sollen das Tierwohl fördern

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird ersucht,

-       die vollständige Umsetzung des Aktionsplans Nachhaltige Beschaffung, welcher einen Meilenstein hinsichtlich Marktanreizen für mehr Tierwohl in der Landwirtschaft darstellt – in dem etwa der Vorzug besonders tierwohlfreundlicher Haltungsformen, und die gentechnikfreie Fütterung bereits vorgezeichnet sind - auf Bundesebene weiter voranzutreiben, und

-       im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Bundesländer und Gemeinden einzuwirken, den Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung auch in ihren Bereichen (z.B. Landeskrankenhäuser, Landespflegeheime, Pflichtschulen, Kindergärten) vollständig umzusetzen;

-       die Etablierung von nachhaltigen Vermarktungsstrukturen für Betriebe, die Schweine in besonders tierfreundlichen Haltungssystemen halten oder auf solche umstellen wollen, zu unterstützen,

-       die bereits begonnene Anhebung der Haltungsanforderungen für Schweine im AMA-Gütesiegel weiter voranzutreiben.

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird ersucht, einen GAP Strategieplan vorzulegen,

-       der den tierwohlgerechten Zukunftsweg der Landwirtschaft mit entsprechenden Maßnahmen begleitet,

-       der in der Investitionsförderung im Rahmen der Ländlichen Entwicklung die notwendigen Fördermittel zur Ko-Finanzierung von Stall-Umbauten für geplante höhere Haltungsstandards vorsieht, sowie für darüberhinausgehende Tierwohlverbesserungen (wie Stallsysteme mit zusätzlichen Strukturierungselementen, angemessenen Gruppengrößen, Stroheinstreu, Auslauf, Offenfrontställe, Freilandhaltung, oder höheres Platzangebot) einen deutlich erhöhten Fördersatz anbietet,

-       der die erfolgreichen Tierwohl-Programme im Umweltprogramm ÖPUL weiterentwickelt, um insbesondere die heimische Kälbermast und die Haltung von unkupierten Schweinen in tiergerechten Haltungssystemen auszubauen, und erhöhtes Platz- und Strukturangebot, Auslauf, Freiland- und Weidehaltung für weitere Tierarten, sowie innovative Systeme wie Offenfrontställe besonders fördert, und

-       der Anreize für die Absatzförderung von Tierwohlprodukten bietet und den Aufbau von Qualitätsprogrammen mit Tierwohl- und Tiergesundheitsanforderungen unterstützt.

Mehr Transparenz für Konsumentinnen und Konsumenten

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, sowie die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wird ersucht,

-       die Verordnungen für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch, Eier in der Gemeinschaftsverpflegung und in verarbeiteten Lebensmitteln in Begutachtung sowie zur EU-Notifizierung zu schicken, um die Umsetzung ab dem ersten Halbjahr 2022 zu ermöglichen und damit die Marktbedingungen für österreichische landwirtschaftliche Betriebe für den Verkauf in Österreich deutlich zu verbessern,

-       sich auf EU-Ebene im Rahmen der Umsetzung der Farm to Fork Strategie für eine umfassende und EU-weit verpflichtende Herkunftskennzeichnung, sowie für die Prüfung und Entwicklung von Tierwohl- und Nachhaltigkeitskennzeichnungen einzusetzen,

-       sich auf EU-Ebene für hohe Tierschutz-Mindeststandards einzusetzen, um somit auch die Einfuhr von Rohstoffen und Lebensmitteln, die mit in Österreich bereits verbotenen Praktiken produziert wurden, zu unterbinden,

-       die Haltungssysteme in der Nutztierhaltung in ihrer Entwicklung einem Monitoring zu unterziehen, und

-       Maßnahmen für ein Monitoring der Erzeugung, der Verarbeitung und der Vermarktung von Tierwohl-Erzeugnissen zu setzen, die den Absatz dieser Erzeugnisse im Lebensmitteleinzelhandel, im Großhandel, in der Gastronomie und in allen Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung einschließlich der öffentlichen Beschaffung beurteilen lassen.

Ein besseres Leben für Hunde und Katzen

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzesentwürfe vorzulegen, Verordnungen in Begutachtung zu schicken, sowie weitere Schritte zur Umsetzung der folgenden Vorhaben zu tätigen:

-       Die Streichung des § 44 Abs. 17 im Tierschutzgesetz, sowie die rechtlich bindende Festlegung von klaren Definitionen zur Diagnose von Qualzuchtmerkmalen. Die Definitionen zur Diagnose von Qualzuchtmerkmalen sollen vorerst für brachycephale Hunderassen erfolgen. Vorbild könnte das niederländische Ampelmodell sein. Basierend darauf sollen bestimmte, besonders stark mit Qualzuchtmerkmalen belastete Rassen grundsätzlich mit einem Zuchtverbot belegt werden. Weiters soll für Tiere aus Rassen, die in unterschiedlicher Intensität mit Qualzuchtmerkmalen belastet sind, eine wissenschaftlich basierte Freigabe zur Zucht erfolgen, um Qualzucht zu unterbinden. Danach soll die Regelung auf weitere Hunde- und auch Katzenrassen sowie bei Bedarf weitere Heimtierarten mit verschiedenen Qualzuchtmerkmalen ausgedehnt werden.

-       Regelmäßige Kontrolle der Züchterinnen und Züchter auf Einhaltung dieser Bestimmungen

-       Einführung eines Sachkundenachweises für die Haltung von Hunden

-       Erhebung von Daten betreffend Hundehaltung

-       Klarstellung des Verbots des Rasierens der Vibrissen

-       Evidenzbasierte Erhebung von Daten betreffend Streunerkatzenpopulation und Katzenkastration

-       Durchführung eines runden Tisches zum Thema Katzenkastration, möglichen Förderprogrammen, und Vorgehensstandards beim Auffinden von Streunerkatzen

-       Verstärkung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern zur Beobachtung und Eindämmung von Streunerkatzenpopulationen

-       Strengere Regulierung der Haltung von Wildtieren, insbesondere Exoten: Die für die Privathaltung erlaubten Arten sollen durch eine abschließende Auflistung der erlaubten Arten eingegrenzt werden, statt des umgekehrten Ausschlusses durch die derzeit bestehende Negativliste. Die neue abschließende Auflistung soll sowohl auf die potentielle Gefährlichkeit der Tiere als auch auf die Umsetzbarkeit der artgerechten Haltung Bezug nehmen. Für bestehende Privathaltungen von Arten die in Zukunft nicht mehr in Privathaltung erlaubt sind, soll eine Übergangsfrist bis zum Verenden der Tiere vorgesehen, und die Abgabe z.B. an Zoos nach Möglichkeit angeboten werden.

-       Einführung eines Sachkundenachweises für die private Haltung von Wildtierarten mit besonderen Haltungsanforderungen

Eine starke Stimme für die Tiere

Die Bundesregierung wird ersucht, folgende Maßnahmen für eine verbesserte Datenlage, verbesserte Beratung, und erleichterte Arbeit der mit Tierschutz befassten Behörden zu ergreifen:

-       Erweiterung und Etablierung von bundesweiten Programmen zur Tiergesundheit im Zuge des Aufbaus eines bundesweiten Tiergesundheitsdiensts, welcher bereits im Laufen ist und bis Ende 2022 abgeschlossen sein soll. Schwerpunkte sollen u.a. eine weitere Reduktion des Antibiotika-Einsatzes und die Beendigung der Praxis des routinemäßigen Schwanzkupierens sein.

-       Verbesserung der Datenlage mittels Datenportal, in dem die Daten verschiedenster Institutionen zu Tierhaltung, Tierschutz, und Tiergesundheit zu Analysezwecken verknüpft werden (Animal Health Data Service). Auf dieser Basis können notwendige Handlungsfelder rascher erkannt werden, die risikobasierte Kontrolle zielgerichteter erfolgen und die Beratung der Betriebe verbessert werden.

-       Verbesserung der Erhebung von Tiergesundheitsdaten auf Schlachthöfen, auch mittels automatisierter Erfassung sowie genauerer Definition der zu erhebenden Daten, und Entwicklung von Benchmarks für die Tiergesundheitsdaten. Die erhobenen Daten inkl. Benchmarking sollen einerseits dem Tierhalter für Monitoring und Verbesserungen der Haltungsbedingungen zur Verfügung gestellt werden, andererseits sowohl in das AHDS einfließen, als auch der Behörde für risikobasierte Kontrollen zur Verfügung stehen.

-       Ausbau und Aufwertung der Heimtierdatenbank, um die Datenlage und Kontrolle zu verbessern, vor allem in Bezug auf Tiere mit Qualzuchtmerkmalen, durchgeführte Kastrationen, gemeldete Zuchttiere und gehaltene Wildtiere mit besonderen Haltungsanforderungen

-       Erarbeitung von Meldemöglichkeiten mit psychosozialer Beratung für Fälle von animal hoarding oder Vernachlässigung von Tieren, um das Prinzip beraten und unterstützen vor strafen anzuwenden.