1375 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Finanzausschusses
über den Antrag 2033/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparente Evaluierung der Wirtschaftshilfen
Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 16. November 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Die Stützung großer Teile der Wirtschaft über einen so langen Zeitraum, wie das im letzten Jahr passiert ist, hat es in dieser Form zuvor nicht gegeben. Geeignete Instrumente standen nicht bereit und so musste die Politik zunächst schnelle Maßnahmen ergreifen. Der parteiübergreifende Schulterschluss endete aber relativ rasch, als die intransparente COFAG gegründet und somit die parlamentarische Kontrolle, wie auch die Rechtssicherheit der Unternehmen begraben wurden.
Statt auf bewährte Strukturen der Finanzämter zurückzugreifen, hat man eine ganz neue Struktur geschaffen, die erst langsam funktionsfähig wurde. Eine Beurteilung der Effizienz durch Opposition oder unabhängige Expert_innen ist wegen der absichtlich intransparenten Ausgestaltung nicht möglich. Wochen und Monate vergingen, viele Pressekonferenzen ersetzten die inhaltliche Vorbereitung möglicher Hilfsinstrumente für die von erneuten Schließungen akut bedrohten Unternehmer_innen in Österreich. Instrumente wurden erst dann rasch zusammengestellt, als die zweite Welle bereits einen dunklen Schatten über die österreichische Wirtschaft warf, weitgehende Schließungen also unmittelbar bevorstanden. Der leichten Beantragung des Umsatzersatzes stand eine überschießende Ausgestaltung gegenüber - selbst der Bundesregierung war bald klar, dass dieses Instrument nicht zielgerichtet ist. Aus unnötiger Improvisation geboren, war der Umsatzersatz für ein monatelanges Ausrollen schlichtweg zu teuer. Die darauffolgenden Instrumente wiederum zu kompliziert - der Fixkostenzuschuss 800.000 sollte als Heilsbringer die Unternehmen über die Krise bringen, so das Versprechen. Aktuelle Zahlen belegen die von NEOS von Anfang an geäußerten Befürchtungen: Nur wenige haben den Fixkostenzuschuss 800.000 beantragt und dies auch sehr zögerlich. Frühestens im 2. Quartal 2021 wurde dieses Instrument langsam angenommen - zu unpräzise der Richtlinientext, zu riskant die darin abverlangten Prognosen. Die zahlreichen von den Schließungen indirekt betroffenen Unternehmen wurden von November an monatelang mit Versprechen hingehalten. Auch hier zeigen die vorliegenden Zahlen, dass der unnötig komplexe Aufbau des sog. Umsatzersatzes 2 dazu geführt hat, dass fast keine Anträge gestellt wurden. Doch Probleme wurden und werden nicht zugegeben und so zauberte die Bundesregierung eine neue Kreation aus dem Hut: den Ausfallsbonus - halb Zuschuss, halb Vorschuss. Aufgebaut auf den Fehlern der Vergangenheit konnte dieser nie wirklich laufen und humpelte von Anfang an. Was halbwegs funktionierte wurde kurzerhand aufgefettet - der am Fixkostenzuschuss 800.000 festhängende Teil ignoriert und mit der Verlängerung ab 1. Juli 2021 endgültig begraben.
Die mangelhafte Ausgestaltung der Wirtschaftshilfen führte nicht nur zu langen Verzögerungen in der Auszahlung, sondern ebenfalls zu einer sehr unbefriedigend anmutenden Verteilung der Auszahlungen, die mehr dem Zufallsprinzip als inhaltlich durchdachten Zielvorstellungen folgt. Klare Regeln für Unternehmensgruppen wurden nicht eingebaut, weshalb manche nur einen einzigen Antrag stellen konnten, während andere pro Tochterunternehmen einen solchen stellten und das gesamte Fördervolumen zur Verfügung hatten.
Beratungsresistenz der Bundesregierung, konsequenter Mangel an Planungssicherheit der Unternehmer_innen und eine unsichere Evaluierung der Treffsicherheit
Immer wieder wurde der Lockdown verlängert und immer wieder wurden neue - unterschiedliche und doch einander überschneidende - Wirtschaftshilfen präsentiert. Die bereits vor der Krise niedrige Eigenkapitalquote in österreichischen Unternehmen, und ganz besonders in Tourismusbetrieben, belastet diese schwer und hätte es besonders nötig gemacht, effiziente und transparente Instrumente zur Verfügung zu stellen. Schlechtes Management durch die Bundesregierung strapazierte nicht nur die Geduld der Unternehmer_innen in Österreich, die mangelhafte und intransparente Gestaltung erschwerte die Antragstellung und die Bearbeitung der Anträge. Während des langen Wartens auf eine Antwort der Blackbox COFAG mussten viele Unternehmer_innen zusehen, wie ihre Liquidität immer mehr aufgebraucht war. Zahlreiche Expert_innen, betroffene Unternehmen und Oppositionsparteien wiesen immer wieder auf bestehende Konstruktionsfehler hin und drängten auf nötige Verbesserungen.
NEOS haben bereits im Dezember 2020 die Einführung eines zielgerichteten und raschen Instruments, der Verlustkompensation, gefordert und nochmals mit einem Antrag (1606/A(E)) im Mai 2021 bekräftigt. Beratungsresistent wurde stattdessen der geschaffene Dschungel an Hilfsinstrumenten gelobt. Der Rechnungshof hat in seinem Bericht zu den Corona-Wirtschaftshilfen vom 25. Juni 2021 bestätigt, was NEOS seit über einem Jahr kritisieren: Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, den Unternehmen während der Krise schnell, unbürokratisch und treffsicher zu helfen. Die Corona-Wirtschaftshilfen waren zu komplex und unübersichtlich. Insgesamt 89 finanzielle Corona-Hilfsmaßnahmen des Bundes, die über insgesamt 20 externe Stellen abgewickelt wurden, wurden dem Rechnungshof bis Ende September 2020 gemeldet. Beachtlich daran erscheint, dass die Kritik noch nicht einmal die vielseitigen Instrumente ab November 2020 umfasst.
Dieses Vorgehen, welches von konsequenter Planungslosigkeit, Improvisation und Beratungsresistenz geprägt war, lässt die berechtigte Frage aufkommen, inwiefern all diese Hilfen evaluiert und die Ergebnisse öffentlich gemacht werden sollen. Da bereits fast 39 Mrd. Euro für Corona-Hilfsmaßnahmen ausgegeben wurden und die Bundesregierung sich selbst damit rühmt, am meisten in Europa ausgegeben zu haben, erscheint es eine Selbstverständlichkeit, eine transparente Evaluierung der Treffsicherheit der COVID-Wirtschaftshilfen unter Einbindung unabhängiger Expert_innen und aller Parlamentsparteien sicherzustellen.“
Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. November 2021 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer die Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Dr. Elisabeth Götze, Gabriel Obernosterer, MMag. DDr. Hubert Fuchs und Mag. Gerald Loacker und der Ausschussobmann Abgeordneter Karlheinz Kopf. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.
Die Verhandlungen wurden am 8. März 2022 wieder aufgenommen und es meldeten sich die Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Gabriel Obernosterer, Dr. Christoph Matznetter und Dr. Elisabeth Götze zu Wort.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, N, dagegen: V, S, G).
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Karlheinz Kopf und Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Evaluierung der Wirtschaftshilfen und Lehren aus der Krise eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen wurde.
Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:
Für die kleinen selbstständigen Unternehmer*innen gilt, dass sie oft von den Hilfen abhängen, um weiter ihr Einkommen abzusichern. Die Absicherung nach unten durch den Härtefallfonds war daher wichtig, denn kleine Selbständige zählen zu den am meisten armutsgefährdeten Gruppen. Über den Härtefallfonds wurden so über EUR 2 Mrd. an Kleinstunternehmer*innen ausgeschüttet. Im Schnitt dauerte es vom Antrag bis zur Auszahlung nur wenige Tage.
Darüber hinaus gab es mit dem Fixkostenzuschuss 1 und Fixkostenzuschuss 800.000 Instrumente, die auf einen Fixkostenkatalog abzielen und Rücksicht auf den Umsatzrückgang nehmen. Der Umsatzersatz hat eine rasche Liquidität und Eigenkapitalstärkung sichergestellt. Die im Jahr 2021 und Anfang 2022 laufenden Instrumente Ausfallsbonus und Verlustersatz sehen branchendifferenzierte Ersatzraten in Abhängigkeit vom jeweiligen Umsatzrückgang bzw. Verlust vor und sind daher sehr treffsicher. Darüber hinaus konnten Garantien in Anspruch genommen werden, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Die Auszahlungen und Genehmigungen konnten schnell abgewickelt und ausgezahlt werden, wie die Statistiken der COFAG zeigen (siehe https://www.cofag.at/aktuelle-zahlen.html).
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Instrument |
Ausgezahltes/ bewilligtes Volumen |
Durchschnittlicher Betrag |
Median Auszahlungsdauer/ Genehmigungsdauer |
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FKZ I |
EUR 1,339 Mrd. |
EUR 10.392 |
9 Tage |
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FKZ 800.000 |
EUR 1,473 Mrd. |
EUR 21.678 |
12 Tage |
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AUS |
EUR 3,965 Mrd. |
EUR 24.642 |
7 Tage |
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VUE |
EUR 0,767 Mrd. |
EUR 481.662 |
80 Tage |
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Umsatzersatz |
EUR 3,397 Mrd. |
EUR 15.208 |
10 Tage* (Nov u. Dez) |
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Garantien |
EUR 4,736 Mrd |
EUR 182.364 |
2 Tage |
Fazit: Die Maßnahmen waren sehr erfolgreich, denn Arbeitslosigkeit und Insolvenzen sind stabilisiert bzw. reduziert worden und so wurde eine Strukturkrise vermieden, die langfristig tiefe Spuren hinterlassen hätte. Weitere Maßnahmen, wie bspw. die Investitionsprämie und die Kurzarbeit, haben darüber hinaus zum Schließen der Investitionslücke und Sicherung von Arbeitsplätzen beigetragen. Die aktuellen Wirtschaftsprognosen weisen für Österreich trotz starker Tourismusbetroffenheit ein hohes Wirtschaftswachstum für 2022 auf.
Wiewohl die Gestaltung der Hilfen in enger Abstimmung mit Wirtschaftsforschern erfolgte, könnte für zukünftige Krisen eine bessere Datenbasis dazu beitragen, dass Unterstützungsleistungen noch besser auf die jeweilige Betroffenheit abzielen. Eine umfassende Evaluierung erscheint zum heutigen Zeitpunkt sinnvoll, da zum aktuellen Stand die meisten Unternehmen keine Hilfen mehr beziehen und die abgeschlossenen Jahre 2020 und 2021 erstmals gesamtheitlich betrachtet werden können. Dazu braucht es jedoch jedenfalls ausreichende Ressourcen und einen umfassenden Datenzugang. Der Wirtschaftswissenschafter des Wifo Dr. Werner Hölzl sagt dazu im Kurier vom 13.01.2022:
"Wir [das Wifo] hoffen, dass die Wissenschaft in Zukunft zur Klärung solcher Fragen [Überkompensation durch Wirtschaftshilfen] wieder besseren Zugang zu Daten bekommt. Dann werden gewisse Debatten vielleicht weniger heftig ausgetragen, weil sie auf einer rationalen Basis stehen. Bisherige Analysen von Förderungen würden darauf hindeuten, dass es in den meisten Fällen nicht zu einer Überförderung gekommen sein dürfte.“
Die Bundesregierung hat daher Ende 2021 die Bundesstatistikgesetzesnovelle umgesetzt, die es erstmals Wissenschafter*innen in Österreich erlaubt im Rahmen des Austrian Micro Data Center direkt mit Mikrodaten zu arbeiten, auch per Remote Zugriff. In einer Kooperation zwischen Statistik Austria, BMF, COFAG und anderen Institutionen, die für die Verwaltung von Daten im Rahmen der Bereitstellung von Wirtschaftshilfen verantwortlich sind, können diese Daten unter Wahrung der Datenschutzes zusammengetragen und zur Analyse vorbereitet werden.
Das Hauptziel einer sinnvollen Evaluierung sollten Lehren für die nächste Krise und zukünftige Hilfs- und Förderinstrumente sein. Dabei sind die Prinzipien wissenschaftlicher Integrität, Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis sowie eine überparteiliche Herangehensweise, wie bspw. durch die Österreichische Agentur für Wissenschaftliche Integrität vorgeschlagen, erforderlich.“
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Gabriel Obernosterer gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 2033/A(E) zur Kenntnis nehmen und
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2022 03 08
Gabriel Obernosterer Karlheinz Kopf
Berichterstatter Obmann