1402 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung
über die Regierungsvorlage (1365 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein GeoSphere Austria-Gesetz erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Forschungsfinanzierungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (GeoSphere Austria-Errichtungsgesetz)
Klimawandel, Rohstoffverknappung, Naturgefahrenprävention und Katastrophenmanagement, Fragen der nachhaltigen Energieversorgung, der Energiespeicherung und des Grundwasserschutzes gehören zu den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Vulnerabilität der Gesellschaft erhöht sich laufend auf Grund globaler politischer und wirtschaftlicher Vernetzungen und Abhängigkeiten, des weltweiten Wachstums sensibler Infrastrukturen, des in seinen Auswirkungen noch bei weitem nicht abschätzbaren technologischen Wandels etc. (World Economic Forum, The Global Risks Report 2020, https://www.weforum.org/reports/the-global-risks-report-2020 [07.03.2021]). Durch die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt, durch empfindliche Kommunikations- und Mobilitätsinfrastrukturen, durch den weiterhin ansteigenden Flächenbedarf in geotechnischen Risikoräumen und durch weitere Faktoren werden Schlüsselsektoren der Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen anfälliger gegenüber Auswirkungen des Klimawandels. Zusätzlich bewirken Maßnahmen zur Reduktion des Klimawandels und zur Anpassung an dessen Auswirkungen (zB die Etablierung alternativer Energieformen) eine Nutzungsintensivierung der kritischen Zone, jenes schmalen Bandes im Übergangsbereich von geologischem Untergrund und Atmosphäre, in dem wir leben. Damit einhergehend werden vielfältige Nutzungskonflikte induziert.
Aktuell dringliche Herausforderungen sind:
– nachhaltige Raumordnungs- und Raumnutzungskonzepte unter besonderer Berücksichtigung des Untergrunds (zB 4D-Raumplanung),
– der Schutz von Siedlungs- und Wirtschaftsraum sowie Infrastruktur vor Naturgefahren,
– die nachhaltige und umweltverträgliche Rohstoffgewinnung,
– die nachhaltige Sicherung der Grundwasserreserven in qualitativer und quantitativer Hinsicht,
– die Nutzung alternativer Energieformen (wie etwa Geothermie, Solar- oder Windenergie) sowie
– die nachhaltige Energiespeicherung (wie etwa die Abdeckung von Belastungsspitzen mit Pumpspeicherwerken, die Gewinnung von Rohstoffen für Batterien oder auch die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher).
Die wirtschaftliche Stabilität und nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft hängt von unserem Umgang mit diesen Herausforderungen ab. Die Brisanz dieser Herausforderungen ist auch an internationalen Entwicklungen zu sehen, wie etwa der UN-Resolution A/RES/69/283 vom 3. Juni 2015, mit der das so genannte Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030 (https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/generalassembly/docs/globalcompact/A_RES_69_283.pdf [07.02.2021]) angenommen wurde.
Die Entwicklung entsprechender Konzepte und Technologien zur Bewältigung dieser Herausforderungen braucht sowohl Spitzenforschung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, als auch die Bereitschaft von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die gewonnenen Erkenntnisse rasch in der Praxis umzusetzen. Dies birgt auch große Chancen für den Wirtschaftsstandort Österreich durch technologische, wirtschaftliche und soziokulturelle Innovationen.
Noch immer unterschätzt wird die dramatisch ansteigende Abhängigkeit moderner Volkswirtschaften von einer stabilen und nachhaltigen Energieversorgung. Die dafür verantwortlichen Technologien und Infrastrukturen (zB IT-Infrastrukturen, Stromversorgungsinfrastrukturen) ermöglichen uns einerseits, dem Klimawandel mit technologischen Innovationen und Infrastrukturkonzepten entgegenzutreten; andererseits machen sie uns für bislang zu wenig beachtete Naturphänomene wie Sonnenstürme („Space Weather“) deutlich anfälliger.
Aber auch bislang als „sicher“ erachtete Ressourcen in Österreich – Stichwort: Grundwasservorkommen – können in komplexer Weise auf den Klimawandel reagieren, sowohl hinsichtlich Verfügbarkeit als auch hinsichtlich Wasserqualität. Wenn nachhaltige Grundwasserversorgung der Bevölkerung unter dem Einfluss des Klimawandels planbar gemacht werden soll, braucht Hydrogeologie einen stärkeren klimatologischen Bezug. Grund dafür ist die enge Koppelung der dynamischen Prozesse von Atmosphäre und Geosphäre in der kritischen Zone der menschlichen bzw. zivilisatorischen Einwirkungen. Die Bündelung von meteorologisch-klimatologischer mit geologisch-geophysikalischer Kompetenz ist daher ein Gebot der Stunde und bietet die große Chance, zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz in Österreich beizutragen.
Angesichts solcher Szenarien kommen der staatlichen Vorsorge und der Unterstützung von Wirtschaft und Gesellschaft bezüglich wirksamer sowie leistbarer Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen im Kontext des Klimawandels und weiterer kritischer Veränderungsprozesse (zB Biodiversitätsverlust) höchste Priorität zu. Diese Anpassungsmaßnahmen müssen dabei inter- und transdisziplinär gedacht und umgesetzt werden sowie gleichermaßen auf wissenschaftlichem und zivilgesellschaftlichem Wissen einerseits und wirksamen partizipativen Konzepten andererseits aufbauen. So gibt es bereits zahlreiche sehr erfolgversprechende Fallbeispiele für die erkenntnis-, lösungs- und innovationsorientierte Einbindung der Bevölkerung in die Entwicklung wünschenswerter gesellschaftlicher Zukunftsentwürfe, zB
– in der nachhaltigen Raumordnung inkl. Untergrund,
– in der endogenen Regionalentwicklung oder auch
– im Urban Design.
Die konsequente Weiterentwicklung dieser Konzepte auf Theorie- und Methodenebene ist dringend erforderlich.
Mit globalen Wandelprozessen (zB digitaler Wandel) sind allerdings nicht nur Risiken verbunden, sie eröffnen doch auch Chancen, die es vermehrt zu nutzen gilt: Die Miniaturisierung in der Sensorik (Mikrosatelliten, drohnenbasierte Sensorsysteme, in-situ-Sensornetzwerke), die Möglichkeiten moderner Satellitendaten und des Internet of Things (zB von in Autos verbauten Regensensoren als Monitoringsystem für Niederschläge), die durch moderne Web-Technologie erst ermöglichte zentralisierte Sammlung und Verfügbarmachung von in unterschiedlichen Bereichen generierten Daten sowie die stärkere Einbindung der Gesellschaft in Datengenerierung und -analyse sowie darauf aufbauende Forschung (Citizen Science, Open Labs, Maker Spaces) führen zu einem enormen Datenschatz, der verarbeitet werden muss. Damit daraus auch qualitätsgesicherte Schlüsse gezogen, also aus den Daten relevante und belastbare „Informationen“ generiert werden können, sind unabhängige Expertise und oft enorme Rechenleistung sowie Wissen über Möglichkeiten moderner Big-Data-Technologien nötig. Die so generierte Information muss schnell verfügbar, verlässlich und nutzungsgerecht aufbereitet sein. Die dafür notwendigen Systeme haben ausfallsicher zu sein, damit sie sowohl kurzfristig im Katastrophenfall als auch mittel- und langfristig, etwa zur Erfüllung nationaler Verpflichtungen, bereitstehen.
Die dauerhafte Verfügbarkeit belastbarer geologischer und meteorologischer Daten ist von zentraler Bedeutung für zahlreiche Aufgaben des Bundes und der Länder sowie für privatwirtschaftliche Interessen am geologischen Untergrund, der Erdoberfläche sowie der Atmosphäre, die wie nachhaltige Rohstoffgewinnung, Naturgefahrenvorsorge, Klimawandelanpassung oder Energiegewinnung im öffentlichen Interesse liegen. So ist zum Beispiel der Zugang zu geologischen Daten, dh. von geologischen Fach-, Nachweis- und Bewertungsdaten, eine wichtige Voraussetzung für die nachhaltige Rohstoffversorgung sowie für vielfältige weitere Möglichkeiten zur Nutzung des Untergrundes.
Auf der Grundlage bereits vorhandener Daten können innovative Lösungen und technisches Know-how für die Nutzung und den Umgang mit der begrenzten Ressource Untergrund entwickelt werden. Ebenso stellen belastbare Daten eine Grundlage für die Lösung von aus unterschiedlichen Nutzungen des Untergrundes entstehenden Interessenskonflikten dar. Somit dient die öffentliche Bereitstellung geologischer und meteorologischer Daten der Schaffung neuer Wirtschaftsbereiche, der Ermöglichung der Partizipation der Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen, der Erhöhung von Transparenz von Entscheidungsverfahren, und der Schaffung gleicher wettbewerblicher Voraussetzungen. Sie verfolgt somit ein starkes öffentliches Interesse.
Der Informationsbedarf von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren ist in einem Katastrophenfall kurzfristig enorm hoch, doch die Verfügbarkeit notwendiger Information hinkt oft hinterher. Jedes Mehr an kurzfristig verfügbaren Informationen bedeutet ein Weniger an menschlichem Leid und wirtschaftlichem Schaden. Auch in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Bündelung von unterschiedlicher Expertise aus Geologie, Geophysik, Meteorologie, Klimatologie und Fernerkundung die Effizienz und Effektivität vor- und nachsorgenden staatlichen Handels deutlich verbessern kann.
Vorsorgerelevantes Know-how, praxisnahe Beratungsleistungen und effiziente sowie effektive Unterstützung von Einsatzstäben im Katastrophenfall können nur durch eine unabhängige und in ihrem Bestand langfristig gesicherte Expertinnen- und Experteneinrichtung geleistet werden, die mit den relevanten Stakeholdern von Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft eng zusammenarbeitet. Der volkswirtschaftliche Nutzen solcher staatlichen Dienstleister auf dem Gebiet von auswirkungsorientierten multi hazard-Warnungen wird laut internationalen Studien auf bis zu 1:70 geschätzt.
Durch die vorgeschlagene Reform sollen:
1) dem Klimawandel und den geoökologischen Herausforderungen wirksam begegnet werden;
2) die Verfügbarkeit von belastbaren Daten und Informationen durch ein optimiertes Daten-, Service- und Wissensmanagement gewährleistet werden;
3) die institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen für zukunftsfähige staatliche Dienste geschaffen werden;
4) fächerübergreifende Synergien geschaffen, Kooperationen gefördert und das Dienstleistungsspektrum innovativer gestaltet werden.
Das derzeitige rechtlich-institutionelle Profil der beiden nachgeordneten Dienststellen in diesem Bereich, dh. der Geologischen Bundesanstalt (GBA) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ist gut geeignet, langfristige Erhebungs- und Archivierungsaufgaben wahrzunehmen und dauerhaft einschlägige Fachexpertise bereitzuhalten. Es erweist sich jedoch als Hemmschuh, wenn es darum geht, effizient und flexibel auf unterschiedlichste Nutzungsinteressen zu reagieren und Problemlösungen sowie innovative Dienstleistungen in interdisziplinaren, interinstitutionellen und internationalen Kooperationen zu entwickeln. Die für die GBA und ZAMG vorgesehene Teilrechtsfähigkeit (§§ 18 ff des Forschungsorganisationsgesetzes [FOG], BGBl. Nr. 341/1981) kann dieses Defizit nur teilweise kompensieren.
Das vorgeschlagene Bundesgesetz sieht daher Folgendes vor:
– eine vollrechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts mit dem Namen „GSA“ (Art. 1 § 1 Abs. 1 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes);
– verstärkte Flexibilität der Finanzierung und des Personalwesens der GSA (Art. 1 §§ 6 ff des vorgeschlagenen Bundesgesetzes), damit die „[w]esentliche Zielsetzung einer Ausgliederung [, das] ist in diesen Fällen mehr Flexibilität in der Organisation, bei der Finanzierung und im Personalwesen zu erreichen, um vorgegebene Sachziele (Leistungsziele) besser umsetzen zu können“ (Prammer, Öffentliche Ausgliederungen: Bilanzkosmetik oder nachhaltige Verbesserung? – Fallstudie für Österreich, Geldpolitik & Wirtschaft Q1/09, 125 [127]);
– die Einrichtung einer flexibleren und gleichzeitig verantwortungsvollen Organisation mit Aufsichtsrat und wissenschaftlichem Beirat (Art. 1 §§ 13 ff des vorgeschlagenen Bundesgesetzes);
– die Zusammenlegung der GBA und der ZAMG durch Vermögensübertragung auf und Gesamtrechtsnachfolge der GSA hinsichtlich der GBA und der ZAMG (Art. 1 § 24 Abs. 1 bis 3 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes);
– die Übernahme des bestehenden Personals unter Wahrung aller – insbesondere verfassungsrechtlichen – Rechte (Art. 1 § 26 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes).
Ausgliederung
Die Richtlinien des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 5. November 1992 für die Ausgliederung staatlicher Aufgaben und die Gestaltung von Entwürfen zu Bundesgesetzen betreffend die Ausgliederung (in der Folge: „Ausgliederungsrichtlinien“ – abrufbar unter https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:7a9701d8-478a-477f-9b94-2803020c42d5/ausgliederungsrichtlinien.doc [08.03.2021]) werden sinngemäß nach Maßgabe der seither ergangenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, erlassenen (Verfassungs-)Gesetzgebung sowie der sonstigen im Kontext von ausgliederungsrelevanten Richtlinien, wie etwa des Ausgliederungshandbuchs oder des Bundes Public Corporate Governance Kodex 2017, berücksichtigt.
Das Ausgliederungshandbuch (BMF, 2003) definiert die Ausgliederung auf Seite 7 wie folgt:
„Unter dem Begriff der Ausgliederung wird die gesetzliche Übertragung von hoheitlichen Aufgaben und/oder Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes oder eines unselbstständigen Bundesbetriebes einschließlich des bisherigen bundeseigenen Personals auf einen neu geschaffenen Rechtsträger verstanden.“
Die Errichtung der GSA stellt somit eine Ausgliederung dar, womit ua. folgende verfassungsrechtlichen Anforderungen an Ausgliederungen einzuhalten sind:
Ausgliederungsfeste Kernaufgaben des Staates, wie Sicherheitspolizei, Militärwesen, Zivildienst oder (Verwaltungs-)Strafkompetenzen dürfen nicht ausgegliedert werden (VfSlg. 17.341/2004; 16.400/2001; 14.473/1996). Angesichts der angedachten Aufgaben, die im Wesentlichen das Klimawandel- und Naturgefahren-Management sowie die nachhaltige Rohstoffvorsorge umfassen, ist nicht von einer Übertragung ausgliederungsfester Kernaufgaben des Staates auszugehen. Die im vorgeschlagenen Bundesgesetz vorgesehene Ausgliederung erfüllt diesbezüglich somit die verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Eine weitere verfassungsrechtliche Anforderung an Ausgliederungen ist das Vorhandensein einer effektiven Steuerungs- und Lenkungsfunktion für die obersten Organe (VfSlg. 20.038/2016; 17.421/2004; 16.400/2001; 14.473/1996). Art. 20 B‑VG wirkt gegenüber ausgegliederten Rechtsträgern nicht unmittelbar, sondern „verpflichtet den Gesetzgeber, Rechtsvorschriften zu erlassen, die einem obersten Organ eine effektive Leitungs- und Steuerungsfunktion einräumen, und dabei insbesondere ein umfassendes Weisungsrecht einzurichten“ (VfSlg. 17.421/2004). Solche Rechtsvorschriften finden sich insbesondere in § 8, §§ 10 und 11, § 13 Abs. 10, § 14 Abs. 2 sowie § 15 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes.
Vollrechtsfähigkeit
Zur Erhöhung von Flexibilität und Effizienz sollen die GBA und die ZAMG in einer neuen juristischen Person des öffentlichen Rechts zusammengeführt werden. Die bisherigen Bestimmungen über die Teilrechtsfähigkeit der GBA und der ZAMG (§§ 18a und 23 FOG) werden durch ein Ausgliederungsgesetz zur Errichtung der GSA ersetzt. Die Vollrechtsfähigkeit ist im Rahmen dieser Novelle besonders zu betonen, weil sie eine grundsätzliche Änderung gegenüber dem bisherigen Ansatz darstellt.
Schaffung von Synergien
Schwerpunkt des vorgeschlagenen Bundesgesetzes ist die Schaffung von Synergien zwischen der GSA und dem universitären Bereich auf der einen sowie Wirtschaft und den restlichen Teilen der Gesellschaft auf der anderen Seite. Auf allgemeinerer Ebene sind die (datenschutzrechtlichen) Grundlagen des Wissens- und Technologietransfers in § 2i FOG geregelt.
Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen (§ 2b Z 12 FOG) darf insbesondere auf die datenschutzrechtlichen Grundlagen in § 2f FOG verwiesen werden. Bei jeglicher Art der Zusammenarbeit sind die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Union einzuhalten.
Internationale Entwicklungen und Verhältnis zu Vorschriften der Europäischen Union
Die vorgeschlagenen Regelungen haben inhaltliche Überschneidungen mit bzw. fallen teilweise in den Anwendungsbereich insbesondere der folgenden Rechtsakte der Europäischen Union:
– Richtlinie (EU) 2019/1024 über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (in der Folge: „PSI-Richtlinie“ bzw. „PSI-RL“), ABl. Nr. L 172 vom 26.06.2019, S. 56;
– Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (in der Folge: „Datenschutz-Grundverordnung“ bzw. „DSGVO“), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1;
– Richtlinie 2007/2/EG zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (in der Folge: „INSPIRE-Richtlinie“ bzw. „INS-RL“), ABl. Nr. L 108 vom 25.04.2007 S. 1.
Die bisherige PSI-Richtlinie 2003/98/EG wurde durch das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG), BGBl. I Nr. 135/2005, umgesetzt und mit Wirkung vom 17. Juli 2021 aufgehoben (Art. 19 UAbs. 1 PSI-RL). Die GSA ist öffentliche Stelle, Einrichtung öffentlichen Rechts und Forschungseinrichtung im Sinne der PSI-Richtlinie (siehe näher dazu die Erläuterungen zu Art. 1 § 1 Abs. 1 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) und als solche verpflichtet Forschungsdaten (Art. 2 Nr. 9 PSI-RL) nach der Politik des offenen Zugangs (Art. 10 Abs. 1 PSI-RL) „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“ offen zugänglich zu machen. Dies gilt nicht für andere Daten als Forschungsdaten (Art. 1 Abs. 2 Buchstabe l PSI-RL).
Aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung wurden zahlreiche Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung angepasst, wobei für den Wissenschafts- und Forschungsbereich die Novellierung des Forschungsorganisationsgesetzes durch das Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 – Wissenschaft und Forschung (WFDSAG 2018), BGBl. I Nr. 31/2018, hervorzuheben ist.
Die INSPIRE-Richtlinie (Richtlinie 2007/2/EG zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft, ABl. Nr. L 108 vom 25.04.2007, S. 1) wurde im März 2010 durch das Geodateninfrastrukturgesetz, BGBl. I Nr. 14/2010, umgesetzt. Nach der Definition der Geodaten gemäß Art. 3 Z 2 RL 2007/2/EG bzw. § 3 Abs. 1 Z 2 GeoDIG sind darunter „alle Daten mit direktem oder indirektem Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet“ zu verstehen. Mit Blick auf GSA werden die Geodaten eine Teilmenge der Fach- und womöglich auch Nachweisdaten bilden. Auch ist die GSA eine Behörde im Sinne des Art. 3 Z 9 lit. b der INSPIRE-Richtlinie bzw. öffentliche Geodatenstelle im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 9 lit. c GeoDIG. Die Bestimmungen der INSPIRE-Richtlinie sind somit auch auf die GSA und die von ihr verwendeten Geodaten anzuwenden. Gemäß Art. 14 Abs. 1 RL 2007/2/EG müssen Such- und Darstellungsdienste der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. In Österreich ist dies durch § 9 Abs. 1 GeoDIG umgesetzt.
Die bereits bestehenden Umsetzungs- und Durchführungsakte sollen durch das vorgeschlagene Bundesgesetz so wenig als möglich tangiert werden, weshalb nur geringfügige Spezialregelungen, insbesondere in den folgenden Bereich getroffen werden:
– Art. 1 § 5 Abs. 2 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes über die Bereitstellungspflicht der GSA setzt Art. 10 Abs. 1 der PSI-Richtlinie über Forschungsdaten spezifisch für die GSA um;
– Art. 1 § 12 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes verpflichtet Bundes- und Landesstellen zur Bereitstellung der erforderlichen Daten an die GSA, womit Art. 3 der PSI-Richtlinie über den allgemeinen Grundsatz der Weiterverwendung umgesetzt wird.
In Deutschland ist am 30. Juni 2020 das neue Geologiedatengesetz, BGBl. I S. 1387, in Kraft getreten, das
– wesentliche Regelungen zur öffentlichen Bereitstellung geologischer Daten, dh. geologischer Fach-, Nachweis- und Bewertungsdaten, im Sinne von Open Data sowie
– eine umfassende Pflicht zur Sicherung geologischer Daten zum Zweck des Erhalts, der dauerhaften Lesbarkeit und Verfügbarkeit dieser Daten für alle bestehenden und künftigen geologischen Aufgaben der öffentlichen Hand
vorsieht (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Geologiedatengesetz https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/geologiedatengesetz.html [30.06.2020]). Um auf bestehenden Erfahrungen aufbauen zu können und zur Erleichterung der transnationalen Zusammenarbeit soll an Regelungsinhalten des deutschen Geologiedatengesetzes Anleihe genommen werden.
Die zu den Ergebnissen (siehe unten: Erläuterungen zu Art. 1 § 10 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) zählenden Fachdaten sind Daten (§ 2b Z 5 FOG), die in Untersuchungen mittels Messungen oder Aufnahmen gewonnen worden sind oder die mittels Messungen oder Aufnahmen gewonnen und mit am Markt verfügbaren technischen Mitteln in vergleichbare und bewertungsfähige Daten aufbereitet worden sind, inklusive ihres Referenzmaterials. Sie sind für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik, etwa zur Verwendung in multi hazard-Warnsystemen, vorgesehene Rohdaten, die durch Messungen, Sondierungen, Erdbeobachtungen, Fernerkundung, Citizen Science, Crowdsourcing zur Dokumentation des Klimawandels und zum öffentlichen Gebrauch durch Wirtschaft, Wissenschaft sowie durch die Öffentlichkeit erhoben werden.
Die ebenfalls zu den Ergebnissen zählenden Nachweisdaten sind Metadaten zu geologischen oder meteorologischen Untersuchungen und betreffen insbesondere deren Gebiet, Umfang, Verfahren und zeitliche Dimension. Der Begriff lehnt sich an § 3 Abs. 3 Z 1 des deutschen Geologiedatengesetzes an. Geologische Nachweisdaten können auch personenbezogene Daten umfassen.
Die ebenfalls zu den Ergebnissen zählenden Bewertungsdaten sind Daten (§ 2b Z 5 FOG), die Analysen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen zu Fachdaten, insbesondere in Form von Gutachten, Studien oder räumlichen Modellen des geologischen Untergrunds bzw. der Atmosphäre einschließlich Vorratsberechnungen oder Daten zu sonstigen Nutzungspotenzialen des Untersuchungsgebiets beinhalten. Der Begriff lehnt sich an § 3 Abs. 3 Z 3 des deutschen Geologiedatengesetzes an. Durch den Verweis auf § 2b Z 5 FOG wird ausdrücklich klargestellt, dass geologische Bewertungsdaten auch personenbezogene Daten umfassen dürfen.
Verhältnis zu anderen Bestimmungen
Mit dem vorgeschlagenen Bundesgesetz werden die bisherigen Bestimmungen über die GBA und die ZAMG im Forschungsorganisationsgesetz aufgehoben und mit wesentlichen Änderungen als GSA-Gesetz neu eingeführt. In datenschutzrechtlicher Sicht baut das GSA-Gesetz auf den Bestimmungen des Forschungsorganisationsgesetzes auf (Art. 1 § 1 Abs. 4 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes). Auch die Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, und des Lagerstättengesetzes, BGBl. Nr. 246/1947, sind sinngemäß auf die GSA anzuwenden (Art. 1 § 1 Abs. 4 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes).
Im Hinblick auf die Leistungsvereinbarungen (Art. 1 § 7 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) wird auf den Bestimmungen des Forschungsfinanzierungsgesetzes (FoFinaG), BGBl. I Nr. 75/2020, aufgebaut. Hinsichtlich der Immobilienverwaltung (Art. 1 § 7 Abs. 1 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) wird auf Lösungen aus dem Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120/2002, abgestellt.
Begutachtungsverfahren
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2021 (Zl. 2021-0.442.448) wurde der Entwurf eines GSA-Errichtungsgesetzes zur Begutachtung versandt. Die Begutachtungsfrist endete am 14. Jänner 2022 und betrug somit etwas mehr als vier Wochen. Es wurden mehr als 120 Stellungnahmen abgegeben.
Folgende zentrale Forderungen konnten berücksichtigt werden:
– nähere Determinierung der datenschutz-relevanten Bestimmungen durch die Einführung von Begriffsbestimmungen, insbesondere zu den von der GSA verarbeiteten Daten in § 3, die Einschränkung auf nichtsensible Daten in den Definitionen der seitens der GSA verarbeitbaren Datenarten in § 3 Z 8 bis 10, die nähere Determinierung der Aufgaben in § 4 Abs. 3, die ausdrückliche Regelung der Verarbeitung – auch personenbezogener Daten – in § 5 Abs. 3 sowie die ausdrückliche Berücksichtigung gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten bei der Datenbereitstellungspflicht gemäß § 12,
– explizite Festsetzung der Zuständigkeit der GSA in § 4 Abs. 1,
– Entschärfung der Datenbereitstellungspflicht durch Entfall der Datenbereitstellungspflicht, wenn die Daten der GSA bereits aus anderen Gründen zugänglich sind in § 12 Abs. 1 Z 3 und Abs. 5 Z 2 lit. c,
– die Klarstellung der Datenbereitstellungspflicht, als subsidiär gegenüber anderen Datenbeschaffungsmethoden in § 12 Abs. 1 Z 3 bzw. § 12 Abs. 5 Z 2 lit. c,
– Aufnahme von zwei Vertreterinnen oder Vertretern des Betriebsrates in das Kuratorium in § 15 Abs. 1 Z 2 sowie
– Aufnahme einer Ländervertreterin oder eines Ländervertreters in das Kuratorium in § 15 Abs. 1 Z 4.
Kompetenzgrundlage
Das vorgeschlagene Bundesgesetz stützt sich
– hinsichtlich der Bestimmungen, die finanzielle Aspekte der GSA betreffen (insb. Art. 1 § 6 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) auf Art. 10 Abs. 1 Z 4 B‑VG („Bundesfinanzen“),
– hinsichtlich der Bestimmungen, die die Hoheitsbefugnisse der GSA betreffen (Art. 1 2. Abschnitt des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) auf Art. 10 Abs. 1 Z 13 B‑VG („Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes“) sowie Art. 20 Abs. 4 B‑VG,
– hinsichtlich der Bestimmungen, die die Organisation der GSA betreffen (Art. 1 3. Abschnitt sowie § 25 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) auf Art. 10 Abs. 1 Z 13 B‑VG („Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes“) sowie als Selbstbindungsgesetz, insbesondere auch auf Art. 17 B‑VG,
– hinsichtlich der Bestimmungen, die das Personal der GSA betreffen (Art. 1 4. Abschnitt sowie § 26 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes) auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG („Zivilrechtswesen“), Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Arbeitsrecht“) und Art. 10 Abs. 1 Z 16 B‑VG („Dienstrecht- und Personalvertretungsrecht der Bundesbediensteten“),
– hinsichtlich der Art. 2 und 3 auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 („Sozial- und Vertragsversicherungswesen“),
– hinsichtlich des Art. 6 auf Art. 10 Abs. 1 Z 10 („Bergwesen“), sowie
– hinsichtlich der übrigen Bestimmungen auf Art. 10 Abs. 1 Z 13 B‑VG („Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes“).
Der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. März 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA die Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Helmut Brandstätter und Mag. Dr. Petra Oberrauner sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek und der Ausschussobmann Abgeordneter Christian Hafenecker, MA.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, N, dagegen: S) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1365 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2022 03 15
Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA Christian Hafenecker, MA
Berichterstatterin Obmann