1420 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über den Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Evaluierung der
Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hinsichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierung, aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2020, 82/E XXVII. GP
(III-491 der Beilagen)

Ausgehend von zwei Entschließungen des Nationalrates, in denen der Bundesminister für Inneres zu einer Evaluierung der Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hinsichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierungen und die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, zur Prüfung aller Möglichkeiten, die Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“ rechtskonform zu untersagen, aufgefordert wurde, ist die über Auftrag des Bundesministers für Inneres eingerichtete multidisziplinäre ExpertInnengruppe zu folgendem Ergebnis gekommen:

Geschichte

Da es sich bei der Veranstaltung am Loibacher Feld um ein Gedenken handelt, war es notwendig, in der Geschichte einen Blick zurück zu machen. Dabei wurde die Rolle Kroatiens in der Zeit von 1939 bis 1949 einer eingehenderen Betrachtung unterzogen und die Ereignisse, die den eigentlichen historischen Hintergrund der Gedenkveranstaltung bilden, genauer dargestellt.

Mit der Machtergreifung der Ustascha wollte diese mit Massenmord an SerbInnen, Juden und Jüdinnen, Roma und Romnia, sowie Sinti und Sintizze eine äußerst heterogene Gesellschaft ethnisch homogenisieren. Ausgegangen wurde von der Vorstellung einer kroatischen Nation, der KroatInnen sowie bosnische Muslima und Muslime angehorten. Die Gewalt gegen Jüdinnen und Juden wurde von Deutschland angetrieben, wobei die überwiegende Mehrheit von den Ustascha im Land ermordet wurde.

1944 gelangten die Balkanstaaten, mit Ausnahme Griechenlands, unter kommunistische Herrschaft. Die kommunistische Machtergreifung war mit extremer Gewalt verbunden, die Hunderttausende das Leben kostete oder sie in die Flucht trieb. Bis in die Gegenwart präsent ist der Massenmord jugoslawischer PartisanInnen an mindestens rund 60.000, insbesondere kroatischen und slowenischen Soldaten und Paramilitärs sowie mit diesen fliehenden ZivilistInnen. Sie mussten sich der Volksbefreiungsarmee bedingungslos ergeben. Frauen und Kinder wurden zumeist in den ersten Tagen nach Hause entlassen. Höhere Offiziere wurde vor ein Militärgericht gestellt und großteils zum Tode verurteilt. Soldaten und Angehörige von Ustascha-Verbanden wurden ohne Gerichtsverfahren massenhaft in nahegelegenen Hinrichtungsstatten liquidiert (was als Massaker von Bleiburg und Kreuzweg bezeichnet wurde). Die Zahl der getöteten Soldaten und ZivilistInnen ist schwer zu ermitteln, weil sie in der kroatischen Emigration übertrieben und in der sozialistischen Literatur entweder verschwiegen oder insbesondere in Bezug auf die flüchtende Zivilbevölkerung untertrieben wurde.

Die mit Bleiburg assoziierten Ereignisse bildeten den Kern der Identität der „politischen Emigration“. Der sogenannte Bleiburger Ehrenzug sollte die Erinnerung an die „unschuldigen Opfer des kommunistischen Terrors“ wachhalten. Initiiert und getragen wurden die Gedenkveranstaltungen von in Österreich ansässigen ehemaligen Ustascha-FunktionärInnen und -AnhängerInnen, die in ein breites Netzwerk von pro-faschistischen Vereinen und Dachverbänden unter der Leitung von Ante Pavelić eingebunden waren. Beginnend mit einem Allerseelengedenken im Jahre 1952 entwickelten sich die später Mitte Mai abgehaltenen Gedenkfeiern zu Kundgebungen mit faschistisch-rechtsextremem Hintergrund.

Dies fand auch seinen Niederschlag in gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Strafverfahren.

Untersagung

Vor dem Hintergrund der auf Verfassungsebene stehenden Bestimmungen der EMRK, des Staatsgrundgesetzes und des Bundesverfassungsgesetzes konzentrierten sich die Überlegungen im Zusammenhang mit der Veranstaltung vor allem auf das Versammlungsgesetz, das Symbole-Gesetz und die dazu gehörige Symbole-BezeichnungsV sowie das Verbotsgesetz und das Abzeichengesetz.

Da die Veranstaltung von einem Allerseelengedenken ausging und auch bis in die jüngste Vergangenheit kirchliche Elemente beinhaltete, war zunächst zu prüfen, ob diese Veranstaltung unter den Ausnahmetatbestand des § 5 VersG – insbesondere wegen eines gesetzlich gestatteten Kultus in der hergebrachten Art – fällt. Das Treffen gliederte sich in drei, vom Veranstalter als „Totengedenken am Friedhof“, als „Prozession“ und als „Messfeier“ bezeichnete Teile. Schon am Friedhof wurden Transparente mitgetragen und zur Schau gestellt, die mit einem Totengedenken in der herkömmlichen Form nichts gemein hatten. Dies setzte sich bei der „Prozession“, der Bewegung des Zuges vom Friedhof auf das Loibacher Feld, fort. Die Messe enthielt neben den sonst bei einer solche Zeremonie üblichen Teilen auch politische Reden und wurde an einem Ort abgehalten, auf dem ein Gedenkstein steht, der zu Ehren einer Armee eines faschistischen Regimes errichtet worden war.

Für die Annahme des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes ist das Gesamtgeschehen im Rahmen eines solchen Zusammentreffens zu beurteilen. Dabei kommt es neben der Person des Veranstalters in erster Linie darauf an, ob diese Versammlungen am Friedhof, die Bewegungen des Zuges zum Loibacher Feld und die Messen als Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus in der hergebrachten Art stattfinden. Auf Grund der beschriebenen Umstände war jedenfalls von einer gemischten Veranstaltung auszugehen, die nur dann die Anwendung des Ausnahmetatbestandes begründen hätten können, wenn die nicht zur herkömmlichen Art der Durchführung zu zählenden Elemente eine völlig untergeordnete Rolle gespielt hätten. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Sohin sind die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes vollinhaltlich anzuwenden.

Nicht nur, dass sich in den vorangegangenen Jahren immer wieder Vorfälle mit nationalsozialistischer Wiederbetätigung ereigneten und schon deshalb vor dem Hintergrund einschlägiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine Untersagung in Betracht zu ziehen wäre, wurde mit den begleitenden Aktionen eines faschistischen Regimes gedacht, sodass der im Verfassungsrang stehende Art. 9 des Österreichischen Staatsvertrages in seiner Gesamtheit zum Tragen kommt. Österreich hat sich damit gegenüber seinen Vertragspartnern verpflichtet, sich nicht nur gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung einzusetzen, sondern generell gegen alle Formen des Faschismus. Würde die Republik das nicht tun, machte sie sich gegenüber den Vertragsparteien des Österreichischen Staatsvertrages völkerrechtlich verantwortlich. Durch die Inschriften auf den Gedenksteinen, den mitgeführten Transparenten und Abzeichen sowie den gehaltenen Ansprachen kommt zum Ausdruck, dass hier ein Regime und seine Vertreter geehrt werden, die ein faschistisches Gewaltregime errichtet hatten und mit den Nationalsozialisten kollaborierten.

Im Ergebnis kommt die ExpertInnengruppe daher zum Schluss, dass eine Versammlung in der Art, wie sie insbesondere in den Jahren 2019 und davor stattfand, in Hinkunft zu untersagen ist.

Die verwendeten Abzeichen und Symbole sind nach dem Symbole-Gesetz und der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung sowie dem Verbotsgesetz 1947 und dem Abzeichengesetz zu beurteilen. Soweit die Entschließungen des Nationalrates auf die Symbole-BezeichnungsV abstellen, ist auf das durchgeführte Begutachtungsverfahren und die Neufassung der Verordnung zu verweisen. Das mit Weiß beginnende Wappenschild ist den nach dem Abzeichengesetz verbotenen Abzeichen zuzurechnen, da es von der 13. SS-Division ,Handschar‘ verwendet wurde und somit einen Bezug zum Nationalsozialismus aufweist.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 17. März 2022 in Verhandlung genommen.

 

Aufgrund eines am 17. März 2022 eingebrachten Verlangens des Grünen Klubs im Parlament wird der vorliegende Bericht gemäß § 28b Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates nicht enderledigt.

 

An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Sabine Schatz, Mag. Martin Engelberg sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Evaluierung der
Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hinsichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierung, aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2020, 82/E XXVII. GP (III-491 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2022 03 17

                            Mag. Eva Blimlinger                                                      Dr. Christian Stocker

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann