1465 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1440 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022)

Mit dem vorliegenden Entwurf eines Berufsrechts-Änderungsgesetzes 2022 sollen verschiedene Probleme in den Berufsrechten der Notare und Rechtsanwälte gelöst werden.

1. Änderungen der Notariatsordnung:

1.1. Zur Stärkung der Rechtssicherheit und -klarheit sollen in § 33 NO die Fallgruppen, die zu einer unmittelbaren Ausgeschlossenheit des Notars und damit gegebenenfalls zum Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde („Solennitätsverlust“) einer dessen ungeachtet aufgenommenen Notariatsurkunde führen, präziser gefasst werden. Zudem sollen diese Fallgruppen von anderen, die einen Interessenkonflikt lediglich indizieren und damit keine automatische Ausgeschlossenheit rechtfertigen, abgegrenzt werden; in diesen Konstellationen soll nach dem Vorbild der deutschen Rechtslage eine differenzierte Offenlegungsverpflichtung des Notars, deren Nichteinhaltung durch die Rechtsfolge des Solennitätsverlusts sanktioniert ist, eingeführt werden.

1.2. Aufgrund der zuletzt mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2020 erfolgten Überführung der zunächst nur befristet vorgesehenen weitreichenden Möglichkeiten zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten bei der Besorgung notarieller Amtshandlungen in das Dauerrecht ist deren verstärkte Inanspruchnahme in der Praxis zu erwarten. Hier hat sich ein Bedarf nach ergänzenden Regelungen für Konstellationen von notariellen Amtshandlungen ergeben, bei denen die Parteien teils physisch vor dem Notar präsent und teils elektronisch mit diesem (und den anderen Parteien) verbunden sind. Insofern soll es den Parteien ermöglicht werden, die jeweilige Urkunde entweder händisch zu unterfertigen oder elektronisch zu signieren (bislang war entweder die eine oder die andere Möglichkeit durch alle Parteien einzuhalten). Dies ermöglicht eine höhere Flexibilität bei der Errichtung von (elektronischen) Notariatsakten sowie bei der Beglaubigung von elektronischen Signaturen bzw. von händischen Unterschriften auf elektronisch errichteten Urkunden unter gleichzeitiger Sicherstellung der im Interesse der Rechtssicherheit normierten Anforderungen an die notarielle Amtshandlung.

1.3. Die in der Notariatsordnung im Wahlrecht vorgeschlagenen Änderungen umfassen einerseits eine zeitgemäße Ausgestaltung und Präzisierung der bisher nur rudimentären Regelungen zur möglichen Briefwahl im Rahmen einer Präsenzversammlung, um den Grundsätzen einer geheimen Wahl zu entsprechen; andererseits soll eine ausschließliche Briefwahl, die ohne Durchführung einer Präsenzversammlung zulässig ist, ermöglicht werden.

1.4. Ein Bedürfnis nach alternativen Abstimmungsmöglichkeiten hat sich während der COVID-19-Pandemie auch im notariellen Berufs- und Standesrecht ergeben. Mit der Einführung einer ausdrücklichen Bestimmung, die die Durchführung von Sitzungen und Tagungen der verschiedenen Organe der notariellen Selbstverwaltung im Rahmen von Videokonferenzen vorsieht, soll hier eine Klarstellung der schon nach bisheriger Rechtslage bestehenden Möglichkeiten erfolgen.

1.5. Schließlich soll mit der vorgeschlagenen Änderung des § 140h NO durch die Ergänzung der Eintragungsmöglichkeiten zur gesetzlichen Erwachsenenvertretung eine im Bereich des Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnisses (ÖZVV) aktuell bestehende Lücke geschlossen werden.

2. Änderungen der Rechtsanwaltsordnung und des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter:

2.1. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt Rechtsanwältinnen wie auch Rechtsanwälte vor zum Teil große Herausforderungen. Zwar ermöglicht der selbständige Beruf der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von seiner grundsätzlichen Konzeption her an sich eine flexible Zeiteinteilung; im beruflichen Alltag bleibt dies aber angesichts von verschiedensten termin- und zeitgebundenen beruflichen Verpflichtungen oft nur Theorie. Dies hat zur Folge, dass sich insbesondere viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwaltsanwärterinnen rund um die Geburt ihres Kindes gegen eine weitere rechtsanwaltliche Tätigkeit entscheiden.

Mit dieser insgesamt unbefriedigenden Situation hat sich die österreichische Rechtsanwaltschaft in den letzten Jahren intensiv auseinandergesetzt. Eine vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zu diesem Thema veranstaltete Enquete hat ergeben, dass die mit der Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte einhergehenden Nachteile (Verlust der Kammermitgliedschaft, Nichterwerb von Beitragszeiten für die Altersversorgung, Unsicherheit der Wiedereintragung) ein wesentlicher Grund dafür sind, warum sich viele Rechtsanwältinnen mit dem Zeitpunkt der Elternschaft für ein (häufig endgültiges) Ausscheiden aus dem Beruf entscheiden. Von zahlreichen Rechtsanwältinnen und Berufsanwärterinnen wurde in diesem Zusammenhang der Wunsch geäußert, dass sie für einen bestimmten Zeitraum nach der Geburt oder Adoption eines Kindes in der Liste der Rechtsanwälte bzw. der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen bleiben können, ohne dass für sie daraus potenziell substanzielle Nachteile entstehen.

Diesem Anliegen trägt der vorliegende Vorschlag Rechnung. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärtern soll danach die Möglichkeit eröffnet werden, anlässlich der Geburt oder der Adoption eines minderjährigen Kindes oder der Übernahme eines minderjährigen Kindes in unentgeltliche Pflege die Ruhendstellung der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bzw. der Berechtigung zur Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter:in zu beantragen, dies für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren. Während dieser Zeit soll die betreffende Person Mitglied der Rechtsanwaltskammer bleiben. Verpflichtungen wie die (die Rechtsanwälte treffende) Pflicht zur Aufrechterhaltung einer Versicherung nach § 21a RAO sollen aber entfallen; aufgrund des Ruhens der Berechtigung zur Berufsausübung kommt auch eine Bestellung nach §§ 45 und 45a RAO (insbesondere zur Verfahrenshilfe) nicht in Betracht. Hinsichtlich der Kammerbeiträge sowie der Beiträge für die Versorgungseinrichtung sollen die Rechtsanwaltskammern für solche Zeiten eines Ruhens die gänzliche oder teilweise Befreiung von der Beitragsentrichtung vorsehen können (wobei hier gleichzeitig auf die Funktionsfähigkeit der auf dem Umlagensystem beruhenden anwaltlichen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung zu achten ist).

2.2. Darüber hinaus wird eine eigenständige datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Verarbeitung, Übermittlung oder Weiterverarbeitung von in einem Strafverfahren ermittelten personenbezogenen Daten in Disziplinarverfahren nach dem DSt vorgeschlagen.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Mai 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Mag. Selma Yildirim, Dr. Johannes Margreiter und Nurten Yılmaz sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Agnes Sirkka Prammer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Ebenso wie die Regierungsvorlage für ein Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 enthält auch der gleichfalls in der Sitzung des Justizausschusses des Nationalrats vom 10. Mai 2022 behandelte Antrag 2501/A Änderungen der Rechtsanwaltsordnung und des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter.

Diese beiden Vorhaben sollen daher in Ansehung der Änderungen der RAO und des DSt mit dem vorliegenden Antrag zusammengeführt werden. In dem gleichzeitig zum Antrag 2501/A eingebrachten Abänderungsantrag wird der Entfall der dortigen Art. 4 (Änderung der RAO) und 5 (Änderung des DSt) vorgesehen.

Inhaltlich wurden die nunmehr in die Regierungsvorlage für ein BRÄG 2022 zu übernehmenden Änderungen der RAO und des DSt im Antrag 2501/A wie folgt begründet:

„Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2020 wurden in der RAO zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer eine Briefwahl bzw. Briefabstimmung zur Erledigung der der Plenarversammlung zugewiesenen Aufgaben auch dann anordnen kann, wenn die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer diese Möglichkeit bislang nicht oder nur eingeschränkt eröffnet. Darüber hinaus wurde eine Beschlussfassung durch den Ausschuss ermöglicht, dass die (im Fall der Briefwahl/Briefabstimmung an sich stets gebotene) Durchführung einer Plenarversammlung ausnahmsweise entfallen kann. Damit wird sichergestellt, dass die von den Plenarversammlungen zu besorgenden verschiedenen Aufgaben auch dann verlässlich und zeitgerecht erledigt werden können, wenn die Durchführung von Plenarversammlungen in Präsenz pandemiebedingt nicht bzw. nicht wie geplant möglich sein sollte. Das Außerkrafttreten dieser zusätzlichen Maßnahmen und Möglichkeiten wurde zuletzt mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 246/2021 vorerst bis zum 30. Juni 2022 verlängert; es soll nunmehr nochmals – bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 – verlängert werden.

Mit der Änderung des DSt durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2020 wurde klargestellt, dass die im Bereich der RAO vorübergehend eröffnete Möglichkeit der ausschließlichen Briefabstimmung auch für die Festsetzung bzw. Änderung der Geschäftsordnung des Disziplinarrats zur Verfügung steht. Ebenso wie in der RAO (siehe die Erläuterungen zu den dort vorgeschlagenen Änderungen) soll auch diese Vorkehrung bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden.““

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Agnes Sirkka Prammer einstimmig beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2022 05 10

                           Mag. Klaus Fürlinger                                                 Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau