1467 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige 

Die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 11. Dezember 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Im heutigen Sommer wurde über den tragischen Tod eines 13-jährigen Mädchens in Telfs durch Suchtmittelmissbrauch medial berichtet, (https://www.krone.at/2210683; https://www.tt.com/artikel/30746844/13-jaehrige-tot-in-wohnung-in-telfs-aufgefunden) Kein Einzelfall, denn bereits 2018 starben 3 Mädchen an den Folgen des Konsums illegaler Substanzen. ‚Drogensucht, Tabletten- und Alkoholabhängigkeit, kriminelle Delikte, Gewalt - immer wieder geraten Jugendliche in Tirol auf die schiefe Bahn. Doch die Betreuungseinrichtungen sind teils überfüllt, es fehlt in allen Bezirken an Platz. Bis jetzt: Denn noch heuer werden 15 neue Plätze im Betreuten Wohnen geschaffen!‘ (Tiroler Kronenzeitung, 11. Juni 2020, Seite 30)

Problematisch ist, dass derzeit wenig rechtliche Möglichkeiten zum Schutz bestehen: ‚Eine Suchterkrankung ist in Österreich kein Kriterium für eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Liegt somit ein illegaler Konsum vor, aber keine akute Eigen oder Fremdgefährdung, ist es nicht möglich, den Patienten gegen seinen Willen im geschlossenen Bereich zu behandeln‘, äußerte die Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall, Dr. Kathrin Sevecke, in der Tiroler Kronenzeitung am 05.10.2020, Seite 16, die die rechtliche Situation in Deutschland als Vorbild hernimmt: ‚Ich finde, dass die Gesetzeslage in Deutschland andere Behandlungsmöglichkeiten zulässt. Dadurch kann manchmal ein sehr gefährliches und tiefes Abgleiten von Kindern und Jugendlichen in schwierigsten Lebensumständen wie etwa Substanzkonsum, Obdachlosigkeit oder Prostitution durch eine längerfristige Unterstützung im geschlossenen Bereich unterbrochen werden.‘

Zur rechtlichen Situation in Deutschland sei hinzufügt: Zur Inobhutnahme ist das Jugendamt in den folgenden Fällen berechtigt und verpflichtet.

1.     Wenn ein Kind oder Jugendlicher darum bittet (sogenannte ‚Selbstmelder‘ - § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII)

2.     Wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen diese Krisenintervention erfordert und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGV III).

Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, muss das Jugendamt unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten übergeben, sofern nach Einschätzung des Jugendamtes das Kindeswohl nicht gefährdet ist oder die Personensorgeberechtigten bereit und in der Lage sind eine Gefährdung abzuwenden (§ 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII). Das Jugendamt muss das Familiengericht anrufen, wenn die Personen- oder Erziehungsberechtigten nicht bereit und in der Lage sind die Gefährdung abzuwenden (§ 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII). Das Familiengericht trifft dann die notwendigen sorgerechtlichen Maßnahmen im Anschluss an die Inobhutnahme (insbesondere Maßnahmen nach § 1666 BGB wie zum Beispiel die Verpflichtung der Eltern, bestimmte Hilfen in Anspruch zu nehmen, Entzug von Angelegenheiten der elterlichen Sorge und Übertragung auf einen Pfleger). Das Familiengericht ist auch dann einzuschalten, wenn die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar sind (§ 42 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII).

Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.“ (siehe https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-jugend/kinder-und-jugendschutzfragen-und-antworten-kinder-und-jugendhilfe/fragen-und-antwortenkinder-und-jugendhilfe/86352)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Unterbringungsangebot von Kindern und Jugendlichen, vor allem im Bereich der vollen Erziehung. Ein Budgetposten, der jährlich in Ländern, wie hier dargestellt in Tirol, steigt. Im Jahr 2009 betrugen die Aufwendungen für die Gewährung der vollen Erziehung 17.117.296 Euro. Im Voranschlag sind 2020 28.115.4000 Euro, plus 4.256.300 Euro im Bereich ‚volle Erziehung in Landeseinrichtungen‘ vorgesehen. Kosten, für die Unterbringung ‚problembehafteter‘ Jugendlicher zu Betreuungs- und Therapiezwecken. Es gibt nicht nur zu wenige Plätze, sondern für „problembehaftete Jugendliche“ gibt es schlicht fast kein Angebot für Langzeitplätze. Diese müssen oft im Ausland untergebracht werden (Spanien, Deutschland...). Das ist eine Katastrophe für die familiäre Bindung zu den Eltern. Auch die Jugendkriminalität wird immer mehr zu einem Problem: ‚Seit 2018 verzeichnet Innsbruck steigende Zahlen in der Jugendkriminalität. Vor zehn Monaten wurde eine eigene Ermittlergruppe eingerichtet. 111 Burschen- und 23 Mädchennamen scheinen seither in den Unterlagen der Polizei auf‘, so berichtete die Tiroler Kronenzeitung am 20. 8. 2020 auf Seite 22.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seinen Sitzungen vom
19. Oktober 2021 und vom 10. Mai 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte am 19. Oktober 2021 beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Harald Stefan die Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter und Mag. Agnes Sirkka Prammer. Im Zuge der Debatte anlässlich der Wiederaufnahme der Verhandlungen am 10. Mai 2022 ergriffen die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Mag. Agnes Sirkka Prammer und Dr. Gudrun Kugler das Wort.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, G, N).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2022 05 10

                    Mag. Agnes Sirkka Prammer                                          Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau