1503 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über den Antrag 2591/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden
Die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 19. Mai 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Zu Artikel 1 (EpiG):
Es handelt sich um redaktionelle Anpassungen, die auf Grund der Neugestaltung von § 7 Abs. 1a EpiG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 183/2021 erforderlich sind.
Zu Artikel 2 (COVID-19-MG):
Im COVID-19-MG wird ein Tippfehler bereinigt.“
Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 8. Juni 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ralph Schallmeiner die Abgeordneten Dr. Werner Saxinger, MSc, Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Fiona Fiedler, BEd und Philip Kucher sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Gabriela Schwarz und Ralph Schallmeiner einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Allgemein
Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist SARS-CoV-2 ein Virus, das schnell und oft mutiert. Dadurch entstehen Virusvarianten, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. So kann die Infektiosität erhöht sein und/oder es können auch mehr oder weniger schwerere Krankheitsverläufe ausgelöst werden. Vor diesem Hintergrund muss das Maßnahmenregime zur Bekämpfung der Verbreitung von SARS-CoV-2 auf die jeweils vorherrschende Virusvariante angepasst werden. Dafür braucht es flexible rechtliche Instrumentarien. Insbesondere Verordnungen haben sich im Laufe der COVID-19-Pandemie als geeignetes Instrument erwiesen, um schnell auf geänderte epidemiologische Rahmenbedingungen reagieren zu können.
Besonders während der Omikron-Infektionswelle im Frühjahr 2022 waren sehr hohe Infektionszahlen, zum Teil über 50.000 bestätigte Infektionen pro Tag, zu verzeichnen. Derart hohe Fallzahlen haben die Belastungsgrenzen der Gesundheitsbehörden aufgezeigt. Selbst bei einer Ressourcenaufstockung wäre der mit diesen Fallzahlen verbundene Verwaltungsaufwand nicht bewältigbar gewesen. In Zusammenschau mit den sich immer wieder ändernden Eigenschaften des Virus scheint auch deshalb eine Anpassung des Rechtsrahmens erforderlich.
Da im Laufe des Jahres 2022 nach bisherigem Kenntnisstand eine weitere Infektionswelle zu erwarten ist beziehungsweise die Entwicklungen der Pandemie ungewiss sind, sollen vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen die gesetzlichen Grundlagen angepasst werden. Noch nicht abschätzbar ist, ob und in welcher Form SARS-CoV-2 mutieren wird. Daher soll sowohl für Mutationen, die leichte als auch für jene, die schwere Krankheitsverläufe auslösen, vorgesorgt werden, indem für beide Fälle flexible Handlungsmöglichkeiten auf Vollzugsebene geschaffen werden. Darüber hinaus dient die Novelle der Verwaltungsvereinfachung und damit der Entlastung der Gesundheitsbehörden.
Schließlich werden mit dieser Novelle weitere Anpassungen vorgenommen, die unionsrechtlichen Hintergrund haben beziehungsweise die Einheitlichkeit der Vollziehung sicherstellen sollen.
Zu Artikel 1 (Epidemiegesetz 1950 – EpiG):
Zu a) (§ 4e Abs. 7):
Der derzeit geltende § 4e Abs. 7 enthält die Verpflichtung, alle Daten aus dem EPI-Service ein Jahr nach Übermittlung des Impfzertifikats an das Zentrale Impfregister zu löschen. Die Löschung der Daten hätte zur Folge, dass Impfzertifikate, die eine über ein Jahr zurückliegende Impfung bescheinigen, nicht mehr ausgestellt werden dürfen. Für die Bürgerinnen und Bürger würde dies bedeuten, dass sie bei Verlust des Impfzertifikates über eine Impfung, die über ein Jahr zurückliegt, dieses Zertifikat nicht erneut erhalten können.
Problematisch ist diese Situation insbesondere aufgrund der nach wie vor andauernden COVID-19-Pandemie: Bürgerinnen und Bürger könnten dadurch Hindernisse bei der Ausstellung des Grünen Passes erfahren. Dies könnte als Folge zu Komplikationen im Alltag führen, sowohl im Inland als auch im (EU)-Ausland, da in manchen Ländern die Vorlage sämtlicher Impfzertifikate insbesondere Voraussetzung für die Einreise ist.
Außerdem sind die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/953 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion [digitales COVID-Zertifikat der EU] mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie dazu verpflichtet, Impfzertifikate an die Bürgerinnen und Bürger auszustellen. Diese Verordnung soll bis 30. Juni 2023 verlängert werden (s. Bericht der Kommission nach Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/953, COM[2022] 123 final 30), womit eine Anpassung des Löschungszeitpunktes ebenfalls erforderlich erscheint. Die längere Speicherung der Daten wird zur oben angeführten Zweckerreichung sohin noch länger benötigt, jedenfalls bis zum 30. Juni 2023.
Zu a) (§ 5 Abs. 1):
Insbesondere die Omikron-Welle im Frühjahr 2022 hat deutlich gemacht, dass bei sehr hohen Infektionszahlen die Fallabklärung bei den Gesundheitsbehörden an Grenzen stößt. Eine durchgängige Kontaktpersonennachverfolgung bei derart hohen Fallzahlen wie während der Omikron-Welle wäre für die Gesundheitsbehörden selbst durch eine Aufstockung ihrer Ressourcen nicht bewältigbar. Die vorgenommene Anpassung soll klarstellen, dass die Reichweite der Fallabklärung an die Erforderlichkeit zur Verhinderung der Verbreitung der jeweiligen Krankheit knüpft. In diese Beurteilung fließen insbesondere auch vorhandene Ressourcen ein. So sollen etwa bei Kapazitätsengpässen Priorisierungen entsprechend den epidemiologischen Erfordernissen möglich sein. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bereits die Stammfassung des Epidemiegesetzes 1950 Regelungen enthielt, die auf die Schonung der finanziellen Mittel und Kräfte der Verwaltung Rücksicht nahmen (vgl. RV 22 BlgHH 21. Sess. 1911, 20). Selbstredend gilt dennoch, dass die Gesundheitsbehörden nur bei objektiv unbewältigbarem Aufwand – wie etwa während der Spitzen der Infektionswellen – die Fallabklärung einschränken dürfen. Bei einer allfälligen Einschränkung haben die Gesundheitsbehörden nach Prioritäten vorzugehen, die per Erlass vorgegeben werden können.
Zu b) (§ 7 Abs. 1a):
Dient der Klarstellung und soll die zwischen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof bestehende Judikaturdivergenz (s. zB. VfGH 06.10.2021, E 4201/2020 ua und VwGH 15.04.2022, Ra 2022/09/0026) beseitigen. Absonderungen können wie nach bisherigem Verständnis mittels Absonderungsbescheid oder aufgrund eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verfügt werden (s. AB 1067 BlgNR 27. GP 1).
Dass aus dem Fehlen einer expliziten Ermächtigung zum Setzen von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht auf deren Unzulässigkeit nach dem Epidemiegesetz 1950 geschlossen werden kann, zeigt auch eine historische Interpretation: Die Stammfassung des Epidemiegesetzes, RGBl. Nr. 67/2013, sollte weder die bestehende Organisation noch bestehende Aufgaben der Sanitätsorgane ändern. Die Festschreibung behördlicher Befugnisse im Epidemiegesetz 1913 diente vielmehr der Klarstellung oder, wie etwa im Fall von § 42 Abs. 3 Epidemiegesetz, dazu, eine gesetzliche Grundlage für eine bereits gelebte Praxis der Sanitätsorgane zu schaffen (s. dazu RV 22 BlgHH 21. Sess. 1911, 31 f).
Eine telefonische Aufforderung zur Absonderung stellt im Übrigen grundsätzlich keinen Befehlsakt dar (vgl. VfGH 06.10.2021, E 221/2021).
Zu b) (§ 7b):
Bisher bestand mit § 7 nur die gesetzliche Grundlage dafür, Personen individuell konkret im Verkehr zu beschränken oder abzusondern. Der verfassungsrechtliche Rahmen erlaubt es jedoch auch, Verkehrsbeschränkungen mittels Verordnung und damit allgemein abstrakt zu verfügen (s. dazu im Detail unten).
Die Erfahrungen mit der Omikron-Variante haben gezeigt, dass bei vorwiegend milden Krankheitsverläufen auch Verkehrsbeschränkungen ein taugliches Mittel sein können, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen (vgl. Empfehlung des BMSGPK für die Gesundheitsbehörden zur Entlassung von bestätigten Fällen aus der Absonderung vom 21.04.2022). Auch bei künftigen Virusvarianten, die mit Omikron vergleichbare Eigenschaften aufweisen, könnten Absonderungen entbehrlich sein und bloße Verkehrsbeschränkungen ausreichen. Die vorgesehene Verordnungsermächtigung erlaubt in diesem Fall eine schnelle Anpassung an die Eigenschaften der vorherrschenden Virusvariante.
Bei besonders hohen Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 traten bei den Gesundheitsbehörden Probleme auf, bei jedem Infektionsfall entsprechende Maßnahmen einzeln bescheidmäßig anzuordnen. Ohne entsprechender bescheidmäßig vorgeschriebener Maßnahmen sind die betroffenen, infizierten Personen nicht konkret in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dies läuft Ziel und Zweck des Epidemiegesetzes 1950 diametral entgegen.
§§ 178 und 179 StGB sind zwar bei einer Infektion mit COVID-19 anwendbar, jedoch lassen sich aus diesen Delikten nur abstrakte Handlungsvorgaben für infizierte Personen ableiten: Bei beiden Delikten handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte, deren objektiver Tatbestand bereits erfüllt ist, wenn die Handlung der infizierten Person die Gefahr einer Verbreitung der übertragbaren Krankheit bewirkt (Birklbauer in Resch, Corona-HB1.00 Kap 16 [Stand 10.4.2020, rdb.at] Rz 18; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 178 [Stand 1.10.2016, rdb.at] Rz 2; s. auch OGH 16.02.2022, 13Os130/21y). Welche Handlungen konkret von den Tatbeständen erfasst sind, kann im Einzelfall schwierige Auslegungsfragen aufwerfen und lässt sich dementsprechend nicht allgemein beantworten. Infizierte Personen dürfen mangels Absonderung aber ihren persönlichen Wohnbereich verlassen und sich (in den Grenzen der §§ 178 und 179) frei bewegen. Damit geht von den infizierten Personen – trotz der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen – aufgrund ihres entsprechend großen Bewegungsradius potentiell eine hohe Ansteckungsgefahr aus. Mit Verkehrsbeschränkungen können im Gegensatz dazu punktuelle Verhaltensanordnungen getroffen werden, die konkret gefährdendes Verhalten verbieten. Um insbesondere bei hohen Infektionszahlen ein schnelles und effizientes Vorgehen zu garantieren, werden mit dem neuen § 7b Verkehrsbeschränkungen per Verordnung ermöglicht.
Abs. 2 enthält die Voraussetzungen, die für die Verordnungserlassung vorliegen müssen. Zum einen muss davon auszugehen sein, dass von dem betroffenen Krankheitserreger keine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen ausgeht. In einem derartigen Fall würde nur eine Absonderung per Bescheid nach § 7 Abs. 1a in Frage kommen. Nur bei Krankheitserregern, die in der Regel einen milden Krankheitsverlauf auslösen, erscheint das Entfallen von bescheidmäßig angeordneten Maßnahmen vertretbar und sachgerecht. Die Verkehrsbeschränkungen müssen zum anderen verhältnismäßig sein, das heißt zur Verhinderung der Verbreitung der betroffenen anzeigepflichtigen Krankheit im Sinne einer Verordnung nach § 7 Abs. 1 erforderlich.
Mit Abs. 3 wird festgelegt, welche Verkehrsbeschränkungen in einer Verordnung gemäß Abs. 1 angeordnet werden können. Diese orientieren sich an den Verkehrsbeschränkungen, die nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz mittels Verordnung angeordnet werden können.
Auf der Grundlage des § 7b kann der für das Gesundheitswesen zuständige Minister das Betreten bestimmter Orte untersagen; er darf jedoch Menschen nicht dazu verhalten, an einem bestimmten Ort, insbesondere auch in ihrer Wohnung, zu verbleiben. Damit ermächtigt § 7b zu – wenngleich weitreichenden – Eingriffen in die durch Art. 4 Abs. 1 StGG und Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK gewährleistete Freizügigkeit. Der Schutzbereich des Rechts auf persönliche Freiheit gemäß Art. 1 Abs. 1 PersFrBVG und Art. 5 EMRK ist jedoch nicht berührt (vgl. VfSlg. 20.398/2020), da die Beschränkung der Bewegungsfreiheit in ihrer Art und Intensität nicht mit jener eines Freiheitsentzuges vergleichbar ist (vgl. die Rsp bei Kopetzki, in Korinek/Holoubek ua, Bundesverfassungsrecht 5. Lfg. [2002], Art. 1 PersFrG, Rz 26).
Einschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit sind verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie gesetzlich zum Zwecke eines legitimen öffentlichen Interesses vorgesehen und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinn sind. § 7b dient dem Schutz der Gesundheit; Abs. 2 konkretisiert dieses Ziel dahingehend, dass die Verkehrsbeschränkungen auf die Verhinderung der Verbreitung einer anzeigepflichtigen Krankheit im Sinne einer Verordnung des § 7 Abs. 1 gerichtet sein müssen. Mit den Verkehrsbeschränkungen soll der persönliche Kontakt einer Vielzahl von Menschen und die damit verbundene Ansteckungsgefahr verhindert werden. Schon dadurch enthält die gesetzliche Verordnungsermächtigung Leitlinien für den Verordnungsgeber. Darüber hinaus ist in der Wendung ‚die Verkehrsbeschränkungen erforderlich ist, um die Verbreitung der in einer Verordnung nach § 7 Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit zu verhindern‘ der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesetzlich umfassend verankert. Daraus folgt auch, dass der Verordnungsgeber die Verordnung zeitlich zu befristen und auf entsprechend fundierter wissenschaftlicher Basis vorzugehen beziehungsweise die Verkehrsbeschränkung entsprechend zu evaluieren hat. Darüber hinaus sind die Anforderungen an die aktenmäßige Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen und eine ausreichende Begründung der ergriffenen Maßnahmen einzuhalten (s. insb. VfSlg. 20.399/2020).
Zu b) (§ 32 Abs. 1a):
Der neu eingefügte Abs. 1a stellt eine Sonderregelung für Entschädigungen dar, die als Vergütung wegen der durch die Behinderung des Erwerbes aufgrund einer Infektion mit SARS-CoV-2 entstandenen Vermögensnachteile zu leisten sind. Als Vorbild für diese Regelung dient § 54 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, dBGBl. I S. 1045, das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 473) geändert worden ist. Anders als bisher entsteht der Entschädigungsanspruch bereits, wenn der Nachweis über ein positives Testergebnis auf SARS-CoV-2 vorliegt und damit unabhängig von einer gemäß § 7 erfolgten Absonderung.
Diese Sonderregelung ist wiederum insbesondere den Erfahrungen während der Omikron-Welle geschuldet. Entstehen bei der Erlassung von Absonderungsbescheiden Probleme, etwa, weil telefonische Bescheide nicht rechtzeitig schriftlich erlassen werden können, so wirkt sich dies automatisch auf Entschädigungsansprüche nach § 32 aus. Im Interesse der Betroffenen soll mit der Sonderregelung ein einfacherer Zugang zu Entschädigungsleistungen gesichert werden.
Zu b) (§ 32 Abs. 3a):
Mit Beschluss vom 21. März 2022, Zl. Ra 2021/09/0235-4, hat der Verwaltungsgerichtshof hervorgehoben, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 32 Abs. 3 EpiG von einem Dienstnehmer ausgegangen ist, dem durch eine Maßnahme nach dem EpiG ein Verdienstentgang entstanden ist, der in der Folge durch eine Vergütung ausgeglichen werden soll (Rz 32). Ist jedoch beim Arbeitnehmer kein Verdienstentgang – aus welchen Gründen auch immer – eingetreten, hat dieser keinen Anspruch auf Verdienstentgang (Rz 34). Soweit bei einem Beamten mangels gesetzlicher Anordnung für den Fall einer Maßnahme nach §§ 7, 17 EpiG kein Entgeltausfall entsteht, gibt es auch keinen Anspruch des Beamten, der in weiterer Folge durch vorschussweise Liquidierung durch den Dienstgeber auf diesen übergehen könnte und den dieser wiederum gegenüber dem Bund gelten machen könnte (Rz 35). Hat der Arbeitnehmer [aber] einen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts trotz Absonderung aufgrund anderer Bestimmungen, gibt es keinen Anspruch des Arbeitnehmers nach dem EpiG; dies gilt ebenso für privatrechtliche Dienstverhältnisse (Rz 37). Der VwGH hat im Anlassfall festgehalten, dass Beamte gemäß § 12c des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54/1956, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 34/2022, auch während einer Absonderung gemäß den §§ 7 oder 17 EpiG weiterhin Anspruch auf ihre Bezüge haben, wenn bei ihnen deswegen kein Verdienstentgang eintritt und daher auch kein Anspruch nach § 32 EpiG besteht.
Die überwiegende arbeitsrechtliche Lehre geht davon aus, dass der Vergütungsanspruch nach dem EpiG nur subsidiär zu anderen arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsregelungen zum Tragen kommt. Ungeachtet dessen besteht zur Frage, ob an COVID-19 erkrankten Arbeitnehmern, die nach den §§ 7 oder 17 EpiG abgesondert wurden, ein Vergütungsanspruch nach dem EpiG oder Entgeltfortzahlung aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen zusteht, keine Judikatur (auch der zuvor genannte Beschluss des VwGH lässt dies offen). Es handelt es sich somit um eine ‚rechtliche Grauzone‘ (Mischka, Kranke Arbeitnehmer in Quarantäne – wer trägt die Kosten?, CuRe 2020/82 = GRAU 2020, 54 [56]). Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist bisher davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Vergütung nach § 32 Abs. 3 EpiG als lex specialis vorgeht. Durch den nun eingefügten § 32 Abs. 3a wird im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit angeordnet, dass der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund unabhängig davon gegeben ist, ob privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Verpflichtungen zur Fortzahlung des Entgelts oder des Bezugs bestehen. Zur Vermeidung etwaiger Ungleichheiten gilt dies auch für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse. In Hinkunft besteht ein Anspruch auf Vergütung von Verdienstentgang somit auch dann, wenn z.B. kein Entfall der Bezüge (s § 12c GehG) vorgesehen ist.
Zu b) (§ 46a):
Die Regelung ist dem § 41 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992, beziehungsweise dem § 96 Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, nachgebildet und ermöglicht den Gesundheitsbehörden, Absonderungsbescheide völlig automationsunterstützt zu erlassen. Sie soll damit einerseits zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 beitragen und andererseits der Verwaltungsvereinfachung dienen.
Eine gesetzliche Anpassung ist erforderlich, weil § 18 Abs. 3 AVG festlegt, dass der Inhalt eines Bescheides vom Willen eines Organwalters der bescheiderlassenden Behörde getragen sein muss. Bescheide sind daher von einem Organwalter zu genehmigen; andernfalls sind sie nach der Rechtsprechung des VwGH nichtig (s. insb. VwSlg. 18.949 A/2014; vgl. auch Erl zu § 96 BAO idF. BGBl. Nr. 312/1987: RV 108 BlgNR 27. GP, 40 f). Die nunmehr in § 46a eingefügte Genehmigungsfiktion stellt in Abweichung von § 18 Abs. 3 AVG sicher, dass auch bei vollkommen automationsunterstützt generierten Bescheiden eine Genehmigung vorliegt. Bescheide, die nicht im Einzelfall von einem Organwalter der Behörde genehmigt werden, widersprechen nicht dem verfassungsrechtlichen Bescheidbegriff. Um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen, muss aber jedenfalls die bescheiderlassende Behörde erkennbar sein (VfSlg. 11.590/1987).
Der neu eingefügte § 46a weicht von § 18 Abs. 3 und Abs. 4 AVG ab. Bestimmungen, die die Vielzahl der in der konkreten Materie anfallenden Verfahren berücksichtigen und der Verfahrensbeschleunigung dienen, können nach der Rechtsprechung ‚erforderlich‘ iSd. Art. 11 Abs. 2 B-VG sein (vgl. zB. VfSlg. 19.787/2013 und VfSlg. 13.831/1994 mwH). Dies jedoch nur insofern, als sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, widersprechen (VfSlg. 19.921/2014, 17.340/2004).
Insbesondere die Erfahrungen während der Omikron-Welle haben gezeigt, dass bei besonders hohen Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 Probleme bei der Erlassung von Absonderungsbescheiden entstehen. So konnte etwa nicht bei allen telefonischen Bescheiden gemäß § 46 Abs. 2 innerhalb von 48 Stunden ein schriftlicher Bescheid erlassen werden. Infizierte Personen konnten damit zum Teil nicht rechtswirksam abgesondert werden. Mangels rechtswirksamer Absonderung durften sich infizierte Personen – abgesehen von den Vorgaben, die sich aus den entsprechenden Bestimmungen des StGB ableiten lassen (s. oben bei Z 4) – frei bewegen und stellten damit eine Infektionsgefahr für andere Personen dar.
Dadurch wird offenkundig der Zweck des Epidemiegesetzes 1950 unterlaufen. Automationsunterstützt generierte Bescheide würden bei dieser Problematik Abhilfe verschaffen: Da der Absonderungsbescheid automatisch bei Vorliegen eines Nachweises einer Infektion mit SARS-CoV-2 erlassen werden darf, soll kein behördliches Handeln im Einzelfall notwendig sein, um rechtswirksam Absonderungen per Bescheid zu verfügen. Vor dem Hintergrund der Massenverfahren, die potentiell als Folge von besonders infektiösen Virusvarianten erwartbar sind und den Gefahren für die Gesundheit anderer, die von nicht rechtswirksam abgesonderten Personen ausgehen, ist die in § 46a festgelegte Abweichung vom AVG im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG zur Regelung des Gegenstandes unerlässlich (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 17.346/2004).
Die automationsunterstützte Erlassung von Absonderungsbescheiden soll gemäß Abs. 2 nur zulässig sein, wenn die Gesundheitsbehörden aufgrund der Absonderungsverordnung, RGBl. Nr. 39/1915, in der jeweils geltenden Fassung, verpflichtet sind, infizierte Personen abzusondern. Damit diese Verpflichtung der Gesundheitsbehörden zweifelsfrei besteht, müsste eine entsprechende Anpassung der Absonderungsverordnung erfolgen. Durch den automatisierten Datenabgleich ist ein etwaiges Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossen. Diese behördliche Handlungspflicht spricht ebenfalls für die ‚Unerlässlichkeit‘ der Abweichung vom AVG (vgl. hiezu VfSlg. 8945/1980).
Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass durch diese Regelung die mittelbare Bundesverwaltung nicht umgangen wird. An der Zuständigkeit der Gesundheitsbehörden der Bundesländer ändert sich nichts; ihnen wird ausschließlich die Möglichkeit eröffnet, sich automationsunterstützter EDV-Systeme zu bedienen. Selbst wenn das entsprechende EDV-System vom Bund zur Verfügung gestellt würde, blieben weiterhin die Gesundheitsbehörden zur Bescheiderlassung zuständig. Schließlich handelt es sich bei § 46a um eine ‚Kann-Bestimmung‘, weshalb eine behördeninterne Willensbildung vorliegen muss, sich der Möglichkeit der automatisierten Bescheide zu bedienen (vgl. dazu Denk, Der maschinell erstellte Bescheid [Teil I], ZTR 2019, 189 [199]).
Zu b) (§ 47a):
Gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG kann auch in anderen Angelegenheiten als jenen in Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4. B-VG festgelegt werden, dass der Bundesminister Revision gegen Beschlüsse und Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten erheben kann. Von dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung wird Gebrauch gemacht, um die Einheitlichkeit der Vollziehung sicherstellen zu können. Die Notwendigkeit hiefür besteht, da in der Vergangenheit einzelne verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse ergangen sind, die der Rechtsansicht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz diametral entgegen stehen (s. insbesondere Verwaltungsgericht Wien 24.3.2021, VGW-103/048/3227/2021).
Zu Artikel 2 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG):
Zu c) (§ 7a):
Siehe hiezu die Erläuerungen zu Artikel 1 Z 7.“
Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Gabriela Schwarz und Ralph Schallmeiner mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2022 06 08
Ralph Schallmeiner Mag. Gerhard Kaniak
Berichterstatter Obmann