Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Der EuGH hat in seinem Urteil im Vorabentscheidungsverfahren C-546/18 ausgesprochen, dass Entscheidungen der Übernahmekommission von einem nationalen Gericht überprüfbar sein sollten, das zu diesem Zweck zur Prüfung aller relevanten Sach- und Rechtsfragen befugt ist (vgl. Rz 68). Der nach geltendem Recht mögliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof entspricht dieser Vorgabe nicht, weil dafür die Bestimmungen über den Revisionsrekurs gelten und eine unrichtige Tatsachenfeststellung keinen Revisionsrekursgrund im Sinn des § 66 AußStrG darstellt.

Um die österreichische Rechtslage in Einklang mit diesem Urteil zu bringen, soll gegen Entscheidungen der Übernahmekommission künftig Rekurs an das Oberlandesgericht Wien erhoben werden können und die Möglichkeit einer Parteistellung im Feststellungsverfahren nach § 33 ÜbG erweitert werden.

Außerdem sollen die im europäischen Vergleich eher strengen gesetzlichen Regelungen zum sogenannten „Creeping-in“ – also dem weiteren Ausbau einer bereits kontrollierenden Beteiligung – grundsätzlich beibehalten, aber in Teilbereichen liberalisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden.

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung der vorgeschlagenen Neuregelungen gründet sich auf die Kompetenztatbestände Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG), Börsewesen (Art. 10 Abs. 1 Z 5 B-VG) und Bundesabgaben (§ 7 Abs. 1 F-VG).

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des ÜbG)

Zu Z 1 (§ 22 Abs. 4):

Im Grundtatbestand des Creeping-in soll durch die Einfügung der Worte „die einen beherrschenden Einfluss vermittelt“ klargestellt werden, dass Aktionäre, die eine Beteiligung in dem für ein Creeping-in relevanten Bereich, aber ohne beherrschenden Einfluss halten, weder eine Angebotspflicht noch eine Mitteilungspflicht nach § 24 Abs 1 ÜbG trifft.

Während bisher bereits ein Beteiligungsausbau von zwei Prozentpunkten innerhalb eines Jahres eine Angebotspflicht auslöste, soll dies in Hinkunft erst ab einem Hinzuerwerb von drei Prozentpunkten der Fall sein. Bei diesem Jahr soll es sich künftig stets um das Kalenderjahr statt um einen revolvierenden Zeitraum von zwölf Monaten handeln.

Außerdem soll der zentrale Begriff des Hinzuerwerbs dahingehend konkretisiert werden, dass auch dem Erwerb vorangehende Veräußerungen von Aktien zu berücksichtigen sind: Wenn also der kontrollierende Aktionär Aktien im Ausmaß von fünf Prozentpunkten erwirbt, zuvor im selben Kalenderjahr aber Aktien im Ausmaß von drei Prozentpunkten veräußert hat, beträgt sein saldierter Hinzuerwerb nur zwei Prozentpunkte und bewirkt daher keine Angebotspflicht.

Z 2 (§ 23 Abs. 3):

Hier soll klargestellt werden, dass es für ein gemeinsames Vorgehen beim Creeping-in auf die Mitwirkung am Hinzuerwerb ankommt.

Zu Z 3 bis 5 (§ 25 Abs. 1 und 3):

Für Creeping-in-Fälle sollen in einer neuen Z 7 des Abs. 1 zwei Tatbestände vorgesehen werden, in denen statt einer Angebotspflicht eine Anzeigepflicht an die Übernahmekommission besteht: Dies soll zum einen dann gelten, wenn der kontrollierende Aktionär bereits über eine Mehrheitsbeteiligung verfügte, diese dann aber bloß vorübergehend unterschritten hat, ohne dadurch die Kontrolle über die Gesellschaft zu verlieren (z.B. eine Beteiligung von 51% wird kurzzeitig auf 47% verringert und dann wieder auf 51% erhöht). Zum anderen soll ein Creeping-in im Bereich unterhalb der Mehrheitsbeteiligung grundsätzlich nur einmal eine Angebotspflicht auslösen: Hat der kontrollierende Aktionär also z.B. bereits ein Creeping-in-Angebot wegen eines Beteiligungsausbaus von 30% auf 35% innerhalb eines Kalenderjahres gestellt, so wird er einer weiteren Erhöhung seiner Beteiligung in jährlichen 5%-Schritten (also auf 40% und 45%) zunächst nicht neuerlich angebotspflichtig. Wenn durch den Ausbau der Beteiligung allerdings die 50%-Schwelle überschritten wird, so muss neuerlich ein Angebot gestellt werden.

Im Schlussteil des Abs. 1 wird klargestellt, dass die lediglich eine Anzeigepflicht auslösenden Tatbestände der Z 1 bis 6 sinngemäß auch für die Creeping-in-Fälle gelten und dass die Frist für die Anzeige an die Übernahmekommission diesfalls mit dem Hinzuerwerb zu laufen beginnt.

In Abs. 3 wird die Möglichkeit der Übernahmekommission, in Fällen einer bloßen Anzeigepflicht erforderlichenfalls Auflagen auszusprechen, auf die neue Z 7 des Abs. 1 ausgedehnt.

Zu Z 6 bis 10 (§ 30a Abs. 1 bis 4):

Um die österreichische Rechtslage in Einklang mit dem EuGH-Urteil C-546/18 zu bringen, soll gegen Entscheidungen der Übernahmekommission künftig Rekurs an das Oberlandesgericht Wien erhoben werden können. Dessen umfassende Zuständigkeit ist dadurch zu begründen, dass das ÜbG grundsätzlich für Beteiligungspapiere einer inländischen Aktiengesellschaft gilt, die an einer österreichischen Börse – also an der Wiener Börse – zum Handel zugelassen sind. Da im Rekursverfahren nach den §§ 45 ff. AußStrG auch eine Überprüfung der Tatsachenfeststellungen möglich ist, wird den Bedenken des EuGH durch diese Änderung sowie die ebenfalls vorgeschlagene Klarstellung betreffend die Parteistellung (vgl. dazu § 33) vollständig Rechnung getragen.

Eine Sonderregelung im Hinblick auf die mündliche Verhandlung vor dem Rekursgericht muss nicht aufgenommen werden. Ob eine mündliche Verhandlung abgehalten wird, steht im gebundenen Ermessen des Gerichts und wird im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 6 EMRK (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 52 Rz 8 ff mwN.) häufig und insbesondere bei schwierigen Tatsachenfragen zu bejahen sein.

Dass einem Rekurs gegen einen Bescheid der Übernahmekommission grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt, ergibt sich aus sowohl aus dem im erstinstanzlichen Verfahren anzuwendenden AVG (vgl. dessen § 64 Abs. 1: aufschiebende Wirkung einer Berufung) als auch aus dem für das Rekursverfahren maßgeblichen AußStrG (vgl. dessen § 43 Abs. 1: Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung eines Beschlusses mit Rechtskraft). Da es in bestimmten Fällen (z.B. bei einer Untersagung der Veröffentlichung der Angebotsunterlage) jedoch erforderlich sein kann, dass einer Entscheidung der Übernahmekommission vorläufige Verbindlichkeit zukommt, soll durch einen neuen letzten Satz des Abs. 1 klargestellt werden, dass die Übernahmekommission die aufschiebende Wirkung eines Rekurses ausschließen kann. Bei der dafür nach § 64 Abs. 2 AVG gebotenen Interessenabwägung werden vor allem auch das allgemeine Raschheitsgebot des § 3 Z 5 ÜbG sowie der Schutz der Inhaber von Beteiligungspapieren gemäß § 3 Z 1a ÜbG zu berücksichtigen sein.

Ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof soll in Hinkunft nur mehr nach Maßgabe des § 62 AußStrG zulässig sein (vgl. dazu den neuen Abs. 4), weshalb die Rekursentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien auch einen Ausspruch nach § 59 AußStrG zu enthalten hat.

Zu Z 11 (§ 33 Abs. 2):

Zur Gewährleistung einer weiterhin konsistenten Entscheidungspraxis der Übernahmekommission bei ihren zivil- und verwaltungsstrafrechtlichen Bescheiden erscheint es vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-546/18 geboten, die Möglichkeit einer Parteistellung der Personen, gegen die als Mitglieder eines Verwaltungsorgans (insbesondere des Bieters) aufgrund der Tatsachenfeststellungen und der rechtlichen Beurteilung im Feststellungsverfahren in weiterer Folge unter Umständen eine Verwaltungsstrafe nach § 35 verhängt werden soll, bereits im zivilrechtlichen Verfahren nach § 33 gesetzlich klarzustellen.

Eine generelle Verpflichtung der Übernahmekommission, allen Personen, gegen die theoretisch eine Verwaltungsstrafe verhängt werden könnte, im zivilrechtlichen Verfahren Parteistellung zu gewähren, folgt daraus nicht; es handelt sich vielmehr um eine verfahrensökonomische Ermessensentscheidung, die nach den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis der behördlichen Vorgangsweise sowohl im zivilrechtlichen Verfahren als auch im Verwaltungsstrafverfahren durch eine Verfahrensanordnung im Sinn des § 39 Abs. 2 AVG getroffen werden kann. Wurde einer Person eine solche Parteistellung allerdings nicht gewährt, kann diese Person im Verwaltungsstrafverfahren an den Feststellungsbescheid auch nicht gebunden sein.

Zu Z 12 (§ 37 Abs. 9):

Die geänderten Bestimmungen des ÜbG sollen mit 1. Juli 2022 in Kraft treten. Während für die neuen materiellrechtlichen Regelungen betreffend das Creeping-in der Zeitpunkt maßgeblich sein soll, zu dem sich der betreffende Sachverhalt ereignet hat, soll es für die Anwendbarkeit der das Rechtsmittelverfahren betreffenden Änderungen darauf ankommen, wann die anzufechtende Entscheidung der Übernahmekommission erlassen wurde. Von der Möglichkeit, zusätzlichen Personen Parteistellung zu gewähren, soll demgegenüber auch in bereits anhängigen Verfahren nach § 33 Gebrauch gemacht werden können.

Zu Art. 2 (Änderung des GGG)

Für das neue Rechtsmittelverfahren nach § 30a ÜbG sind die Gerichtsgebühren neu zu bestimmen. Ausgangspunkt der Gebührenfestsetzung war die Pauschalgebühr für das erstinstanzliche Verfahren zur Prüfung einer Anzeige nach § 25 ÜbG in Höhe von 10.700 Euro (Pkt. 3.1 der Verordnung der Wiener Börse AG über die Gebührenordnung für das Verfahren vor der Übernahmekommission; siehe RV zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz, 2357 BlgNR 24. GP). Die Gebühr für die direkte Anrufung des Obersten Gerichtshofs wurde damals annähernd mit dem eineinhalbfachen (16.000 Euro) festgesetzt und liegt nun (nach zwei Valorisierungen) bei 18.827 Euro.

Es wird vorgeschlagen, diesen Gebührenansatz für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Grundsatz beizubehalten, aber leicht abzusenken (auf 18.000 Euro). Das ist ein Zuschlag von ca. zwei Drittel der Gebühr für das Verfahren erster Instanz. Für das neue Verfahren zweiter Instanz soll die Gebühr etwa in der Mitte liegen (wie es auch für zivilgerichtliche Verfahren der Fall ist) und mit einem Zuschlag von einem Drittel daher bei 14.300 Euro liegen.

In der Praxis wurde bisweilen die Ansicht vertreten, bei mehreren Parteien fiele die Pauschalgebühr mehrfach an, da § 19a GGG (Streitgenossenschaftszuschlag) nur in Verfahren nach den Tarifposten 1 bis 4 anwendbar ist. Dass das nicht der Fall ist, soll die Anmerkung 2 klarstellen; die Solidarhaftung könnte sich bereits aus § 7 Abs. 4 ergeben, soll aber dennoch ausdrücklich festgehalten werden.