1567 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie
über die Regierungsvorlage (1529 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Verbraucherbehördenkooperationsgesetz geändert werden (Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MoRUG)
Die Richtlinie (EU) 2019/2161 zur Änderung der Richtlinien 93/13/EWG, 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union, ABl. Nr. L 328 vom 18.12.2019 S. 7, wäre bis zum 28. November 2021 in das österreichische Recht umzusetzen gewesen; die Umsetzungsvorschriften wären sodann ab dem 28. Mai 2022 anzuwenden gewesen. Mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 – die entsprechend ihrer grundlegenden Zielsetzung (die auch in ihrem Titel zum Ausdruck kommt) oft auch kurz als „Modernisierungsrichtlinie“ bezeichnet wird – wurden vier Richtlinien geändert. Es handelt sich dabei – hier wiederum nur mit den gängigen Kurzbezeichnungen aufgelistet – um die „Klausel-Richtlinie“, die „Preisangabenrichtlinie“, die „Unlautere-Geschäftspraktiken-Richtlinie“ (auch „UGP-Richtlinie“) und die „Verbraucherrechte-Richtlinie“. Die erst- und die letztgenannte dieser geänderten Richtlinien gehören zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz; die Umsetzungsbestimmungen dazu finden sich im Konsumentenschutzgesetz und im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz.
Mit dem hier entworfenen Gesetz sollen die durch die Modernisierungsrichtlinie herbeigeführten Änderungen in diesen beiden Richtlinien, also in der Klausel-Richtlinie und in der Verbraucherrechte-Richtlinie, umgesetzt werden. Entsprechend dieser Zielsetzung wird die vorgeschlagene Vorschrift als „Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz“ bezeichnet; sie umfasst Änderungen des KSchG und des FAGG.
Eingrenzung und Konzeption der Umsetzung
Mit der Modernisierungsrichtlinie Richtlinie (EU) 2019/2161 wurden – wie in Punkt A schon erwähnt – insgesamt vier Richtlinien geändert. Der vorliegende Entwurf dient der Umsetzung der Änderungen in jenen beiden Richtlinien, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz fallen. Es sind dies die Änderungen folgender Richtlinien:
- Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. Nr. L 95 vom 21.4.1993 S. 29 (in der Folge: „Klausel-Richtlinie“);
- Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG und der Richtlinie 1999/44/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG und der Richtlinie 97/7/EG, ABl. Nr. L 304 vom 22.11.2011 S. 64 (in der Folge: „Verbraucherrechte-Richtlinie“, abgekürzt „VRRL“).
Die neuen Vorgaben der Klausel-Richtlinie werden im Konsumentenschutzgesetz, die neuen Vorgaben der Verbraucherrechte-Richtlinie teilweise im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz und teilweise im Konsumentenschutzgesetz umgesetzt.
Inhalte und Hauptgesichtspunkte des Entwurfs
Die wesentlichen Neuerungen, die die Modernisierungsrichtlinie (im Weiteren abgekürzt mit „MoRL“) und ihr folgend der Gesetzentwurf für ihre Umsetzung mit sich bringen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Anpassungen an Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen
Die Verbraucherrechte-Richtlinie wurde an verschiedenen Stellen an die Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. Nr. L 136 vom 22.5.2019 S. 1, angepasst. Sie gilt nun ausdrücklich auch für Verträge über die Bereitstellung digitaler Dienstleistungen und über digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, nach denen der Verbraucher zwar keine Zahlung zu leisten, wohl aber dem Unternehmer personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen hat. Der Anwendungsbereich des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz ist daher entsprechend anzupassen. In diesem Zusammenhang sind auch einige Begriffsbestimmungen zu adaptieren.
2. Änderungen bei den Informationspflichten des Unternehmers
Im Anwendungsbereich des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes hat der Unternehmer in Hinkunft darüber zu informieren, wenn der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert worden ist. Darüber hinaus werden die Informationspflichten an die technologische Entwicklung angepasst (zB Angabe von bereitgestellten Online-Kommunikationsmitteln statt Faxnummer).
3. Transparenzpflichten für Online-Marktplätze
Die Verbraucherrechte-Richtlinie sieht neue Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen (die Richtlinie verwendet für diese den Ausdruck „Anbieter des Online-Marktplatzes“) vor, die im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz umgesetzt werden. Diese Informationspflichten betreffen die Reihung der Angebote („Ranking“), die Unternehmereigenschaft des Dritten, der die Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalte anbietet, die Nichtanwendung von Verbraucherrechten bei Fehlen dieser Unternehmereigenschaft und die Aufteilung der vertraglichen Verpflichtungen zwischen dem Anbieter des Online-Marktplatzes und dem Dritten.
4. Änderungen beim Rücktrittsrecht
Bei den Ausnahmen vom Rücktrittsrecht in Fällen, in denen auf Wunsch des Verbrauchers noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Vertragserfüllung begonnen wurde, ist in Hinkunft zwischen solchen Verträgen, die den Verbraucher zu einer Zahlung verpflichten, und solchen, aufgrund derer der Verbraucher lediglich personenbezogene Daten bereitstellt, zu unterscheiden.
Bei Verträgen ohne Zahlungsverpflichtung (bei denen also der Verbraucher ausschließlich zur Hingabe personenbezogener Daten verpflichtet ist) führt nach § 18 Abs. 1 Z 1 FAGG schon die vollständige Dienstleistungserbringung zu einem Entfall des Rücktrittsrechts. Bei Verträgen mit einer Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers muss dafür – neben der vollständigen Dienstleistungserbringung – zusätzlich noch eine ausdrückliche Zustimmung zum Beginn der Vertragserfüllung sowie als drittes Element die Bestätigung des Verbrauchers über seine Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts vorliegen. Dieses Bestätigungserfordernis entfällt allerdings bei Reparaturarbeiten im Rahmen eines vom Verbraucher ausdrücklich gewünschten Besuchs des Unternehmers; diese Sonderbestimmung für Reparaturarbeiten gründet sich auf die Regelungsoption des Art. 16 letzter Absatz der Verbraucherrechte-Richtlinie, von der zur Erleichterung der Abwicklung von Handwerkerverträgen Gebrauch gemacht werden soll.
In gleicher Weise ist bei der in § 18 Abs. 1 Z 11 FAGG geregelten Ausnahme vom Rücktrittsrecht bei vorzeitiger Bereitstellung von digitalen Inhalten zwischen der bloßen Verpflichtung des Verbrauchers zur Hingabe personenbezogener Daten einerseits und einer Zahlungspflicht des Verbrauchers andererseits zu differenzieren.
Schließlich werden in Wahrnehmung der Regelungsoption des Art. 16 vorletzter Absatz der Verbraucherrechte-Richtlinie für bestimmte Fallkonstellationen, die zumindest typischerweise als „aggressive oder irreführende Vermarktungs- oder Verkaufspraktik“ zu charakterisieren sind, gewisse Gegenausnahmen von den in § 18 FAGG vorgesehenen Ausnahmen vom Rücktrittsrecht statuiert.
5. Sanktionen
Sowohl die Klausel-Richtlinie als auch die Verbraucherrechte-Richtlinie verlangen, dass bei der Ergreifung von Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen von koordinierten Aktionen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004, ABl. Nr. L 345 vom 27.12.2017 S. 1, zur Ahndung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unionsdimension auch Geldstrafen innerhalb eines sehr hohen Strafrahmens verhängt werden können. Diese Vorgaben werden teils im Verwaltungsstrafverfahren, teils im Exekutionsverfahren erfüllt. Das Schwergewicht bei der Sanktionierung von Richtlinienverstößen wird aber weiterhin in individuellen zivilrechtlichen Rechtsfolgen und vor allem in der Abstellung rechtswidriger Praktiken durch Verbandsklagen bestehen.
Kompetenzgrundlage
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG (Zivilrechtswesen).
Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 21. Juni 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker und Mag. Johanna Jachs.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Ulrike Fischer und Peter Haubner einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zwar fordert die Richtlinie (EU) 2019/2161, dass die Rechtsvorschriften, mit denen die Richtlinie umgesetzt wird, ab dem 28. Mai 2022 wirksam wird. Um eine Rückwirkung zu vermeiden, sollen die neuen Bestimmungen aber erst nach dem Tag der Kundmachung in Kraft treten.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, F, G, dagegen: N) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2022 06 21
Mag. Ulrike Fischer Peter Haubner
Berichterstatterin Obmann