1598 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über den Antrag 2637/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Harald Troch, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gedenken an den Völkermord in Srebrenica“
Die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Harald Troch, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 14. Juni 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Am 11. Juli 2022 jährt sich der Völkermord und die ethnische Säuberung, die während des Bosnienkriegs in Srebrenica und dem Umland der Stadt stattgefunden haben, zum 27. Mal. Dieser Jahrestag ist zugleich eine eindringliche Mahnung, wie gefährlich extreme Formen des Nationalismus und der gesellschaftlichen Intoleranz sind, insbesondere, wenn sich diese Tendenzen im Rahmen von Kriegen weiter zuspitzen.
Die bosnische Stadt Srebrenica wurde durch die Resolution 819 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 16. April 1993 zur Schutzzone erklärt und am 11. Juli 1995 von bosnisch-serbischen Truppen, die von General Ratko Mladić angeführt wurden und dem Befehl des damaligen Präsidenten der Republik Srpska, Radovan Karadžić, unterstanden, eingenommen. Während des mehrere Tage andauernden Massakers nach dem Fall von Srebrenica richteten bosnisch-serbische Soldaten unter dem Kommando von General Mladić und paramilitärischen Einheiten, darunter auch irreguläre Polizeieinheiten, über 8.000 muslimische Männer und Buben hin, die in diesem - der Schutztruppe der Vereinten Nationen (UNPROFOR) unterstehenden Gebiet - Schutz gesucht hatten. Nahezu 30.000 Frauen, Kinder und alte Menschen wurden in einer groß angelegten ethnischen Säuberungsaktion zwangsweise vertrieben. Dieses Ereignis wurde somit zum schwersten Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die tragischen Ereignisse von Srebrenica haben bei den Überlebenden Traumata sowie tiefe emotionale Narben hinterlassen, welche die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen in Bosnien und Herzegowina bis heute beeinträchtigen.
Die Verbrechen in Srebrenica wurden sowohl vom Internationalen Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)[1], als auch vom Internationalen Gerichtshof (IGH)[2] als Völkermord anerkannt. Zudem hat der ICTY bzw. der diesem nachfolgende Residualmechanismus zahlreiche hochrangige bosnisch-serbische Armeeoffiziere einschließlich des Generals Mladić sowie des ehemaligen Präsidenten der Republika Srpska Radovan Karadžić wegen Völkermords in Srebrenica rechtskräftig verurteilt. Durch die von den bosnisch-serbischen Truppen an der Zivilbevölkerung von Srebrenica begangenen Verbrechen — darunter die Verschleppung tausender Frauen, Kindern und älterer Menschen sowie die Vergewaltigungen an unzähligen Frauen — wurde in mehrfacher Hinsicht gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen.
Trotz der Bemühungen, Massen- und Einzelgräber zu finden und die Leichen zu exhumieren, konnten die sterblichen Überreste von fast 1 200 Männern und Buben aus Srebrenica bis heute nicht aufgefunden und identifiziert werden.
Der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan hat 1999 in seinem Bericht über die Eroberung Srebrenicas erklärt, die Vereinten Nationen wären mit der Durchführung ihres Mandats und vor allem mit der Sicherung der sogenannten Schutzzonen gescheitert und trügen deshalb Mitverantwortung. Im Jahr 2000 erklärte Annan, dass die Tragödie von Srebrenica für immer die Geschichte der Vereinten Nationen in zutiefst tragischer Weise geprägt hat.
Die Europäische Union fußt auf einem friedlichen Zusammenleben und der engagierten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Aufgrund einer Entschließung des Europäischen Parlaments[3] wurde der 11. Juli zum Europäischen Gedenktag für die Opfer des Massakers von Srebrenica ernannt. Damit gedenkt Europa aller Opfer des Völkermordes von Srebrenica und all der schrecklichen Gewalttaten während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und zollt ihnen Respekt, spricht den Angehörigen der Opfer, die oftmals keine endgültige Gewissheit über das Schicksal ihrer Verwandten haben, sein Mitgefühl aus und bekundet seine Solidarität mit ihnen.
Um eine friedliche Zukunft und ein gedeihliches Miteinander zu gewährleisten, ist es notwendig, dass sich alle politischen Vertreterinnen und Vertreter – sei es in Bosnien und Herzegowina, aber auch weltweit – mit den dunkelsten Kapiteln der Geschichte auseinandersetzen und die Vergangenheit anerkennen. Das Gedenken an den Völkermord in Srebrenica und die Solidarität mit den Opfern ist zentral, um an einer besseren Zukunft für alle Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina zu arbeiten und auch das historische Bewusstsein dafür zu schärfen, dass sich solche fürchterlichen Verbrechen niemals mehr wiederholen dürfen. Dies könnte etwa dadurch erfolgen, dass in Schulen über die Entstehung und die Ursachen solcher Gräueltaten aufgeklärt und Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie wichtig es ist, Frieden, Menschenrechte sowie Toleranz gegenüber anderen ethnischen Gruppen und Religionen zu fördern. In diesem Zusammenhang wird die einstimmige Entscheidung des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina, den 11. Juli als Trauertag in Bosnien und Herzegowina auszurufen, begrüßt.
Die unterfertigten Abgeordneten verurteilen den Völkermord in Srebrenica aufs Schärfste und erklären entschieden, dass solche fürchterlichen Verbrechen nie wieder verübt werden dürfen.“
Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 28. Juni 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Harald Troch, Mag. Bettina Rausch, Mag. Dr. Martin Graf, Dr. Helmut Brandstätter und Bedrana Ribo, MA.
Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Harald Troch, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2022 06 28
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc
Berichterstatterin Obfrau