1620 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 2349/A(E) der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegeoffensive sofort in Angriff nehmen 

Die Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 8. März 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die größte Gesundheitskrise seit über 100 Jahren hat unser Land überrollt, Pflegeberufe sind gefragt und gebraucht wie noch nie, die Pflegebedürftigkeit der Bevölkerung nimmt vor allem durch die Demographie enorm zu.

Die Sicherstellung einer menschenwürdigen und hochwertigen Pflege nach dem Stand der Pflegewissenschaft und Medizin sowie die Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen müssen in Österreich höchste Priorität haben. Nach der Bevölkerungsprognose wird der Anteil der über 80-Jährigen bis zum Jahr 2030 von derzeit 5% auf 6,8% angestiegen sein. Bedingt durch diese Verschiebung der Altersstruktur in der Bevölkerung sagen sämtliche Studien und Prognosen für die nächsten Jahre einen steigenden Bedarf an Pflegepersonen voraus.

Wann wird die dringend erforderliche Pflegereform endlich angegangen? Diese Regierung schafft es einfach nicht, Lösungen für dieses drängende Problem auf den Weg zu bringen. Auf Grund einer fast jährlichen Auswechslung der zuständigen Sozialminister wird die so dringende notwendige Pflegereform immer wieder verschoben.

Die drängendsten und wichtigsten Punkte - einheitliches Pflegesystem, garantierte Finanzierung der Pflegeleistungen und Ausbildungsoffensive - wurden bisher nicht angegangen.

Es braucht anstelle von neun unterschiedlichen Systemen bundesweite Festlegungen: welche Zielsetzungen werden verfolgt, welche Leistungen, welche Angebote sollen in welcher Qualität und Quantität zu welchen Kosten verfügbar sein. Damit kann man Transparenz und Vergleichbarkeit für alle sicherstellen.

Pflege qualitativ ausbauen und die Qualität sicherstellen kann nur durch eine gesamtheitliche Steuerung der Pflege geschehen, die Rücksicht auf regionale Gegebenheiten nimmt und Mindestkriterien festlegt sowie unabhängig kontrolliert.

Die Finanzierung aus einem Topf ist ein wichtiger Baustein dazu. Derzeit besteht der Pflegefonds als Provisorium und dient als Ausgleichfonds für die Sozialhilfeträger. Dieser Fonds muss umgestaltet und dauerhaft finanziert werden.

Durch Schaffung eines Pflegegarantiefonds sollen die Mitteln der Länder und des Bundes zusammengeführt und entsprechend aufgestockt werden, damit die benötigten Pflegeleistungen den Pflegebedürftigen kostenlos zur Verfügung gestellt werden können.

Im Pflegebereich rechnet man bis 2030 mit einem Bedarf von zusätzlichen 80.000 Pflege- und Betreuungskräften. Bis zum Jahr 2050 ist in Österreich mit einem Anstieg pflegebedürftiger Menschen von derzeit 450.000 auf 750.000 Menschen zu rechnen.

Das derzeit beschäftigte Pflegepersonal ist bereits physisch und psychisch extrem belastet. Mehrere hundert Stellen können gar nicht besetzt werden. Der Mitarbeitermangel trifft auch Pflegeeinrichtungen im ganzen Land. Immer mehr Pflegehäuser und Einrichtungen haben mit Personalnot zu kämpfen, sodass es zwar die Betten, nicht aber die dafür nötigen Pflegekräfte gibt.

Dieser Zustand ist unhaltbar!

Es braucht daher sofort eine Ausbildungsoffensive, mit der z.B. Personen, die eine Pflegeausbildung machen, eine Entlohnung (ähnlich den Polizeischülern) angeboten wird, mit der auch die Fachhochschulbeiträge erlassen, das Fachkräftestipendium für die tertiäre Ausbildung des gehobenen Dienstes geöffnet und weitere Anreize geboten werden (z.B. ein fixer Arbeitsplatz nach der Ausbildung).

Um einen Beruf mit Zukunftschancen zu ergreifen, ist es auch wichtig, dass die Arbeitsbedingungen ansprechend sind. Gerade die letzten Monate der Gesundheitskrise haben uns gezeigt, dass Pflegeberufe oft unter dramatischen Bedingungen ihre Arbeit erbringen müssen. Es braucht daher einen Personalbedarfsschlüssel und mehr finanzielle Mittel, um ausreichend Personal beschäftigen zu können.

Es bedarf aber auch attraktiver Arbeitsplätze durch bessere Arbeitsbedingungen: faire Bezahlung und langfristig lebbare Arbeitszeitmodelle: z.B. Bonus für schlechte Arbeitszeit-Lage oder 6. Urlaubswoche ab dem 40. Lebensjahr. Damit kann auch die Drop-Out-Rate erheblich reduziert werden. Und letztendlich muss allen Pflegekräften der Zugang zur Schwerarbeitspension eröffnet werden.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 12. Mai 2022 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum die Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Dr. Dagmar Belakowitsch, Fiona Fiedler, BEd, Ralph Schallmeiner, Mag. Christian Drobits und Alois Stöger, diplômé sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch. Die Verhandlungen wurden vertagt.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2022 erneut in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Bedrana Ribo, MA, Mag. Gerhard Kaniak, Fiona Fiedler, Bed, Mag. Ernst Gödl, Mag. Markus Koza, Alois Stöger, diplômé, Mag. Gerald Loacker und Mag. Christian Drobits sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, dagegen: V, G, N).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Bedrana Ribo, MA gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2022 06 30

                             Bedrana Ribo, MA                                                             Josef Muchitsch

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann