1642 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 2509/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 18. Mai 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„1.)  Um bei einer Ausweitung der Rechte des Rechnungshofes dessen Unabhängigkeit und die demokratische Legitimation zu stärken, sollen Wahl und auch Abwahl des/der RH-Präsident*in künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Nationalrats erfolgen müssen. (derzeit reicht einfache Mehrheit).

2.)    Die Möglichkeiten des Parlaments, dem Rechnungshof Prüfaufträge zu geben, sollen ausgeweitet werden: Derzeit kann eine Sonderprüfung des Rechnungshofs von mindestens 20 Abgeordneten beantragt werden. Es darf aber nicht mehr als drei Sonderprüfungen gleichzeitig geben. Da diese Sonderprüfungen erfahrungsgemäß bis zu 1,5 Jahre dauern, nimmt das derzeit den Fraktionen die Möglichkeit, auf aktuelle Erkenntnisse zu reagieren.

         Künftig sollen 5 Abgeordnete eine Sonderprüfung beantragen können. Klubs mit bis zu 20 Mitgliedern können eine Sonderprüfung in Auftrag haben, größere Klubs ab 20 Abgeordneten maximal zwei.

         Die Ergebnisse dieser Sonderprüfungen sollen tunlichst in 6 Monaten vorliegen.

         Es ist nicht anzunehmen, dass die Regierungsfraktionen ihre Möglichkeiten ausschöpfen; damit würde es maximal 5 Sonderprüfungen parallel geben.

3.)    Der Rechnungshof soll regelmäßig Wahrnehmungsberichte über potentielle Sachspenden von Ministerien an Parteien vorlegen (z.B. PR- oder Social-Media-Aktivitäten der Regierungsbüros). Es sollen dabei aber nur wesentliche Sachspenden in Betracht kommen, die auch das Potential haben, den Wettbewerb zwischen Regierungsparteien und Oppositionsparteien zu beeinflussen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Ministeriumsbeschäftigte Parteikommunikation machen. Es geht insbesondere nicht darum, den fachlich inhaltlichen Austausch zwischen den Ministerien und den Parteien zu beschränken.

4.)    Um verdeckte Finanzierung durch Studien, Umfragen etc. der Ministerien durch Transparenzvorschriften hintanzuhalten, sind diese inklusive aller relevanten Informationen wie etwa Inhalt und Kosten unmittelbar an den Rechnungshof zu übermitteln. Diese Auftragsarbeiten und die relevanten Informationen dazu werden über den Rechnungshof regelmäßig veröffentlicht. In Ausnahmefällen (Interessenabwägung) soll von einer Veröffentlichung der Inhalte abgesehen werden können.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 22. Juni 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Christian Drobits die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Andreas Ottenschläger, Michael Schnedlitz und Mag. Agnes Sirkka Prammer.

Auf Antrag des Abgeordneten Mag. Harald Stefan wurden die Verhandlungen vertagt.

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen erfolgte am 4. Juli 2022. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Mag. Selma Yildirim, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Christian Drobits, Christian Lausch und Dr. Johannes Margreiter sowie die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler das Wort.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Andreas Ottenschläger und Sigrid Maurer, BA einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Art. 20 Abs. 5 B-VG (Art. 1 Z 1) und Art. 151 Abs. 67 B-VG (Art. 1 Z 4):

In Zukunft sollen aus Transparenzgründen mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sämtliche Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise veröffentlichen.

Unter die Veröffentlichungspflicht fallen jedenfalls von Dritten erbrachte entgeltliche Werke, die die Erbringung von geistigen Leistungen zum Inhalt haben. Dazu zählen neben Studien, Gutachten und Umfragen auch Leitbilder, Konzepte, Publikationen, Werbebroschüren sonstigen Publikationen und Vergleichbares.

Eingeschränkt ist diese Pflicht solange und soweit, die Geheimhaltung nicht gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit) geboten ist.

Durch die Verwendung der Worte „solange und soweit“ wird zum Ausdruck gebracht, dass laufende Überprüfungen notwendig sind, weil sich das Erfordernis der Geheimhaltung ändern kann. Außerdem ist so klargestellt, dass auch partielle Veröffentlichungen, z.B. unter Weglassung personenbezogener Daten möglich sind bzw. geboten sein können. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei der Entscheidung betreffend die Abwägung, ob das Geheimhaltungsinteresse „im überwiegenden Interesse der Parteien“ gegeben ist, u.a. das Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten und der Schutz des geistigen Eigentums (Urheberrecht) von Betroffenen zu beachten sein werden.

Die Veröffentlichung kann z.B. im Wege der jeweiligen Internetseite des Organs erfolgen; aber auch die Veröffentlichung über eine zentrale Internetseite für mehrere Organe gemeinsam ist möglich.

Art. 151 Abs. 67 B-VG regelt das Inkrafttreten. Außerdem wird normiert, dass diese neue Veröffentlichungspflicht ausschließlich auf Gutachten, Studien und Umfragen Anwendung finden soll, die nach Inkrafttreten des Art. 20 Abs. 5 B-VG am 1. Jänner 2023 beauftragt wurden, damit eine Rückerfassung und Bewertung, deren Ressourcenaufwand nicht abzuschätzen ist, nicht stattfinden muss.

Zu Art. 122 Abs. 4 und Art. 123 Abs. 2 B-VG (Art. 1 Z 2 und 3) sowie § 8 Abs. 3 (Art. 2 Z 1), § 29 Abs. 2 lit. i (Art. 2 Z 2), § 31g (Art. 2 Z 3), § 37a Abs. 1a (Art. 2 Z 4), § 87 Abs. 4 (Art. 2 Z 5) und § 87 Abs. 4a (Art. 2 Z 6) GOG-NR:

Im Zuge der umfassenden Reform des Parteiengesetzes werden die Prüfkompetenzen des Rechnungshofes gegenüber politischen Parteien stark ausgeweitet. Damit werden die Bediensteten des Rechnungshofes unmittelbar Zugang zu sensiblen Unterlagen und Aufzeichnungen der politischen Parteien erhalten. Daher erscheint es angezeigt, die Unabhängigkeit des Präsidenten des Rechnungshofes und dessen Legitimation zu stärken.

Das Bestellungsverfahren soll in Zukunft folgendermaßen ablaufen:

1. Der Präsident des Nationalrates hat das Amt des Rechnungshofpräsidenten möglichst vier Monate vor der voraussichtlichen Erledigung (Art. 122 Abs. 4 B-VG) beziehungsweise unverzüglich nach Erledigung des Amtes des Rechnungshofpräsidenten (z.B. Rücktritt, Abwahl oder Ableben) auszuschreiben. Die Voraussetzungen für eine Bewerbung sind in Art. 122 Abs. 5 und 26 Abs. 4 und 5 B-VG in Verbindung mit § 41 NRWO geregelt. Eine angemessene Bewerbungsfrist ist festzulegen.

2. Nachdem die Bewerbungsfrist abgelaufen ist, erstellt der Präsident des Nationalrates nach Beratung in der Präsidialkonferenz eine Liste, die höchstens so viele geeignete Bewerberinnen und Bewerbern enthält, wie sie der Anzahl der Nationalratsklubs entspricht. Die Wortfolge „nach Beratung in der Präsidialkonferenz“ bringt zum Ausdruck, dass betreffend der vom Präsidenten ins Auge gefassten Entscheidung Einvernehmen insofern bestehen soll, als dass sich kein Mitglied der Präsidialkonferenz gegen die Entscheidung ausspricht.

Zusätzlich kann jeder Nationalratsklub eine weitere Bewerberin oder einen weiteren Bewerber namhaft machen.

3. Diese Bewerberinnen und Bewerber werden zu einer Anhörung in medienöffentlicher Sitzung des Hauptausschusses eingeladen. Über die Anhörung ist eine auszugsweise Darstellung zu verfassen (Protokoll) ist, die unmittelbar nach ihrer Fertigstellung dem Amtlichen Protokoll der Sitzung beizufügen ist und deren Veröffentlichung der Präsident veranlasst, um eine ausreichende Transparenz der Entscheidungsfindung sicherzustellen.

4. Aus dem Kreis an Bewerberinnen und Bewerbern, der sich aus der Liste des Präsidenten und der seitens der Klubs namhaft gemachten Personen ergibt, schlägt der Hauptausschuss nach Durchführung der Anhörung der Bewerberinnen und Bewerber bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, dem Nationalrat eine Person zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten vor.

5. Die so seitens des Hauptausschusses vorgeschlagene Person wird vom Nationalrat in einer Plenarsitzung bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen entsprechend der allgemeinen Bestimmungen betreffend Wahlen im Nationalrat gewählt.

Zu § 99 Abs. 2 und 3 GOG-NR (Art. 2 Z 7):

Die Möglichkeit, dass eine Minderheit im Nationalrat den Rechnungshof mit einer Gebarungsprüfung beauftragen kann, wird neu geregelt.

In Anlehnung an § 46 Abs. 6 GOG-NR (Sondersitzung) ist nun vorgesehen, dass eine Gebarungsüberprüfung, die sich auf einen bestimmten Vorgang in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung (Art. 122 Abs. 1 B-VG) bezieht, auch ohne Beschluss des Nationalrates durchzuführen ist, wenn ein gemäß § 26 GOG-NR eingebrachter Antrag von mindestens 20 Abgeordneten schriftlich unterstützt ist. Gehören einem Klub jedoch weniger als 20 Abgeordnete an, so kann ein solches Verlangen dennoch gültig gestellt werden, wenn dieses von allen Abgeordneten, die einem solchen Klub angehören, unterstützt wird.

Begrenzt wird dieses Minderheitenrecht (Abs. 3) dadurch, dass ein Abgeordneter, der ein Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 GOG-NR unterstützt hat, bis zur Erstattung des Berichtes des Rechnungshofes an den Nationalrat kein weiteres derartiges Verlangen unterstützen kann. Sollte der Rechnungshof jedoch länger als zwei Jahre zur Berichterstattung benötigen, kann ein Abgeordneter entgegen der erwähnten Einschränkung dennoch ein neues Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 GOG-NR unterstützen.

Diese Einschränkung (Abs. 3) wirkt nicht in eine neue Gesetzgebungsperiode (Art. 28 Abs. 4 B-VG) hinein.

Zu § 109 Abs. 13 GOG-NR (Art. 2 Z 8):

Alle neuen Bestimmungen sollen gleichzeitig mit dem Parteiengesetz am 1. Jänner 2023 in Kraft treten.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Andreas Ottenschläger und Sigrid Maurer, BA mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen.

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Sigrid Maurer, BA gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2022 07 04

                             Sigrid Maurer, BA                                                       Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann