1646 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Unterrichtsausschusses
über den Antrag 1889/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beste Bildung für alle Kinder – immer, überall und kostenlos! Der Elementaren Bildung endlich den Stellenwert geben, den sie verdient und braucht.
Die Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 22. September 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Bildung ist für uns als Gesellschaft ein hohes Gut. Sie ist von Beginn des Lebens an bis ins hohe Alter ein Kinder- und Menschenrecht. Durch die Covid-Pandemie wurde sichtbar und spürbar, wie essentiell funktionierende Bildungseinrichtungen für viele Bereiche der Gesellschaft sind. Dadurch wurde auch besonders deutlich, welche strukturellen Problemlagen in diesem Bereich immer noch vorherrschen.
Die Elementarbildung, also die Bildungseinrichtungen für Kinder vom 1. Lebensjahr bis zum Schuleintritt, ist in ihrer Grundidee eine ideale Bildungseinrichtung. Ihr fehlt allerdings die entsprechende Ausstattung, um dieser Aufgabe optimal nachkommen zu können. Zwar gelingt es im Kindergarten, für weitestgehend alle Kinder Lernen in der Gemeinschaft ohne Leistungsdruck und Notenbewertung anzubieten, doch dieser Bildungsbereich ist bis heute chronisch unterfinanziert und ungenügend ausgestattet. Es gibt in der Theorie einen bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan - also eine Richtlinie, wie Bildung in diesen Einrichtungen passieren soll – dessen Erfüllung braucht aber entsprechende Rahmenbedingungen, die nicht vorhanden sind.
Elementare Bildung ist ein geniales Konzept im Sinne der Chancengleichheit, dem aktuell die Anerkennung und Finanzierung fehlt. Wenn wir über elementare Bildung sprechen, müssen wir immer den Blickwinkel der 3 großen Gruppen an Beteiligten in diesem Bildungsprozess einnehmen: jenen der Kinder, der Eltern und natürlich der Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen.
Aus Kindersicht kann die Elementarbildung ein Ort sein, an dem - ungeachtet der sozialen Herkunft - gemeinsam mit Gleichaltrigen beste Begleitung bei der Entwicklung, beste Förderung der Potenziale und optimaler Ausgleich der familiären und gesellschaftlichen ungleichen Startbedingungen geboten werden könnte.
Tatsache ist allerdings, dass elementare Bildung aufgrund unterschiedlicher Preisgestaltung, unterschiedlicher Verfügbarkeit und unterschiedlicher Qualität nicht allen Kindern in Österreich gleichermaßen zur Verfügung steht.
Aus Elternsicht können Kindergarten, Kinderkrippe, Spielgruppe etc. die Einrichtungen sein, die familienergänzend den eigenen Kindern beste Entfaltungsmöglichkeiten bieten, darüber hinaus aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleisten.
Tatsache ist allerdings, dass die eingeschränkten Öffnungszeiten und schwierige Erreichbarkeit, sowie die teils hohen Kosten für viele Familien die Vereinbarkeit mit einem Vollzeitjob nicht überall ermöglicht.
Aus Mitarbeiter*innensicht in der Elementarbildung:
Überwiegend Frauen wählen diesen abwechslungsreichen und wertvollen Beruf. Es ist ein wichtiger und auch schöner Beruf, bei dem Kinder in ihrer Entwicklung begleitet und ihnen erste Bildungsangebote gesetzt werden. Tatsache ist allerdings, dass ein eklatanter Pädagog*innenmangel herrscht. Viele Kolleg*innen starten nach ihrer Ausbildung auf einer BAFEP nicht im Beruf, sondern studieren weiter. Viele wechseln nach wenigen Berufsjahren in andere Bereiche. Es fehlen männliche Interessenten und jene, die die Diversität der Kinder durch ihren eigenen biografischen Hintergrund abbilden können. Die Bildungsarbeit mit Gruppen von bis zu 25 Kleinkindern ist enorm fordernd. Auch andere Rahmenbedingungen (wie bspw. zu wenig gruppenfreie Arbeitszeit, immer höher werdende Ansprüche an die Bildungsaufgaben, kaum Aufstiegsmöglichkeiten, zu wenige Reflexions- und Supervisionsmöglichkeiten, …) machen den Job zu einem Knochenjob.
In der Covid-Pandemie waren die Beschäftigten in den ersten Bildungseinrichtungen durchgängig im Einsatz, also systemrelevant. Dabei waren sie über Monate hinweg weitgehend ungeschützt dem Virus ausgesetzt. Die Elementarbildung wurde von öffentlicher Seite kaum bedacht und als Stiefschwester der Schule behandelt. Die Frustration und der Ärger der Beschäftigten in der Elementarbildung ist mittlerweile sehr groß.
Was seit Jahren in diesem Bereich politisch verabsäumt wurde, muss jetzt aufgeholt werden. Die bildungsbiografische Bedeutung der Elementarbildung, inklusive des volkswirtschaftlichen Effekts dieser frühen Investition in Bildungskarrieren ist durch viele internationale Studien wissenschaftlich belegt. Elementare Bildung braucht endlich die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die sie verdient. Es geht um die beste Bildung für alle Kinder, überall, jederzeit und kostenlos.
Wie kann die beste Bildung von Anfang an garantiert werden?
• ALLE Kinder haben ausreichend erwachsene Bezugspersonen
Wir meinen damit durchgehend 3 Mitarbeiter*innen pro Gruppe.
• ALLE Kinder haben optimal ausgebildete Bezugspersonen
Wir meinen damit zumindest 2 pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter*innen pro Gruppe.
• ALLE Kinder spielen und lernen in einer überschaubaren Gruppe
Wir meinen damit maximale Gruppengrößen, die sich am aktuellen Stand wissenschaftlicher Forschung orientieren, also maximal 20 Kinder in Gruppen für 3- bis 6-Jährige, kleinere Gruppen für jüngere Kinder.
• ALLE Kinder haben eingespielte Bildungspartner*innen
Kinder, Erziehungsberechtigte und Beschäftigte der Einrichtungen begegnen sich auf Augenhöhe und stehen in permanentem Dialog.
• ALLE Kinder haben gut vorbereitete Bezugspersonen ohne zusätzliche hauswirtschaftliche und administrative Tätigkeiten
Wir meinen damit, die Aufgaben der Mitarbeiter*innen müssen einheitlich geregelt sein, Assistent*innen sollen keine hauswirtschaftlichen Tätigkeiten übernehmen müssen und Pädagog*innen brauchen mehr gruppenfreie Zeit für Dokumentation, Vor- und Nachbereitung, Elternarbeit etc.
• ALLE Kinder erhalten in jeder Einrichtung adäquate Begleitung und Förderung
Kinder sind verschieden und haben unterschiedliche Bedürfnisse, denen man in Kooperation mit externen Facheinrichtungen und mit multiprofessionellen Zugängen gerecht wird.
• ALLE Kinder haben ihren Platz, weil alle Einrichtungen inklusive Strukturen vorweisen
Nicht die Kinder müssen die passende Einrichtung finden, sondern die notwendigen Unterstützungsleistungen und die entsprechenden zusätzlichen Ressourcen kommen zum Kind. Unterstützung von Expert*innen muss zeitnah in der jeweiligen Einrichtung und kostenlos abrufbar sein. Dieses mobile Angebot dort, wo es gebraucht wird, muss parallel zur Attraktivierung der Ausbildung von Sonder-Elementarpädagog*innen ausgebaut werden.
• ALLE Kinder werden in der Elementarbildung in ihren Grundbedürfnissen gut versorgt.
Wir meinen damit, dass alle Kinder in ihrer elementarpädagogischen Einrichtung zwei gesunde, kostenlose Mahlzeiten pro Tag erhalten müssen, eine davon soll warm sein.
Elementarbildung immer und überall:
• ALLE Kinder haben einen gut erreichbaren Platz in einer Elementarpädagogischen Einrichtung in der Nähe
Gerade im ländlichen Raum braucht es einen Ausbau der Bildungs- und Betreuungsplätze. Nur so können genügend Plätze für alle Altersgruppen in der Nähe zum Wohnort Realität werden.
• ALLE Kinder haben einen Platz in einer elementarpädagogischen Einrichtung, der das ganze Jahr und den ganzen Tag verfügbar ist
Die Öffnungszeiten müssen mit einer Vollzeitbeschäftigung der Erziehungsberechtigten vereinbar sein. Dazu braucht es einen Ausbau der Einrichtungen, die den VIF-Kriterien entsprechen bzw. einheitliche Regelungen der Kopplung von Förderungen an die Erfüllung dieser Kriterien.
• ALLE Kinder erhalten Elementarbildung mit derselben Qualität und denselben Standards
Der österreichweite Bildungsrahmenplan braucht entsprechende bundeseinheitliche Rahmenbedingungen. Es braucht ein Bundesrahmengesetz und die Elementarbildung muss vollständige Kompetenz des Bildungsministeriums sein.
• ALLE Kinder genießen die elementare Bildung ohne jegliche Kosten (keinerlei Beiträge) für die Eltern
Sowohl der Besuch einer Einrichtung als auch alle Aktivitäten und Versorgungsleistungen in dieser Zeit müssen kostenlos sein.
Optimale Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten:
• ALLE Mitarbeiter*innen in der Elementarbildung brauchen optimale Arbeitsbedingungen, um nach der Ausbildung überhaupt in den Job einzusteigen, langfristig im Job zu bleiben oder sich als Später-Berufene für diesen Job zu entscheiden.
• ALLE Beschäftigten brauchen ein einheitliches Bundesrahmengesetz mit Mindeststandards für Elementarpädagogische Bildungseinrichtungen und Horte
Mit geregelter Vor- und Nachbereitungszeit und dementsprechend geregeltem Kinderdienst.
Mit ausgewiesener Zeit für Elternarbeit.
Mit bezahlten Supervisions- und Reflexionsmöglichkeiten in der Arbeitszeit.
• ALLE Elementarpädagog*innen brauchen ein österreichweit einheitliches Gehaltsschema - zumindest in der Höhe von € 2.750,- pro Monat.
• ALLE Assistent*innen brauchen ein österreichweit einheitliches Gehalt, von dem man gut leben kann - zumindest in der Höhe von € 1.800 – pro Monat.
• ALLE Beschäftigten brauchen ein neues, einheitliches Ausbildungssystem für Leitungen - auf tertiärem Niveau, für gruppenführende Kräfte und für das unterstützende Personal - mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Zwischen diesen Ausbildungsformen ist auf eine hohe Durchlässigkeit zu achten.
• Die Elementarbildung braucht eine österreichweite Ausbildungsoffensive, um dem Personalmangel entgegen zu wirken – beispielsweise durch die flächendeckende Ausweitung des Best Practise Modells Kolleg “Change”.
Solch eine Ausbildung muss die Lebenshaltungskosten der Teilnehmer*innen abdecken und einen schnellen Zugang zur Praxis eröffnen.
• Es ist aus pädagogischer Sicht höchst an der Zeit, dass es unter den Beschäftigten der Elementarbildungseinrichtungen einen höheren Männeranteil gibt. Dementsprechend muss das Berufsbild beworben und attraktiviert werden."“
Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 05. Oktober 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Katharina Kucharowits die Abgeordneten Mag. Sibylle Hamann, Mag. Martina Künsberg Sarre, Claudia Plakolm und Brückl sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Fassmann. Anschließend vertagte der Unterrichtsausschuss die Beratungen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N).
Der Unterrichtsausschuss hat die Beratungen über den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 07. Dezember 2021 wiederaufgenommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Mag. Sibylle Hamann, Hermann Brückl, MA, Kira Grünberg und Melanie Erasim, MSc. Anschließend vertagte der Unterrichtsausschuss abermals die Beratungen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N).
Der Unterrichtsausschuss hat die Beratungen über den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 05. Juli 2022 fortgesetzt. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher Petra Tanzler, Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Sibylle Hamann, Hermann Brückl, MA, Eva Maria Holzleitner, BSc, Norbert Sieber, MMag. Katharina Werner, Bakk., Katharina Kucharowits und Nico Marchetti sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).
Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2022 07 05
Mag. Romana Deckenbacher Mag. Dr. Rudolf Taschner
Berichterstatterin Obmann