1648 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 2310/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik

Die Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 24. Februar 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Frühkindliche Bildung ist ein wesentlicher Grundstein für das spätere Leben. Alle Kinder müssen zu Beginn ihrer Bildungslaufbahn die gleichen Chancen haben. Dafür braucht es dringend den Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen in ganz Österreich, ganztägig, kostenlos und qualitätsvoll, denn nur so ist eine umfassende Bildung, Begleitung und Förderung umsetzbar und kann Chancengerechtigkeit für alle Kinder bestmöglich gesichert werden. Gelingen kann das nur in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden. Gerade im internationalen Vergleich besteht hier Aufholbedarf. Ziel muss es sein, dass Österreich in diesem wichtigen Zukunftsbereich jährlich zumindest eine Milliarde Euro zusätzlich investiert. Diese Milliarde mehr ist gut angelegtes Geld, denn jeder Euro, der in frühkindliche Bildung investiert wird, kommt laut Erhebungen 8-fach zurück. Zusätzliche positive Effekte ergeben sich aus der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern, vor allem Frauen.

Die Elementarbildung, also die Bildungseinrichtungen für Kinder vom ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt sind die wichtigsten Bildungseinrichtungen überhaupt. Ihre chronische Unterfinanzierung ist Ausdruck des mangelnden Stellenwerts, der elementarpädagogischen Einrichtungen politisch zugestanden wird. Es fehlt daher auch die entsprechende Ausstattung, um den dortigen Aufgaben optimal nachkommen zu können. Es gibt in der Theorie einen bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan – also eine Richtlinie, wie Bildung in diesen Einrichtungen passieren soll – dessen Erfüllung braucht aber entsprechende Rahmenbedingungen. Es wäre an der Zeit, die Erkenntnisse der Wissenschaft der Kindheitspädagogik und Elementarbildung verstärkt einzubinden und im Zuge dessen die Förderung von Lehrstühlen an Universitäten in diesen Fachgebieten zu forcieren.

Erst kürzlich hat selbst die der ÖVP nahestehende Julius-Raab-Stiftung gemeinsam mit EcoAustria eine Studie zum Thema „Frühkindliche Betreuung und Bildung“ veröffentlicht. Dabei wurden 29 Länder (EU-27, Schweiz, Norwegen) zu den Themen Kinderbetreuung, Beschäftigungsquote von Frauen sowie Frauenbild in der Gesellschaft verglichen und vier Länder – Dänemark, Deutschland, Frankreich und die Niederlande – genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse zeigen den deutlichen Aufholbedarf Österreichs im Vergleich zu anderen Staaten: In Dänemark etwa werden bereits 66% der unter 3-Jährigen betreut, in den Niederlanden liegt die Betreuungsquote bei 65% und in Österreich bei nur 23% (Eurostat). Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass besonders finanziell benachteiligte Bevölkerungsschichten von frühkindlicher Bildung profitieren. Kinder, die von klein auf Kinderbildungsangebote genießen, haben in der Zukunft ein besseres Bildungsniveau, Einkommen und Gesundheit.

Der Bund verhandelt heuer mit den Ländern eine neue Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG zur Elementarpädagogik. Dem Ziel, Bildungskompetenzen zentral auf Bundesebene zu bündeln, kommt man damit leider keinen Schritt näher. Mittelfristig muss es gelingen, das österreichische Kompetenzwirrwarr im Bereich der Bildung von Klein bis Groß, in dem stets zuviele Köche mitkochen und ihren Kochlöffel auch nicht hergeben wollen, zu einer zentralen Bundeskompetenz weiterzuentwickeln. Bis dahin: der Bund schießt im Rahmen der jeweils gültigen 15a-Vereinbarungen sowohl für den Ausbau der Betreuungsangebote sowie für Sprachförderung Mittel zu. Die derzeit geltende Vereinbarung vom September 2018 sieht vor, dass die Gemeinden als Erhalter von Kindergärten und elementarpädagogischen Einrichtungen von Bund und Ländern mit 180 Millionen Euro jährlich unterstützt werden, wobei 142 Millionen vom Bund, 38 von den Ländern kommen. Sie läuft Ende August 2022 aus.

Der Bund hat im Oktober 2021 bestenfalls grobe Eckpunkte für die geplante neue Bund-Länder-Vereinbarung zur Elementarpädagogik bekanntgegeben. Seitdem ist es ruhig geworden um das Thema, obwohl die neue Vereinbarung bis zum Sommer fertig sein sollte. Bereits jetzt beklagen Bürgermeister*innen die Planungsunsicherheit, die auch zu Kündigungen führt. Einzelne Landeshauptleute melden sich derzeit vor allem mit finanziellen Forderungen an den Bund zu Wort. Dabei wäre es notwendig, endlich wesentliche Weichen in der Elementarpädagogik in Richtung Ausbau, mehr Qualität und Chancengerechtigkeit zu stellen.

Folgenden Notwendigkeiten muss man nachkommen:

1)     Planungssicherheit für alle, durch längerfristiges Engagement des Bundes

Zentrales Problem am aktuellen Modus der stets neu zu verhandelnden 15a-Vereinbarungen ist, dass diese jeweils lediglich für einige wenige Jahre abgeschlossen werden. Gemeinden fehlt es daher stets an Planungssicherheit. Kosten für Betreuungsplätze, die mit Hilfe der Zuschüsse des Bundes neu entstehen, müssen auch langfristig abgesichert sein. Müssten diese irgendwann von den Gemeinden selbst getragen werden, würde das einen finanziellen Beitrag bedeuten, den die Gemeinden aufgrund ohnehin angespannter Finanzsituation nicht leisten können. Daher besteht vielerorts Zurückhaltung gegenüber zu tätigenden Investitionen. Im Ergebnis werden auch die Mittel, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden, nicht immer voll ausgeschöpft. Es braucht also ein längerfristiges Engagement des Bundes und Planungssicherheit für die Gemeinden. Etwa durch ein Bundesrahmengesetz für die Elementarbildung. Von großer Bedeutung ist dieses längerfristige Engagement vor allem auch für die Umsetzung eines Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung und Kinderbildung ab dem ersten Lebensjahr, für den sich bekanntlich auch Sozialpartner und die Industriellenvereinigung ausgesprochen haben.

2)     Einheitliche qualitative und quantitative Mindeststandards

Ein weiteres Problem ist das Fehlen von einheitlichen Mindeststandards. Von den Öffnungszeiten, über das Ausmaß des Angebots bis hin zum Betreuungsschlüssel – jedes Bundesland verfolgt eigene Pfade, was zu Unübersichtlichkeit und Reibungsverlusten führt. Nur bundesweit einheitliche Mindeststandards können die notwendige Qualität für Eltern, Kinder, Beschäftigte und Betreiber*innen bringen. Der ehemalige Bildungsminister Heinz Faßmann wollte diesem „Fleckerlteppich“ noch den Kampf ansagen. Der Mangel an solchen einheitlichen Mindeststandards führt real zu eingeschränkten Öffnungszeiten und schwieriger Erreichbarkeit, sowie teils hohen Kosten für viele Familien. Eine Vereinbarkeit mit einem Vollzeitjob ist daher nicht überall ermöglicht. Es braucht einen Ausbau der ganzjährig und ganztägig geöffneten Einrichtungen, die den VIF-Kriterien (Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf) entsprechen bzw. einheitliche Regelungen der Kopplung von Förderungen an die Erfüllung dieser Kriterien.

Darüber hinaus sollen zur Sicherung der Qualität der Bildung und Betreuung pro Gruppe zwei pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter*innen tätig sein. Auch bei der Gruppengröße und dem pädagogischen Fachkraft-Kind-Schlüssel braucht es einheitliche Standards, die sich am aktuellen Stand wissenschaftlicher Forschung orientieren. Wo dies z.B. aufgrund von mangelnden Personalkapazitäten nicht umgehend umsetzbar ist, soll ein verbindlicher Stufenplan mit den Ländern vereinbart werden. Zusätzlich braucht es einen verbindlichen und einheitlichen Schlüssel und Rahmen für Inklusion, um wirklich jedem Kind unabhängig von seinen individuellen Bedürfnissen die gleichen Chancen und das Recht auf Bildung ab dem 1. Lebensjahr zu ermöglichen.

Einheitliche Mindeststandards in den Bildungseinrichtungen braucht es auch bei der Personalentwicklung, bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Kindergartenpädagog*innen und Assistenzpersonal, bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen. Vor- und Nachbereitungszeiten von Pädagog*innen sind österreichweit einheitlich festzulegen. Elementarpädagog*innen haben eine wesentliche Rolle bei Dokumentation der Bildungs-, Entwicklungs- und Sprachförderprozesse, in der Bildungspartnerschaft mit den Eltern und der Erziehungsberatung. Auf diese veränderten Anforderungen muss der Bund durch Professionalisierung und Akademisierung der Elementarpädagogik reagieren und auch bestehende Studiengänge finanziell absichern.

3)     Sprachförderung nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen

Neben einer Vielfalt an anderen Kompetenzen ist auch das Erlernen der deutschen Sprache im jungen Kindesalter ein wesentlicher Grundstein für einen erfolgreichen Einstieg in das Schulsystem. Die Entwicklung der Erst- und Zweitsprache geschieht im frühen Kindesalter vorranging über Beziehungen. Die Forschung hat in den letzten Jahren sehr umfassende und neue Erkenntnisse zum Spracherwerb gewonnen. Daher sind die bestehenden Methoden dringend zu evaluieren und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Es braucht ein bundesweit einheitliches Konzept zur frühen Sprachförderung inklusive Vorgaben durch den Bund statt neun unterschiedliche Konzepte der Bundesländer. Für die Zuteilung von Ressourcen soll es transparente Kriterien geben. Festzulegen sind auch klare Förder- und Abrechnungskriterien.

4)     Inklusion von Anfang an

Das Recht auf Bildung muss für alle Kinder gelten. Gerade in der elementaren Bildung sind die Bildungsangebote so zu gestalten, dass sie von allen Kindern genutzt werden können. Die UN-Behindertenrechtskonvention, der auch Österreich beigetreten ist, sieht ein Recht auf inklusive Bildung vor. Daher ist es unverständlich, dass in der aktuellen 15a-Vereinbarung Inklusion keine Bedeutung hat. Dazu ist es jedenfalls erforderlich, individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen für jedes Kind bereitzustellen. Dies bedeutet auch, dass Gruppen in denen Kindern mit diagnostiziertem erhöhtem Förderbedarf inklusiv betreut und gebildet werden, der Fachkraft-Kind-Schlüssel und die Gruppengröße angepasst werden muss und speziell ausgebildete Elementarpädagog*innen tätig sein müssen. Es ist Kindern mit Behinderungen sowie deren Eltern nicht zumutbar, keinen entsprechenden Platz zu finden und jahrelang auf Wartelisten zu stehen, um einen Platz in einem Kindergarten zu bekommen, der das Kind bestmöglich unterstützt.

Flankiert werden soll die neue 15a-Vereinbarung durch eine intensivierte Ausbildungsoffensive, vor allem auch für Quereinsteiger*innen und Berufsumsteiger*innen. Gerade hier ist der Bund gefordert, massiv und rasch Ausbildungsplätze und neue Formate anzubieten. Auch der Berufseinstieg muss so attraktiv wie möglich gemacht werden. Insgesamt braucht es bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung für Mitarbeiter*innen in Kindergärten, sowie Investitionen in die elementarpädagogische Forschung und Professionalisierung der Fachkräfte auf Hochschulniveau.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 08. März 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Petra Vorderwinkler die Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Sibylle Hamann, Nico Marchetti und Edith Mühlberghuber. Anschließend vertagte der Unterrichtsausschuss die Beratungen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N).

Der Unterrichtsausschuss hat die Beratungen über den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 05. Juli 2022 wieder aufgenommen. An der Debatte beteiligten die Abgeordneten Mag. Romana Deckenbacher Petra Tanzler, Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Sibylle Hamann, Hermann Brückl, MA, Eva Maria Holzleitner, BSc, Norbert Sieber, MMag. Katharina Werner, Bakk., Katharina Kucharowits und Nico Marchetti sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2022 07 05

                    Mag. Romana Deckenbacher                                          Mag. Dr. Rudolf Taschner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann