167 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Kulturausschusses

über den Antrag 499/A(E) der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Herstellung von Planbarkeit, Sicherheit und realitätsnahe Vorgaben für den heimischen Kunst- und Kulturbereich

Die Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 28. April 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„‘Verständnis, Klarheit und ein Minimum an Planungssicherheit: Wer erwartet hatte, dass es von Regierungsseite zu guter Letzt auch in Bezug auf die Kultur einen nachvollziehbaren Fahrplan geben würde, der wurde am Freitag enttäuscht. In fast allen Bereichen wurden in den vergangenen Tagen und Wochen vorsichtige Lockerungen skizziert. Was die Kultur betrifft, stifteten Vizekanzler Werner Kogler und die zuständige Staatssekretärin Ulrike Lunacek bei ihrer Pressekonferenz dagegen Verwirrung.‘ so zu lesen in einem Kommentar im Standard vom 19. April 2020.

 

Tatsächlich führte die zitierte Pressekonferenz von Vizekanzler Kogler und der für Kultur zuständigen Staatsekretärin Lunacek vom Freitag, den 17. April 2020 zu Ratlosigkeit bis Verärgerung bei den Betroffenen und offenbarte neben offensichtlicher Planlosigkeit ein Bild fehlender Koordinierung und Kommunikation.

 

Staatssekretärin Lunacek kündigte in der genannten Pressekonferenz unter anderem an, dass die Museen grundsätzlich Mitte Mai wieder öffnen könnten, die Bundesmuseen aber aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen erst am 1. Juli 2020 öffnen möchten.

In der Folge war die Irritation groß, da es ganz offensichtlich diesbezüglich zu diesem Zeitpunkt keine Abstimmung unter den Bundesmuseen gegeben hat und diese auch nicht im Vorfeld über die geplante Öffnungsmöglichkeit ab Mitte Mai seitens der Staatssekretärin in Kenntnis gesetzt wurden.

Durch diese offensichtlich fehlende interne Kommunikation löste die Staatssekretärin nicht nur ein Höchstmaß an Verunsicherung bei den Betroffenen sondern eine tagelange öffentliche Diskussion mit vehementer Kritik am verkündeten „Nichtöffnen“ der Bundesmuseen vor dem 1. Juli 2020 aus:

So erklärte Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM), gegenüber ORF.at: „Ich darf anmerken, dass wir vom NHM nicht direkt in irgendwelche derartigen Erörterungen eingebunden waren, und vom Ministerium in dieser Sache keine schriftlichen Weisungen bekommen haben.“

Am Freitagnachmittag – offensichtlich nach der genannten Pressekonferenz – einigte

man sich in der Bundesmuseenkonferenz endgültig auf den 1. Juli 2020 als Datum für die Wiederöffnung der Bundesmuseen.

Die Generaldirektorin der Nationalbibliothek und derzeitige Vorsitzende der Bundesmuseenkonferenz Johanna Rachinger versuchte gegenüber Ö1 dann diese Entscheidung, erst am 1. Juli 2020 öffnen zu wollen, damit zu begründen, dass „die Bundesmuseen einen großen Teil der Mitarbeiter bis Ende Juni in Kurzarbeit geschickt hätten und Renovierungsarbeiten vorgezogen worden seien.

Dazu kommt auch, dass wir uns nicht erwarten, dass wir sehr große Besucherströme im Mai und Juni haben werden. Die Touristen bleiben aus, die Schulen werden auch nicht kommen, weil die Vorgaben haben, wie sie sich in Zeiten von Corona zu verhalten haben,(…)“, so eine weitere Begründung für die Nichtöffnung von Rachinger.

Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, gab letzte Woche bekannt, dass die seit vier Jahren geplante Ausstellung „Modigliani – Picasso. Revolution des Primitivismus“ auf 2021 verschoben werde. „Wir können das finanzielle Risiko einer solchen Ausstellung nur tragen, wenn es wie zuletzt bei Dürer, Claude Monet oder der Matisse-Ausstellung eine realistische Chance gibt, mit mindestens 300.000 Besuchern rechnen zu dürfen. Diese realistische Chance sehe ich in diesem Jahr nicht“, so Schröder in einer Aussendung, der sich aber in einem „Wien Heute“ Interview bereits am 21. April 2020 zumindest grundsätzlich gesprächsbereit für eine frühere Öffnung zeigt:

„Vor der Wiedereröffnung brauche es allerdings noch eine verbindliche Zusage der Politik, so Schröder. (…) Zudem seien die Rahmenbedingungen noch nicht konkret genug. Etwa ob die maximale Besucheranzahl pro Ausstellungsraum berechnet werden muss oder anhand der Gesamtfläche des Museums.“

 

Dass man sich hier insbesondere auf betriebswirtschaftliche Argumente als Begründung für die Weigerung einer Öffnung der Bundesmuseen vor dem 1. Juli 2020 beruft, führte ebenfalls zunehmend zu Kritik.

So war in der Presse vom 22. April 2020 in einem Artikel von Almuth Spiegler unter dem Titel „Öffnet die Museen!“ unter anderem Folgendes zu lesen:

„(…) Jetzt könnte gerade Österreich, das trotz jahrzehntelang schwacher Kulturpolitik immer (noch) nicht umgebrachte Kulturland, ein weltweites Zeichen setzen. Mit so vielem könnte man das, sitzen hier schließlich einige der besten Spektakelmeister gerade fest. Doch erst einmal: Museen öffnen. Gratis Eintritt. Tag und Nacht meinetwegen. Ein fulminantes Feuerwerk an kuratorischen Verrücktheiten, an Vermittlungsprogramm, an Angeboten für Kinder und Schüler abbrennen. Alles ohne Konkurrenz des übrigen Kulturbetriebs. Wie kann man diese Möglichkeit nur so eiskalt vernünftig verstreichen lassen?

Doch dafür brauchte es Direktorinnen und Direktoren, die nicht an ihren Besucherrekorden und budgetären Zukunftsplänen hängen, die es ertragen könnten, ihr Haus vielleicht in Zustände wie vor der Ausgliederung versinken zu sehen - nur dass statt der vereinzelten Wiener Pensionisten diesmal die Jungen kommen würden! Doch die Kulturpolitik und ihre so erfolgsverwöhnten Kulturmanager verharren wie gelähmt in dem, was gerade nicht möglich ist. Man möchte sofort schreiend auf den Zentralfriedhof laufen und der "Kulturnation" das Ehrengrab schaufeln.“

Gewissermaßen eine „Verpflichtung“ zur Öffnung ergibt sich wohl auch aus dem Bundesmuseengesetz, wo klar normiert ist, dass die Bundesmuseen den Auftrag haben, „die im Rahmen eines permanenten gesellschaftlichen Diskurses die ihnen anvertrauten Zeugnisse der Geschichte und Gegenwart der Künste, der Technik, der Natur sowie der sie erforschenden Wissenschaften sammeln, konservieren, wissenschaftlich aufarbeiten und dokumentieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

(…) Als umfassende Bildungseinrichtungen entwickeln sie zeitgemäße und innovative Formen der Vermittlung besonders für Kinder und Jugendliche.“

Neben betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten und der bestehenden Verpflichtung zu zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Gebarung darf aber gerade in der jetzigen Situation auch der gesellschafts- und bildungspolitische Aspekt nicht außer Acht gelassen werden.

Wie die Presse am 23. April 2020 berichtete, erfuhren die Bundesmuseums-Direktoren erst bei der Pressekonferenz von Kulturminister Werner Kogler und seiner Staatssekretärin Ulrike Lunacek von der prinzipiellen Möglichkeit, schon Mitte Mai zu eröffnen. „Für viele ein Schock. Plötzlich schien es, als würden die Bundesmuseen nicht aufmachen wollen. In den vergangenen Tagen wurde also fieberhaft an Plänen, die auch wirtschaftlich möglich sind, gearbeitet.“

Nach einer mehrtägigen öffentlichen Diskussion und viel Kritik an der Nichtöffnung der Bundesmuseen haben sich nunmehr einzelne Bundesmuseen doch dazu entschlossen, vor dem von der Staatssekretärin in der Pressekonferenz avisierten Termin aufzumachen.

 

Große Verunsicherung hat die genannte Pressekonferenz von Vizekanzler Kogler und Staatssekretärin Lunacek insbesondere auch im Bereich der Theater ausgelöst:

So forderte Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger im Namen der großen Wiener Theater jetzt ein klärendes, offenes Gespräch mit Ulrike Lunacek und geht mit den verkündeten Restriktionen in einem Interview mit dem ORF-Morgenjournal am 23. April 2020 hart in Gericht:

„Ganz konkret möchte man wissen, wie man im Herbst weiterarbeiten soll. Denn eines sei sicher: Mit diesen Restriktionen sei es unmöglich. Das sind ja alles unsinnige Regeln und wie Herr Kusej sagt, all das ist plemplem. Und er hat Recht, er hat einfach Recht. Man kann unter diesen Bedingungen nicht probieren, das ist auch mein Credo. Man kann auch unter diesen Bedingungen nicht Theaterspielen. Im Falle der Josefstadt wären, wenn man die 20 Quadratmeter-Regel befolgt, wären das gerade 30 Besucher, die da hineingehen könnten.“

Auf die nunmehr unter dem Druck der öffentlichen Diskussion angekündigte Nachjustierung bis Mitte Mai beispielsweise bei den Raumvorgaben durch Vizekanzler Kogler stellt Föttinger fest, dass „hier rasch und von allen wirklich klar gehandelt werden muss (…)“.

Am 22. April 2020 wird im Standard berichtet, dass „den kritischen bis erbosten Reaktionen auf die Pressekonferenz der kultur-verantwortlichen Regierungsmitglieder Werner Kogler und Ulrike Lunacek (Grüne) vom Freitag sich auch die freien Theater anschließen. Gerade die kleineren Bühnen seien es, die mit einer 20 Quadratmeter-pro-Person-Regel kaum proben können. In einem Brief an die Regierung fordert daher die IG Freie Theater ein Auflockern dieser Regel (…).

In einem weiteren offenen Brief, der bisher unter anderen von Karl-Markus Gauß, Karl Markovics, Renate Welsh und Marlene Streeruwitz unterzeichnet wurde, werden konkrete Forderungen wie etwa "realistische Vorgaben und Bedingungen mit fixen Datumsangaben" zur Wiederaufnahme des Kulturbetriebs gestellt.

"Statt Akzente zu setzen, die der jetzigen Situation angemessen sind", reagiere die Politik "mit vagen Ankündigungen und Vertröstungen auf spätere Zeitpunkte und verlässt sich darauf, dass Kunst, Kultur und der Sport sich selber helfen und wenn und wo nicht, dass soziale Unterstützungsmaßnahmen greifen, die vorne und hinten nicht genügen", heißt es in dem Brief.“

 

Auch zum Bereich von Großveranstaltungen wie bspw. zu den Salzburger oder Bregenzer Festspielen bleiben die Aussagen von Kogler und Lunacek sehr vage.

Wie in der Pressekonferenz vom 17. April 2020 mitgeteilt, werden große Veranstaltungen, wo viele Menschen zusammenkommen und eng zusammenstehen, bis 31. August nicht möglich sein. Eine konkrete Zahl, die eine Großveranstaltung definiere, wollte man dabei nicht nennen, weil dies von der Möglichkeit der Veranstalter abhinge, die Schutzmaßnahmen und Abstandsregelungen zu gewährleisten.

Skurril anmutend ist die in diesem Zusammenhang getätigte Aussage von Kogler, dass „man selber aufpassen muss, dass man nicht skurril wird als Regierung" und lässt mit folgender Ergänzung, dass in Hinblick auf die Möglichkeit der Abhaltung der oben genannten Festspiele „theoretisch viel möglich ist, Praktisches eine andere Frage ist,“ die Verantwortlichen ratlos zurück.

Nicht wesentlich befriedigender ist die Hinzufügung von Lunacek, dass es „jedenfalls Ziel ist - immer unter Maßgabe der aktuellen Entwicklung - hier Mitte Mai die endgültige Antwort zu habe.“

 

Auf besonderes Unverständnis stoßen insbesondere die von Kulturstaatssekretärin Lunacek avisierten „Lockerungen“ für Proben und Trainings:

Ab 18. Mai 2020 sind Einzelproben wieder zulässig, dies aber nur im professionellen Bereich. Ab 1. Juni 2020 werden auch Proben im professionellen Theaterbereich erlaubt. Dies aber unter Einhaltung einer Fläche von 20m2 sowie des 1 Meter Sicherheitsabstandes. Darüber hinaus gilt die Tragepflicht eines Mund-Nasen-Schutzes.

„Wir können nicht Theater spielen. Es gibt bei uns am Theater keine Abstandsregel, die kann nicht funktionieren. Es gibt auch keinen Nasen-Mundschutz bei uns. Das kann auch nicht funktionieren. So lange diese Regeln aufrecht sind, kann kein Theater probieren," so die diesbezügliche Kritik von Josefstadt-Direktor Herbert Fötttinger.

Für das Grazer Schauspielhaus bedeute der neue Erlass bezüglich der Kulturaktivitäten, dass "wir keine der vier bereits weit gearbeiteten Inszenierungen bis Ende der Saison proben können", befand Intendantin Iris Laufenberg im APA-Gespräch. Sie hoffe auf die ankündigten "weitreichenden Lockerungen" im Mai, "damit belastbare Planungen für die nächste Spielzeit überhaupt möglich sind".

Für "fast alle Bühnenkünste sind die Auflagen, u. a. maximal eine Person pro 20 Quadratmeter, sowohl im Proben- aber auch im Vorstellungsbetrieb schwer bzw. nicht realisierbar", erklärte Laufenberg. Daher könnten vorläufig Produktionen, die wie Shakespeares "Macbeth" schon weit gediehen seien, nicht geprobt werden. "Wir bleiben trotzdem optimistisch", betonte die Intendantin. (18.04.2020 / Kurier)“

 

Der Kulturausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 05. Mai 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger die Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Mag. Sibylle Hamann, Josef Schellhorn, Mag. Thomas Drozda, Ing. Klaus Lindinger, BSc, Hermann Weratschnig, MBA MSc sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Ulrike Lunacek.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2020 05 05

                            Mag. Sibylle Hamann                                                        Mag. Eva Blimlinger

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau