1733 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie

über den Antrag 2786/A(E) der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweite Volksbefragung über die sofortige Beendigung der Sanktionen gegen die Russische Föderation

Die Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. September 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Österreich hat eine erfolgreiche und jahrzehntelange Tradition, in schwierigen außenpolitischen Lagen zu vermitteln und einen Beitrag zur Konfliktlösung zu leisten. Der Krieg in der Ukraine darf für unser neutrales Österreich nicht zum Anlass werden, voreingenommen Partei zu ergreifen. Wir sollten uns diesbezüglich als Vermittler anbieten, was voraussetzt, einen gleichen Abstand gegenüber Washington und Moskau zu leben. Es muss uns – als Österreicher aber auch als Europäer – klar sein, dass es für eine Friedenslösung sowohl Moskau als auch Washington braucht.

Die beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden nicht nur den momentanen Konflikt keineswegs lösen, sondern vielmehr mit einem Bumerang-Effekt unsere eigene Wirtschaft und Versorgungslage treffen. Die Einschränkungen insbesondere von Erdgaslieferungen aus Russland nach Europa zeitigen bereits seit Monaten am Energiesektor und für die Energieversorgung der österreichischen Bevölkerung enorm negative Auswirkungen und exorbitant steigende Energiekosten.

Mittlerweile wurden von Seiten der Europäischen Union und auch mit Zustimmung Österreichs mehrere Sanktionspakete gegen Russland beschlossen, weitere Maßnahmen sind in Ausarbeitung.

Wie die Vergangenheit gelehrt hat, sind Sanktionen generell ein Schnitt ins eigene Fleisch. Auch der ehemalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl fand zu früheren Russland-Sanktionen in einem Interview mit „Der Standard“ bereits im Dezember 2015 deutliche Worte: „Sanktionen sind Unsinn und sie bewegen nichts.“ Die Russland-Sanktionen hätten vor allem in Europa immensen Schaden angerichtet.

Einer Schätzung des WIFO vom 6. Oktober 2017 zufolge sind allein durch die damaligen Sanktionen gegen Russland die EU-Exporte nach Russland zwischen 2014 und 2016 um 10,7 Prozent eingebrochen. Das entspricht einem Schaden für Europa von rund 30 Milliarden Euro. In Österreich sanken die Exporte nach Russland sanktionsbedingt um 9,5 Prozent, das entspricht einem Schaden für die heimische Wirtschaft von rund einer Milliarde Euro.

Welche katastrophalen Auswirkungen die nunmehr seitens der Europäischen Union auf den Weg gebrachten Sanktionen für die heimische Wirtschaft haben können, brachte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Gabriel Felbermayr, bereits am Dienstag, 22.02.2022 auf den Punkt, als er feststellte, dass „wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland nicht nur Russland selbst, sondern auch die EU und Österreich treffen würden. Je nach Härtegrad könnten die wirtschaftlichen Einschnitte auch hierzulande entsprechend hart zu spüren sein. Sollte es tatsächlich zu einem Krieg kommen und das Gas abgedreht werden, würde das die EU und Österreich in eine tiefe Rezession stürzen.“

Auch Arbeitsminister Martin Kocher stellte in einer Pressekonferenz am Dienstag, 22.02.2022 fest, dass „die Sanktionen gegen Russland jedenfalls auch Österreichs Wirtschaft treffen werden.“ Dessen ungeachtet stimmte die österreichische Bundesregierung selbstverständlich der Verhängung von Sanktionen gegen Russland zu.

Dass die Russlandsanktionen mit den katastrophalen Auswirkungen, die die Bevölkerung tagtäglich iForm von ständig steigenden Preisen insbesondere am Energiesektor zu spüren bekommt, nicht mehr unumstritten sind, zeigt die Tatsache, dass mittlerweile selbst hochrangige ÖVP-Funktionäre umschwenken und mit ihrer Kritik an den Sanktionen nicht mehr hinter dem Berg halten:

Orf.at/10.07.2022

Mahrer zu Russland-Sanktionen: „Mit einer Gehirnhälfte“ gedacht

Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer (ÖVP) hat seine Kritik wiederholt, dass die Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine offenbar „nur mit einer Gehirnhälfte“ gedacht wurden. Als Beispiel nennt er im „Kurier“ den Ölhandel. „Das wird in großem Stil von Indien gekauft und landet – mit einem entsprechenden Aufschlag – über Umwege wieder in westlichen Industrieländern“, so Mahrer.

Kritik von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) an seiner schon zuvor geäußerten Kritik an den Sanktionen wies er zurück. Er sei weder gegen die Sanktionen noch wolle er Russlands Präsidenten Wladimir Putin den roten Teppich ausrollen. „All das ist unterstellend. Wenn der Minister mit unwahren Behauptungen arbeitet, anstatt sich mit den massiven ökonomischen Folgen der Sanktionen zu beschäftigen, dann stiehlt er sich billig aus der Verantwortung“, sagte Mahrer zum „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe).

Kurier 18.08.2022

Ukraine: Stelzer stellt Russland-Sanktionen in Frage, Mattle dafür offen

Unterstützung bekommt Oberösterreichs Landeschef von seinem Tiroler Amtskollegen Anton Mattle (ÖVP). Die Grünen kritisieren Stelzer indes scharf.

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) stellt die Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine infrage. Man müsse diese überdenken, falls es im Herbst zu Energieengpässen kommt, sagt er in der Kleinen Zeitung (Freitagausgabe).

Stelzer bezeichnet die Sanktionen als grundsätzlich richtig, es sei aber nichts in Stein gemeißelt. „Die Sanktionen müssen immer auf eine Frage hin überprüft werden: Dienen sie hauptsächlich der Friedenserreichung oder schaden sie uns in der Mehrheit schon selbst. Sanktionen, um den Frieden zu sichern, heißt auch, dass wir einen Preis zahlen. Das ist nichts klinisch Sauberes, es wirkt auf uns zurück, auf die Industrie, die Arbeitsplätze und die Energiekosten. Wir haben jetzt Sommer, niemand muss heizen. Das Thema Energie wird viel spürbarer werden, wenn dann wieder geheizt werden muss. Momentan glaube ich, dass es noch in einer guten Balance ist, aber es sollten bald einmal Fortschritte in Richtung Friedenserreichung gemacht werden“, so Stelzer.

Bevor es zu einer Situation komme, in der das Leben in Österreich massiv beschädigt wird, „der soziale Ausgleich ins Wanken kommt, müssen wir natürlich darüber nachdenken, ob diese oder jene derzeit wirksame Sanktion weiterbetrieben wird oder ob die Treffsicherheit noch verbessert werden muss.“

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Europäische Union mittlerweile mehrere Sanktionspakete gegen die Russische Föderation mit dem Ziel verhängte, die russische Wirtschaft und Kriegsführung zum Erliegen zu bringen. Nach über sechs Monaten Kriegshandlungen kann wohl festgehalten werden, dass Russland trotz der Sanktionen befähigt ist, den Krieg fortzuführen. Ihren ursprünglichen Zweck erfüllen die verhängten Sanktionspakete demnach nicht.

Dass die Zustimmung in Österreich zu den verhängten Sanktionen bröckelt, und dass die Sinnhaftigkeit der Sanktionen immer stärker in Frage gestellt wird, belegen verschiedene Umfragen der jüngsten Vergangenheit: Einer Trend-Umfrage zufolge sind mittlerweile 55 Prozent der österreichischen Bevölkerung dagegen, die Sanktionen fortzuführen, wenn als Folge die Energiepreise und Lebenshaltungskosten weiter steigen. (Trend, 28.07.2022) 42 Prozent glauben nicht, dass die Sanktionen gegen Russland Wirkung zeigen, und zwar „weder jetzt noch in der Zukunft“, so das Ergebnis einer Umfrage von Peter Hajek durchgeführt im Zeitraum 10. bis 18. August 2022. 46 Prozent der Befragten in dieser Umfrage glauben, dass die Sanktionen mehr der EU schaden. (Kurier, 21.08.2022)

Welche negativen Auswirkungen der Krieg in der Ukraine, aber auch die verhängten Sanktionen auf Österreich haben, zeigt nicht zuletzt auch der diesem Antrag zugrundeliegende Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2021, in dem darauf verwiesen wird, dass aufgrund der aktuellen geopolitischen Ereignisse, des Krieges in der Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiepreisschocks in Verbindung mit der Inflationsentwicklung die Konjunkturaussichten für das Jahr 2022 mit hoher Unsicherheit behaftet sind. Dementsprechend unsicher ist auch die Entwicklung der öffentlichen Finanzen.“

 

Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 5. Oktober 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger der Abgeordnete Andreas Ottenschläger.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, G, N).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Andreas Ottenschläger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2022 10 05

                         Andreas Ottenschläger                                                          Peter Haubner

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann