1737 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Landesverteidigungsausschusses

über den Antrag 2651/A(E) der Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Immerwährende Neutralität für Österreich

Die Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 15. Juni 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Am 26. Oktober 1955 wurde das Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs beschlossen, das mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 1955 in Kraft trat.

Seither war die Neutralität bestimmendes Merkmal Österreichs in der Welt, hat sich als zentrale Handlungsmaxime in das Selbstverständnis Nachkriegs-Österreichs eingeschrieben und spielte in der - vor allem in den 1970er Jahren sehr aktiv gestalteten - Außenpolitik eine entscheidende Rolle.

In zahlreichen juristischen Abhandlungen zum Verfassungsrecht wird und wurde auf einen Wandel der Neutralität hingewiesen und insbesondere mit dem Blick auf den EU-Beitritt Österreichs bzw. der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon. Zu einer weiteren Entwicklung kam es aufgrund der Teilnahme an der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, die neben der Verhängung von wirtschaftlichen Sanktionen auch die Beteiligung an friedenserhaltenden und friedensschaffenden Maßnahmen im Rahmen der Krisenbewältigung vorsieht. Im Rahmen dieser ‚Petersberger Aufgaben‘ sind auch Kampfeinsätze vorgesehen, die jedoch verfassungsrechtlich gedeckt sind. Zudem ist durch die Solidaritätsverpflichtung Österreich im Falle eines Angriffs auf einen Mitgliedsstaat der EU gegenüber anderen EU-Mitgliedsstaaten zu Hilfe und Unterstützung verpflichtet. In diesem Fall lohnt jedoch ein Blick auf den besonderen Status bündnisfreier oder neutraler EU-Mitgliedsstaaten (Österreich, Irland, Zypern, Malta sowie bisher Schweden und Finnland), der schon bisher über die irische Klausel dazu führte, dass auch Österreich seinen Pflichten nachkommen könnte, zugleich aber nicht gegen das Neutralitätsgesetz verstoßen würde,[1]

Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist die Frage der Aufgaben, die Österreich aus seiner Neutralität erwachsen, einmal mehr ins Zentrum der Betrachtung gerückt, während sich zugleich eine Diskussion darüber entzündet hat, ob die Neutralität überhaupt ein Zukunftskonzept in einer veränderten Welt sein kann. Die Beitrittsansuchen von Schweden und Finnland - bislang als bündnisfrei anerkannte Staaten - zur NATO haben eine Diskussion darüber ausgelöst, ob dieser Schritt nicht auch für Österreich eine denkbare Zukunftsvision darstellt.

Die Parlamentsparteien sind sich über weite Strecken sehr einig, die Neutralität ist eine entscheidende Errungenschaft, die auch beibehalten werden muss.

Schon im März 2022 stelle die Partei- und Klubvorsitzende der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, klar: ‚Unsere Neutralität stärkt die Sicherheit Österreichs, Sie ist mit der SPÖ nicht verhandelbar!‘[2] Zudem betonte sie damals im Rahmen eines Kommentars in der Wienerzeitung: ‚Wenn die Kritiker der Neutralität Österreich einen sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer nennen, wird bewusst das große Engagement unseres Landes bei internationalen Friedensmissionen ausgeblendet. Österreich nimmt seit 1962 mit Soldatinnen und Soldaten an Einsätzen unter UNO- Mandat teil.‘ Weiters betonte die SPÖ Partei- und Klubvorsitzende beim Zusammentreffen mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz in Berlin die Wichtigkeit einer aktiven Friedenspolitik, in der Waffenlieferungen zur Verteidigung der Ukraine nachvollziehbar seien, jedoch auch der Dialog mit Russland gesucht und gepflegt werden muss, damit es zu einer Deeskalation und der dringend notwendigen Lösung abseits des Schlachtfelds kommen kann.

Und auch aus den anderen Parteien im Parlament gab es konkrete Ansagen, die bekräftigten, dass Österreich neutral war, ist und bleiben werde[3], junge Männer nicht in Kriege anderer Staaten oder Militärbündnisse geschickt werden dürften[4] und welch wichtige Rolle die aktive Neutralität für die österreichische Politik spiele[5].

Es gibt also unter den Parlamentsparteien einen ähnlich breiten Konsens zur Frage der Neutralität, wie in der Bevölkerung - ein Umstand, der klarmacht, dass die Neutralität Österreichs kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern vielmehr ein hochaktuelles Instrument der österreichischen Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik darstellt.

Dass es dabei, auch mit Blick auf die Primäraufgaben, die im Neutralitätsgesetz verankert sind, wie die umfassende Landesverteidigung, die Notwendigkeit gibt, rasch Verbesserungen herbeizuführen, um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen, ist dabei unstrittig. Diese Herausforderungen jedoch zur Begründung einer Aufweichung der Neutralität zu erklären, wie es etwa in der ZIB2 vom 16. Mai 2022 zwischen dem Militärstrategen Walter Feichtinger und dem ÖVP-Wehrsprecher Christian Stöcker geschehen ist, ist auf Grund des bereits erwähnten, breiten Konsens klar abzulehnen.

Es gilt, den österreichischen Weg konsequent weiterzudenken und fortzuschreiben. Aktiv neutral und mit vollem Einsatz für den Frieden, Daher gilt auch jetzt: Wenn die EU, deren Verteidigungspolitik mehrheitlich von NATO-Staaten geprägt ist, in der Welt auch zukünftig die Möglichkeit haben möchte, zwischen gegensätzlichen Standpunkten zu vermitteln und auch Gastgeberin von Friedensverhandlungen zu sein, wird es neutrale Staaten brauchen, die in der Welt mit diesem Status akzeptiert sind und mit der Neutralität assoziiert werden.

Ein weiterer Beleg für die starke Rolle Österreichs auf dem internationalen Parkett ist auch der Sitz wichtiger internationaler Organisationen wie der UNO, oder der OSZE, die auf Grund ihrer Rolle zentrale Steuerungselemente einer aktiven Friedenspolitik sein können und Österreich in eine strategische Sonderrolle innerhalb der EU bringen.

Österreich muss eine zentrale Rolle in der Welt einnehmen und sich im Klaren darüber sein, dass der Status der Neutralität zwar veränderbar, einmal abgeschafft aber auch unwiederbringlich verloren ist. Und das ist nicht aus Traditionspflege, sondern vor allem aus sicherheitspolitischen Überlegungen, einem Bekenntnis zu einer aktiven Friedenspolitik und der Gefahr unverschuldet in Kriege hineingezogen zu werden, keine wünschenswerte Perspektive.“

 

Der Landesverteidigungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 10. Oktober 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Robert Laimer die Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, David Stögmüller, Ing. Mag. Volker Reifenberger, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Helmut Brandstätter,
Mag. Friedrich Ofenauer sowie die Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer, Robert Laimer,
Dr. Reinhard Eugen Bösch, David Stögmüller, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Immerwährende Neutralität für Österreich eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 2651/A(E) der Abgeordneten
Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit
(für den Antrag: S, F; dagegen: V, G, N).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Landesverteidigungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.     diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 2651/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.     die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2022 10 10

                          Mag. Wolfgang Gerstl                                                Dr. Reinhard Eugen Bösch

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann



[1] Walter Berka: Verfassungsrecht. Grundzüge des österreichischen Verfassungsrechts für das juristische Studium, Wien, 2016

[2] https://www.spoe.at/2022/03/07/rendi-wagner-die-neurtralitaet-staerkt-unsere-sicherheit/

[3] https://www.tt.com/artikel/30820487/nehammer-bekraeftigt-oesterreich-war-ist-und-bleibt-neutral

[4] https://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-nato-oesterreich-neutralitaet-101.html

[5] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2147907-Frage-eines-NATO-Beitritts-stellt-sich-fuer-die-Gruenen-nicht.html