1816 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über den Antrag 3022/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten (Stromverbrauchsreduktionsgesetz – SVRG)

Die Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 18. November 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Als Maßnahme gegen die sehr hohen Energiepreise legt die Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom 6. Oktober 2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise, ABl. Nr. L 261 vom 7. Oktober 2022, S. I/1, (Notfallmaßnahmenverordnung) gezielte Nachfragesenkungen in Spitzenzeiten fest, in denen sich der Gaspreis besonders stark auf den Strompreis auswirkt.

Die Notfallmaßnahmenverordnung ist eine sogenannte ‚hinkende Verordnung‘ und ist daher innerstaatlich durchzuführen.

Kompetenzrechtliche Grundlage ist Artikel 17 B-VG; Vergütungen, die über Ausschreibungen ermittelt werden, sollen vom Bund im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung geleistet werden.

Die Vergütung stellt eine staatliche Beihilfe dar und ist von der EU-Kommission gemäß Artikel 107 Abs. 3 lit b AEUV zu genehmigen. Prüfungsmaßstab hierfür ist der befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine (C[2022] 7945 final vom 28.10.2022).

Zu § 1 (Ziele)

Die Strompreise sollen durch die gezielte Reduktion oder die Verlagerung des Stromverbrauchs in jenen Tagesstunden, in denen der Stromverbrauch sehr hoch ist und Gaskraftwerke benötigt werden, um den Verbrauch zu decken, gesenkt werden.

Die gleichmäßigere Verteilung der Nachfrage über den Tag soll auch dazu beitragen, fossile Brennstoffe, insbesondere Gas, zu sparen, wodurch auch das Risiko von Versorgungsengpässen minimiert werden soll.

Zu § 4 (Spitzenzeiten)

Nach der Notfallmaßnahmenverordnung können die Spitzenzeiten innerstaatlich entweder anhand des voraussichtlich höchsten Day-Ahead-Stromgroßhandelspreises, des voraussichtlich höchsten Bruttostromverbrauchs oder des voraussichtlich höchsten Bruttoverbrauchs von Strom, der nicht mit Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, festgelegt werden.

Um das Ziel der Notfallmaßnahmenverordnung bestmöglich zu erreichen, sollen die Spitzenzeiten anhand eines zweistufigen Verfahrens ermittelt werden. Zunächst wird auf den höchsten Bruttostromverbrauch abgestellt und es werden vorab für den gesamten Zeitraum zwischen 1. Dezember 2022 und 31. März 2023 Zeitfenster festgelegt, in denen der Verbrauch in den vergangenen fünf Jahren am höchsten war. Die Verbrauchsdaten aus März 2022 sollen in die Ermittlung noch einfließen. Für Dezember 2022 liegen im Zeitpunkt der Ermittlung der Zeitfenster nur Prognosewerte vor, weshalb dieser nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Als Spitzenzeiten sollen dann nur jene Stunden bestimmt werden, in denen der Bruttostromverbrauch, der nicht mit Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird, voraussichtlich am höchsten ist, da in Stunden mit einer hohen Erzeugung aus erneuerbaren Energieträgern die Marktpreise günstiger sein sollten. Die Spitzenzeiten sollen mindestens 10 % aller Stunden des Zeitraums entsprechen, was 290,4 Stunden ergibt.

Für die Ermittlung werden historische Verbrauchsdaten der vergangenen fünf Jahre herangezogen, wobei die Spitzenzeiten tagesbezogen und nicht anhand des absolut höchsten Bruttostromverbrauchs im Zeitraum bestimmt werden.

Die historischen Verbrauchsdaten zeigen, dass die Spitzenzeiten nur an Werktagen auftreten und auch nicht während der schulfreien Zeit rund um den Jahreswechsel. Die Zeitfenster mit dem höchsten Bruttostromverbrauch liegen werktags zwischen 8 und 12 Uhr sowie zwischen 17 und 19 Uhr. Innerhalb dieser Zeitfenster sollen die Spitzenzeiten ermittelt werden.

Zu § 6 (Freiwillige Maßnahmen)

Als Maßnahmen zur Senkung des Bruttostromverbrauchs sollen in erster Linie freiwillige Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion, wie Energiesparkampagnen, gezielte Sparaufrufe an die Bevölkerung etc. eingesetzt werden.

Zu § 8 (Bewertung der freiwilligen Maßnahmen)

Das Einsparpotential einer Maßnahme und die prognostizierte Umsetzungsrate sollen in Prozent abgeschätzt werden. Anschließend wird der Verbrauch im Zeitraum von 1. Dezember bis 31. März der Jahre 2017 bis 2022 von einem standardisierten Lastprofil der relevanten Verbrauchsgruppe herangezogen, und dieser Anteil wird auf das ermittelte Einsparpotential angewendet. Der dadurch errechnete Wert soll den angenommenen Einspareffekt ergeben. Dieser wird, soweit möglich, um allfällige Wechselwirkungseffekte bereinigt.

Zu § 9 (Ausschreibungen über Stromverbrauchsreduktionen)

Wenn die Einsparungen aus den freiwilligen Maßnahmen und sonstige Einsparungen nicht ausreichen, um das Einsparziel von durchschnittlich mindestens 5 % in den Spitzenzeiten zu erreichen, sollen marktbasierte Ausschreibungen über Stromverbrauchsreduktionen als zusätzliche Maßnahme eingesetzt werden.

Zu § 10 (Teilnahme an Ausschreibungen)

Voraussetzung ist, dass Teilnahmeberechtigte ihren Verbrauch mittels Fahrplänen prognostizieren können. Außerdem sollen sie technisch in der Lage sein, ihren Verbrauch gezielt in den ausgeschriebenen Spitzenzeiten gegenüber der Prognose zu reduzieren. Die Bieter sollen über geeignete Messgeräte zur Leistungsmessung verfügen.

Zu § 11 (Gegenstand der Ausschreibungen)

Die Zeitscheiben sollen jeweils zwei zusammenhängende Stunden umfassen. Als Zeitscheiben können Zeitscheiben von 8 bis 10 Uhr, 10 bis 12 Uhr sowie von 17 bis 19 Uhr definiert werden.

Die Stromverbrauchsreduktion soll innerhalb der Zeitscheibe erbracht werden. Es soll dem Bieter obliegen zu entscheiden, wann bzw. wie er innerhalb der zwei Stunden, für die der Zuschlag erteilt wurde, den Verbrauch reduziert. Der Verbrauch kann etwa gleichmäßig verteilt über die Zeitscheibe oder durch das Abschneiden von Verbrauchsspitzen reduziert werden. Alle Arten der Reduktion sind zulässig:

 

Zu § 12 (Verfahren)

Die Ausschreibungen sollen wöchentlich durchgeführt werden, wobei die Marktöffnung (‚Gate opening‘) jeweils 14 Tage vor der Woche der Erbringung der Stromverbrauchsreduktion erfolgen soll. Annahmeschluss für Gebote (‚Gate closure‘) soll spätestens sieben Tage vor der Erbringung der Stromverbrauchsreduktion sein. Bis dahin können Bieter ihre Gebote abgeben.

Vor der Marktöffnung sollen die Zeitscheiben sowie das ausgeschriebene Volumen in MWh je Zeitscheibe öffentlich im Internet bekanntgemacht werden.

Durch den Abzug von Mengen aus freiwilligen Maßnahmen und sonstigen Einsparungen soll im Sinne einer sparsamen und zweckmäßigen Haushaltsführung das auszuschreibende Volumen reduziert werden.

Um überteuerte Gebote auszuschließen, soll ein Referenzwertverfahren eingeführt werden.

Zu § 13 (Zuschlagserteilung)

Zuschlags- und Reihungskriterium der zulässigen Gebote soll der angebotene Preis je MWh sein. Die Reihung sowie der Zuschlag der Gebote soll transparent und nachvollziehbar dokumentiert werden.

Sobald die ausgeschriebene Menge erreicht ist, sollen keine weiteren Zuschläge mehr erteilt werden. Der Zuschlag soll nur für das gesamte Gebot erteilt werden. Das letzte Gebot, dass das ausgeschriebene Volumen mengenmäßig übersteigt, soll daher ausgeschieden werden. Bei gleichem Preis und Menge zweier oder mehrere Gebote, die die Menge jeweils für sich nicht überschreiten, soll nach dem Zeitpunkt des Einlangens entschieden werden (‚first come, first served‘). Wenn zwei oder mehrere Gebote mit gleichem Preis und Menge die ausgeschriebene Menge gemeinsam übersteigen, sind diese auszuscheiden.

Mit der Erteilung des Zuschlags soll unmittelbar noch keine Verpflichtung zur Stromverbrauchsreduktion entstehen. Bieter sollen verpflichtet sein, sich für einen Abruf durch die Abwicklungsstelle bereitzuhalten; die Stromverbrauchsreduktion soll auf Abruf erbracht werden. Die Bereithaltung wird nicht vergütet.

Bieter sollen ihre Lieferanten rechtzeitig nach Zuschlag über die mögliche Stromverbrauchsreduktion informieren, damit diese ihre Verbrauchsprognosen entsprechend prognostizieren und Ausgleichsenergiekosten vermeiden können.

Zu § 14 (Abruf)

Der zu übermittelnde Prognosefahrplan soll zumindest ein Zeitraster von einer Stunde aufweisen.

Mit dem Abruf und der tatsächlichen Stromverbrauchsreduktion soll der Anspruch auf finanzielle Vergütung entstehen.

Zu § 15 (Erbringung der Stromverbrauchsreduktion)

Die Stromverbrauchsreduktion muss tatsächlich innerhalb der abgerufenen Zeitscheibe erbracht werden. Dies ist vom Bieter gegenüber der Abwicklungsstelle nachzuweisen. Eine Übererfüllung durch den Bieter soll nicht abgegolten werden.

Eine Vergütung soll nur ausbezahlt werden, wenn die Ausschreibung zu einer zusätzlichen Verbrauchsreduktion geführt hat, die ohne Ausschreibung nicht stattgefunden hätte. Die Ausschreibung muss kausal für die Stromverbrauchsreduktion sein. Stromverbrauchsreduktionen, die auch ohne Ausschreibung eingetreten wären, etwa wegen einer generellen Schließung einer Produktionslinie oder generell nicht einsatzfähiger Betriebsmittel, dürfen nicht vergütet werden. Wird die Revision von Betriebsmitteln hingegen so geplant, dass in der ausgeschriebenen Zeitscheibe der Stromverbrauch gesenkt werden kann, so wäre die Ausschreibung ursächlich für die Stromverbrauchsreduktion.

Der Verbrauch kann aus Spitzenzeiten auch in andere Stunden verlagert werden, sodass sog. Nachholeffekte auftreten können. Dabei sollen Verlagerungen in andere Spitzenzeiten vermieden werden; jedenfalls darf die Verlagerung nicht mehr als 150 % der Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten, für die der Bieter eine Vergütung erhält, betragen.

Für die Nichterbringung oder Schlechterfüllung von Stromverbrauchsreduktionen soll keine Pönale verrechnet. Bei signifikanter Abweichung zwischen der prognostizierten und der nachgewiesenen Stromverbrauchsreduktion soll aber ein entsprechender Abschlag auf die Vergütung festgelegt werden. Erbringt der Bieter weniger als 50 % der gebotenen und abgerufenen Leistungsreduktion, so wird er von den beiden der Schlechterfüllung folgenden Ausschreibungen ausgeschlossen.

Zu § 16 (Teilnahmeverträge)

Zwischen den Bietern und der Abwicklungsstelle sind vor der Zuschlagserteilung Rahmenverträge über die Teilnahme zu schließen. Auf Basis dieses Rahmenvertrages werden die Zuschläge erteilt. Ein Muster des Rahmenvertrages ist von der Abwicklungsstelle im Internet zu veröffentlichen. Die in den Z 1 bis 5 angeführten Angaben sind Mindestinhalte.

Zu § 17 (Abwicklungsstelle)

Mit der Abwicklung wird die Austrian Power Grid AG beauftragt. Mit der Austrian Power Grid AG soll ein Abwicklungsvertrag, der die Rechte und Pflichten der Abwicklungsstelle regelt, geschlossen werden. Die Betrauung der Austrian Power Grid AG kann auf den Ausnahmetatbestand gemäß § 9 Abs. 1 Z 11 BVergG 2018 gestützt werden.“

 

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 29. November 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Franz Leonhard Eßl die Abgeordneten Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Mag. Gerhard Kaniak, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer und Kai Jan Krainer sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA und der Ausschussobmann Abgeordneter Karlheinz Kopf.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, N, dagegen: S, F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2022 11 29

                            Franz Leonhard Eßl                                                            Karlheinz Kopf

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann