1866 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 2896/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird

Die Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 2. November 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die österreichische Bundesregierung, gebildet von der Österreichischen Volkspartei und den Grünen, ist mit Korruptionsvorwürfen in beinahe unvorstellbarem Ausmaß konfrontiert.

Gegen höchste aktive und ehemalige Repräsentanten dieser Republik werden strafrechtliche Ermittlungen geführt. Nun wurde bekannt, dass ein zentraler Tatbeteiligter in 15 ganztägigen Einvernahmen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft neue Details zugab und unter anderen den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz massiv belastete. Auch gegenüber dem zweithöchsten Repräsentanten dieser Republik, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, wurden die Hinweise auf strafrechtliches Fehlverhalten verdichtet.

Seit dem Amtsantritt der von ÖVP und Grünen gebildeten Bundesregierung am 7. Jänner 2020 gab es drei Bundeskanzler und drei Gesundheitsminister. Insgesamt erlebte Österreich 14 Minister*innen-Wechsel – und das in nur zwei Jahren. Zustände, die in Österreich bisher unbekannt waren und nicht auf der Tagesordnung standen.

Gleichzeitig ist die österreichische Bevölkerung mit enormen Teuerungen konfrontiert, die Energiepreise verdreifachen sich und werden für die einkommensschwächeren Bürgerinnen und Bürger in Österreich unleistbar, der Lebensstandard ist durch eine Inflation von über 10 %, damit ist Österreich in der Inflationsentwicklung in Europa führend, gefährdet.

Siehe die monatliche Entwicklung der Inflation in Österreich von September 2021 bis September 2022:

 

 

Diese krisenhafte Entwicklung führt dazu, dass Lebensmittel und Wohnkosten überproportional von der Teuerung betroffen sind, Menschen mit geringen Einkommen sind nicht mehr in der Lage, ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen. Während andere europäische Regierungen versuchen, diese desaströse Entwicklung mit Preisdeckeln und anderen Maßnahmen zu bekämpfen, ist die österreichische Bundesregierung untätig, im eigenen Stillstand und in ihrem Korruptionssumpf gefangen.

Selbst der Bundespräsident sah sich in einer öffentlichen Ansprache genötigt, eine politische Generalsanierung dieser Republik einzufordern. Er bezeichnete Korruption als lähmendes Gift und konstatierte die mangelnde Handlungsfähigkeit der Regierung. Die bekannt gewordenen Sachverhalte seien kein Wasserschaden, sondern ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht, so der Bundespräsident.

Auch in unabhängigen internationalen Rankings, wie dem Demokratieindex, dem Rechtsstaatlichkeitsindex und dem Pressefreiheitsindex, ist Österreich von den vorderen Plätzen nach hinten gerutscht. Im DEMOCRACY REPORT 2022 wird Österreich nicht mehr als liberale Demokratie gelistet, sondern ist auf den Rang einer Wahldemokratie herabgesunken, eine Form der Demokratie, welche die Bürgerinnen und Bürger von aktiver Politikteilnahme mit Ausnahme von Wahlen ausschließt.

Und diese Einschätzung täuscht nicht: Massive Angriffe von Mitgliedern der Bundesregierung auf die Justiz und deren Unabhängigkeit haben den österreichischen Rechtsstaat schwer zerrüttet. Transparenz, die zu einer aktiven Korruptionsbekämpfung notwendig ist, wird verweigert, die Amtsverschwiegenheit – ein österreichisches Relikt – aufrechterhalten, die Informationsfreiheit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Medien verweigert. Selbst die notwendige Nachschärfung der Korruptionstatbestände ist nicht umgesetzt, nein vielmehr im Korruptionssumpf versenkt worden.

Die österreichische Bevölkerung hat trotz aller widrigen Umstände ein Recht auf eine handlungsfähige, engagierte und aktive Bundesregierung, die die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen sowie Korruption durch Amtsträger offensiv und nachhaltig bekämpft und für die Österreicherinnen und Österreicher sowie die österreichische Wirtschaft eine stabile und taugliche Basis für deren soziale und wirtschaftliche Existenz schafft.

Es ist daher aus den dargestellten Umständen und für eine positive Zukunft Österreichs zwingend notwendig, die laufende Gesetzgebungsperiode des Nationalrates frühzeitig aufzulösen, um damit die Grundlage für Neuwahlen und damit eine neue Regierungsbildung zu schaffen. Das neu gewählte Parlament und die neue Bundesregierung muss die wirtschaftliche und soziale Existenz Österreichs sichern, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes eine taugliche Lebensgrundlage schaffen und alle notwendigen Maßnahmen setzen, um Korruption durch volle Transparenz zu ersetzen, den Rechtsstaat und die Demokratie sowie die Grundfreiheiten in Österreich zu stärken.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 6. Dezember 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Sabine Schatz die Abgeordneten Michael Schnedlitz, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. (FH) Kurt Egger und Dr. Christian Stocker.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit (für den Antrag: S, F, N dagegen: V, G).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2022 12 06

                          Mag. Wolfgang Gerstl                                                    Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann