Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts (im Folgenden: Protokoll) hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Protokoll keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.
Vor dem Hintergrund der Reform des europäischen Patentsystems und der Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts durch das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (BGBl. III Nr. 13/2022; im Folgenden: Übereinkommen) hat sich Österreich gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 20. Jänner 2015 (sh. Pkt. 15 des Beschl. Prot. Nr. 46) dazu entschlossen, eine Lokalkammer des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts zu errichten. Die Errichtung einer Lokalkammer eines internationalen Gerichts in Österreich trägt zur Stärkung des Amtssitzes Wien bei.
Der derzeit fragmentierte Patentmarkt und die beträchtlichen Unterschiede zwischen den nationalen Gerichtssystemen wirken sich nachteilig auf die Innovation aus. Mit der Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts wird einem langjährigen Wunsch der europäischen Wirtschaft Rechnung getragen. Es wird sichergestellt, dass die Patentinhaber und die Patentinhaberinnen ihre Patente vor einem einzigen Gericht – dem Einheitlichen Patentgericht – durchsetzen und verteidigen können.
Im Hinblick darauf, dass jeder Vertragsstaat, in dem eine Lokalkammer errichtet wird, während der ersten sieben Jahre eine Einrichtung und auch Verwaltungspersonal zur Verfügung stellt (vgl. Art. 37 Abs. 1 des Übereinkommens), wird die Lokalkammer in Österreich im Arbeits- und Sozialgericht Wien eingerichtet sein. Das Österreichische Patentamt wird zwei Personen als Verwaltungspersonal, eine Person für den IT-Support sowie HR-Personal für die Lokalkammer zur Verfügung stellen. Alle diese Personen werden nur einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Agenden der Lokalkammer aufwenden.
Dem Einheitlichen Patentgericht, das in jedem Vertragsstaat Rechtspersönlichkeit genießt, sollen mit dem Protokoll im üblichen Rahmen Vorrechte und Befreiungen eingeräumt werden. Dazu gehören Regelungen über die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten, der Befreiung des Gerichts und seiner Bediensteten von der nationalen Gerichtsbarkeit der Vertragsstaaten sowie Steuerbefreiungen. Das Einheitliche Patentgericht soll seine Arbeit im Frühjahr 2023 aufnehmen. Die Vorrechte und Immunitäten sollen dem Gericht und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Beginn an zur Verfügung stehen.
Die mit der Durchführung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung im Budget des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Besonderer Teil
Zu Art. 1:
Art. 1 definiert die relevanten Begriffe.
Zu Art. 2:
Art. 2 hält fest, dass das Gericht die für die Ausübung seiner Tätigkeit notwendigen Vorrechte
und Immunitäten genießt.
Zu Art. 3:
Art. 3 regelt die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten des Gerichts, vorbehaltlich der mit dem betreffenden Vertragsstaat vereinbarten Bedingungen.
Zu Art. 4:
Art. 4 bestimmt die Unverletzlichkeit der Archive und Dokumente des Gerichts.
Zu Art. 5:
Abs. 1 bestimmt die Immunität des Gerichts, seiner Vermögenswerte, Guthaben und Gelder von der nationalen Gerichtsbarkeit, jedoch mit Einschränkungen im Bereich der vertraglichen und außervertraglichen zivilrechtlichen Haftung, wie z. B. wegen eines durch ein Kraftfahrzeug verursachten Schadens.
Abs. 2 regelt, dass sich die Immunität von der nationalen Gerichtsbarkeit auf die Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung von Vermögenswerten, Geldern oder Guthaben des Gerichts erstreckt.
Abs. 3 ordnet an, dass Vermögenswerte, Guthaben und Gelder des Gerichts in dem für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Umfang von Beschränkungen, Regelungen Kontrollen oder Stillhaltemaßnahmen jeder Art befreit sind.
Zu Art. 6:
Abs. 1 bestimmt, dass Vertreter von Vertragsstaaten während der Teilnahme an Sitzungen des Verwaltungsausschusses, des Haushaltsausschusses Immunität von der Gerichtsbarkeit in Bezug auf alle in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen genießen.
Abs. 2 bestimmt, dass Papiere und Dokumente der Vertreter von Vertragsstaaten unverletzlich sind.
Abs. 3 ordnet an, dass Staatsangehörige des Vertragsstaats von der Immunität gemäß Abs. 1 ausgenommen werden können.
Zu Art. 7:
Abs. 1 bestimmt, dass das Gericht sowie seine Vermögenswerte und Guthaben von direkten Steuern befreit sind.
Abs. 2 regelt, dass das Gericht von der Mehrwertsteuer, soweit ein beträchtlicher Wert betroffen ist, befreit ist, jedoch nicht von Steuern für Leistungen öffentlicher Versorgungsbetriebe.
Abs. 3 bestimmt, dass der Weiterverkauf begünstigter Waren nur zu Bedingungen des Vertragsstaates erfolgen darf.
Abs. 4 ordnet an, dass die Bedingungen und Verfahren von den zuständigen Finanzbehörden jedes Vertragsstaates festgelegt werden.
Zu Art. 8:
Art. 8 regelt die für die amtliche Tätigkeit des Gerichts erforderliche Freiheit von Währungsbeschränkungen.
Zu Art. 9:
Abs. 1 regelt, dass die Vorrechte und Immunitäten der Richter sich nach Art. 8 der Satzung des Einheitlichen Patentgerichts (ABl. Nr. C 175 S. 1 vom 20.6.2013 S. 1, Anhang I) und nach dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl. 1967 Nr. 152/13 idgF) richten.
Abs. 2 ordnet an, dass Art. 8 der Satzung des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht und das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union auch für den Kanzler gelten.
Abs. 3 bestimmt, dass die Artikel 11 bis 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union an die Gegebenheiten des Gerichts anpasst werden. Dies bedeutet die innerstaatliche Steuerbefreiung, die Befreiung von Pflichtbeiträgen zum nationalen Sozialversicherungssystem, sofern ein solches System des einheitlichen Patentgerichtes implementiert ist, jedoch auch die Nichtbefreiung auf Renten und Pensionen.
Zu Art. 10:
Abs. 1 regelt, dass die Immunität von der Gerichtsbarkeit des Personals auf die in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen eingeschränkt wird, wobei die Immunität auch nach Beendigung der Beschäftigung bei dem Gericht zu gewähren ist.
Abs. 2 bestimmt, dass das Personal einer internen Steuer zugunsten des Gerichts unterliegt. Das Personal ist von diesem Zeitpunkt an von innerstaatlichen Steuern befreit, nicht jedoch auf Pensionen und Renten.
Abs. 3 ordnet an, dass Vertragsstaaten nicht verpflichtet sind, die in Abs. 2 beschriebenen Vorrechte auf eigene Staatsangehörige oder Personen mit Wohnsitz im Staatsgebiet anzuwenden.
Zu Art. 11:
Art. 11 regelt, dass Emblem und Flagge des Gerichts
gegebenenfalls auf Dokumenten, Dienstfahrzeugen und der Website geführt werden dürfen.
Zu Art. 12:
Abs. 1 regelt, dass alle Personen, die Vorrechte und Immunitäten aufgrund der Art. 6, 9 und 10 genießen, verpflichtet sind, die Gesetze und sonstigen Vorschriften des Vertragsstaats zu beachten.
Abs. 2 ordnet an, dass das Gericht jederzeit mit den zuständigen Behörden des Vertragsstaats diesbezüglich zu kooperieren hat.
Zu Art. 13:
Abs. 1 bestimmt, dass die vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten nicht zum persönlichen Vorteil der Personen begründet werden, denen sie gewährt werden, sondern dass ihr Zweck ausschließlich im Interesse des Gerichts liegt.
Abs. 2 regelt, dass das Präsidium des Gerichts verpflichtet ist, in gerechtfertigten Fällen die nach Art. 9 und 10 gewährte Immunität der Richter, des Kanzlers und des Personals aufzuheben. Ein Vertragsstaat hat das gleiche Recht in Bezug auf seine Vertreter im Verwaltungsausschuss, der Verwaltungsausschuss hat das gleiche Recht und die gleiche Pflicht in Bezug auf die Mitglieder des Beratenden Ausschusses.
Zu Art. 14:
Art. 14 bestimmt, dass allen Personen, die eine amtliche Tätigkeit für das Gericht ausüben sowie der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen die Ein- und Ausreise in den betreffenden Vertragsstaat zu erleichtern ist. Ebenso ist diese Erleichterung geladenen Parteien, Zeugen, Dolmetschern und
Sachverständigen zu gewähren.
Zu Art. 15:
Art. 15 regelt, dass der Kanzler allen Vertragsstaaten die Namen der Richter, des Kanzlers und des Personals mitteilt, auf die dieses Protokoll anwendbar ist. Ferner sind die Ernennung und der Dienstantritt eines Richters, Kanzlers oder von Personal des Gerichts baldmöglichst mitzuteilen.
Zu Art. 16:
Abs. 1 bestimmt, dass das Gericht für geeignete Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zu sorgen hat, an denen eine im Protokoll genannte Person, die aufgrund ihrer amtlichen Stellung Immunität genießt, beteiligt ist, sofern diese Immunität nicht aufgehoben wurde.
Abs. 2 regelt, dass Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Protokolls einem Schiedsgericht vorgelegt werden, sofern sich die Streitparteien nicht auf ein anderes Beilegungsverfahren einigen.
Zu Art. 17:
Art. 17 bestimmt, dass das Protokoll, das für alle Vertragsmitgliedstaaten beim Rat der Europäischen Union in Brüssel zur Unterzeichnung aufliegt, nach dem 29. Juni 2017 allen Vertragsmitgliedstaaten zum Beitritt offensteht.
Zu Art. 18:
Art. 18 regelt, dass das Protokoll für jeden Vertragsstaat, der seine Urkunde nach dem Inkrafttreten des Protokolls hinterlegt, 30 Tage nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft tritt.
Zu Art. 19:
Art. 19 bestimmt, dass die vorläufige Anwendung des Protokolls dem Verwahrer jederzeit angezeigt werden kann.