1912 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 2723/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Olga Voglauer,
Dipl.- Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Einführung eines nationalen Gedenktages zum Gedenken an die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze"

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 8. Juli 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der Völkermord an den Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze wurde lange Zeit in der Aufarbeitung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs ausgeklammert und wird daher mitunter als „Vergessener Holocaust“ bezeichnet. Schätzungen zufolge wurden während des Nationalsozialismus rund 500.000 Männer, Frauen und Kinder aus der Roma und Sinti-Gemeinschaft in Europa als „Zigeuner“ oder „Asoziale“ ermordet. Lange Zeit gab es keine Form des offiziellen Gedenkens an die Opfer dieser, rassistischen NS-Verfolgungs- und Vernichtungspolitik.

Erst 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, am 15. April 2015, wurde der Völkermord an den Roma im Zweiten Weltkrieg in einer Entschließung[1] des Europäischen Parlaments als historische Tatsache anerkannt. In dieser Entschließung wurden alle EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, den Völkermord und andere Formen der Verfolgung der Roma und Sinti wie Deportation und Internierung während des Zweiten Weltkriegs offiziell anzuerkennen. In vielen EU-Mitgliedsstaaten gibt es eigene nationale Gedenktage.

Seither wird alljährlich am 2. August im Rahmen des europäischen Holocaust-Gedenktages der Opfer aus der Roma-Gemeinschaft während des Zweiten Weltkriegs gedacht. Der 2. August wurde dabei bewusst als Gedenktag gewählt: In einer einzigen Nacht wurden von 2. auf 3. August 1944 infolge der Liquidation des Lagerabschnitts B II e, des sogenannten „Zigeunerlagers“, mindestens 3000 Roma und Romnja, Sinti und Sintizze, darunter Männer, Frauen und Kinder, im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.

Auch in Österreich wurde die grausame Verfolgung und Ermordung der Volksgruppe der Roma und Sinti während des Nationalsozialismus lange Zeit verschwiegen und verdrängt. Von den knapp 11.000 österreichischen Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze überlebte nur knapp jeder Zehnte den Roma-Holocaust (auf Romani „Porajmos“).

Eine Kernaufgabe der Gedenkkultur ist es dazu beizutragen, dass sich Verfolgung und Ermordung sowie Hass und Hetze wie dies während des Nationalsozialismus der Fall war,, nie mehr wiederholen. Dazu braucht es eine würdige Gedenkkultur. Nationale Gedenktage können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Der während des Nationalsozialismus an Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze begangene Massenmord darf niemals in Vergessenheit geraten. Gleichzeitig soll auch daran erinnert werden, dass bereits zuvor, nämlich im Mai 1944, die Auflösung des Lagerabschnitts B II ein Auschwitz-Birkenau und die Ermordung der KZ-Häftlinge in den Gaskammern geplant war. Lediglich durch einen mutigen selbstorganisierten Aufstand der Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze konnte dies zunächst unterbunden werden. Dieser mutige Roma-Widerstand gegen die Vernichtung stellt einen der wenigen Aufstände überhaupt in der Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau dar, wurde aber bislang historisch nicht hinreichend gewürdigt.

Das Gedenken an den Porajmos ist zentral, um das historische Bewusstsein dafür zu schärfen, dass sich solche fürchterlichen Verbrechen niemals mehr wiederholen dürfen. Die Anerkennung und Verurteilung der Verbrechen ist von großer symbolischer Bedeutung für die Opfer des Roma-Genozids und deren Angehörige. Gleichzeitig stellt die Anerkennung und Verurteilung des Völkermords aber auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung, Roma-Feindlichkeit und Antiziganismus dar, mit denen diese ethnische Minderheiten bis heute konfrontiert sind. Der 2. August soll dazu dienen, über die Entstehung und die Ursachen solcher Gräueltaten aufzuklären und Bewusstsein für Frieden und Menschenrechte zu schaffen sowie den Respekt gegenüber ethnischen Minderheiten zu fördern.

Die Republik Österreich bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung für alle Opfer von Verfolgung und Ermordung während des Nationalsozialismus, einschließlich aller Opfer des Roma-Genozids.

Die unterfertigenden Abgeordneten anerkennen den Völkermord an den Roma und Romnja, Sinti und Sintizze während des Nationalsozialismus, verurteilen diesen auf das Schärfste und erklären entschieden, dass solche Verbrechen nie wieder verübt werden dürfen.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 24. Jänner 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger, die Abgeordneten Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Sabine Schatz, Mag. Wolfgang Gerstl und Michael Bernhard.

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2023 01 24

                            Mag. Eva Blimlinger                                                     Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann



[1] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. April 2015 zum Internationalen Roma-Tag – Antiziganismus in Europa und Anerkennung durch die EU des Tags des Gedenkens an den Völkermord an den Roma während des Zweiten Weltkriegs (2015/2615(RSP)).