Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines

In Folge von Kritik der Europäischen Kommission an der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 lit. j der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S. 6 (in Folge „RL Terrorismus“), wird in § 278c StGB („Terroristische Straftaten“) ein neuer Tatbestand (Abs. 2a) vorgeschlagen, der die Drohung mit einer in § 278c Abs. 1 Z 1 bis 10 StGB bezeichneten Straftat mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bedroht, wenn diese Drohung mit der in § 278c Abs. 1 StGB genannten terroristischen Eignung und dem dort bezeichneten Vorsatz begangen wird.

In Bezug auf § 278c Abs. 1 Z 10 StGB soll klargestellt werden, dass – wie auch sonst – nur die Vorsatzvarianten der verwiesenen Delikte umfasst sind und gleichzeitig eine Ergänzung um strafbare Handlungen nach § 43 Sprengmittelgesetz 2010 – SprG vorgenommen wird.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivil- und Strafrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf dient der Umsetzung von Unionsrecht, nämlich folgender Rechtsakte:

-       von Art. 3 Abs. 1 lit. f und lit. j der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S. 6.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderungen des Strafgesetzbuches)

Zu Z 1, 3 und 4 (§ 278c Abs. 1 Z 5, Abs. 2a und Abs. 3 StGB):

§ 278c StGB diente zunächst – gemeinsam mit § 278b StGB – der Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung (2002/475/JI; in Folge „RB“), und nunmehr der RL Terrorismus. Entsprechend den dortigen Vorgaben (Art. 1 RB; Art. 3 RL Terrorismus) zählt § 278c Abs. 1 (taxativ) jene Tatbestände auf, die bei Vorliegen der erforderlichen Eignung und Zielsetzung als terroristische Straftaten in Betracht kommen (Sammelqualifizierung) (Plöchl in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 278c Rz 1). Bereits der RB sah in Art. 1 Abs. 1 lit. i vor, dass die Drohung, eine der in den lit. a bis h aufgezählten Straftaten zu begehen, als terroristische Straftat eingestuft wird. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. j der RL Terrorismus bedarf es der „Drohung, eine unter den Buchstaben a bis i genannte Handlung zu begehen“. Die Liste der terroristischen Straftaten in Art. 1 Abs. 1 des RB ist dabei mit jener des Art. 3 Abs. 1 der RL Terrorismus nahezu ident. Lediglich in Art. 3 Abs. 1 lit. f und i der RL Terrorismus wurde der Katalog erweitert. Diesen Erweiterungen wurde mit den Änderungen durch das StRÄG 2018 (BGBl. I Nr. 70/2018) Rechnung getragen. Die entsprechenden nationalen Vorschriften (darunter auch jene des § 278c Abs. 1 Z 5 StGB in Verbindung mit § 107 Abs. 2 StGB zur Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 lit. j der RL Terrorismus) sind folglich – bis auf die mit dem StRÄG 2018 vorgenommenen Änderungen – gleichgeblieben.

Trotz der insofern also seit dem Jahr 2002 in § 278c Abs. 1 Z 5 StGB unverändert bestehenden (und auf internationaler oder europäischer Ebene bislang nicht kritisierten) Rechtslage, vertritt die Europäische Kommission in einem an die Republik Österreich gerichteten Mahnschreiben im September 2021 den Standpunkt, dass der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 lit. j iVm Art. 28 der RL Terrorismus nicht nachgekommen worden sei. Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass § 107 Abs. 2 StGB, auf den § 278c Abs. 1 Z 5 StGB verweise, nicht alle Varianten der Drohung mit den in Art. 3 Abs. 1 der RL Terrorismus aufgeführten Handlungen erfasse: Die Drohung, eine unter den Buchstaben c bis i des Art. 3 Abs. 1 angeführte Handlung zu begehen, sei im österreichischen Recht nicht als terroristische Straftat eingestuft.

Diese Kritik scheint zumindest in Teilbereichen berechtigt zu sein:

Zwar umfasst der in § 107 Abs. 2 StGB enthaltene Begriff der Entführung auch Geiselnahmen und das Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Gütertransportmitteln (Art. 3 Abs. 1 lit. c und e), allerdings deckt sich die in § 107 Abs. 2 StGB angeführte „Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung“ nicht vollständig mit den in Art. 3 Abs. 1 lit. d angeführten „schwerwiegenden Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrsmittel, einer Infrastruktur einschließlich eines Informatiksystems, an einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können“, der in Art. 3 Abs. 1 lit. h angeführten „Störung oder Unterbrechung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen gefährdet wird“, oder den in Art. 3 Abs. 1 lit. i angeführten rechtswidrigen Systemeingriffen iSd Richtlinie 2013/40/EU über Angriffe auf Informationssysteme, ABl. L 218 vom 14.8.2013, S. 8. Art. 3 Abs.1 lit. f wird zwar teilweise durch die Bezugnahme auf die „Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel“ in §107 Abs. 2 StGB entsprochen; Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung und Bereitstellung derselben sind davon allerdings wohl ebenso wenig erfasst, wie chemische, biologische, radiologische oder atomare Waffen. Auch Art. 3 Abs. 1 lit. g wird von 107 Abs. 2 StGB nur teilweise erfasst: So ist die in § 107 Abs. 2 StGB bezeichnete Brandstiftung zwar in § 169 StGB und die Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel in §§ 171 und 173 StGB geregelt; Überschwemmungen oder sonstige gefährliche Stoffe wie Chemikalien werden in § 107 Abs. 2 StGB allerdings nicht angeführt.

Zur Sicherstellung einer richtlinienkonformen Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 lit. j der RL Terrorismus und Entkräftung sämtlicher Kritikpunkte der Europäischen Kommission scheint es daher am Zielführendsten, direkt in § 278c StGB entsprechende Änderungen vorzunehmen. Mit der Einfügung eines neuen Abs. 2a soll sichergestellt werden, dass die Drohung mit einer der in den einzelnen Ziffern des Abs. 1 bezeichneten Straftaten mit entsprechender terroristischer Eignung und Zielsetzung eine terroristische Straftat darstellt. Aufgrund einer Anregung des Obersten Gerichtshofs im Begutachtungsverfahren 235/ME, 27. GP soll im Text des Abs. 2a nicht der Begriff der „Zielsetzung“ verwendet, sondern auf den in Abs. 1 bezeichneten Vorsatz abgestellt werden. Dies ist sohin der Vorsatz die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören. Auch die terroristische Eignung der Tat muss vom Tätervorsatz umfasst sein (vgl. Stellungnahme der Generalprokuratur im Begutachtungsverfahren 235/ME, 27. GP; zu den Anforderungen an den subjektiven Tatbestand im Allgemeinen siehe Plöchl in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 278c [Stand 2.9.2020, rdb.at] Rz 26).

Auch die Vorgaben des Art. 15 Abs. 2 der RL Terrorismus wären erfüllt: Dieser sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die terroristischen Straftaten nach Artikel 3 und die Straftaten nach Artikel 14, soweit sie sich auf terroristische Straftaten beziehen, mit höheren Freiheitsstrafen als denjenigen bedroht sind, die nach dem nationalen Recht für solche Straftaten ohne den nach Artikel 3 erforderlichen besonderen Vorsatz vorgesehen sind, es sei denn die vorgesehenen Strafen stellen bereits die nach dem nationalen Recht möglichen Höchststrafen dar. Der vorgeschlagene Abs. 2a würde jedenfalls höhere Strafdrohungen als § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB vorsehen, während § 107 Abs. 3 StGB (Selbstmord bzw. Selbstmordversuch als Folge) keine Drohung iSd Art. 3 Abs. 1 lit. j der RL Terrorismus darstellt, sodass dessen Strafrahmen nicht zu berücksichtigen ist. Die vorgeschlagene Lösung wäre auch an die deutsche Rechtslage angelehnt. Gemäß Abs. 3 des § 129a dStGB („Bildung terroristischer Vereinigungen“) ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen, wenn die Zwecke oder die Tätigkeit einer Vereinigung darauf gerichtet sind, eine der in den vorangehenden Absätzen bezeichneten Straftaten anzudrohen.

Der Tatbestandsausschließungsgrund (vgl. dazu Plöchl in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 278c Rz 21) des Abs. 3 wäre um den neuen Tatbestand nach Abs. 2a zu ergänzen.

Durch die Einfügung des neuen Abs. 2a, der sämtliche Drohungen mit Handlungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. a bis i der RL Terrorismus umfassen würde, wäre der in § 278c Abs. 1 Z 5 StGB enthaltene Verweis auf § 107 Abs. 2 StGB nicht länger erforderlich und daher gleichzeitig eine Streichung dieser Bestimmung vorzunehmen.

Zu Z 2 (§ 278c Abs. 1 Z 10):

Nach dem RB und der RL Terrorismus kommen lediglich Vorsatztaten als terroristische Straftaten in Betracht (Art 1). Plöchl geht daher davon aus, dass die Ausklammerung der Fahrlässigkeitsvarianten bei Z 10 versehentlich unterblieben sei (Plöchl in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 278c, Rz 5 Z 10). Die Fahrlässigkeitsvariante des § 50 Abs. 1 WaffG sowie § 7 Abs. 2a Kriegsmaterialgesetz ist vom Wortlaut mitumfasst, wobei § 278c Abs. 1 Z 10 diesbezüglich anhand historischer Interpretation der in der Lehre vertretenen teleologischen Reduktion zugänglich ist (Sadoghi in SbgK, § 278c Rz 34). Bei entsprechender teleologischer Reduktion des § 278c Abs. 1 Z 10 StGB sind Drohungen mit solchen Straftaten von vornherein nicht vom vorgeschlagenen Abs. 2a umfasst.

Faktisch ist die Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts mit terroristischer Zielsetzung („und mit dem Vorsatz begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören“) wohl auch nicht denkbar.

Die vorgeschlagene Ergänzung um das Adjektiv „vorsätzliche“ dient somit lediglich der Klarstellung, dass die genannten Fahrlässigkeitsdelikte von der Z 10 nicht umfasst sind. Zudem soll zur weiteren Umsetzung der Tatbestand in Z 10 um strafbare Handlungen nach § 43 SprG ergänzt werden.