Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die Verordnung (EU) 2022/858 über eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 909/2014 sowie der Richtlinie 2014/65/EU, ABl. Nr. L 151 vom 02.06.2022 S. 1, soll die Entwicklung von Finanzmarktinfrastrukturen fördern, die mit Hilfe der Distributed-Ledger-Technologie („DLT“ und zu Deutsch „Technologie des verteilten Kontenbuchs“) Dienstleistungen für den Handel und die Abwicklung von jenen Kryptowerten erbringen, die als Finanzinstrumente gelten. Dadurch sollen Effizienz, Transparenz und Wettbewerb bei Handels- und Abwicklungstätigkeiten erhöht werden. Gleichzeitig soll ein hohes Maß an Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzmarktstabilität sichergestellt werden und ein Erfahrungsaustausch zwischen Marktteilnehmern und Aufsichtsbehörden in Bezug auf DLT und jene Kryptowerte, die als Finanzinstrumente gelten, ermöglicht werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sieht die Verordnung (EU) 2022/858 im Wesentlichen ein Pilotregime mit folgenden unionsweiten Bestimmungen vor:

- Einführung einer besonderen Genehmigung für den Betrieb von DLT-Marktinfrastrukturen. Diese umfassen multilaterale DLT-Handelssysteme („DLT-MTF“), DLT-Abwicklungssysteme („DLT-SS“) und DLT-Handels- und Abwicklungssysteme („DLT-TSS“). Als mögliche Betreiber kommen je nach DLT-Marktinfrastruktur Wertpapierfirmen, Marktbetreiber oder Zentralverwahrer in Frage.

- Kompetenz der zuständigen Aufsichtsbehörden, DLT-basierte Marktinfrastrukturen zeitlich befristet von einigen spezifischen Anforderungen bestehender Rechtsvorschriften der EU über Finanzdienstleistungen auszunehmen. Diese Ausnahmen betreffen insbesondere Rechtsvorschriften, die bei der Entwicklung von Handels- und Abwicklungsdienstleistungen auf DLT-Basis hinderlich sein könnten.

- Geltung von nahezu sämtlichen Anforderungen, die herkömmliche Marktinfrastrukturen erfüllen müssen, für DLT-Marktinfrastrukturen, es sei denn es handelt sich um Anforderungen, von denen die zuständige Aufsichtsbehörde eine Ausnahme erteilt hat.

- Kompetenz der zuständigen Aufsichtsbehörden, Ausnahmen an Bedingungen sowie an Ausgleichs- und Abhilfemaßnahmen zu knüpfen, mit denen die Ziele jener Bestimmungen erreicht werden können, von denen eine Ausnahme gewährt wurde. Einführung zusätzlicher Anforderungen an DLT-Marktinfrastrukturen im Vergleich zu herkömmlichen Marktinfrastrukturen. Dazu gehören etwa spezielle Sicherheitsvorkehrungen, Informationspflichten und Haftungsregeln.

- Erweiterung der Begriffsbestimmung des Finanzinstruments um DLT-basierte Instrumente bei gleichzeitiger Beschränkung jener Finanzinstrumente, die über DLT-Marktinfrastrukturen zum Handel zugelassen oder verbucht werden können, nach Art und Gesamtmarktwert.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll jene Bestimmungen in das österreichische Recht einfügen, die notwendig sind, damit die Verordnung (EU) 2022/858 in Österreich wirksam werden kann. Dementsprechend muss insbesondere eine zuständige Behörde, die gemäß der Verordnung (EU) 2022/858 für die Erteilung der besonderen Genehmigung und Ausnahmen sowie die Beaufsichtigung der Betreiber von Marktinfrastrukturen mit Sitz oder Hauptverwaltung in Österreich zuständig ist, benannt werden. Überdies müssen gesetzliche Vorschriften betreffend die für einen wirkungsvollen Vollzug notwendigen sonstigen begleitenden Verfahrens- und Aufsichtsvorschriften vorgesehen werden. Außerdem muss eine in der Verordnung (EU) 2022/858 vorgesehene Änderung des Begriffs des Finanzinstruments gemäß der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. Nr. L 173 vom 12.06.2014 S. 349, in der Fassung der Richtlinie (EU) 2021/338, ABl. Nr. L 68 vom 26.02.2021 S. 14, in nationales Recht umgesetzt werden.

Die Verordnung (EU) 2022/858 trat am 20. Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 2. Juni 2022 in Kraft und ist ab 23. März 2023 unionsweit unmittelbar anwendbar.

Die Laufzeit der in der Verordnung (EU) 2022/858 vorgesehenen Pilotregelungen ist vorerst zeitlich begrenzt. Bis zum 24. März 2026 soll die ESMA (European Securities and Markets Authority) der Europäischen Kommission über ihre Bewertung der Pilotregelungen Bericht erstatten. Auf Grundlage eines auf dieser Bewertung aufbauenden Berichts der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat soll anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse entschieden werden, ob die Pilotregelungen verlängert, auf andere Arten von Finanzinstrumenten ausgedehnt, geändert, durch Änderung einschlägiger EU-Rechtsvorschriften dauerhaft eingeführt oder einschließlich aller besonderen Genehmigungen beendet werden sollten. In diesem Zusammenhang kann die Europäische Kommission geeignete Änderungen oder eine Harmonisierung von Rechtsvorschriften vorschlagen. Zudem kann sie Maßnahmen vorschlagen, die den Ausstieg von DLT-Marktinfrastrukturen aus dem Pilotregime erleichtern.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 5 B-VG (Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Umsetzungshinweis)

Durch das DLT-VVG sollen im österreichischen Recht die für das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2022/858 erforderlichen Bestimmungen geschaffen werden.

Zu Artikel 2 (Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2022/858 über eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 909/2014 sowie der Richtlinie 2014/65/EU (DLT-Verordnung-Vollzugsgesetz – DLT-VVG)

Zu § 1:

§ 1 Abs. 1 setzt Art. 12 der Verordnung (EU) 2022/858 um. Gemäß § 1 Abs. 1 soll für Österreich die FMA als zuständige Behörde gemäß Art. 12 der Verordnung (EU) 2022/858 benannt werden.

Art. 2 Nr. 21 lit. a bis c der Verordnung (EU) 2022/858 definiert als zuständige Behörde jene Behörde bzw. Behörden, die gemäß Art. 67 der Richtlinie 2014/65/EU, gemäß Art. 11 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl. Nr. L 257 vom 28.08.2014 S. 1, oder auf sonstige Weise von einem Mitgliedstaat zum Zwecke der Überwachung der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/858 benannt wurde bzw. wurden.

Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2022/858 sieht vor, dass für eine Wertpapierfirma, die ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreibt, die zuständige Behörde jene Behörde ist, die durch den Mitgliedstaat benannt wurde, der gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 Buchstabe a Z ii und iii der Richtlinie 2014/65/EU bestimmt wurde. Durch den Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 Buchstabe a Z ii und iii der Richtlinie 2014/65/EU erfolgt eine Bezugnahme auf den Herkunftsmitgliedstaat, der im Falle von Wertpapierfirmen, die ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreiben, jener Mitgliedstaat ist, in dem die Wertpapierfirma ihren Sitz hat oder in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet, wenn die Wertpapierfirma gemäß dem für sie maßgeblichen nationalen Recht keinen Sitz hat.

Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2022/858 sieht vor, dass für einen Marktbetreiber, der ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreibt, jene Behörde zuständig ist, die durch den Mitgliedstaat benannt wurde, in dem sich der satzungsmäßige Sitz des Markbetreibers oder – sofern der Marktbetreiber nach dem Recht dieses Mitgliedstaates dort keinen satzungsmäßigen Sitz hat – die Hauptverwaltung des Marktbetreibers befindet.

Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2022/858 legt fest, dass für einen Zentralverwahrer, der ein DLT-SS oder DLT-TSS betreibt, jene Behörde zuständig ist, die durch den Mitgliedstaat benannt wurde, der gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 23 Verordnung (EU) Nr. 909/2014 bestimmt wurde. Durch den Verweis auf Art. 2 Abs. 1 Nr. 23 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 erfolgt eine Bezugnahme auf den Herkunftsmitgliedstaat, der im Falle von Zentralverwahrern, die ein DLT-SS oder DLT-TSS betreiben, jener Mitgliedstaat ist, in dem der Zentralverwahrer seinen Sitz hat.

Abs. 2 wurde § 69 Abs. 5 des Bankwesengesetzes – BWG, BGBl. Nr. 532/1993, nachgebildet und regelt die Anwendung von Leitlinien und Empfehlungen der ESMA im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/858.

Abs. 3 und Abs. 4 ordnen an, dass es auch im Rahmen der Aufsicht über Zentralverwahrer, die ein DLT-SS oder DLT-TSS und der Aufsicht über Wertpapierfirmen oder Marktbetreiber, die ein DLT-TSS betreiben, eine Zusammenarbeit zwischen der FMA und der OeNB geben soll. Die OeNB ist daher insbesondere auch in dem Verfahren der FMA zur Erteilung einer besonderen Genehmigung für den Betrieb eines DLT-SS oder DLT-TSS durch einen Zentralverwahrer oder den Betrieb eines DLT-TSS durch eine Wertpapierfirma oder einen Marktbertreiber eingebunden. Die Zusammenarbeit zwischen der FMA und der OeNB im Rahmen der Aufsicht über die Betreiber von DLT-TSS beschränkt sich jedoch auf die Dienstleistungen des eingeschlossenen DLT-SS, weil nur im Hinblick auf diese Dienstleistungen die Synergien der bereits bestehenden Zusammenarbeit zwischen der FMA und der OeNB auf Grundlage des Zentralverwahrer-Vollzugsgesetzes – ZvVG, BGBl. I Nr. 69/2015, sinnvoll genutzt werden können. Zudem können mit dieser Art der Zusammenarbeit zwischen der FMA und der OeNB Doppelgleisigkeiten bei der Aufsicht vermieden werden. Durch die Anordnung der Anwendbarkeit von § 1 Abs. 4 ZvVG im Hinblick auf die von DLT-SS zu erbringenden Dienstleistungen, welche im Rahmen eines reinen DLT-SS oder eines DLT-TSS, das die Dienstleistungen eines DLT-SS und eines DLT-MTF kombiniert, erbracht werden können, wird klargestellt, dass die Aufgaben, Rechte und Pflichten der OeNB im Bereich der Zahlungssystemaufsicht gemäß § 44a des Nationalbankgesetzes 1984 – NBG, BGBl. Nr. 50/1984, unberührt bleiben.

Zu § 2:

§ 2 Abs. 1 bis 8 wurde zum Teil § 2 des ZvVG nachgebildet und regelt grundlegende Aufsichtsbefugnisse.

Abs. 9 enthält eine Ermächtigung der FMA zur Verarbeitung personenbezogener Daten.

Abs. 10, 11 und 12 enthalten Bestimmungen zur Zusammenarbeit der FMA mit Behörden aus Drittstaaten. Als Zusammenarbeit gilt auch der Informationsaustausch der FMA mit Behörden aus Drittstaaten einschließlich der Übermittlung von Daten an Behörden aus Drittstaaten durch die FMA.

Zu § 3:

§ 3 regelt die Tragung der Kosten der Aufsicht über die Betreiber von DLT-Marktinfrastrukturen.

Abs. 1 soll eine Zuordnung von Kosten der Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen, Marktbetreibern und Zentralverwahrern, die eine DLT-Marktinfrastruktur betreiben, zum Rechnungskreis „Kosten der Wertpapieraufsicht“ sicherstellen.

Abs. 2 legt fest, dass die Zuordnung der Kosten für Wertpapierfirmen, die ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreiben, in sinngemäßer Anwendung des § 89 des Wertpapieraufsichtsgesetzes 2018 – WAG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, aber unter Berücksichtigung zweier besonderer Vorgaben, erfolgen soll. Zum einen sollen jene Wertpapierfirmen kostenpflichtig sein, die ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreiben. Zum anderen sollen die Kosten der Aufsicht über diese Wertpapierfirmen nach dem DLT-VVG jenem gemeinsamen Subrechnungskreis zugeordnet werden, der bereits gemäß § 89 Abs. 1 WAG 2018 für die Kosten der Aufsicht über Wertpapierfirmen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Wertpapierfirmen gemäß § 19 Abs. 1 WAG 2018 sowie Drittlandfirmen gemäß § 21 Abs. 1 WAG 2018, die in Österreich Wertpapierdienstleistungen oder Anlagetätigkeiten über eine Zweigstelle ausüben, zu bilden ist.

Abs. 3 legt fest, dass die Zuordnung der Kosten für Marktbetreiber, die ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreiben, in sinngemäßer Anwendung des § 94 des Börsegesetzes 2018 – BörseG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, aber unter Berücksichtigung zweier besonderer Vorgaben, erfolgen soll. Zum einen sollen jene Marktbetreiber kostenpflichtig sein, die ein DLT-MTF oder DLT-TSS betreiben. Zum anderen sollen die Kosten der Aufsicht über diese Markbetreiber nach dem DLT-VVG jenem gemeinsamen Subrechnungskreis zugeordnet werden, der bereits gemäß § 94 Abs. 1 BörseG 2018 für die Kosten der Aufsicht über Marktinfrastrukturen zu bilden ist.

Abs. 4 legt fest, dass die Zuordnung der Kosten für Zentralverwahrer, die ein DLT-SS oder DLT-TSS betreiben, in sinngemäßer Anwendung des § 11 des ZvVG, aber unter Berücksichtigung zweier besonderer Vorgaben, erfolgen soll. Zum einen sollen jene Zentralverwahrer kostenpflichtig sein, die ein DLT-SS oder DLT-TSS betreiben. Zum anderen sollen die Kosten der Aufsicht über diese Zentralverwahrer nach dem DLT-VVG jenem gemeinsamen Subrechnungskreis zugeordnet werden, der bereits gemäß § 11 Abs. 1 ZvVG für die Kosten der Aufsicht über Marktinfrastrukturen zu bilden ist.

Zu § 4:

Sprachliche Gleichbehandlungsbestimmung.

Zu § 5:

Vollzugsbestimmung.

Zu § 6:

Hier wird klargestellt, dass Verweise auf andere Bundesgesetze dynamisch sind.

Zu § 7:

Inkrafttretensbestimmung.

Zu Artikel 3 (Änderung des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes)

Zu § 2 Abs. 3 Z 20:

Die Tätigkeit als zuständige Behörde gemäß Art. 2 Nr. 21 der Verordnung (EU) 2022/858 wird der Wertpapieraufsicht zugeordnet.

Zu § 28 Abs. 49:

Inkrafttretensbestimmung.

Zu Artikel 4 (Änderung des Wertpapieraufsichtsgesetzes 2018)

Zu § 1 Z 7:

Mit der Ergänzung des Einleitungsteils von § 1 Z 7 wird Art. 18 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2022/858 umgesetzt. Finanzinstrumente, die auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie emittiert werden, sollen ausdrücklich von der Begriffsbestimmung der Finanzinstrumente gemäß § 1 Z 7 WAG 2018 umfasst sein.

Zu § 117 Abs. 11:

Inkrafttretensbestimmung.