2038 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (2031 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Durch den vorliegenden Entwurf soll die Richtlinie (EU) 2019/2121 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, Amtblatt L 321 vom 12. Dezember 2019 S 1 (CELEX-Nr. 32019L2121), umgesetzt werden.

Die Richtlinie (EU) 2019/2121 aktualisiert durch die Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 die Vorschriften über grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, wodurch auch Artikel 133 dieser Richtlinie, der die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Fall grenzüberschreitender Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften regelt, einige Änderungen erfährt.

Zudem schafft die Richtlinie (EU) 2019/2121 einen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen von Kapitalgesellschaften; durch die neu erlassenen Artikel 86l und 160l der Richtlinie (EU) 2017/1132 wurden auch Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer für diese Fälle erlassen.

Die ebenfalls neu erlassenen Artikel 86k, 126c und 160k der Richtlinie (EU) 2019/2121 regeln das Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen; im Hinblick darauf, dass die diesbezüglichen Vorgaben der Richtlinie nach östereichischem Recht bereits erfüllt sind, besteht insoweit jedoch kein Umsetzungsbedarf.

Die übrigen Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2019/2121 regeln im Wesentlichen die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen im Fall grenzüberschreitender Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen von Kapitalgesellschaften; diese Bestimmungen sollen im Gesellschaftsrecht nachvollzogen werden. Ein entsprechender Ministerialentwurf des Bundesministeriums für Justiz betreffend ein Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Umgründung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union soll zeitnah mit diesem Entwurf zur allgemeinen Begutachtung versendet werden.

Diese gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen umfassen auch einige in engem Zusammenhang mit dem Prozess der Umgründung stehende Rechte der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung – so vor allem Artikel 86e, 124 und 160e der Richtlinie 2019/2121‑, die ebenfalls im EU-Umgründungsgesetz umgesetzt werden.

Durch den hier vorliegenden Entwurf hingegen sollen lediglich die Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Fall grenzüberschreitender Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen von Kapitalgesellschaften im Arbeitsverfassungsgesetz nachvollzogen werden. Dies bedingt die

-       Anpassung des Rechtes auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Gesellschaften, die aus grenzüberschreitenden Verschmelzungen hervorgehen, sowie

-       Schaffung eines Rechtes auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Gesellschaften, die aus grenzüberschreitenden Umwandlungen oder Spaltungen hervorgehen.

Die Anpassung der Mitbestimmungregelungen im Fall grenzüberschreitender Verschmelzungen umfasst im Wesentlichen folgende Änderungen:

-       Anpassung des Geltungsbereiches des 1. Hauptstückes des VIII. Teiles (siehe im Besonderen Teil die Erläuterungen zu Z 7, § 258 Abs. 1 Z 1);

-       Einschränkung des Rechts der zuständigen Leitungs- und Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften zu beschließen, keine Verhandlungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu führen (siehe im Besonderen Teil die Erläuterungen zu Z 10, § 261 Abs. 1 erster Satz);

-       Ausweitung der Anwendbarkeit bestehender Mitbestimmungssysteme auf alle Fälle nachfolgender innerstaatlicher oder grenzüberschreitender Verschmelzungen, Umwandlungen oder Spaltungen (siehe im Besonderen Teil die Erläuterungen zu Z 12, § 262).

Das Verfahren zur Schaffung eines Rechts auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer läuft im Fall von grenzüberschreitenden Umwandlungen oder Spaltungen im Wesentlichen analog zu dem im Fall von grenzüberschreitenden Verschmelzungen einzuhaltenden Verfahren ab.

Im Einzelnen ist zunächst auf Grund einer schriftlichen Aufforderung der zuständigen Leitungs- oder Verwaltungsorgane der umzuwandelnden Gesellschaft bzw. jener Gesellschaften, denen ím Zuge der grenzüberschreitenden Spaltung einer Kapitalgesellschaft, das gesamte oder ein Teil des Vermögens dieser Gesellschaft übertragen werden (begünstigte Gesellschaften), an die Arbeitnehmervertreter oder die Arbeitnehmer in diesen Gesellschaften sowie in den von der Umwandlung bzw. Spaltung betroffenen Tochtergesellschaften und betroffenen Betrieben ein besonderes Verhandlungsgremium zu errichten.

Aufgabe des besonderen Verhandlungsgremiums ist es, mit dem zuständigen Organ der umzuwandelnden bzw. begünstigten Gesellschaften eine schriftliche Vereinbarung über Mitbestimmung abzuschließen, wobei in dieser Vereinbarung jedenfalls die Zahl der Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsrates, die die Arbeitnehmer wählen oder bestellen können oder deren Bestellung sie empfehlen oder ablehnen können sowie das Verfahren, nach dem die Arbeitnehmer dabei vorzugehen haben, festzulegen ist.

Wenn das zuständige Organ der umzuwandelnden bzw. begünstigten Gesellschaft und das besondere Verhandlungsgremium einen entsprechenden Beschluss fassen oder innerhalb von sechs Monaten bzw. einem Jahr nach Aufnahme der Verhandlungen keine Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zustande kommt, richtet sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach den subsidiären Vorschriften des 3. Hauptstückes des VI. Teiles des ArbVG.

Das bedeutet, dass das besondere Verhandlungsgremium über die Verteilung der Sitze im Aufsichts- oder Verwaltungsrat der umzuwandelnden bzw. begünstigten Gesellschaft auf die Arbeitnehmervertreter aus verschiedenen Mitgliedstaaten entsprechend den jeweiligen Anteilen der in den einzelnen Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer der Gesellschaft, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe sowie über die Entsendung der österreichischen Mitglieder in den Aufsichts- oder Verwaltungsrat der umzuwandelnden bzw. begünstigten Gesellschaft zu entscheiden hat.

Das besondere Verhandlungsgremium kann aber auch – mit mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen, die mindestens zwei Drittel der Arbeitnehmer in mindestens zwei Mitgliedstaaten vertreten – beschließen, keine Verhandlungen zu eröffnen oder die bereits eröffneten Verhandlungen abzubrechen. In diesem Fall ist auf die umgewandelte bzw. begünstigte Gesellschaft § 110 anzuwenden.

Im Fall nachfolgender innerstaatlicher Verschmelzungen, Umwandlungen oder Spaltungen einer verschmolzenen, umgewandelten oder begünstigten Gesellschaft gilt für die daraus hervorgehende Gesellschaft hinsichtlich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer § 110 ArbVG, es sei denn, dass dessen Anwendung zu einer Minderung der Mitbestimmungsrechte im Sinne der Bestimmungen des VI. Teiles führen würde. Im Fall nachfolgender grenzüberschreitender Verschmelzungen, Umwandlungen oder Spaltungen einer verschmolzenen, umgewandelten oder begünstigten Gesellschaft gelten für die daraus hervorgehende Gesellschaft hinsichtlich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer die Bestimmungen des VIII. Teiles, es sei denn, dass deren Anwendung zu einer Minderung der Mitbestimmungsrechte im Sinne der Bestimmungen des VI. Teiles führen würde. Unter einer Minderung der Mitbestimmungsrechte ist in diesem Zusammenhang vor allem eine Verringerung des Anteiles der Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsrat der Gesellschaft zu verstehen. In diesem Fall gelten die bisher für die verschmolzene, umgewandelte oder begünstigte Gesellschaft maßgeblichen Mitbestimmungsregelungen für einen Zeitraum von vier Jahren ab Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Verschmelzung, Umwandlung oder Spaltung weiter.

Diese Änderungen des Arbeitsverfassungsgesetzes führen insofern – implizit – auch zu entsprechenden Änderungen des Post-Betriebsverfassungsgesetzes, als die Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auch auf alle Gesellschaften anzuwenden sind, die dem Post-Betriebsverfassungsgesetz unterliegen, wobei die den Organen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zukommenden Aufgaben jedoch von den nach dem Post-Betriebsverfassungsgesetz errichteten Organen wahrzunehmen sind (siehe § 76 Abs. 4 Post-Betriebsverfassungsgesetz).

Durch eine Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes (Artikel 2 des Entwurfes) soll ein Gerichtsstand am Sitz der aus der grenzüberschreitenden Umwandlung oder Spaltung hervorgehenden Gesellschaft für Rechtsstreitigkeiten, die sich auf das besondere Verhandlungsgremium sowie auf die Mitbestimmung im Aufsichts- oder Verwaltungsrat der umgewandelten bzw. begünstigten Gesellschaft beziehen, geschaffen werden.

Durch die Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches sollen in der Praxis bestehende Auslegungsprobleme in Zusammenhang mit § 1159 Abs. 2 und 4 dritter Satz Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch zu Auslegungsproblemen beseitigt werden.. Die Kollektivvertragspartner sollen zusätzlich die Möglichkeit erhalten, in Kollektivverträgen ab dem 1. Jänner 2018 über den Bereich der Saisonbranchen hinaus Ausnahmeregelungen für Kündigungsfristen und -termine festlegen zu können.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Arbeitsrecht“).

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 11. Mai 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Bettina Zopf die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Alois Stöger, diplômé,
Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Markus Koza und Peter Wurm sowie der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Markus Koza einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Die im Art. 4 der Regierungsvorlage enthaltene Maßnahme wird zurückgezogen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Bettina Zopf,
Mag. Markus Koza mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen.

 

Ein vom Abgeordneten Mag. Gerald Loacker gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Arbeitsverfassungsgesetz soll Post-Betriebsverfassungsgesetz ersetzen fand keine Mehrheit (dafür: N, dagegen: V, S, F, G).

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2023 05 11

                                   Bettina Zopf                                                                   Josef Muchitsch

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann