2122 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über die Regierungsvorlage (2089 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert wird
1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:
Im Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 („Aus Verantwortung für Österreich.“, S. 213) hat sich die Bundesregierung – neben vielen weiteren Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in die Exekutive – auf die „Sicherstellung einer konsequenten Aufklärung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ sowie auf die „konsequente und unabhängige Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen bzw. Polizeibeamte in einer eigenen Behörde in multiprofessioneller Zusammensetzung, die sowohl von Amts wegen ermittelt als auch als Beschwerdestelle für Betroffene fungiert und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet ist“ verständigt. Der Umsetzung dieser beiden Punkte dient das vorliegende Gesetzesvorhaben.
Zur Vornahme einer entsprechenden Reformierung wurde im Bundesministerium für Inneres das Projekt „Evaluierung des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung unter Berücksichtigung der Einrichtung einer Beschwerdebehörde bei Misshandlungsvorwürfen“ geschaffen und in dessen Umsetzung der gegenständliche Entwurf zur Änderung des BAK-G ausgearbeitet.
Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) ist eine außerhalb der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit bestehende, bewusst außerhalb der „klassischen“ Hierarchie der Sicherheitsexekutive angesiedelte und von dieser unabhängige Organisationseinheit. Schon nach geltender Rechtslage ist das BAK für Ermittlungen gegen Ressortangehörige des BMI wegen gerichtlich strafbarer Handlungen zuständig, soweit eine schriftliche Beauftragung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht vorliegt. Dadurch verfügt das Bundesamt über eine langjährige Erfahrung und Expertise in sensiblen, polizeiinternen Ermittlungen. Zudem enthält das BAK-G bereits umfassende Bestimmungen zur Gewährleistung von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und der Vermeidung von externen Einflussnahmen sowie des adäquaten Umgangs mit Vorwürfen gegen das Bundesamt selbst.
Aus den genannten Gründen und den Intentionen des Regierungsprogramms folgend soll im BAK eine eigene Organisationseinheit geschaffen werden, die eine konsequente Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen im Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres sicherstellt. Jeder behauptete oder aufgrund von äußeren Umständen mögliche Fall einer Misshandlung im Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres soll zukünftig von der beim BAK eingerichteten und mit umfassenden polizeilichen Befugnissen ausgestatteten, auf Misshandlungsvorwürfe spezialisierten „Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe“ (Ermittlungs- und Beschwerdestelle) untersucht und aufgeklärt werden.
Die auch im internationalen Kontext geforderte Unabhängigkeit, aber auch die in diesem Bereich in besonderem Maße erforderliche Transparenz macht ein Bündel an legistischen (sowie auch organisatorischen) Maßnahmen erforderlich, die einander wechselseitig verstärken sollen: So wird – nach dem Vorbild des strengen Regimes im Verfassungsschutz gem. § 2 Abs. 5 und 6 sowie § 21 Abs. 7 Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz – SNG, BGBl. I Nr. 5/2016 – die Möglichkeit der Nebenbeschäftigung für die Leitung und die stellvertretende Leitung sowie die sonstigen Bediensteten eingeschränkt. Ferner werden zur Stärkung der Unabhängigkeit die Funktionsperioden des Direktors und seiner Stellvertreter auf zehn Jahre verlängert. Darüber hinaus sollen Direktor, Stellvertreter sowie sonstige Bedienstete des Bundesamts in Leitungsfunktionen einer Sicherheitsüberprüfung für den Zugang zu streng geheimer Information, sonstige Bedienstete für den Zugang zu geheimer Information unterzogen werden. Die Sensibilität der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle macht es auch erforderlich, dass nur Bedienstete mit einer speziellen Ausbildung insbesondere im Bereich der Grund- und Menschenrechte in der neu zu schaffenden Organisationseinheit tätig sind. Weisungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ermittlungs- und Beschwerdestelle, von denen im Sinne der Beibehaltung einer politischen Letztverantwortung nicht abgewichen werden soll, sind nicht nur schriftlich zu erteilen und zu begründen, sondern dem eigens zu installierenden, multiprofessionell zusammengesetzten, unabhängigen Beirat Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (§ 9a) als qualitätssicherndes Beratungsgremium zu übermitteln.
Darüber hinaus soll die neue Ermittlungs- und Beschwerdestelle im Sinne der Evaluierung des BAK zukünftig auch bundesweit für kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt mit Todesfolge und lebensgefährdendem Waffengebrauch zuständig sein.
2. Kompetenzgrundlage:
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines diesem Entwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 („Strafrechtswesen“) und Z 7 („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“) sowie Z 16 („Dienstrecht der Bundesbediensteten“) des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 21. Juni 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Georg Bürstmayr die Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Stephanie Krisper, Werner Herbert, Mag. Wolfgang Gerstl, Dietmar Keck sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu Z 1:
Mit der Änderung in § 9c Abs. 3 soll die Übermittlungsermächtigung – neben der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe – auf die Gerichte und Staatsanwaltschaften erweitert werden, damit auch diese auf Grundlage der StPO ermittelte Daten an den Beirat übermitteln können. Die Befassung der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts durch die Ermittlungs- und Beschwerdestelle vor Übermittlung an den Beirat dient dem Zweck, die nach § 76 Abs. 4 StPO zwingend durchzuführende Interessenabwägung durch die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht zu ermöglichen.
Zu Z 2:
Durch die Einfügung eines neuen Absatzes in § 9c soll die Verarbeitungsermächtigung von personenbezogenen Daten durch den Beirat hinreichend determiniert und eine Übermittlungsermächtigung vom Beirat an die Ermittlungs- und Beschwerdestelle sowie Staatsanwaltschaften und Gerichte geschaffen werden. Hinsichtlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten sowie Daten gemäß Art. 10 DSGVO setzt sowohl die Verarbeitung als auch die Übermittlung unbedingte Erforderlichkeit für die jeweilige, gesetzlich übertragene Aufgabenerfüllung voraus.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.
Ein von der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper im
Zuge der Debatte gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR eingebrachter
selbständiger Antrag auf Beschlussfassung einer Entschließung
betreffend Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungs- und
Beschwerdestelle für Misshandlungsvorwürfe gegen Polizist:innen
außerhalb des Innenministeriums fand nicht die Zustimmung der
Ausschussmehrheit
(dafür: S, F, N, dagegen: V, G).
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2023 06 21
Mag. Georg Bürstmayr Dr. Christian Stocker
Berichterstattung Obmann