Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Protokolls im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen.

Da durch das Protokoll Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Die steuerlichen Beziehungen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China werden gegenwärtig durch das am 10. April 1991 in Peking unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, samt Protokoll BGBl. Nr. 679/1992, geregelt. Dieses Abkommen entspricht derzeit nicht in allen Bereichen dem Standard der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betreffend Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Standard) sowie dem OECD-Standard betreffend die steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft und ist daher revisionsbedürftig.

Das Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, BGBl. III Nr. 93/2018 („MLI“), wurde von beiden Staaten unterzeichnet und ratifiziert. Es ist bereits im bilateralen Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China anwendbar. Das MLI dient der Umsetzung von BEPS-Standards in die Doppelbesteuerungsabkommen der teilnehmenden Staaten. Es kann ein Doppelbesteuerungsabkommen aber letztlich nur insoweit modifizieren, als die Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich mit jenen des Abkommenspartners übereinstimmen. Zudem kann das Doppelbesteuerungsabkommen mittels MLI nicht komplett an den neuesten OECD-Standard angepasst werden. So berührt das MLI bspw. nicht den OECD-Standard betreffend Amtshilfe. Zudem werden durch das MLI im bilateralen Verhältnis Österreich-China nicht alle relevanten BEPS-Maßnahmen umgesetzt.

Mit dem Protokoll sollen daher BEPS-Maßnahmen, welche nicht mittels MLI umgesetzt werden können, sowie der aktuelle OECD-Standard betreffend die steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft in das Doppelbesteuerungsabkommen Eingang finden. Vor allem werden aber weitere Bestimmungen des Abkommens geändert, um den Standort Österreich für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken.

Mit dem Inkrafttreten des Protokolls werden im Wesentlichen keine personellen Wirkungen verbunden sein. Die mit dem Inkrafttreten des Protokolls verbundenen finanziellen Auswirkungen werden aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Durch diese Bestimmung wird im Einklang mit dem OECD-Musterabkommen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA) in der Fassung vom 21. November 2017 der Titel des Abkommens geändert. Dadurch wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Ziel und Zweck des Abkommens nicht nur die Vermeidung der Doppelbesteuerung sondern auch die Verhinderung der Steuerverkürzung und Steuerumgehung ist.

Zu Art. 2:

Durch diese Bestimmung erfolgt eine OECD-konforme Anpassung des Art. 1 des Abkommens. Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Abkommens, der sich im Wortlaut bereits im Abkommen von 1991 findet, ist das Abkommen auf Personen anzuwenden, die in einem der beiden Vertragsstaaten gemäß Art. 4 ansässig sind.

Der neue Art. 1 Abs. 2 des Abkommens stellt in OECD-konformer Weise sicher, dass die Einkünfte transparenter Rechtsträger in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Personengesellschaftsberichts („The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships“, OECD, 1999) behandelt werden. Zudem dehnt die Bestimmung die Anwendung dieser Grundsätze neben Personengesellschaften auch auf Sachverhalte aus, die der Bericht nicht direkt behandelt, z. B. auf Trusts und Investmentfonds. Dadurch sollen Zurechnungskonflikte bei transparenten Gebilden generell gelöst werden. Die Regelung ist so ausgestaltet, dass es für die Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen (z. B. eines reduzierten Quellensteuersatzes) darauf ankommt, ob einer der beiden Vertragsstaaten die Einkünfte dem Gebilde selbst oder einer anderen in diesem Vertragsstaat ansässigen Person für Zwecke der Besteuerung zurechnet. Denn nur dann stehen die Abkommensvorteile für diese Einkünfte zu.

Beispiel: Eine chinesische Gesellschaft schüttet eine Dividende an eine österreichische Personengesellschaft aus, deren Gesellschafter beide in Österreich ansässig sind. Aufgrund von Art. 1 Abs. 2 des Abkommens gilt die Dividende als Einkünfte einer in Österreich ansässigen Person, da Österreich die Dividende als Einkünfte der beiden in Österreich ansässigen Gesellschafter behandelt. Die Abkommensvorteile aufgrund des Art. 10 Abs. 2 lit. b des Abkommens stehen zur Gänze zu, sodass in China eine Rückerstattung von ggf. zu viel einbehaltener Quellensteuer (mehr als 10 %) beantragt werden kann. Wäre einer der beiden Gesellschafter in Deutschland ansässig, wäre Art. 10 des Abkommens nur anteilig auf den in Österreich ansässigen Gesellschafter anwendbar.

Art. 1 Abs. 2 des Abkommens dient nur der Anwendung der Abkommensbestimmungen, hat jedoch keine Auswirkungen auf die Zurechnung nach innerstaatlichem Recht. Die im Abkommen vorgesehenen Vorteile sollen dieser Bestimmung zufolge außerdem dann nicht gewährt werden, wenn keiner der Vertragsstaaten die Einkünfte eines Rechtsträgers nach seinem innerstaatlichen Recht als Einkünfte einer in diesem Staat ansässigen Person behandelt.

Der neue Art. 1 Abs. 3 des Abkommens enthält eine dem OECD-MA entsprechende Bestimmung, wonach das generelle Prinzip klargestellt wird, dass das Abkommen einen Vertragsstaat nicht darin beschränkt, seine eigenen ansässigen Personen zu besteuern, außer in Fällen, in denen dies explizit im Abkommen beabsichtigt ist. Der Absatz listet die Bestimmungen auf, welche von diesem generellen Prinzip ausgenommen sind. Diese Regelung soll insbesondere die Anwendbarkeit nationaler Zurechnungs- und Missbrauchsnormen sicherstellen.

Zu Art. 3:

Durch die Änderung des Art. 2 Abs. 3 des Abkommens erfolgt eine Aktualisierung der von den Vertragsstaaten derzeit erhobenen Abgaben.

Zu Art. 4:

In Art. 4 des Protokolls erfolgt eine Anpassung des Art. 3 des Abkommens. Durch die Änderung in Art. 3 Abs. 1 lit. j wird in Bezug auf Österreich klargestellt, dass die zuständige Behörde auch den vom Bundesminister für Finanzen bevollmächtigten Vertreter umfasst.

Zu Art. 5:

In Art. 5 des Protokolls erfolgt eine OECD-konforme Anpassung des Art. 4 des Abkommens. Art. 4 Abs. 1 des Abkommens stellt klar, dass die Ansässigkeit im Sinne des Abs. 1 auch für die Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften gilt. Durch den neu gefassten Absatz 3 soll ein Abkommensmissbrauch durch doppelt ansässige Rechtsträger verhindert werden. Demnach ist die verpflichtende Durchführung eines Verständigungsverfahrens zur endgültigen Feststellung der Ansässigkeit vorgesehen. In Fällen, in denen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten kein Einvernehmen über die Ansässigkeit einer juristischen Person erzielen, wird der Anspruch dieser juristischen Person auf die Vergünstigungen des Abkommens versagt oder entsprechend eingeschränkt.

Zu Art. 6:

In Art. 6 des Protokolls erfolgt eine Änderung des Art. 5 Abs. 3 lit. a (Betriebstätte) des Abkommens, wonach die Frist zur Begründung einer Betriebstätte bei Bauausführungen und Montageleistungen oder damit im Zusammenhang stehende Überwachungstätigkeiten entsprechend dem OECD-MA von derzeit sechs Monaten auf zwölf Monate erweitert wird.

Zu Art. 7:

Durch diese Bestimmung erfolgt eine Änderung des Art. 10 Abs. 2 lit. a des Abkommens, wonach das Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Schachteldividenden ab einem Beteiligungsverhältnis von 25% von derzeit 7% auf 5% des Bruttobetrags der Dividenden reduziert wird. Darüber hinaus wird in Verbindung mit Art. 12 des Protokolls (neu hinzugefügte Ziffern 6 und 7 zum Protokoll vom 10. April 1991) der reduzierte Quellensteuersatz von 5% unabhängig vom Beteiligungsverhältnis auf qualifizierte öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausgeweitet. Der in Art. 10 Abs. 2 lit. b des Abkommens vorgesehene Quellensteuersatz von 10% für Portfoliodividenden bleibt unverändert.

Zu Art. 8:

In Art. 8 des Protokolls erfolgt eine Abänderung des Art. 11 des Abkommens.

Durch den neu gefassten Art. 11 Abs. 3 des Abkommens wird in Verbindung mit Artikel 12 des Protokolls (neu hinzugefügte Ziffern 6 und 7 zum Protokoll vom 10. April 1991) die im Abkommen von 1991 noch auf bestimmte öffentliche Einrichtungen eingeschränkte Quellensteuerfreiheit für Zinsen insofern erweitert, als nunmehr auch Zinszahlungen an qualifizierte öffentlich-rechtliche Einrichtungen bzw. Rechtsträger, die zur Gänze im Eigentum eines Vertragsstaates stehen oder von der Regierung eines Vertragsstaates beauftragt werden, von der Quellensteuer auf Zinsen befreit sind. Dies gilt auch für die von einem Vertragsstaat oder einer qualifizierten öffentlich-rechtlichen Einrichtung garantierten oder versicherten Kredite.

Durch den neu gefassten Art. 11 Abs. 4 des Abkommens wird nach dem Vorbild der Musterbestimmung in Rz 7.8 des OECD-Musterkommentars zu Art. 11 die Quellensteuerfreiheit für Zinsen ausgeweitet, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Ausrüstungen, Waren oder Dienstleistungen auf Kredit gezahlt werden.

Durch den neu gefassten Art. 11 Abs. 5 des Abkommens erfolgt eine Änderung des derzeitigen Abs. 4 des Abkommens, wonach in Bezug auf die Definition des Ausdrucks „Zinsen“ in OECD-konformer Anpassung klargestellt wird, dass Zuschläge für verspätete Zahlung nicht von Art. 11 erfasst sind.

Der in Art. 11 Abs. 6 des Abkommens enthaltene Betriebstättenvorbehalt findet sich auch im Abkommen von 1991 (Art. 11 Abs. 5).

In Art. 11 Abs. 7 des Abkommens erfolgt eine OECD-konforme Anpassung in Bezug auf die Bestimmung des Quellenstaats der Zinsen.

Art. 11 Abs. 8 des Abkommens findet sich bereits unverändert im Abkommen von 1991 (Art. 11 Abs. 7).

Zu Art. 9:

Durch diese Bestimmung erfolgt in Art. 12 Abs. 5 des Abkommens eine OECD-konforme Anpassung in Bezug auf die Bestimmung des Quellenstaats der Lizenzgebühren.

Zu Art. 10:

In Art. 10 des Protokolls erfolgt eine Abänderung des Art. 24 des Abkommens.

Durch die Streichung des Art. 24 Abs. 2 lit. c des Abkommens wird die Matching-Credit-Bestimmung aufgehoben. Diese Bestimmung sieht vor, dass die von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren erhobene chinesische Steuer unabhängig von der tatsächlichen Höhe der chinesischen Steuer in Österreich jedenfalls in Höhe von 10% des Bruttobetrages der Dividenden und Zinsen bzw. in Höhe von 20% des Bruttobetrages der Lizenzgebühren anzurechnen ist.

Die in Art. 24 Abs. 2 lit. d des Abkommens vorgesehene Beteiligungsertragsbefreiung ist auf Ebene des Abkommens nicht erforderlich, da diese ohnehin bereits nach österreichischem Recht besteht (§ 10 KStG).

Zu Art. 11:

Durch diese Bestimmung erfolgt eine Anpassung des Art. 27 des Abkommens an den OECD-Standard betreffend steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft. Demnach verpflichten sich die beiden Vertragsstaaten dem OECD-MA folgend zum umfassenden Informationsaustausch. Davon sind auch Bankinformationen erfasst. Die durch Artikel 12 des Protokolls neu hinzugefügte Z 8 zum Protokoll vom 10. April 1991 ist zu beachten.

Zu Art. 12:

Durch diese Bestimmung werden dem Protokoll zum Abkommens von 1991 die Ziffern 5 bis 8 hinzugefügt.

Die neue Z 5 des Protokolls zum Abkommen von 1991 stellt in Bezug auf Art. 5 (Betriebstätte) klar, dass Leistungen im Zusammenhang mit Bauausführungen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 lit. a des Abkommens nicht unter Art. 5 Abs. 3 lit. b (Dienstleistungsbetriebstätte) fallen.

Die neue Z 6 des Protokolls zum Abkommen von 1991 definiert in Bezug auf Art. 10 (Dividenden) und Art. 11 (Zinsen) den Ausdruck „Zentralbank“.

Die neue Z 7 des Protokolls zum Abkommen von 1991 definiert in Bezug auf Art. 10 (Dividenden) und Art. 11 (Zinsen) den Begriff der qualifizierten öffentlich-rechtlichen Rechtsträger. Demnach gilt die Quellensteuerbefreiung auf chinesischer Seite für die unter Z 7 lit. a des Protokolls abschließend aufgezählten chinesischen Einrichtungen und auf österreichischer Seite gemäß Z 7 lit. b in Bezug auf Art. 11 unverändert für die Oesterreichische Kontrollbank AG sowie künftig für die Oesterreichische Entwicklungsbank AG sowie für alle Einrichtungen beider Staaten, auf die sich die zuständigen Behörden künftig im Wege eines Verständigungsverfahrens einigen.

Die neue Z 8 des Protokolls zum Abkommen von 1991 regelt in Bezug auf Art. 27 (Informationsaustausch) die verwaltungstechnischen Auslegungsgrundsätze betreffend die Durchführung des steuerlichen Informationsaustausches entsprechend dem OECD-Standard. Die Darstellung der voraussichtlichen Erheblichkeit der Auskünfte wird analog zu Art. 5 Abs. 5 des OECD-Musters für Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen (“TIEA”) geregelt. Es wird auch klargestellt, dass die in Art. 27 vorgesehene Amtshilfe nicht Maßnahmen („fishing expeditions” oder „Streifzüge“) einschließt, die lediglich der Beweisausforschung dienen.

Zu Art. 13:

Dieser Artikel des Protokolls betrifft Bestimmungen über das In-Kraft-Treten sowie über den zeitlichen Anwendungsbereich des Protokolls.