2214 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 3418/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende KI-Strategie für den Schulbereich

Die Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 25. Mai 2023 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Seit der Veröffentlichung des Dialogsystems ChatGPT im November 2022 wird darüber diskutiert, welche Bedeutung diese Form der künstlichen Intelligenz (KI) vor allem für das Lehren und Lernen und die Arbeitswelt hat. KI werde unsere Schulsystem jedenfalls enorm verändern, prognostizieren Expert:innen. Wer einen Blick in Österreichs Schulen wagt, stellt allerdings schnell fest: ein durchschnittliches Klassenzimmer schaut hierzulande oft immer noch so wie vor 100 Jahren aus: Kreidetafel und dahinter klassische Sitzreihen, Overheadprojektoren und alles ist auf den klassischen Frontalunterricht ausgelegt. Während Expert:innen davon ausgehen, dass es für den Umgang mit der KI-Revolution eine Bildungsrevolution braucht, wurden in Österreich noch nicht mal reibungslos alle vom Bildungsministerium längst versprochenen Laptops und Tablets für die fünfte Schulstufe ausgeliefert, und das obwohl der erste Laptop vor mehr als 40 Jahren auf den Markt gekommen ist.

Auch wenn das Schulsystem selbst für die Digitalisierung kaum gerüstet ist, spielt Künstliche Intelligenz nichts desto trotz natürlich auch im österreichischen Bildungssystem längst eine Rolle. ChatGPT ist an die Schulen gekommen, um zu bleiben. Das bestätigt auch die kürzlich erschienene Ö3-Jugendstudie, die von 17. April bis 14. Mai unter wissenschaftlicher Begleitung des SORA-Instituts durchgeführt wurde. Laut Studie verwenden rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Alter von 16-17 Jahren ChatGPT oder andere KI-Chatbots.[1] Gleichzeitig denken 69 Prozent der Befragten, dass sowohl Lehrpläne als auch die Art des Lernens den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.

Was den Umgang mit ChatGPT im Unterricht betrifft, sind Schüler:innen und Lehrkräfte allerdings bisher wenig vorbereitet – eine klare KI-Strategie und Vorgaben des Bildungsministeriums fehlen. Der Bildungsminister hat zwar eine Handreichung mit dem Titel „Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz im Bildungssystem“ auf seiner Website veröffentlicht, über weite Strecken gleicht das Dokument aber eher einem Problemaufriss anstatt klare Vorgaben bzw. Hilfestellungen für Lehrer:innen zu beinhalten. Hauptfokus liegt auf dem Umgang mit dem Vortäuschen einer Leistung:

Die LBVO gibt vor (siehe § 11 Abs. 4), dass vorgetäuschte Leistungen nicht zu beurteilen sind. Das Schulrecht differenziert nicht, aus welcher Ursache es zur Vortäuschung einer Leistung gekommen ist. Es ist daher irrelevant, ob dies durch Abschreiben von Mitschüler/innen, Copy-and-paste aus dem Internet oder im konkreten Fall durch Hinzunahme von KI-Anwendungen passiert ist – Rechtsfolge ist immer die gleiche. KI- Anwendungen machen es natürlich im Unterschied zu anderen Methoden für Lehrpersonen deutlich schwieriger, eine Vortäuschung aufzudecken.[2]

Das ist zweifellos ein wichtiger Aspekt im Umgang mit KI, nötig ist aber schnell eine völlig neue Unterrichts- und Prüfungskultur an den Schulen, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Zukünftig werden stärker Lernentwicklungen von Schüler:innen und weniger punktuelle Leistungsmessungen bei der Benotung zu berücksichtigen sein. Auch aus Sicht der Schüler:innen ist es wichtig, sich darauf verlassen zu können, gerecht bewertet zu werden. Immer wieder berichten Schüler:innen, von Lehrer:innen zu Unrecht verdächtigt zu werden, die Hausaufgaben nicht selbst sondern mit Hilfe von ChatGPT verfasst zu haben.

ChatGPT macht außerdem Fehler und liefert nicht immer Quellen, worauf OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, selbst auf seiner Startseite hinweist. Zudem wird ein bestimmtes Verständnis von der Welt reproduziert, da die Künstliche Intelligenz mit bestehenden Daten trainiert wird, die Vorurteile, Falschinformationen oder verzerrte Blickwinkel beinhalten. Demnach könnten marginalisierte Gruppen durch KI noch stärker marginalisiert werden; es besteht auch die Gefahr, dass antisemitische, rassistische oder anti-feministische Denkmuster reproduziert werden. Darauf weist das Bildungsministerium zwar hin, was genau Lehrer:innen im Schulalltag diesen Problemen entgegnen könnten, bleibt aber unklar.

Neben den Gefahren, gibt es gleichzeitig aber auch viele Einsatzmöglichkeiten, die als Chance zu begreifen sind. Thomas Strasser, zuständig für technologieunterstütztes Lernen an der Pädagogischen Hochschule Wien, kritisierte im Ö1 Morgenjournal um 7:00 vom 25.05.2023, dass ChatGPT immer nur in Verbindung mit Schummeln erwähnt werde. „Schummeln komme vor, aber auch ohne Technologie“, meint Strasser. Stattdessen müsse man darüber reden, wie Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern dabei helfen können, künstliche Intelligenz zum Lernen zu verwenden. ChatGPT kann zum Beispiel bei der Unterrichtsplanung und bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien genutzt werden. Mit der KI lassen sich unter anderem passgenaue Aufgaben erstellen oder Texte auf verschiedenen Niveaustufen verfassen. Außerdem gibt es Einsatzmöglichkeiten im Unterricht selbst: Die KI kann beispielsweise den Schreibprozess von Schüler:innen unterstützen, Schüler:innen können sich selber Übungsaufgaben erstellen und korrigieren lassen, ChatGPT könnte eine Art Ideen Brainstorming unterstützen.

Für den positiven Umgang mit KI fehlt es bisher aber an digitaler Ausstattung und IT-Support für Schulen, an pädagogischen Konzepten zum digitalen Lernen und vor allem an dafür ausgebildeten Lehrkräften. Auf die Aus- und Weiterbildung geht auch der Leitfaden des Ministeriums ein:

Im Sinne der Professionalisierung ist es erforderlich, dass jede Lehrperson im Bereich Fachwissen, Fachdidaktik und Pädagogik ihren Wissensstand aktuell hält. Im Falle von KI kommt dieser Tatsache eine ganz besondere Bedeutung zu. […] Das BMBWF ist bereits in enger Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen, um weitreichende Fort- und Weiterbildungsangebote abzustimmen und zu planen.

Weitere Details und ein genauer Fahrplan zur Umsetzung ist allerdings offen. Außerdem geht es nicht nur um die Fort- und Weiterbildung, sondern vor allem um die Ausbildung der Lehrer:innen. Bildungsminister Polaschek hat eigentlich angekündigt, die Pädagog:innenbildung zu reformieren. Im Zuge der angekündigten Verkürzung der Ausbildungsdauer werden auch die Curricula überarbeitet werden müssen. Neben der dringend geforderten Erhöhung des Praxisanteils in der Ausbildung, wäre es die einmalige Chance, auch den Umgang mit KI sowie pädagogische Konzepte hierfür als fixe Bestandteile der Lehrer:innenausbildung zu verankern.

Ein weiterer Aspekt, der im Leitfaden leider überhaupt keine Rolle spielt, sind die finanziellen Hürden bei der Nutzung von KI. Der Erfolg in der Schule darf in der Zukunft nicht davon abhängig sein, ob Schüler:innen Zugang zu KI-Software haben, die Eltern bezahlen können, oder nicht. Die im November veröffentlichte ChatGPT-Version 3.5 ist zwar kostenlos nutzbar, die amerikanische Entwicklerfirma Open AI verlangt allerdings für die Nutzung ihrer verbesserten Version ChatGPT 4 derzeit bereits 20 US-Dollar pro Monat.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 22. Juni 2023 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Katharina Kucharowits die Abgeordneten Süleyman Zorba, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Martina Künsberg Sarre, Werner Herbert und Hermann Brückl, MA. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Der Unterrichtsausschuss hat die Beratungen über den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 26. September 2023 wieder aufgenommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Süleyman Zorba, Melanie Erasim, MSc, Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Werner Herbert und Mag. Martina Künsberg Sarre sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Süleyman Zorba gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2023 09 26

                                Süleyman Zorba                                                     Mag. Dr. Rudolf Taschner

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann



[1] https://www.oe3jugendstudie.at/ergebnisse.php

[2] https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:b77eacd7-3926-460e-955a-0754e419e577/ki_bildungssystem.pdf