2224 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Tourismusausschusses

über den Antrag 3201/A(E) der Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Guide Michelin in Österreich

Die Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 1. März 2023 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Reiseführer gibt es schon sehr lange und der Guide Michelin ist wohl der Bekannteste im Bereich der Spitzengastronomie. Michelin, ein Unternehmen, das eigentlich Reifen herstellt, begann im Jahr 1900 mit der Herausgabe von Reiseführern, die Autofahrer dazu verleiten sollten, ihr Land zu erkunden, Abstecher zu attraktiven Restaurants zu machen und irgendwo zu übernachten. Ein geschickter Schachzug, um längere Reisen mit dem Auto zu fördern, was wiederum zu einem größeren Reifenabsatz führen sollte. Aus dieser PR-Aktion wurde mit der Zeit ein umfassender Reiseführer, der sich auf die gehobene Gastronomie konzentriert. Der Guide Michelin ist in über 40 Destinationen weltweit vertreten und hat mit 76 % den höchsten Bekanntheitswert, gefolgt von TripAdvisor (70 %), Yelp (34 %) und Gault & Millau (31 %).

Die Sichtbarkeit des kulinarischen Angebots in Österreich beeinflusst selbstverständlich auch die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Tourismus. Zahlreiche internationale Studien haben die Wirkung von Reiseführern, insbesondere dem Guide Michelin, untersucht. Diese bestätigen, dass die Gastronomie ein externer Pull-Faktor in Bezug auf Reiseziele ist. Einige der von kulinarischen Touristen am meisten geschätzten Aspekte stehen im Zusammenhang mit der Möglichkeit, neue gastronomische Angebote auszuprobieren, die lokalen Erzeugnisse und Produkte kennenzulernen und Innovationen im Bereich der Gastronomie und Küche zu erleben. (1) Dabei wurde beobachtet, dass die Qualität, gemessen an der Anzahl der Restaurants mit Michelin-Sternen, mehr Touristen anzieht als die Quantität, gemessen an der Gesamtzahl der Restaurants. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass die Attraktivität von Sternerestaurants für ausländische Touristen größer ist als für inländische Touristen, was sich durch ihren internationalen Ruf erklärt. (2) Vertreter:innen aus dem Großhandel hielten in einem Artikel vom 31.8.2021 (3) fest, dass Österreich diesbezüglich zurückgefallen sei und somit einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Nachbarländern erleide. In diesem Zusammenhang werden von vielen Vertreter:innen Bemühungen auf Bundesebene eingefordert, den österreichweiten Guide Michelin, den einzigen international renommierten Restaurantführer, zurück nach Österreich zu holen. In einer von NEOS eingebrachten Anfrage wurde seitens der Bundesministerin a.D. Elisabeth Köstinger festgehalten, dass vom ‚Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie von der Österreich Werbung keine Förderungen an Reise und Restaurantführer vergeben bzw. auch keine Studien über die internationale Wahrnehmung österreichischer Betriebe bzw. deren Vertretung in internationalen Reise- und Restaurantführer in Auftrag gegeben wurde‘. (4)

Die Bundesregierung gibt aber gleichzeitig sehr viel Geld für die Bewerbung von Kulinarik in Österreich. Weitere parlamentarische Anfrage von NEOS an das BML (5) und BMAW (6) haben aufgezeigt, dass die Strukturen rund um den ‚Cluster Kulinarik‘ mehr als fragwürdig und vor allem intransparent sind. Es braucht raschestmöglich eine umfassende Aufklärung, damit für die Steuerzahler:innen klar ist, wie hier vorgegangen wird. Auf der einen Seite wird durch das Handeln von diversesten Vereinen und Gesellschaften das Geld ziellos aus dem Fenster geworfen und auf der anderen Seite herrscht offensichtlich kein Handlungsbedarf seitens des BML in irgendeiner Art und Weise einen Funken an Transparenz in diese Causa zu bringen. Viele Fragen rund um Vereine, die in diesem Cluster eine Rolle spielen, wurden vom Ministerium nicht beantwortet. Wenn eine Förderung in Höhe von 6.500.000 EUR genehmigt wurde und die EU, der Bund und die Länder diese Mittel freigeben, dann sollte es eine Sache der Selbstverständlichkeit sein, für Transparenz zu sorgen. Was dann allerdings nicht verschwiegen wurde, ist, dass innerhalb des ‚Cluster Kulinarik‘ zwischen 2019 und 2021 die Personalkosten bei satten 4,1 Mio. EUR für durchschnittlich fünf Personen, die Vollzeit arbeiteten, lagen. Das ergibt ein Jahresgehalt von 273.333,33 EUR und ein Monatsgehalt von 19.523,81 EUR - nur zum Vergleich: Minister verdienen 19.072,00 EUR. Zudem gehören Falstaff, ORF und Servus.com zu den großen Profiteuren bei Inseraten oder Advertorials - alleine bei Falstaff sind es in Summe etwa 250.000,00 EUR. Von solidem Wirtschaften und vernünftigem Abwägen der möglichen Optionen bleibt wenig übrig. Hier gehört so schnell wie möglich Klarheit und vor allem umfassende Transparenz in dieses Gesamtnetzwerk her.

Durch eine ergebnisoffene Bewertung bisher investierter Fördergelder und Werbebudgets im Bereich Kulinarik sollten mögliche neue Maßnahmen erarbeitet werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Gastronomie sicherzustellen. Zudem muss im Lichte des Fachkräftemangels alles daran gesetzt werden, Fachkräfte nicht nur in Österreich auszubilden, sondern auch als Arbeitsstandort attraktiv zu sein. Aktuell ist es sogar so, dass der Spitzennachwuchs das Land nicht nur für Weiterbildungen oder zum Erfahrungen sammeln verlässt, sondern er kehrt oft auch nicht mehr zurück, weil die Karrierechancen begrenzt sind.

Aus NEOS Sicht sollte rasch evaluiert werden, wie dazu beigetragen werden kann, dass der Guide Michelin in Zukunft wieder in ganz Österreich vertreten ist. Bundesminister Kocher und die Staatssekretärin für Tourismus Kraus-Winkler werden daher aufgefordert, Gespräche mit allen relevanten Stakeholdern (Guide Michelin, Österreich Werbung, Tourismusverbände, Wirtschaftskammer, Unternehmensvertreter, etc.) mit dem Ziel aufzunehmen, den Guide Michelin wieder in ganz Österreich einzuführen.

Quellen:

1.     Daries, N., Marine-Roig, E., Ferrer-Rosell, B., & Cristobal-Fransi, E. (2021). Do high-quality restaurants act as pull factors to a tourist destination? Tourism Analysis (Special issue on Wine and Culinary Tourism Futures), 26(2-3), 195-210

2.     Castillo-Manzano, J. I., Castro-Nuño, M., Lopez-Valpuesta, L., & Zarzoso, Á. (2021). Quality versus quantity: An assessment of the impact of Michelin-starred restaurants on tourism in Spain. Tourism Economics, 27(5), 1166–1174.

3.     https://www.derstandard.at/story/2000129297330/bemuehungen-guide-michelin-fuer-ganz-oesterreich

4.     https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/7602/imfname_1008217.pdf

5.     https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/13209?selectedStage=100

6.     https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/13206“

 

Der Tourismusausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. April 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Julia Seidl die Abgeordneten Maria Großbauer und Melanie Erasim, MSc. Im Anschluss wurden die Verhandlungen vertagt.

In seiner Sitzung am 3. Oktober 2023 hat der Tourismusausschuss die Verhandlungen erneut aufgenommen. In der Debatte ergriffen außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Julia Seidl die Abgeordneten Franz Hörl, Thomas Spalt und Melanie Erasim, MSc sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Gerald Hauser das Wort.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Franz Hörl und Barbara Neßler einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Maßnahmen zur Steigerung der internationalen Sichtbarkeit des kulinarischen Angebots in Österreich eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, S, G, dagegen: F, N) beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Österreich ist ein Land mit ausgeprägter kulinarischer Tradition, das sich u.a. durch seine breite Vielfalt an hochwertigen regionalen Spezialitäten und die Verwendung qualitätsgesicherter Lebensmittel auszeichnet. Diese reicht von authentischer Hausmannskost bis hin zu gehobener Spitzengastronomie. Zugleich trägt die Positionierung Österreichs als Genuss- und Kulinarik-Destination entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Tourismusstandorts bei.

Vor diesem Hintergrund sollen verstärkt Maßnahmen gesetzt werden, die zur besseren Sichtbarkeit der gesamten Breite des kulinarischen Angebots in Österreich beitragen. Vielfach setzen öffentlichkeitswirksame Aktivitäten dabei das eng abgestimmte Zusammenwirken zwischen zahlreichen unterschiedlichen Stakeholdern voraus, wie Gastronomie, Landwirtschaft, Bundesländer, Regionen, Tourismusverbände oder Österreich Werbung, etc.

Eine solche Maßnahme stellt die noch stärkere Vermarktung der österreichischen Spitzengastronomie dar, wie sie durch die Ausweitung von Kooperationen mit renommierten internationalen Restaurantführern gelingen kann. Weitere mögliche Ansatzpunkte sind die gezielte Förderung innovativer kulinarischer Konzepte (z.B. durch Wettbewerbe bzw. Auszeichnungen) sowie der bewusste Fokus auf gesunde, hochwertige und regionale Produkte. Regelmäßig ist es dabei zielführend, Initiativen durch flankierende (Auslands-)Marketingaktivitäten gezielt zu unterstützen (z.B. durch Kampagnen zur Vielfalt österreichischer Kulinarik).

Die Koordination und Vernetzung aller relevanter Stakeholdern mit dem Ziel, entsprechende Initiativen zu realisieren, gilt es bestmöglich zu fördern.“

 

Im Zuge der Debatte haben überdies die Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Melanie Erasim, MSc und Ausschussobmann Mag. Gerald Hauser einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Einführung des Guide Michelin in Österreich eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

Seit 14 Jahren erscheint keine österreichweite Ausgabe des weltweit bekannten Kulinarikführers Guide Michelin. Österreich ist eines der wenigen Länder in Europa neben der Slowakei, Rumänien oder Albanien, die dieses Angebot zur internationalen Bewerbung der heimischen Gastronomie nicht nutzt. Die Sichtbarkeit des kulinarischen Angebots in Österreich beeinflusst selbstverständlich auch die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Tourismus. Zahlreiche internationale Studien haben die Wirkung von Reiseführern, insbesondere dem Guide Michelin, untersucht. Diese bestätigen, dass die Gastronomie ein externer Pull-Faktor in Bezug auf Reiseziele ist.

Aktuell sind nur Wien und Salzburg Stadt im ‚Main Cities‘-Guide von Guide Michelin vertreten. Das bedeutet also, dass nur zwei Städte von dieser internationalen Aufmerksamkeit profitieren, während viele talentierte Köche und Köchinnen im ländlichen Raum und anderen Städten in Österreich keine Möglichkeit haben, dieses renommierte Marketing-Tool zu nutzen. Gerade auch im Lichte des Fachkräftemangels sollte alles daran gesetzt werden, Fachkräfte nicht nur in Österreich auszubilden, sondern auch als Arbeitsstandort attraktiv zu sein. Spitzennachwuchs verlässt das Land nicht nur für Weiterbildungen oder zum Erfahrungen sammeln, sondern weil die Karrierechancen begrenzt sind. Viele träumen davon, sich international einen Ruf aufzubauen und das ist vielfach in Österreich leider nicht möglich. Das große Interesse in der Branche zeigt sich schon dadurch, dass 20.000 Unterstützer aus mehr als 1000 Betrieben eine Petition des Gastronomie-Fachmagazins Kalk & Kegel auf Wiedereinführung des Guide Michelin in Österreich unterzeichnet haben.

Auch Vertreter der Regierungspartei ÖVP setzen sich klar für eine rasche Einführung des Guide Michelin in Österreich ein. Abgeordneter Franz Hörl, Tourismussprecher der ÖVP, sagte dazu im Plenum am 20. September 2023:

‚Mein größter Wunsch ist derzeit, dass es Ihnen und Ihrem Minister gelingt, den global anerkannten und wichtigen objektiven Restaurantführer, den einzigen Kritiker, der global objektiv bewertet, nämlich Guide Michelin, hierher in dieses Land zu holen. Das ist dringend notwendig, Österreich und Österreichs Köche haben das verdient. Ich unterstütze Sie gerne dabei und hoffe, dass Sie auch diesen Erfolg – zusätzlich zu Ihren ganzen Erfolgen – noch einheimsen können.‘

Für die Bundesregierung führte die Tourismus-Staatssekretärin Kraus-Winkler bereits im Frühling 2023 zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Bundesländer, die großes Interesse an der Wiedereinführung gezeigt haben. Offen bleibt die Frage, wie die Finanzierung der Kosten in Höhe von kolportierten 800.000 EUR getragen werden soll bzw. welche Organisation als offizielle Vertragspartner hierfür sein soll. Verhandlungen mit Vertretern von Guide Michelin wurden ebenfalls bereits aufgenommen. Seitdem sind keine weiteren Informationen über den Verhandlungsstand bekannt.

Quellen:

       https://www.derstandard.at/story/2000129297330/bemuehungen-guide-michelin-fuer-ganz-oesterreich

       https://www.gast.at/gastronomie/so-bekommt-oesterreich-wieder-einen-guide-michelin-50624

       https://kalkundkegel.com/guide-michelin-comeback/

       https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/NRSITZ/230/A_-_19_59_10_00304538.html

       https://www.tt.com/artikel/30852144/nach-14-jahren-gourmet-sterne-vor-der-rueckkehr-nach oesterreich

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Tourismusausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.     diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 3201/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.     die angeschlossenen Entschließungen (Anlage 1 und Anlage 2) annehmen.

Wien, 2023 10 03

                                Mag. Julia Seidl                                                            Mag. Gerald Hauser

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann