Erläuterungen

Bundesgesetz über die höhere berufliche Bildung (HBB-Gesetz)

Allgemeiner Teil

Das geplante neue Bundesgesetz zur Einrichtung der höheren beruflichen Bildung soll einen formalen (gesetzlich eingerichteten) qualitätsorientierten Rahmen bereitstellen, um die Höherqualifikation am Arbeitsmarkt praxisorientiert und entsprechend den Anforderungen der betroffenen Branchen systemisch zu unterstützen. Ziel ist es, Fachkräfte in inhaltlicher Anknüpfung an ihre berufliche Erstausbildung oder bereits erworbene Berufspraxis nach transparenten Kriterien, evidenzbasiert und tätigkeitsbezogen weiterzubilden.

Durch die Anknüpfung an die Qualifizierungsniveaus ab Stufe 5 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und damit des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) sollen höhere berufspraktische Qualifikationen auch international vergleichbarer werden. Das würde u.a. bei internationalen Auftragsvergaben eine verbesserte Darstellung des Qualifikationsniveaus der zum Einsatz kommenden Fachkräfte österreichischer Unternehmen ermöglichen.

Im Kontext des lebensbegleitenden Lernens soll jenen rund 1,6 Mio. Österreichinnen und Österreichern zwischen 25 und 64, die eine abgeschlossene Lehre als höchsten Bildungsabschluss aufweisen, und jenen ca. 870.000 Personen, die nach dem Pflichtschulabschluss eine mehrjährige berufliche Erfahrung erworben haben, auf berufspraktischen Weg ein formaler Bildungsabschluss und, damit verbunden, gesellschaftliche Anerkennung ermöglicht werden (vgl. Statistik Austria: Bildung in Zahlen 2021/22, Tabellenband, 3.1 Bildungsstand der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren, 1971 bis 2020). Gleichzeitig wird damit in vielen Berufsfeldern eine durchgängige Weiterbildungsperspektive mit formalen Bildungsabschlüssen geschaffen und die Wahl für einen Lehrberuf oder eine berufliche Ausbildung attraktiver.

Fachkräfte sollen v.a. dadurch profitieren, indem sie ihre berufliche Handlungskompetenz und ihr Know-How individuell erweitern können. HBB-Qualifikationen sollen somit auch die Vorbereitung berufstätiger Personen auf Leitungsaufgaben und spezialisierte fachliche Tätigkeiten in den Unternehmen unterstützen.

Als neues Segment im österreichischen Bildungssystem sollen Qualifikationen der höheren beruflichen Bildung nach diesem Bundesgesetz ein berufspraktisches Angebot der beruflichen Weiterbildung für praxisorientierte Lerntypen im Arbeitsleben bieten. Von bestehenden Angeboten sollen sie sich durch die Verbindung von Lernen und Arbeiten, eine überwiegend induktiv-praktische Didaktik, Learning on-the-job und die Anleitung von Praktiker/innen für Praktiker/innen unterscheiden. Lernorte sind Arbeitsort und Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung. Die Lernergebnisse sollen durch den Bedarf des Arbeitsmarkts definiert werden. Die Qualitätssicherung soll im strukturierten Zusammenwirken von Qualifikationsanbieter und Validierungs- und Prüfungsstellen sowie in Vorbereitungskursen durch qualitätsgesicherte Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung erfolgen.

Um die neuen Bildungsangebote nachhaltig zu gestalten und im jeweiligen Branchenumfeld breite Akzeptanz zu gewährleisten, sollen bei der Entwicklung der Qualifikationsstandards Expertinnen und Experten der jeweiligen Berufe und Branchen, die Sozialpartner und die Berufsbildungsforschung eingebunden werden.

Das HBB-Gesetz soll damit einen wesentlichen Beitrag leisten, die für die Bewältigung der Herausforderungen der kommenden Jahre (und Jahrzehnte), insb. betreffend Know-How in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, erforderlichen Kompetenzen in transparenten Verfahren anforderungsgerecht inhaltlich und strukturell weiterzuentwickeln. Unternehmen sollen aufgrund der einzuhaltenden Qualitätskriterien die berufliche Weiterbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besser unterstützen können.

Qualifikationen, die aufgrund des neuen Gesetztes eingerichtet werden, sollen auf die unmittelbare berufliche Anwendung fokussieren. Im Unterschied zu den Bestimmungen zu den Zielen und leitenden Grundsätzen der Fachhochschulen (§ 3 FHG) sollen HBB-Qualifikationen kein wissenschaftlich orientierter Bildungsweg, sondern aufgrund nachgewiesener Evidenz nachgefragte Kompetenzen, die zur unmittelbaren Berufsausübung erforderlich sind, zugrunde liegen. Die Vermittlung von HBB-Qualifikationen erfolgt nicht im hochschulischen Kontext und nicht auf Grundlage der Regelungen für den Europäischen Hochschulraum (Bologna-Prozess / Dublin-Deskriptoren), sondern überwiegend in der betrieblichen Praxis und durch ergänzende fachspezifische Ausbildungsangebote der beruflichen Erwachsenenbildung.

Das HBB-Gesetz soll damit auch die gesetzlichen Voraussetzungen zur Etablierung eines neuen Systems der formalen Anerkennung beruflicher Praxis nach dem Vorbild der Zertifizierung zur Ingenieurin oder zum Ingenieur gemäß IngG 2017, insb. für kaufmännische, touristische, kunstgewerbliche, sozialwirtschaftliche Berufe oder weitere berufliche Tätigkeiten, sofern diese in die Regelungskompetenz des Bundes fallen und nicht sondergesetzlichen Regelungen unterliegen (vgl. z.B. das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, BGBl. Nr. 378/1996, in der jeweils geltenden Fassung), schaffen.

Mit dem neuen Bundesgesetz soll Österreich auch den Zielen der von allen Mitgliedstaaten der EU im November 2020 angenommenen Osnabrücker Erklärung entsprechen, die den Ausbau der beruflichen Bildung auf den höheren EQR-Stufen vorsieht (publiziert u.a. auf der Website von CEDEFOP – Europäischen Zentrums für die Berufsbildung der Europäischen Union).

Es ist geplant, die Einführung des Gesetzes und die ersten Jahre der Umsetzung wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Im Zuge der Evaluierung sollen insb. die Wirkungen der neuen gesetzlichen Systematik, der Nutzen sowohl für Absolventinnen und Absolventen als auch für Unternehmen sowie die Funktionalität und Adäquanz der geregelten Verfahren im Hinblick auf die zu erreichenden Zielgruppen, unter Berücksichtigung der Kosten-/Nutzenentwicklungen der einzelnen Qualifikationen, erhoben werden.

Die durch die Einführung des neuen Gesetzes bedingten Kostenfolgen für den öffentlichen Haushalt betreffen zusätzliche Personalressourcen im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft zur Vollziehung der vorgesehenen Verfahren sowie Werkleistungen für wissenschaftliche Begleitung und Bildungsdokumentation. Hinsichtlich der Details ist auf die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung zu verweisen.

Das Inkrafttreten ist für den auf die Kundmachung folgenden Tag, frühestens jedoch für den 1. Jänner 2024 geplant.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 B-VG, insb. Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie gemäß Abs. 1 Ziffer 8 B-VG. Gemäß diesem Bundesgesetz geregelte Qualifikationen können auch nicht der Gewerbeordnung 1994 unterliegende Tätigkeiten zum Gegenstand haben, sofern diese in die Gesetzgebung und der Vollziehung des Bundes fallen). Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Da die Vergabe von Qualifikationen (Validierungs- und Prüfungsverfahren) durch eigene, mit Bescheid des Bundesministers bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft ermächtigte Stellen im Namen des Bundes erfolgen soll, ist das Verfahren gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG (Kundmachung mit Zustimmung der Länder) einzuhalten.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Keine.

Besonderer Teil

Zu § 1 – Ziel und Gegenstand

Das HBB-Gesetz soll als Rahmengesetz für Entwicklung, Gestaltung, Einrichtung und Erwerb von Qualifikationen gemäß § 2 NQR-Gesetz, BGBl I Nr. 14/2016, d.h. für Prüfungen und andere Formen der Validierung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, dienen. Die aufgrund der neuen gesetzlichen Grundlage einzurichtenden Qualifikationen und damit die zu erfüllenden Anforderungen an das Erlangen einer Qualifikation haben sich an den Qualifikationsniveaus (ab Niveau 5) und den allgemeinen Deskriptoren des NQR sowie den von diesen abgeleiteten qualifikationsspezifischen Detaildeskriptoren gemäß Anlage 1 zu orientieren. Die Vorbereitung erfolgt – idealtypisch – im beruflichen Kontext durch informelles Lernen sowie – ergänzend – durch (non-formale) Vorbereitungsangebote in Bildungseinrichtungen der privaten und beruflichen Erwachsenenbildung. Inhaltlich (d.h. in der Beschreibung der Lernergebnisse) müssen Qualifikationen gemäß diesem Bundesgesetz auf einer beruflichen Erstausbildung (ab Sekundarstufe 2, Lehrabschluss, BMS, BHS) und / oder qualifikationsrelevanter Berufserfahrung aufbauen. Referenzen für Struktur und Gestaltung der neuen Qualifikationen sind insbesondere die Meister- und Befähigungsprüfungen (§§ 20ff GewO 1994) und die Ingenieur-Qualifikation (IngG 2017).

Die formale Zuordnung zum jeweiligen NQR-Qualifikationsniveau erfolgt gemäß den Bestimmungen des NQR-Gesetzes im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft (§ 8 des NQR-Gesetzes, BGBl. I Nr. 14/2016).

Qualifikationen gemäß diesem Bundesgesetz dürfen nicht in bestehende, gesetzlich geregelte Ausbildungen oder Tätigkeiten eingreifen (vgl. dazu insb. auf gesundheitsrechtlicher Grundlage eingerichtete Ausbildungen zu Tätigkeiten gemäß § 1 des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 108/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 89/2012). Sie müssen sich weiters auf Tätigkeiten beziehen, die gemäß Art. 10 B-VG hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung in Bundeskompetenz fallen.

Zu § 2 – Begriffsbestimmungen

Die für § 2 vorgesehenen Legaldefinitionen konkretisieren das entsprechende Begriffsverständnis des Nationalen Qualifikationsrahmens (vgl. § 2 des NQR-Gesetzes) im Hinblick auf die Anwendung dieses Bundesgesetzes.

Zu den §§ 3 bis 10 – Entwicklung und Einführung von Qualifikationen der Höheren Beruflichen Bildung

Für den Prozess zur Entwicklung und Einführung von Qualifikationen sind eine Entwicklungsphase (§§ 2 bis 5) und eine Genehmigungsphase (§§ 3 bis 9) vorgesehen. Die §§ 3 bis 6 sollen die Vorgaben und den Prozess zur Erstellung einer neuen oder weiterentwickelten Qualifikation, d.h. eines Vorschlages für eine Validierungs- und Prüfungsverordnung, regeln. Die §§ 7 bis 10 sollen das anschließende Verfahren zur Beurteilung des Vorschlags sowie Genehmigung und Kundmachung der Validierungs- und Prüfungsverordnungen im RIS festlegen. Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft oder andere Bundesministerien im Rahmen ihrer Fachzuständigkeit können aber bereits zu Beginn der Entwicklung einer Qualifikation kontaktiert und einbezogen werden.

Zu § 3 – Qualifikationsanbieter

Zu Abs. 1: Die fachliche Entwicklung und Einrichtung von HBB-Qualifikationen obliegt einerseits den fachlich zuständigen (bundesgesetzlich eingerichteten) gesetzlichen Interessenvertretungen und andererseits dem Bund als Qualifikationsanbieter (qualifikationsdefinierende und -verantwortliche Stellen, vgl. die Legaldefinition zum Begriff „Qualifikationsanbieter“ in § 2 Z 6 des NQR-Gesetzes).

Als Qualifikationsanbieter kommen gem. § 3 Abs. 1 demgemäß in Frage:

Ziffer 1

Bundesgesetzlich geregelte Einrichtungen der gesetzlichen Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, jeweils im Rahmen ihrer gesetzlichen fachlichen Zuständigkeit des eigenen Wirkungsbereiches (übertragener Wirkungsbereich gemäß Art. 120b B-VG).

Ziffer 2

Der Bund, vertreten durch den Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft.

Ziffer 1 umfasst die fachzuständigen Einrichtungen der Wirtschaftskammer- und der Arbeiterkammerorganisation sowie die gesetzlichen Interessenvertretungen der freien Berufe hinsichtlich ihres jeweiligen gesetzlichen eigenen Wirkungsbereiches.

Die auf Grundlage dieser Bestimmung zu entwickelnden Qualifikationen müssen daher in einem inhaltlichen Zusammenhang zu einem oder mehreren Fachbereichen stehen, die in die (allgemeine) gesetzliche Zuständigkeit der jeweiligen Interessenvertretung, die daher auch über das entsprechende fachliche Knowhow verfügt, fallen. Die entsprechenden Einrichtungen sollen im Hinblick auf die Entwicklung neuer oder die Weiterentwicklung bestehender Qualifikationen – im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortung als Qualifikationsanbieter – auch Kooperationen mit anderen, (nicht gesetzlich eingerichteten) branchenrelevanten Institutionen eingehen können (z.B. Fachgewerkschaften, fachlich zuständige Verbände mit Branchenrelevanz).

Hinsichtlich der Interessenvertretungen auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet (vgl. Ausnahme in Art. 10 Z 8 B-VG) gilt, dass diese, wenn sie eine Qualifikation initiieren oder entwickeln wollen, eine Kooperation mit einem Qualifikationsanbieter gemäß § 3 eingehen müssen. In diesem Fall kommen insb. solche Qualifikationen in Betracht, die in die Regelungskompetenz des Bundes fallende Tätigkeiten betreffen und (auch) im Kontext land- und forstwirtschaftlicher Berufsausübung relevant sind.

Ziffer 2 betrifft Qualifikationen, die unmittelbar durch den Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft für den Bund gemäß den inhaltlichen und prozessualen Vorgaben dieses Bundesgesetzes eingerichtet werden.

Zu Abs. 2: Qualifikationen gemäß Ziffer 1 benötigen die Zustimmung des Bundesministers bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, wie sie auch bei Meister- und Befähigungsprüfungen vorgesehen ist (vgl. § 24 Abs. 3 GewO).

Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft hat den Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung von einer beabsichtigten Zustimmung und somit Einrichtung einer neuen oder weiterentwickelten Qualifikation nachweislich zu informieren und ihm oder ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Diese Bestimmung korrespondiert mit § 9 – Einbeziehung des Bildungs- und Wissenschaftsressorts nach erfolgter Einreichung eines neuen Qualifikationsvorschlages.

Zu Abs. 3: Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft hat, unbeschadet seiner oder ihrer verfassungsrechtlichen Letztverantwortung (Ministerverantwortlichkeit, Art. 142 B-VG), Vorschläge anderer Bundesminister bzw. Bundesministerinnen nach Möglichkeit (unterstützend) aufzugreifen und die Art und Weise der Berücksichtigung zu begründen. Unter diese Regelung fallen zB Qualifikationen, die auf Initiative eines Bundesministeriums entwickelt werden und für berufsbildende höhere Schulen im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit gemäß § 128c des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 in der Fassung BGBl. I Nr. 165/2022, gemäß § 12 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes als Validierungs- und Prüfungsstellen genannt und ermächtigt sind.

Zu Abs. 4: Die Kundmachung einer Validierungs- und Prüfungsverordnung im RIS obliegt (in jedem Fall) dem Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft (vgl. § 24 Abs. 4 GewO).

Zu Abs. 5: Die Qualifikationsanbieter agieren als funktionelle Bundesbehörden; gemäß Art. 120b Abs. 2 B-VG ist eine Weisungsbindung gegenüber dem Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft vorzusehen.

Zu den §§ 4 bis 6 – inhaltliche Kriterien und prozessuale Anforderungen an Qualifikationsanbieter

Unabhängig davon, welcher Qualifikationsanbieter eine Qualifikation einrichten möchte, sind die in § 4 vorgesehenen inhaltlichen Kriterien für HBB-Qualifikationen und die in § 6 vorgesehenen prozessualen Anforderungen zu erfüllen. Dazu zählen (zusammenfassend):

Zu § 4 – Inhaltliche Kriterien

Die in diesem Paragraphen festzulegenden Kriterien für die Gestaltung der einzelnen Qualifikationen sollen den Rahmen für die konkreten Regelungen in den Validierungs- und Prüfungsverordnungen bilden.

Zu Abs. 1: Die Qualifikationen haben sich an den von den NQR-Deskriptoren (Anhang 1 des NQR-Gesetzes) abgeleiteten HBB-Deskriptoren zu orientieren; die im Validierungs- und Prüfungsverfahren der zu überprüfenden Kompetenzen sind lernergebnisorientiert zu beschreiben.

Zu Abs. 2 – Bedarf am Arbeitsmarkt: Qualifikationen sollen sich sowohl an bestehenden als auch an prognostizierten und absehbaren Anforderungen am Arbeitsmarkt orientieren und dabei insbesondere Klimaziele berücksichtigen. Bei Bedarfserhebung sind klimarelevante Potentiale der beruflichen Tätigkeiten, auf die die jeweilige Qualifikation vorbereitet oder hinführt, zu erheben.

Zu Abs. 3: Inhaltliche Anknüpfung an berufliche Erstausbildung oder mehrjährige qualifikationsbezogene Praxis. Diese gesetzliche Anforderung bezieht sich (nur) auf die inhaltliche Ausrichtung einer Qualifikation der höheren beruflichen Bildung, d.h. die Definition der Lernergebnisse. Qualifikationen können auch in formeller Hinsicht auf Vorqualifikationen und / oder beruflicher Tätigkeit – als Antrittsvoraussetzung – aufbauen (vgl. als Referenz die Ingenieur-Qualifikation gemäß dem IngG 2017), dies soll aber nicht erforderlich sein (vgl. als Referenz Meister- und Befähigungsprüfungen gemäß GewO 1994) und somit aufgrund der allgemeinen Vorgaben des HBB-Gesetzes der Ausgestaltung der jeweiligen Qualifikation obliegen. In jedem Fall muss eine sachlich nachvollziehbare Begründung der jeweiligen Regelung vorliegen.

Unter Berücksichtigung bereits erworbener nicht-formaler Qualifikationen ist insb. zu verstehen, dass bereits (in einem anderen Setting) getestete oder geprüfte Kompetenzen nach in der Validierungs- und Prüfungsverordnung zu beschreibenden Kriterien im Rahmen des Validierungs- oder Prüfungsverfahrens angerechnet werden können.

Zu Abs. 4: Das HBB-Gesetz soll einen wesentlichen Beitrag leisten, die für die Energiewende sowie eine klimagerechte und nachhaltige Wirtschaft relevanten Qualifikationen und Kompetenzen zu fördern. Daher sollen alle neuen Qualifikationen unter diesem Aspekt geprüft werden und die darauf bezugnehmenden Lernergebnisse beinhalten. In die Entwicklungsarbeiten sind auch entsprechende Experten und Expertinnen (siehe oben) einzubeziehen.

Zu Abs. 5 – Bestimmungen für das Validierungs- oder Prüfungsgeschehen: Das Validierungs- oder Prüfungsverfahren hat durch unabhängige Kommissionen zu erfolgen. Bereits in der Definition der Qualifikation sind die von den Kommissionen heranzuziehenden Beurteilungskriterien und die wesentlichen Verfahrenselemente festzulegen. Dazu zählen (jedenfalls) die Dokumentation des Prüfungsgeschehens, die Möglichkeit zur Wiederholung der Validierung / Prüfung und zur Beschwerde gegen Beurteilungen der Validierungs- oder Prüfungskommissionen an (von diesen) unabhängigen Stellen im internen Bereich (unbeschadet der Möglichkeit zur Beschwerde an das Verwaltungsgericht, vgl. § 13 Abs. 6) sowie die zu erwarteten Kosten für den Qualifikationswerber / die Qualifikationswerberin.

Zu Abs. 6: Vorgesehen ist, dass die geplanten konkreten Validierungs- und Prüfungsstellen bereits bei der Definition einer neuen Qualifikation vom Qualifikationsanbieter benannt werden. Dies schließt nicht aus, dass weitere Institutionen mit der Führung einer entsprechenden Validierungs- und Prüfungsstelle gemäß § 12 Abs. 1 betraut werden.

Zu Abs. 7: Neben einer gesicherten Verfügbarkeit von Information und Beratung der Zielgruppen über eine Qualifikation soll mit einem Konzept auch die Integration in bestehende Instrumente der Bildungs- und Berufsinformation erleichtert werden.

Zu Abs. 8: Bei der Konzipierung und inhaltlichen Gestaltung der Validierungs- und Prüfungsverfahren ist darauf zu achten, dass die Qualifikationen auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind, soweit dies mit dem Gegenstand der Qualifikation vereinbar ist, und die diesbezüglichen aktuellen technischen und didaktischen Entwicklungen abgebildet sind.

Zu Abs. 9: Die verpflichtende externe Evaluierung einer Qualifikation nach Einführung sowie in weiterer Folge mind. alle sieben Jahre bezweckt die Sicherstellung der Aktualität der Lernergebnisse und ihr (weiterer) Nutzen nach den Gesichtspunkten des Arbeitsmarktes sowie die Überprüfung der Eignung des Validierungs- oder Prüfungsverfahrens. Für den Fall, dass die Ergebnisse einer Evaluierung nahelegen, dass die Arbeitsmarktrelevanz einer Qualifikation nicht (mehr) vorliegt, obliegt es dem Bundesminister bzw. Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, entsprechende Schritte zu setzen, bis zur Außerkraftsetzung einer Verordnung oder zum Widerruf der Zustimmung gemäß § 10. Die Beauftragung einer geeigneten wissenschaftlichen Einrichtung obliegt dem Qualifikationsanbieter. Die Studie mit den Evaluierungsergebnissen ist an den Beirat zu übermitteln.

Zu den §§ 5 und 17 – Abschlussbezeichnungen

Die Abschlussbezeichnungen sollen Personen, die erfolgreich ein Validierungs- oder Prüfungsverfahren absolviert haben, die Möglichkeit bieten, ihre Qualifikation, das entsprechende Qualifikationsniveau und die erworbenen Kompetenzen in einem bestimmten Fachbereich sichtbar zu machen. In systematischer Hinsicht soll damit im Rahmen der Qualifikationen gemäß diesem Bundesgesetz ein einheitliches Bezugssystem geschaffen werden, das die (formalen) berufspraktischen Bildungswege im Bildungswesen auf einen Blick ausweist.

Die Abschlussbezeichnungen sollen sich nach schweizerischem und deutschem Vorbild mittel- bis langfristig – im Kontext des Nationalen und Europäischen Qualifikationsrahmens – als gleichwertig, aber nicht gleichartig, zu hochschulischen Abschlüssen vergleichbarer Qualifikationsniveaus etablieren. Bestehende formale Qualifikationen der Berufsbildung mit eigener Rechtsgrundlage wie zB die Meister- und Befähigungsprüfungen (GewO) oder die Ingenieur-Qualifikation (IngG 2017) sollen weiterhin entsprechend der jeweiligen gesetzlichen Grundlage bezeichnet und somit diesbezüglich nicht berührt werden.

Die Abschlussbezeichnungen beziehen sich auf das mit dem jeweiligen NQR-Qualifikationsniveau verknüpfte HBB-Niveau (s. Anlage 1) und sollen einen (kurzen) Zusatz mit Bezug zum Fachgebiet der Qualifikation aufweisen (zB „Höhere Berufsqualifikation – Energieberatung & Energieplanung“). Um für alle Geschlechter gleichermaßen anwendbar zu sein, sollen die Bezeichnungen des Fachgebiets der Qualifikation in nicht-personenbezogener, geschlechtsneutraler Form formuliert werden (zB Energieberatung & Energieplanung, Applikationsentwicklung, Floristik).

Die Abschlussbezeichnungen dürfen sowohl ausgeschrieben, als auch in abgekürzter Form im privaten und geschäftlichen Verkehr verwendet werden und im Zusammenhang mit dem Namen geführt werden.

Die Bestimmungen zu Zuordnung und Zuordnungsverfahren gemäß dem NQR-Gesetz werden von den Bestimmungen zu den Abschlussbezeichnungen nicht berührt (s. dazu oben die Anmerkungen zu § 1).

In § 17 soll der verwaltungsstrafrechtliche Schutz der Abschlussbezeichnungen, vergleichbar den Bestimmungen des § 116 des Universitätsgesetztes 2022, geregelt werden.

Zu § 6 – Prozessuale Anforderungen an die Qualifikationsentwicklung durch Qualifikationsanbieter

Die Qualifikationsanbieter – gesetzliche Interessenvertretungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 oder der Bund – müssen vor Einreichung (§ 7 Abs. 1) bzw. Abschluss des Entwicklungsverfahrens bei der Neu- oder Weiterentwicklung einer Qualifikation die in diesem Paragraphen definierten prozessualen Anforderungen erfüllen.

Zu Abs. 1: Erarbeitung von Qualifikationen in Entwicklungsteams unter Beiziehung von

           1. mind. einer Expertin oder einem Experten, die über entsprechende Erfahrung in der Qualifikationsentwicklung des Berufsbereiches verfügt,

           2. den fachlich zuständigen Sozialpartnereinrichtungen,

           3. der Berufsbildungsforschung und

           4. der in Aussicht genommenen Validierungs- und Prüfungsstelle(n).

Bei den angeführten einzubeziehenden Personen und Institutionen handelt es sich um ein gesetzliches Mindesterfordernis für den Entwicklungsprozess einer Qualifikation. Der Qualifikationsanbieter kann darüber hinaus auch weitere Personen oder Einrichtungen hinzuziehen, sofern dies aus seiner Sicht zweckmäßig ist, wie zB für allfällige Vorbereitungskurse in Frage kommende Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung.

Zu Abs. 3: Berücksichtigung verwandter Branchen / Berufsbereiche und – erforderlichenfalls – Einholung von Stellungnahmen oder Gutachten.

Zu Abs. 4: Die Entwicklung einer neuen Qualifikation ist durch eine vom Bundesminister bzw. Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft zu bestätigende wissenschaftliche Einrichtung (mit Expertise in F&E im Bereich der beruflichen Bildung) zu begleiten.

Zu Abs. 5: Diese Bestimmung soll die Transparenz und Validität der Verfahren durch die Publikation begleitender Dokumente wie zB zu digitalen Prüfungselementen, zu projektbezogenem Prüfen, zur Ausgestaltung von Expertengesprächen für Validierungen oder zu den Beurteilungsschemata unterstützen.

Zu Abs. 6: Diese Verordnungsermächtigung für den Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft soll die Grundlage für allfällige weitere, aufgrund von Erfahrungswerten notwendige oder nützliche Entwicklungs- oder Gestaltungselemente bilden. Vor Erlassung einer Verordnung aufgrund dieser Bestimmung ist der Beirat (§ 8) zu befassen.

Zu § 7 – Begutachtung durch den Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft

Abs. 1 soll die Entwicklungsphase zur Erstellung einer Qualifikation abschließen und zum weiteren Prozedere überleiten. Durch Qualifikationsanbieter gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 erstellte Vorschläge für neue oder novellierte Validierungs- oder Prüfungsverordnungen sind dem Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft unter Einschluss aller für die Beurteilung der Qualifikation relevanter Unterlagen zu übermitteln.

Abs. 2 soll festlegen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft eingegangene Qualifikationsvorschläge zu prüfen und eine entsprechende Empfehlung zu erstellen hat. Im Hinblick auf die umfassende Einbindung des Bildungsressorts, u.a. zur Sicherstellung der Kohärenz der Abschlüsse mit anderen tertiären oder post-sekundären Bildungsangeboten, ist das Bildungsministerium vom Ergebnis dieser Prüfung samt der ausgearbeiteten Empfehlung mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu informieren. Erst danach erfolgt die Befassung des Beirats.

Zu § 8 – Beirat

Gemäß § 8 des Entwurfes soll ein Beirat mit 20 Mitgliedern und 20 Ersatzmitgliedern eingerichtet werden, in dem die verschiedenen Bundesministerien mit (möglichen) thematischen Berührungspunkten, die Verbindungsstelle der Bundesländer, Sozialpartner, die Industriellenvereinigung, die Behindertenanwaltschaft, die Universitätenkonferenz, die Fachhochschulkonferenz und die Bundesanstalt Statistik Österreich vertreten sein sollen.

Dem Beirat soll eine systemische Beratungsfunktion für den Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems, insb. im Hinblick auf qualitätsrelevante Maßnahmen und die Kohärenz der höheren beruflichen Bildung im Kontext der österreichischen und internationalen Berufsbildung zukommen (Abs. 3).

Der Entwurf sieht daher vor, dass der Beirat, nach Prüfung und Empfehlung durch den Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, von geplanten neuen Qualifikationen zu informieren ist und im Hinblick auf seine in Abs. 3 definierten Aufgaben die Möglichkeit zu einer binnen einer Frist von mindestens zwei Monaten abzugebenden Stellungnahme erhält (Abs. 4).

Empfehlungen des Beirats sind dem Qualifikationsanbieter, ebenfalls mit einer Möglichkeit zur Stellungnahme sowie zur Vornahme allfälliger Änderungen des vorgelegten Entwurfes und neuerlicher Einreichung, zu übermitteln (Abs. 5). Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft ist an Stellungnahmen des Beirats nicht gebunden (s. Art 142 B-VG).

Nach Ablauf der gemäß Abs. 4 und Abs. 5 gesetzten Fristen können die Zustimmung zur Qualifikation und die Kundmachung im RIS gemäß § 3 erfolgen.

Der Beirat soll Beschlüsse mit einfacher Mehrheit bei Abstimmungsteilnahme von mindestens der Hälfte der Mitglieder oder Ersatzmitglieder fassen. Weitere Modalitäten, insb. zu Einberufung, Vorsitz- und Geschäftsführung sowie Beschlussfassung, sollen in einer Geschäftsordnung des Bundesministers bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, die im Einvernehmen mit dem Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu erlassen ist, festgelegt werden (Abs. 6).

Die weiteren Bestimmungen dieses Paragraphen beziehen sich auf die Möglichkeit der Beiziehung externer Experten und Expertinnen, Unvereinbarkeiten und die Festlegung der ehrenamtlichen Funktionsausübung.

Zu § 9 – Befassung anderer Bundesminister und Bundesministerinnen

Für den Fall, dass geplante Qualifikationen die Zuständigkeit eines anderen Bundesministers bzw. einer anderen Bundesministerin thematisch berühren – bspw. wenn eine Qualifikation zum Gesundheitswesen oder zur Land- und Forstwirtschaft inhaltliche Bezugspunkte aufweist, unabhängig von allfälligen gesetzlichen Grundlagen –, sieht der Entwurf vor, dass ihr oder ihm die entsprechenden Unterlagen vor Befassung des Beirats mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu übermitteln sind.

Zu § 10 – Abschluss des Verfahrens zur Einführung von Qualifikationen und Kundmachung

Mit dieser Bestimmung soll der Abschluss der vorgenannten Verfahrensschritte und somit das Vorliegen der Voraussetzungen zur Kundmachung der Validierungs- und Prüfungsverordnungen definiert werden.

Zu § 11 – Validierungs- und Prüfungsverfahren

Gemäß § 11 sind unter Validierung und Prüfung sämtliche Formen der Kompetenzfeststellung anhand festgelegter Lernergebnisse (Qualifikationsstandard) zu verstehen. Die Vergabe der Qualifikationen soll von Einrichtungen vorgenommen werden, die vom Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft mit Bescheid ermächtigt werden, die gemäß den Verordnungen zu den einzelnen Qualifikationen vorgesehenen Validierungs- und Prüfungsverfahren als beliehene Behörden durchzuführen (Validierungs- und Prüfungsstellen) (§ 12).

Zu § 12 – Validierungs- und Prüfungsstellen

Für die Ermächtigung zur Führung einer Validierungs- und Prüfungsstelle sind folgende Zulassungsvoraussetzungen vorgesehen (§ 12 Abs. 2):

            – Expertise in bildungs- und berufsbezogenen Validierungen,

            – personelle und organisatorische Ausstattung,

            – Zugang zu Fachexpertinnen und Fachexperten zur Besetzung der Kommissionen.

            – Nachweis eines anerkannten Qualitätsmanagement-Systems (zB Ö-Cert oder andere national oder international etablierte Standards für die Validierung und Prüfung im Rahmen von Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung) und

            – Im Hinblick auf die Ausstattung der Trägerinstitution einer Validierungs- und Prüfungsstelle ist nachzuweisen, dass diese über die für die Gewährleitung des Schutzes personenbezogener Daten der Prüfungskandidat/innen erforderliche technische Ausstattung sowie das entsprechende Personal verfügt. Im Hinblick auf (geplante) Meldungen zum Zweck der Bildungsdokumentation ist Knowhow im Umgang mit bereichsspezifischen Personenkennzeichen glaubhaft darzulegen.

Die Validierungs- und Prüfungsstellen müssen zum jeweiligen Qualifikationsanbieter eine funktionale und betriebliche Trennung aufweisen, insbesondere dürfen kein Weisungszusammenhang oder Personenidentität zwischen den Einrichtungen bestehen. Eine Ausnahme dieses Weisungszusammenhangs ist in Abs. 4 im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Vorgabe gemäß Art. 120b B-VG vorgesehen (s. unten). Weiters ist sicherzustellen, dass die Mitglieder der Kommissionen nicht an der Durchführung vorbereitender Bildungsmaßnahmen mitgewirkt haben (§ 12 Abs. 3). Diese Regelung entspricht auch der internationalen Norm für Personenzertifizierungsstellen EN 17024, die eine Personenidentität zwischen vorbereitenden Bildungsmaßnahmen (Trainerinnen und Trainer) und Kompetenzfeststellerinnen und Kompetenzfesterstellern ausschließen.

Die Validierungs- und Prüfungsstellen agieren als funktionelle Bundesbehörden; gemäß Art. 120b Abs. 2 B-VG ist eine Weisungsbildung gegenüber dem Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft vorzusehen (§ 12 Abs. 4).

Zu § 13 – Ablauf des Validierungs- und Prüfungsverfahrens

Der Entwurf sieht vor, dass die Validierungs- oder Prüfungsverfahren durch Kommissionen, bestehend aus zumindest zwei Kommissionsmitgliedern aus dem jeweiligen Fachbereich, zu erfolgen haben. Die Kommissionsmitglieder müssen ihre Funktion weisungsfrei und unabhängig ausüben. Bei Vorliegen (möglicher) Befangenheitsgründe, ist die Unabhängigkeit des betreffenden Kommissionsmitglieds nicht gegeben. Die Beschreibung einer Qualifikation und die entsprechende Validierungs- und Prüfungsverordnung müssen auch mögliche Befangenheitsgründe von Kommissionsmitgliedern definieren (s. § 4 Abs. 5 Z 2). Ein Kommissionsmitglied ist mit der Funktion des Kommissionsvorsitzes zu betrauen (§ 13 Abs. 1 bis 3). Um spezifischen Anforderungen der Kandidaten und Kandidatinnen entsprechen zu können, kann das vorsitzende Kommissionsmitglied im Rahmen der anzuwendenden Validierungs- und Prüfungsverordnung in begründeten Fällen individuelle Rahmenbedingungen für das Validierungs- und Prüfungsverfahren festlegen.

Bei Bestehen der Validierung oder Prüfung ist die Ausstellung einer Urkunde (engl. Certificate) durch die Validierungs- und Prüfungsstelle vorgesehen; der Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft soll ein entsprechendes Muster vorgeben können. Im Fall eines negativen Ergebnisses soll die Validierungs- und Prüfungsstelle nach allgemeinen Regeln einen Bescheid gemäß AVG mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung (Beschwerde an das Verwaltungsgericht) ausstellen. Falls die Zulassung zum Validierungs- und Prüfungsverfahren aufgrund falscher Angaben oder aufgrund Vorlage falscher Urkunden erfolgte, kann das Zertifikat von der Validierungs- und Prüfungsstelle mit Bescheid aberkannt werden (§ 13 Abs. 6).

Die Validierungs- und Prüfungsstellen haben das Verfahren zu dokumentieren und die Dokumente mit den Ergebnissen 60 Jahre aufzubewahren. Diese Frist orientiert sich an der Aufbewahrungspflicht für Aufzeichnungen und Prüfungsprotokolle an Schulen (§ 77a Schulunterrichtsgesetz, § 65a Schulunterrichtsgesetz). Nach Auslaufen der Frist können die Unterlagen einem Archiv übergeben werden (§ 13 Abs. 8).

Wird zur Vorbereitung des Erwerbs von Qualifikationen der höheren beruflichen Bildung gemäß diesem Gesetz ein Lehrgang an einer Bildungseinrichtung der beruflichen Erwachsenenbildung eingerichtet, hat die Validierungs- und Prüfungsstelle auch zu prüfen, ob die betreffende Bildungseinrichtung über ein anerkanntes Qualitätsmanagementsystem (zB Ö-Cert oder andere national oder international etablierte Standards von Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung) verfügt (§ 13 Abs. 9). Diese Prüfung dient der Übersicht über die in Frage kommenden Bildungsangebote und kann bspw. als Liste auf der Website des Qualifikationsanbieters veröffentlicht oder zu Beratungszwecken verwendet werden.

§ 13 Abs. 10 und 11 sehen vor, dass die Validierungen oder Prüfungen gemäß diesem Bundesgesetz nicht den Stempelgebühren gemäß Gebührengesetz 1957 und Abgaben gemäß Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 unterliegen und daher nicht von den Validierungs- und Prüfungsstellen einzuheben und abzuführen sind, vergleichbar den Regelungen in § 352 Abs. 13 Gewerbeordnung 1994 und § 5 Abs. 9 und 10 Ingenieurgesetz 2017.

Zu § 14 – Validierungs- und Prüfungstaxe

Die Validierungs- und Prüfungsstellen können für die Durchführung der Verfahren und zur Deckung ihres damit verbundenen Aufwandes eine Taxe auf privatrechtlicher Basis einheben. Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft kann mit Verordnung festlegen, dass ein Teil der Taxe für übergeordnete (systembezogene) Maßnahmen zur Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements – zB für die Zur-Verfügung-Stellung übergeordneter Analyseinstrumente wie die Befragung von Absolventinnen und Absolventen (graduate tracking) – zurückzustellen und auf Weisung des Bundesministers bzw. Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft zur Verfügung an die angegebene Stelle zu überweisen ist (Vgl. zur entsprechenden Systematik § 8 IngG 2017).

Zu § 15 – Datenmanagement

Für Steuerung und Analyse von Systematik und Wirkung der einzurichtenden Qualifikationen sind die zeitnahe und valide statistische Erhebung der Abschlüsse unerlässlich. Die entsprechende datenschutzrechtliche Grundlage zur Datenverarbeitung soll in Abs. 1 geregelt werden.

Abs. 2 soll die Übermittlung anonymer, nicht personenbezogener Daten an den Bundesminister bzw. der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, Abs. 3 die Übermittlung an die Bundesanstalt Statistik Austria zur Führung des Bildungsstandregisters regeln. Um die neuen Qualifikationen auch in der offiziellen, von der Bundesanstalt Statistik Austria zu erstellenden Bildungsstatistik abzubilden, ist weiters eine Novellierung des Bildungsdokumentationsgesetzes beabsichtigt.

Abs. 4 soll den Datenschutzverantwortlichen gem. Art. 4 Z 7 DSGVO festlegen. Im Hinblick auf ihre Funktion als Datenschutzverantwortlicher ist die die Validierungs- und Prüfungsstelle betreibende juristische Person gemäß § 5 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes – DSG, BGBl. I Nr. 165/1999, in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2023, weisungsfrei. Das DSG ist in diesem Zusammenhang als lex specialis zu § 12 anzusehen.

Zu § 16 – Dachmarke

Zur Hebung der Sichtbarkeit höherer beruflicher Abschlüsse, insb. ihrer Vergleichbarkeit auf nationaler und europäischer Ebene, zur Förderung der Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Formen der Berufsbildung und zur Darstellung der prinzipiellen Gleichwertigkeit berufsorientierter und anderer Bildungswege auf denselben NQR-Qualifikationsniveaus soll „Höhere Berufliche Bildung“ als gemeinsame Dachmarke berufsorientierter Qualifikationen etabliert werden.

Demgemäß soll die Dachmarke sowohl die nach diesem Bundesgesetz eingerichteten oder bestehenden gesetzlichen berufspraktischen Qualifikationen (Meister- und Befähigungsprüfungen, Ingenieur-Qualifikation) als auch typischerweise im schulischen Kontext oder im Rahmen der beruflichen Weiterbildung erworbene Bildungsabschlüsse umfassen. Gemeinsame Grundlage sind ein Qualifikationsniveau, das der NQR-Stufe 5 oder darüber zugeordnet ist und die transparente Darstellung der Lernergebnisse. Im internationalen Vergleich sind diese Ausbildungen oder Abschlüsse dem Sektor Higher VET zuzuordnen. Der berufspraktische Qualifikationserwerb orientiert sich dabei in erster Linie am Bedarf des Arbeitsmarkts. Charakteristisch dafür ist die Verbindung von Lernen und Arbeiten, d.h. eine überwiegend induktiv-praktische Didaktik, Learning-on-the-Job und die Anleitung von Praktiker/innen für Praktiker/innen. Die Lernorte sind typischerweise der Arbeitsort und Bildungseirichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung.

Dem Beirat gemäß § 8 soll zur (grundsätzlichen) Gestaltung der Dachmarke, u.a. zu den umfassten Qualifikationen gemäß Abs. 2, Ziffer 4, ein Stellungnahmerecht zukommen.