2342 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (2320 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz erlassen wird sowie das GmbH-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 – GesRÄG 2023)

Allgemeiner Teil

Im Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 wird die Schaffung einer neuen Kapitalgesellschaftsform angekündigt, die auf internationalen Beispielen aufbauen und besonders für innovative Startups und Gründerinnen in der Frühphase eine international wettbewerbsfähige Option bieten soll.

Zur Umsetzung dieses Vorhabens wurde im Bundesministerium für Justiz eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der unter Einbeziehung von namhaften Vertreterinnen und Vertretern der Rechtswissenschaft sowie von Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft und der juristischen Praxis mögliche Lösungsvarianten diskutiert wurden. In dieser Diskussion wurde deutlich, dass die bestehenden österreichischen Kapitalgesellschaftsformen GmbH und AG sowohl national als auch international eine hohe Reputation genießen. Für die spezifischen Bedürfnisse von Startups und anderen innovativen Unternehmen eignet sich vor allem die Rechtsform der GmbH, die sehr weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag bietet. In manchen Bereichen (z.B. bei der Willensbildung der Gesellschafterinnen oder bei Kapitalmaßnahmen) wäre jedoch eine größere Freiheit zur individuellen Ausgestaltung zweckmäßig, als sie das geltende GmbH-Recht bietet. Es liegt daher nahe, als Ausgangspunkt für die neue Kapitalgesellschaft das Recht der GmbH zu wählen und dieses in mehreren Bereichen nach dem Vorbild des Aktienrechts zu modifizieren, um den besonderen Anliegen innovativer, rasch wachsender Unternehmen entgegenzukommen.

Für die neue Kapitalgesellschaftsform soll daher ein eigenes Bundesgesetz erlassen werden, in dem eine subsidiäre Geltung des GmbH-Gesetzes, RGBl. Nr. 58/1906, angeordnet wird. Durch diese Regelungstechnik kann für die neue Rechtsform in vielen Bereichen auf den reichen Erfahrungsschatz des GmbH-Rechts zurückgegriffen werden, der seit der Erlassung des GmbHG im Jahr 1906 durch Rechtswissenschaft und Judikatur zusammengetragen wurde. Außerdem ist dadurch gewährleistet, dass die neue Kapitalgesellschaft auch auf unionsrechtlicher Ebene alle Vorteile einer österreichischen GmbH genießt.

In jenen Bereichen, in denen bislang nur das Recht der Aktiengesellschaft Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die von Startups gefordert werden (z.B. eigene Anteile der Gesellschaft und flexible Kapitalmaßnahmen), sollen Bestimmungen aus dem Aktiengesetz übernommen und entsprechend angepasst werden. Vor diesem Hintergrund kann die neue Rechtsform auch als Hybridform zwischen der GmbH und der Aktiengesellschaft gesehen werden.

Als Bezeichnung für die neue Kapitalgesellschaft wird „Flexible Kapitalgesellschaft“ vorgeschlagen, um die besonders weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten dieser Rechtsform zu betonen. Diese Bezeichnung kann im Firmenwortlaut mit „FlexKapG“ abgekürzt werden. Da die neue Kapitalgesellschaftsform insbesondere für internationale Venture Capital-Investoren attraktiv sein soll, kommen als alternative Rechtsformzusätze auch der englische Ausdruck „Flexible Company“ oder die Abkürzung „FlexCo“ in Betracht.

Die neue Rechtsform der FlexKapG, mit deren Einführung zugleich ein Meilenstein des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans umgesetzt wird, steht selbstverständlich nicht nur Startups, sondern auch allen anderen Unternehmerinnen – insbesondere Gründerinnen in der Frühphase, Social Entrepreneurs und KMUs – zur Verfügung.

Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass manche Wünsche der innovativen Wirtschaft bereits im Bereich des GmbH-Rechts umgesetzt wurden, wovon gleichzeitig auch die FlexKapG profitiert: So kann ein Notariatsakt, der für die Gründung einer GmbH sowie für die Anteilsübertragung oder die Übernahmeerklärung bei einer Kapitalerhöhung erforderlich ist, mittlerweile auch „unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit“ geschlossen werden (vgl. näher dazu §§ 69b und 90a NO). Ein internationaler Investor, der sich an einer österreichischen GmbH oder FlexKapG beteiligen möchte, muss daher nicht mehr persönlich vor einem inländischen Notar erscheinen oder sich eines Bevollmächtigten bedienen, sondern kann selbst an der gesicherten Videokonferenz teilnehmen, in welcher der elektronische Notariatsakt errichtet wird. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, in der FlexKapG für Anteilsübertragungen und Übernahmeerklärungen bei einer Kapitalerhöhung als Alternative zum Notariatsakt eine notarielle oder anwaltliche (Privat-)Urkunde zuzulassen.

Ein weiteres Kernanliegen der Startups ist es, ihre Mitarbeiterinnen zu attraktiven Bedingungen am erwarteten Unternehmenserfolg teilhaben lassen zu können. Diesbezüglich ermöglicht der Entwurf in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht die Ausgabe von sogenannten „Unternehmenswert-Anteilen“, für deren Übernahme und Übertragung nur geringe Formalerfordernisse bestehen und denen grundsätzlich keine Mitwirkung an der Willensbildung der Gesellschaft zukommt.

Im Hinblick auf die Regelung über die sprachliche Gleichbehandlung in § 27 FlexKapGG wird auch in den Erläuterungen zu diesem Gesetz bei natürlichen Personen ausschließlich die weibliche Form verwendet.

Außerdem ist im aktuellen Regierungsprogramm im Abschnitt „Rechtssicherheit und Entlastung für Selbstständige und KMUs“ eine Absenkung des GmbH-Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro vorgesehen, was zugleich einen Beitrag zur weiteren Vereinfachung von Unternehmensgründungen darstellt (vgl. dazu den Abschnitt „Zivil- und Wirtschaftsrecht“). Es liegt nahe, diese Maßnahme gleichzeitig mit der neuen Kapitalgesellschaftsform umzusetzen, weil das niedrigere Stammkapital der GmbH auch der FlexKapG zugutekommt.

Das Mindeststammkapital der GmbH war zuletzt in den Jahren 2013 und 2014 Gegenstand gesetzgeberischer Maßnahmen: Zunächst kam es durch das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 (GesRÄG 2013), BGBl. I Nr. 109/2013, zu einer Absenkung des Mindeststammkapitals von 35 000 Euro auf 10 000 Euro. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014), BGBl. I Nr. 13/2014, wurde diese Änderung zwar grundsätzlich wieder rückgängig gemacht; die Möglichkeit einer GmbH-Gründung mit einem unmittelbaren Kapitalbedarf von nur 5 000 Euro und einer (wenngleich nur temporären) Beschränkung der persönlichen Haftung der Gesellschafter auf weitere 5 000 Euro blieb durch das neue Rechtsinstitut der Gründungsprivilegierung (vgl. dazu § 10b GmbHG) jedoch erhalten.

Durch die nunmehr geplante neuerliche Absenkung des GmbH-Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro bewegt sich Österreich im europäischen Vergleich in den mittleren Bereich der Kapitalanforderungen: Ein identisches oder ähnlich hohes Mindestkapital haben in Europa auch die italienische Società a responsabilità limitata (10 000 Euro), die liechtensteinische GmbH (10 000 Schweizer Franken ≈ 10 000 Euro), die luxemburgische Société à responsabilité limitée (12 000 Euro) und die ungarische Korlátolt felelősségű társaság (3 Mio. Ungarische Forint ≈ 7 100 Euro). Während sich viele europäische Staaten für ihre jeweilige Form der GmbH auch mit einem wesentlich niedrigeren Stammkapital von teilweise nur 1 Euro begnügen, haben vor allem Deutschland (25 000 Euro), die Schweiz (20 000 Schweizer Franken ≈ 20 000 Euro) und Belgien (18 550 Euro) – zumindest für die jeweilige reguläre Gesellschaftsform – ein deutlich höheres Mindeststammkapital beibehalten.

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung der vorgeschlagenen Bestimmungen gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, Angelegenheiten der Notare und der Rechtsanwälte) sowie auf § 7 Abs. 1 F-VG (Bundesabgaben).

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. November 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Elisabeth Götze die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Harald Stefan und Dr. Nikolaus Scherak, MA sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M..

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2320 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2023 11 30

                             Dr. Elisabeth Götze                                                   Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau