2344 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (2309 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Koordinator-für-digitale-Dienste-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz, das E-Commerce-Gesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Urheberrechtsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Mediengesetz, die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Telekommunikationsgesetz 2021 geändert werden (DSA-Begleitgesetz – DSA-BegG)
Allgemeiner Teil
Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:
Mit der Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste), ABl. Nr. L 277 vom 27.10.2022, S. 1 (im Folgenden: Verordnung über digitale Dienste oder kurz Verordnung) (Dokument CELEX:32022R2065) wurde – zwanzig Jahre nach Erlassung der Richtlinie 2000/31/EG („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) – ein unmittelbar anwendbarer Rechtsrahmen geschaffen, mit dem die Bedingungen für die Erbringung von Vermittlungsdiensten im gesamten Binnenmarkt harmonisiert werden. Ziel dieses Regelungswerks ist ein sicheres, berechenbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld, das der Verbreitung rechtswidriger Online-Inhalte und den gesellschaftlichen Risiken, die die Verbreitung von Desinformation oder anderen Inhalten mit sich bringen kann, entgegenwirkt und in dem Grundrechte wirksam geschützt und Innovationen gefördert werden.
Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024; allerdings treten die Bestimmungen über sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen schon zuvor in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt werden das Kommunikationsplattformen-Gesetz und einige Bestimmungen des E-Commerce-Gesetz nicht mehr anwendbar sein. Insbesondere muss aber bereits vor diesem Zeitpunkt eine Behörde geschaffen werden, die die Bestimmungen der Verordnung vollzieht (Koordinator für Digitale Dienste). Für diese Aufgabe kommt nur eine weisungsfreie Bundesbehörde in Betracht; wegen der großen Überschneidung mit den bisherigen Aufgaben wird dafür die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) vorgeschlagen.
Die Verordnung sieht im Wesentlichen Folgendes vor:
Haftung(sausschlüsse) der Anbieter von Vermittlungsdiensten (Art. 4 bis 10)
Ob ein Anbieter von Vermittlungsdiensten haftbar gemacht werden kann, ist nach dem Unionsrecht sowie dem nationalen Recht zu beurteilen. Die Verordnung sieht aber Haftungsausschlüsse vor und legt somit fest, wann Anbieter von Vermittlungsdiensten für von Nutzerinnen bzw. Nutzern bereitgestellte rechtswidrige Inhalte nicht haftbar gemacht werden können (also etwa für „reine Durchleitungen“ im Sinne von Art. 4 der Verordnung); diese Haftungsausschlüsse gelten aber dann nicht, wenn er dahin gehend eine aktive Rolle einnimmt, dass er Wissen oder Kontrolle über diese Informationen erhält (vgl. ErwGr 18 der Verordnung).
Sorgfaltspflichten für ein transparentes und sicheres Online-Umfeld (Art. 11 bis 48)
Die harmonisierten Sorgfaltspflichten für Anbieter von Vermittlungsdiensten sollen vor allem die Nutzerinnen und Nutzer – bei denen es sich oft um Verbraucherinnen und Verbraucher oder um gewerbliche Nutzerinnen und Nutzer handelt – stärken und deren Sicherheit und Vertrauen gewährleisten, die Grundrechte schützen, die Rechenschaftspflicht der Anbieter sicherstellen und den zuständigen Behörden die erforderliche Aufsicht erleichtern. Dabei ist es wesentlich, die Sorgfaltspflichten an die Beschaffenheit, den Umfang und die Art der betreffenden Vermittlungsdienste anzupassen. In diesem Sinne wird in persönlicher Hinsicht folgendermaßen differenziert:
- Bestimmungen für alle Anbieter von Vermittlungsdiensten (zB Benennung einer zentralen Kontaktstelle, Transparenzberichtspflichten);
- zusätzliche Bestimmungen für Hostingdiensteanbieter, einschließlich Online-Plattformen (zB Melde- und Abhilfeverfahren);
- zusätzliche Bestimmungen für Anbieter von Online-Plattformen (zB internes Beschwerdemanagementsystem, außergerichtliche Streitbeilegung, vertrauenswürdige Hinweisgeber, Werbevorschriften, Transparenz der Empfehlungssysteme);
- zusätzliche Verpflichtungen für Anbieter von Online-Plattformen, die Verbraucherinnen und Verbrauchern den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Unternehmen ermöglichen (zB „Know-Your-Business-Costumer“-Regel oder „Compliance-by-Design“-Grundsatz);
- zusätzliche Verpflichtungen in Bezug auf den Umgang mit systemischen Risiken für Anbieter von sehr großen Online-Plattformen (very large online platforms – VLOPs) und sehr großen Online-Suchmaschinen (very large online search engines – VLOSEs).
Sanktionsvorschriften (Art. 52)
Die Verordnung gibt vor, dass für Verstöße seitens der der Rechtshoheit des betreffenden Mitgliedstaates unterliegenden Anbieter von Vermittlungsdiensten auf nationaler Ebene entsprechende Sanktionsbestimmungen erlassen werden und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu verhängen sind sowie alle für die Anwendung der Sanktionen erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.
Beschwerderecht (Art. 53)
Im Interesse einer wirksamen Durchsetzung der unionsrechtlich festgelegten Verpflichtungen sieht die Verordnung für Nutzerinnen und Nutzer sowie Vertretungsorganisationen ein Beschwerderecht vor; dabei handelt es sich um eine ergänzende (d.h. nicht bloß subsidiäre) Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung. Dem Koordinator für digitale Dienste kommt die Zuständigkeit zu, derartige Beschwerden, in denen ein Verstoß eines Anbieters von Vermittlungsdiensten gegen die Verordnung behauptet wird, zu prüfen (zum Individualrechtsschutz vgl. Rademacher, Art. 53, in: Hofmann/Raue [Hrsg.], Digital Services Act, 2023, Rz 1 ff., 25, 27).
In diesem Sinne soll der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) gemäß des vorgesehenen § 2 Abs. 3 Z 11 des Koordinator-für-digitale-Dienste-Gesetzes (KDD-G) die Kompetenz zukommen, in Beschwerdesachen mittels Bescheid selbst zu entscheiden, wenn die Angelegenheit in ihren eigenen Zuständigkeitsbereich fällt; dies betrifft die Aufsicht insbesondere über jene Verpflichtungen, die die Verordnung Anbietern von Vermittlungsdiensten auferlegt. Die KommAustria hat dabei als Behörde insbesondere das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 88/2023, anzuwenden (vgl. Art. I Abs. 2 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008, in der Fassung BGBl. I Nr. 61/2018. Dabei ist etwa auf § 13 Abs. 1 AVG zu verweisen, wonach Anträge etc. schriftlich (siehe zu E-Mails § 13 Abs. 2), mündlich oder telefonisch bei der Behörde eingebracht werden.
Ist die KommAustria nicht zuständig, weil der Koordinator für digitale Dienste am Niederlassungsort (zB in Irland) zuständig ist, so hat sie die Beschwerde an diesen weiterzuleiten. Von der Pflicht, eine Beschwerdesache selbst mittels Bescheid zu entscheiden, nicht erfasst ist naturgemäß auch der Fall, dass innerstaatlich eine andere Stelle für die Beschwerde zuständig ist (vgl. § 6 Abs. 1 AVG); hier wird die KommAustria die Beschwerde regelmäßig an die für die Angelegenheit innerstaatlich zuständige Stelle weiterleiten. Im Fall der Weiterleitung wird die KommAustria keinen Bescheid zu erlassen haben. Mit der erfolgten Weiterleitung geht auch die in Art. 53 der Verordnung letzter Satz vorgesehene Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs und zur Unterrichtung über den Stand der Beschwerde nach Maßgabe des nationalen Rechts auf jene Einrichtung über, an die weitergeleitet wurde. Die KommAustria hat die Beschwerdeführerin oder den Beschwerdeführer von der Weiterleitung der Beschwerde in Kenntnis zu setzen.
1. Koordinator-für-Digitale-Dienste-Gesetz, KommAustria-Gesetz:
In Bezug auf unionsrechtliche Verordnungen hat der EuGH festgestellt, dass ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Änderung, Ergänzung oder Präzisierung durch verbindliches innerstaatliches Recht besteht (EuGH 18.2.1970, Rs. 40/69, Bollmann, Rz 4; 31.1.1978, Rs 94/77, Zerbone, Rz 22/27). Der Umstand, dass eine Regelung in einem unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsakt enthalten ist, bedeutet gleichwohl nicht notwendigerweise, dass jede nationale Maßnahme in diesem Bereich verboten wäre (EuGH 21.12.2011, Rs C-316/10, Danske Svineproducenter, Rz 42). Insbesondere dürfen nach der Rechtsprechung staatliche Vorschriften im Interesse ihres inneren Zusammenhanges und ihrer Verständlichkeit für die Adressatinnen und Adressaten bestimmte Punkte der unionsrechtlichen Verordnungen wiederholen (EuGH 28.3.1985, Rs 272/83, Kommission/Italien, Rz 27). Durchführungsmaßnahmen sind zulässig und mitunter auch unionsrechtlich geboten. Die innerstaatliche Durchführung hat sich allerdings zwingend auf jene Bereiche zu beschränken, die durch die Verordnung nicht determiniert und zum innerstaatlichen Vollzug erforderlich sind (EuGH 25.11.2021, Rs C-372/20, Finanzamt für den 8., 16. und 17. Bezirk in Wien, Rz 47 f.). Im vorliegenden Fall umfassen derartige Durchführungsmaßnahmen vor allem Strafbestimmungen und die Behördenzuständigkeit. Nach Art. 49 Abs. 1 der Verordnung haben die Mitgliedstaaten eine oder mehrere zuständige Behörden zu benennen, die für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und die Durchsetzung der Verordnung zuständig sind. Eine der zuständigen Behörden ist bis 17. Februar 2024 als Koordinator für digitale Dienste zu benennen (Abs. 2 und 3).
Im Anwendungsbereich der Verordnung harmonisiert sie die geltenden Vorschriften vollständig (ErwGr 9 der Verordnung). Das Kommunikationsplattformen-Gesetz – KoPl-G, BGBl. I Nr. 151/2020, in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2023, verpflichtet Kommunikationsplattformen unter anderem dazu, ein Melde-und Überprüfungsverfahren für den Umgang mit bestimmten strafrechtswidrigen Inhalten zu schaffen. Außerdem wurde vor allem die Transparenz (insbesondere durch eine Berichtspflicht) gestärkt. Die Verordnung schreibt ähnlich dem KoPl-G – neben einer außergerichtlichen Streitbeilegung (Art. 21 der Verordnung, § 7 KoPl-G) – ein internes Beschwerdemanagement (Art. 20 der Verordnung, § 3 KoPl-G) vor. Außerdem kann bei missbräuchlichen oder wiederholten fälschlichen Meldungen die Bearbeitung von Meldungen unter Umständen ausgesetzt werden (Art. 23 Abs. 2 der Verordnung, § 3 Abs. 6 KoPl-G). Diese Beispiele verdeutlichen nur demonstrativ vorhandene Überschneidungen. Zudem geht der Anwendungsbereich der Verordnung über den des KoPl-G hinaus. Während sich das KoPl-G auf Kommunikationsplattformen und somit auf Dienste der Informationsgesellschaft bezieht, bei denen der Hauptzweck oder eine wesentliche Funktion darin besteht, im Wege der Massenverbreitung den Austausch von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild zwischen Nutzerinnen bzw. Nutzern und einem größeren Personenkreis anderer zu ermöglichen (§ 2 Z 4), nimmt die Verordnung Vermittlungsdienste in den Fokus und damit Dienstleistungen der Informationsgesellschaft, die die Durchleitung, das Caching sowie Hosting betreffen (Art. 3 lit. g der Verordnung). In diesem Zusammenhang werden auch Unterkategorien geschaffen. Online-Plattformen stellen etwa eine eigene Kategorie an Hostingdiensten dar (Art. 3 lit. i der Verordnung); dazu können etwa auch Anbieter von „Online-Marktplätzen“ zu zählen sein. Es ist daher erforderlich, die nationale Rechtslage anzupassen, denn „der Vorrang und die unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des [Unionsrechts entbinden] die Mitgliedstaaten nicht von der Pflicht, diejenigen Bestimmungen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung aufzuheben, die mit dem [Unionsrecht] unvereinbar sind; denn ihre Beibehaltung führt zu Unklarheiten tatsächlicher Art, weil die betroffenen Normadressaten bezüglich der ihnen eröffneten Möglichkeiten, sich auf das [Unionsrecht] zu berufen, in einem Zustand der Ungewissheit gelassen werden“ (EuGH 2.7.1996, Rs. C-290/94, Kommission/Griechenland, Rz 29).
Die harmonisierende Verordnung lässt aber etwa die Möglichkeit unberührt, andere nationale Rechtsvorschriften, die für Anbieter von Vermittlungsdienste gelten, unionsrechtskonform anzuwenden (ErwGr 9 der Verordnung). Ebenso unberührt bleiben vor allem unionsrechtliche Akte, die die Bereitstellung von Diensten der Informationsgesellschaft im Allgemeinen, andere Aspekte der Bereitstellung von Vermittlungsdiensten im Binnenmarkt regeln oder die in der Verordnung festgelegten Vorschriften festlegen und ergänzen (insb. ErwGr 10, 11 der Verordnung). Da die Verordnung nur für Vermittlungsdienste gilt, lässt sie nationale und unionale rechtliche Anforderungen für über Vermittlungsdienste vermittelte Produkte oder Dienstleistungen ebenso unberührt (ErwGr 6 der Verordnung; zum Geltungsbereich Art. 2 der Verordnung).
2. Weitere Begleitregelungen zur Durchführung der Verordnung über digitale Dienste:
Da der Inhalt der bisherigen §§ 13 bis 17 sowie § 18 Abs. 1 E-Commerce-Gesetz nunmehr unmittelbar in der Verordnung über digitale Dienste geregelt sind, sind diese Bestimmungen aufzuheben. Der vorgeschlagene § 15 ECG dient der Implementierung des in Art. 9 der Verordnung über digitale Dienste vorgesehenen Informationsmechanismus für Vermittlungsdiensteanbieter in das österreichische Verfahrensrecht. Diese Bestimmung soll die Rechtsdurchsetzung bei Fällen von Hass im Netz maßgeblich erleichtern. Das mit dem Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 148/2021, neu eingeführte und auf gravierende Hasspostings zugeschnittene „Mandatsverfahren“ nach § 549 ZPO hat zwar bereits zu mehr Rechtssicherheit bei der zivilrechtlichen Durchsetzung von persönlichkeitsrechtlichen (Unterlassungs-)Ansprüchen geführt. Das Ziel, ein Hassposting möglichst rasch aus dem Internet zu entfernen, kann aber durch das oft langwierige Prozedere einer Zustellung in das Ausland unter Anwendung der Bestimmungen der EU-ZustellVO konterkariert werden. Aus diesem Grund sieht die Verordnung über digitale Dienste die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung von Entfernungs- und Auskunftsanordnungen durch die anordnende Behörde an den Vermittlungsdiensteanbieter vor. Um dieses Prozedere zu nützen, bedarf es allerdings einer Rechtsgrundlage im nationalen Recht.
Die vorgeschlagenen Bestimmungen sehen eine deutliche Verbesserung bei der Durchsetzung von Entfernungsanordnungen bei Fällen von „Hass im Netz“ vor:
- Entfernungsanordnungen in Fällen von „Hass im Netz“ können auf Antrag den in Art. 9 der Verordnung über digitale Dienste neu vorgesehenen Informationsmechanismus auslösen: Das Gericht übermittelt die Anordnung auf elektronischem Weg an den Vermittlungsdiensteanbieter, der nach der Verordnung nunmehr dazu verpflichtet ist, darauf zu reagieren. Auf diese Weise kann der Vermittlungsdiensteanbieter schon vor einer – allenfalls langwierigen, grenzüberschreitenden – Zustellung der gerichtlichen Anordnung Folge leisten.
- Damit sich eine faktische Entsprechung der elektronisch übermittelten gerichtlichen Anordnung auch verfahrensrechtlich als Erleichterung niederschlagen kann, wird eine Sonderregel vorgesehen: Das Gericht führt die Zustellung der Anordnung – abweichend vom Grundsatz der amtswegigen Zustellung – nur dann durch, wenn der Antragsteller die Zustellung innerhalb einer Frist beantragt. Dadurch wird Opfern von „Hass im Netz“ die Möglichkeit gegeben (etwa weil das Hassposting infolge der elektronischen Übermittlung umgehend beseitigt wurde) aus dem Gerichtsverfahren „auszusteigen“ und – durch Verzicht auf das Erlangen eines rechtskräftigen Titels – das weitere Prozesskostenrisiko zu vermeiden.
- Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für immateriellen Schadenersatz bei erheblichen Ehrenbeleidigungen in einem elektronischen Kommunikationsnetz ist ein weiterer Meilenstein bei der Bekämpfung von Hass im Netz mit zivilrechtlichen Mitteln.
3. Zur Änderung des Mediengesetzes:
Die Änderungen im Mediengesetz beinhalten die Umwandlung des bisherigen Verweises auf das E-Commerce-Gesetz in einen Verweis auf das Gesetz über digitale Dienste sowie einzelne redaktionelle Nachschärfungen.
Darüber hinaus erfordert die Aufhebung einer Bestimmung des Gegendarstellungsrechts, von § 17 Abs. 5 MedienG, durch den VfGH (Erkenntnis vom 15.3.2023 zu G 297/2022, kundgemacht in BGBl. I Nr. 44/2023) als verfassungswidrig eine Neuregelung; eine solche wird auch für die gleichlautende Bestimmung des § 16 Abs. 3 vorgeschlagen. Daneben sollen einige Redaktionsversehen beseitigt werden.
4. Zu den Änderungen der StPO, des StAG, des EU-JZG, des ARHG und des TKG 2021:
Die vorgeschlagenen Änderungen im ECG erfordern auch Anpassungen in der Strafprozeßordnung 1975 (StPO). Diese werden zum Anlass dafür genommen, den bisherigen Inhalt des § 76a StPO sprachlich zu präzisieren und systemkonform in das 8. Hauptstück der StPO überzuführen sowie in § 134 Definitionen der Begriffe „Auskunft über Stammdaten“, „Auskunft über Zugangsdaten“ und „Anbieter“ aufzunehmen und insgesamt zu einer Straffung und besseren Verständlichkeit der Gesetzesbestimmungen beizutragen. Die Neuverortung des § 76a StPO trägt sowohl Bedürfnissen der Praxis als auch systematischen Erwägungen Rechnung; so ergeben sich bei Ermittlungsmaßnahmen nach § 76 StPO nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Eingliederung im 1. Teil der StPO rechtliche Fragen zum Beginn des Strafverfahrens (§ 1 Abs. 2 StPO stellt auf Ermittlungen nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ab), die aufgrund der vorgeschlagenen Änderungen eindeutig geklärt werden sollen.
Die vorgeschlagenen Änderungen in der StPO erfordern redaktionelle Anpassungen im Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EUJZG) und im Telekommunikationsgesetz 2021 (TKG 2021).
Den Erfahrungen aus der Praxis Rechnung tragend wird zudem in § 5 Abs. 5 Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG) der Entfall der Revisionspflicht im Fall einer Anordnung über Zugangsdaten nach § 76a Abs. 2 StPO vorgeschlagen.
Neben redaktionellen Anpassungen an die Änderungen in der StPO betreffen die vorgeschlagenen Änderungen im EU-JZG und im ARHG die weitere Umsetzung des Art. 39 der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2015, S. 89 (im Folgenden: DSRL-PJ). Analog zu der in § 71a ARHG im Verhältnis zu Drittstaaten bereits bestehenden Möglichkeit, Ersuchen direkt an einen Anbieter zu übersenden, soll insbesondere für Anbieter aus Drittstaaten, die ihre Dienste in der EU anbieten, eine Rechtsgrundlage für die direkte Übermittlung von Auskunftsersuchen an diese im EU-JZG aufgenommen werden. Die Zusammenarbeit mit dem Anbieter erfolgt auf freiwilliger Basis und nach Maßgabe des für den Anbieter anwendbaren Rechts – es handelt sich nicht um eine Zwangsmaßnahme. Es wird außerdem vorgeschlagen, die Rechtsgrundlage nach § 71a ARHG auszubauen.
Die vorgeschlagenen Änderungen in § 9 Abs. 1 ARHG greifen Kritikpunkte der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 2023/2009 betreffend die Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs, ABl. Nr. L 294 vom 6.11.2013, S. 1, auf.
Kompetenzgrundlage:
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG („Post- und Fernmeldewesen“), auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG („Zivilrechtswesen“, „Strafrechtswesen“ und „Pressewesen“), und Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“).
Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. November 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Mag. Christian Ragger, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA und Mag. Christian Drobits sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M..
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G, dagegen: F, N) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2309 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2023 11 30
Mag. (FH) Kurt Egger Mag. Michaela Steinacker
Berichterstattung Obfrau