2348 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie
über die Regierungsvorlage (2312 der Beilagen): Bundesgesetz über die höhere berufliche Bildung (HBB-Gesetz)
Ein neues Bundesgesetz zur Einrichtung der höheren beruflichen Bildung soll einen formalen (gesetzlich eingerichteten) qualitätsorientierten Rahmen bereitstellen, um die Höherqualifikation am Arbeitsmarkt praxisorientiert und entsprechend den Anforderungen der betroffenen Branchen systemisch zu unterstützen. Ziel ist es, Fachkräfte in inhaltlicher Anknüpfung an ihre berufliche Erstausbildung oder bereits erworbene Berufspraxis nach transparenten Kriterien, evidenzbasiert und tätigkeitsbezogen weiterzubilden.
Durch die Anknüpfung an die Qualifizierungsniveaus ab Stufe 5 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und damit des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) sollen höhere berufspraktische Qualifikationen auch international vergleichbarer werden. Das würde u.a. bei internationalen Auftragsvergaben eine verbesserte Darstellung des Qualifikationsniveaus der zum Einsatz kommenden Fachkräfte österreichischer Unternehmen ermöglichen.
Im Kontext des lebensbegleitenden Lernens soll jenen rund 1,6 Mio. Österreichinnen und Österreichern zwischen 25 und 64, die eine abgeschlossene Lehre als höchsten Bildungsabschluss aufweisen, und jenen ca. 870.000 Personen, die nach dem Pflichtschulabschluss eine mehrjährige berufliche Erfahrung erworben haben, auf berufspraktischen Weg ein formaler Bildungsabschluss und, damit verbunden, gesellschaftliche Anerkennung ermöglicht werden (vgl. Statistik Austria: Bildung in Zahlen 2021/22, Tabellenband, 3.1 Bildungsstand der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren, 1971 bis 2020). Gleichzeitig wird damit in vielen Berufsfeldern eine durchgängige Weiterbildungsperspektive mit formalen Bildungsabschlüssen geschaffen und die Wahl für einen Lehrberuf oder eine berufliche Ausbildung attraktiver.
Fachkräfte sollen v.a. dadurch profitieren, indem sie ihre berufliche Handlungskompetenz und ihr Know-How individuell erweitern können. HBB-Qualifikationen sollen somit auch die Vorbereitung berufstätiger Personen auf Leitungsaufgaben und spezialisierte fachliche Tätigkeiten in den Unternehmen unterstützen.
Als neues Segment im österreichischen Bildungssystem sollen Qualifikationen der höheren beruflichen Bildung nach diesem Bundesgesetz ein berufspraktisches Angebot der beruflichen Weiterbildung für praxisorientierte Lerntypen im Arbeitsleben bieten. Von bestehenden Angeboten sollen sie sich durch die Verbindung von Lernen und Arbeiten, eine überwiegend induktiv-praktische Didaktik, Learning on-the-job und die Anleitung von Praktiker/innen für Praktiker/innen unterscheiden. Lernorte sind Arbeitsort und Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung. Die Lernergebnisse sollen durch den Bedarf des Arbeitsmarkts definiert werden. Die Qualitätssicherung soll im strukturierten Zusammenwirken von Qualifikationsanbieter und Validierungs- und Prüfungsstellen sowie in Vorbereitungskursen durch qualitätsgesicherte Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung erfolgen.
Um die neuen Bildungsangebote nachhaltig zu gestalten und im jeweiligen Branchenumfeld breite Akzeptanz zu gewährleisten, sollen bei der Entwicklung der Qualifikationsstandards Expertinnen und Experten der jeweiligen Berufe und Branchen, die Sozialpartner und die Berufsbildungsforschung eingebunden werden.
Das HBB-Gesetz soll damit einen wesentlichen Beitrag leisten, die für die Bewältigung der Herausforderungen der kommenden Jahre (und Jahrzehnte), insb. betreffend Know-How in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, erforderlichen Kompetenzen in transparenten Verfahren anforderungsgerecht inhaltlich und strukturell weiterzuentwickeln. Unternehmen sollen aufgrund der einzuhaltenden Qualitätskriterien die berufliche Weiterbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besser unterstützen können.
Qualifikationen, die aufgrund des neuen Gesetztes eingerichtet werden, sollen auf die unmittelbare berufliche Anwendung fokussieren. Im Unterschied zu den Bestimmungen zu den Zielen und leitenden Grundsätzen der Fachhochschulen (§ 3 FHG) sollen HBB-Qualifikationen kein wissenschaftlich orientierter Bildungsweg, sondern aufgrund nachgewiesener Evidenz nachgefragte Kompetenzen, die zur unmittelbaren Berufsausübung erforderlich sind, zugrunde liegen. Die Vermittlung von HBB-Qualifikationen erfolgt nicht im hochschulischen Kontext und nicht auf Grundlage der Regelungen für den Europäischen Hochschulraum (Bologna-Prozess / Dublin-Deskriptoren), sondern überwiegend in der betrieblichen Praxis und durch ergänzende fachspezifische Ausbildungsangebote der beruflichen Erwachsenenbildung.
Das HBB-Gesetz soll damit auch die gesetzlichen Voraussetzungen zur Etablierung eines neuen Systems der formalen Anerkennung beruflicher Praxis nach dem Vorbild der Zertifizierung zur Ingenieurin oder zum Ingenieur gemäß IngG 2017, insb. für kaufmännische, touristische, kunstgewerbliche, sozialwirtschaftliche Berufe oder weitere berufliche Tätigkeiten, sofern diese in die Regelungskompetenz des Bundes fallen und nicht sondergesetzlichen Regelungen unterliegen (vgl. z.B. das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, BGBl. Nr. 378/1996, in der jeweils geltenden Fassung), schaffen.
Mit dem neuen Bundesgesetz soll Österreich auch den Zielen der von allen Mitgliedstaaten der EU im November 2020 angenommenen Osnabrücker Erklärung entsprechen, die den Ausbau der beruflichen Bildung auf den höheren EQR-Stufen vorsieht (publiziert u.a. auf der Website von CEDEFOP – Europäischen Zentrums für die Berufsbildung der Europäischen Union).
Es ist geplant, die Einführung des Gesetzes und die ersten Jahre der Umsetzung wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Im Zuge der Evaluierung sollen insb. die Wirkungen der neuen gesetzlichen Systematik, der Nutzen sowohl für Absolventinnen und Absolventen als auch für Unternehmen sowie die Funktionalität und Adäquanz der geregelten Verfahren im Hinblick auf die zu erreichenden Zielgruppen, unter Berücksichtigung der Kosten-/Nutzenentwicklungen der einzelnen Qualifikationen, erhoben werden.
Die durch die Einführung des neuen Gesetzes bedingten Kostenfolgen für den öffentlichen Haushalt betreffen zusätzliche Personalressourcen im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft zur Vollziehung der vorgesehenen Verfahren sowie Werkleistungen für wissenschaftliche Begleitung und Bildungsdokumentation. Hinsichtlich der Details ist auf die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung zu verweisen.
Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. November 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneter Mag. Eva Blimlinger die Abgeordneten Martina Kaufmann, MMSc BA, Mag. Gerald Loacker und Maximilian Linder sowie der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Martina Kaufmann, MMSc BA und Mag. Eva Blimlinger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen redaktionelle Klarstellungen (vgl. Z 1 und Z 3 des Abändungerungsantrages) sowie die Korrekturen von redaktionellen Versehen.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages einstimmig beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2023 11 30
Mag. Eva Blimlinger Peter Haubner
Berichterstattung Obmann