2401 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Bauten und Wohnen

über den Antrag 3562/A(E) der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wohnen in der Krise – umfassendes Maßnahmenpaket für leistbares Wohnen

Die Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. September 2023 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

 

„Im August liegt die Inflation bei 7,4%. Im Juli war dieser Wert bei 7, 1 %. Die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen führen also weiterhin nicht dazu, dass die Inflationsrate absinkt und Österreich liegt damit in Westeuropa weiterhin auf dem beschämenden letzten Platz bei der Inflationsentwicklung.

Der von der SPÖ bereits im Frühjahr geforderte Mietenstopp hätte dazu geführt, dass sich die Inflationsrate abgeschwächt hätte. Stattdessen legt die Regierung am 30. August dem Nationalrat einen sogenannten Mietendeckel vor, der eine Begrenzung des Anstiegs bei den gesetzlich vorgegebenen Mieten in den nächsten drei Jahren von 5% pro Jahr vorsieht. Die rund 500.000 Wohnungen im freien, nicht preisregulierten Mietsektor werden von der Regierung überhaupt nicht berücksichtigt. Hier handelt sich aber um die teuersten Wohnungen, die durch die automatischen Teuerungsklauseln in ihren Mietverträgen in den letzten eineinhalb Jahren um bis zu 25% teurer geworden sind. Der von der Regierung vorgelegte Mietendeckel garantiert den Vermietern daher weiterhin Gewinne auf Kosten der Mieterinnen und Mieter.

Die Richtwertmieten sind im April 2022 um 5,6% gestiegen, im April 2023 erhöhten sie sich um 8,6%, weil die Regierung die Anträge der SPÖ auf ein Aussetzen der Erhöhung mehrmals abgelehnt hatte. Wenn die Politik nicht eingreift werden sich die Richtwertmieten angesichts der Inflationsprognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute bis April 2025 um weitere 11 % erhöhen, sie wären dann nach den Erhöhungen 2022 (5,6%), 2023 (8,6%) in drei Jahren um mehr als 25% gestiegen sein.

Die Kategoriemieten stiegen in den letzten 15 Monaten um fast 24%, die letzte Erhöhung erfolgte im Juli 2023 um 5,5%.

Rund 2 Mio. Haushalte leben in Österreich in einer Mietwohnung. Jeder 5. Euro (also rund 20%) der Haushaltausgaben wird für die Wohnungsmiete aufgewendet. Haushalte mit kleineren Einkommen geben sogar 30 bis 40% ihres Einkommens für die Miete aus. Viele Menschen kommen durch die anhaltend hohe Inflation in eine prekäre finanzielle Situation, die durch das Nicht-Handeln der Regierung weiter verschärft wird.

Die Mieterhöhungen treiben damit auch die Inflation weiter kräftig nach oben, das ist nicht nur ein Schaden für die betroffenen Mieter, sondern auch für die gesamte Wirtschaft. Immer mehr Experten und Expertinnen, wie etwa WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, fordern daher seit Monaten eine Mietpreisbremse und einen Ausstieg aus der lndexierungsautomatik. Es braucht aber insgesamt ein neues System. Ein System mit klaren Mietobergrenzen sowie einen neuen Index für die Mietpreisentwicklung, wie etwa die Orientierung am EZB-Leitzinssatz mit einer Deckelung von 2% p.a.

Ein weiterer wohnpolitischer Schwerpunkt zur Entlastung der Menschen ist die gezielte Errichtung von sozialem Wohnraum. Dem stehen jedoch oft diverse Hindernisse im Weg, vor allem, weil die Ressource Boden nicht unbegrenzt zur Verfügung steht und zahlreiche Interessen am Immobilienmarkt vertreten sind, die nicht zwangsläufig im Sinne der Bevölkerung, sondern viel eher zu Zwecken der Profitmaximierung agieren. Private Immobilieninvestoren können weit höhere Flächenpreise bezahlen, als der öffentliche Sektor. Eine Lösung für dieses Problem ist die Forcierung der Flächenwidmungskategorie ‚Sozialer Wohnbau‘. Mit ihr können die noch vorhandenen Bodenressourcen zum Vorteil der gesamten Bevölkerung abgesichert und der Spekulation ein Riegel vorgeschoben werden.

Eine Flächenwidmung ‚sozialer Wohnbau‘ wird auch von den gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften herbeigesehnt, weil die hohen Grundstückspreise nur von privaten Bauträgern bezahlt werden können. Um die gemeinnützige Wohnungswirtschaft anzukurbeln, bedarf es noch weiterer Maßnahmen, wie etwa die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung oder auch die Wiedererrichtung der Wohnbauinvestitionsbank (WBIB), um mit günstigen EIBKrediten die zunehmenden Finanzierungskosten aufzufangen bzw. abzufedern.

Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Mietpreisentwicklung und die Teuerung rücken auch das Thema Leerstand wieder in den Fokus. Die Diskussion rund um Leerstandsabgaben wird jedoch nicht erst seit der aktuellen Krise geführt - ..nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Spekulation und die künstliche Verknappung von Wohnraum zur Profitmaximierung den Zielen der Schaffung von leistbarem Wohnraum diametral entgegenstehen. Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsübereinkommen dazu festgelegt: ‚Die Bundesregierung möchte das Angebot an Wohnungen vergrößern und wird zu diesem Zweck gemeinsam mit den Ländern den Leerstand mobilisieren.‘ Auf drei Seiten werden außerdem insgesamt 34 Forderungen im Bereich des Wohnens aufgelistet. Mitten in der zweiten Hälfte der Regierungsperiode sind davon jedoch nur drei Punkte abgearbeitet. Es bleibt also fraglich, ob bis zum geplanten Ende der Legislaturperiode noch grundlegende Schritte im Bereich der Mobilisierung von leerstehendem Wohnraum gesetzt werden.

Dass es gerade in diesem Bereich dringend Reformen braucht, zeigen auch Landesgesetze zur Leerstandsabgabe in Tirol, Salzburg und der Steiermark, die mit Oktober 2022 (Steiermark) bzw. Anfang 2023 (Salzburg und Tirol) in Kraft getreten sind. All diese Bundesländer sind von ÖVP-Landeshauptmännern regiert, die bereits mehrfach Forderungen nach einer Leerstandsabgabe erhoben hatten und letztlich auf Grund der Versäumnisse des Bundes selbst aktiv geworden sind. In Wien war eine derartige Abgabe zudem bereits bis 1985 in Kraft, wurde jedoch vom VfGH aus kompetenzrechtlichen Gründen aufgehoben. Die Lehre aus diesem Urteil ist aber auch, dass nun Gesetze geschaffen werden, die relativ zahnlos sind: in Salzburg und der Steiermark werden maximal 1.000 Euro im Jahr für eine 100 QuadratmeterWohnung fällig. Dieser Betrag ist lächerlich niedrig und wird letztlich niemanden dazu bewegen, die Wohnung zu vermieten, insbesondere dort, wo die Wohnkosten durch die künstliche Verknappung exorbitant hoch sind. Die Landesgesetzgebungen sind vor allem deshalb zahnlos, weil durch diese niedrigen Beträge weder die Spekulation eingedämmt wird, noch den Markt in eine Richtung reguliert, in der leistbarer Wohnraum effizient geschaffen werden kann.

Damit Landesgesetze geschaffen werden können, die tatsächlich einen Lenkungseffekt haben und leistbaren Wohnraum schaffen können, braucht es eine Änderung des entsprechenden Verfassungsartikels, der die Bundesländer ermächtigt, effizient Leerstand zu mobilisieren und damit auch unter dem Gesichtspunkt des Umwelt- und Klimaschutzes dazu beizutragen, dass vorhandener Wohnraum genutzt wird, anstatt neues ‚Betongold‘ zu schaffen.

Im Übrigen haben sich die Mieteinnahmen der Immobilienwirtschaft seit dem Jahr 2008 mehr als verdoppelt- von 1,9 Mrd.€ auf 4 Mrd.€ im Jahr 2021. Im Jahr 2022 hat die Immobilienwirtschaft zusätzliche Einnahmen von 450 Mio. Euro erwirtschaftet, in diesem Jahr werden es durch die höhere Inflation noch höhere Einnahmen sein - es wird daher Zeit, dem Mietanstiegsautomatismus ein Ende zu setzen und auch die Immobilienwirtschaft soll ihren Beitrag zur Senkung der hohen Inflation leisten.

Schlussendlich erfordert auch die Zinsentwicklung der vergangenen Monate ein Gegensteuern. Aufgrund des gestiegenen EZB-Leitzinses haben Banken bei variablen Krediten in letzter Zeit ihre Zinseinnahmen vervielfachen können. Die Auswirkungen spüren sowohl die Mieter:innen in Genossenschaftswohnungen, als auch die Häuslbauer. Während die Zinsen für Wohnbau- und Wohnungskredite rasch angehoben wurden, haben sich trotz des gestiegenen EZB-Leitzinses die Einlagenzinsen für Sparer:innen im Gegensatz dazu kaum bewegt.“

 

Der Ausschuss für Bauten und Wohnen hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 12. Dezember 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Selma Yildirim der Abgeordnete Mag. Philipp Schrangl.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, dagegen: V, F, G, N).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Bauten und Wohnen somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2023 12 12

                            Mag. Nina Tomaselli                                                         Mag. Ruth Becher

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau