2402 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für Bauten und Wohnen
über den Antrag 3432/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mietenstopp statt ÖVP-Klientelpolitik für Vermieter
Die Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 1. Juni 2023 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Die Bundesregierung versagt insbesondere auch in der Bekämpfung der Auswirkungen der Teuerungskrise auf dem Wohnungsmarkt. Die schwarz-grüne Koalition steht wohnpolitisch konsequent an der Seite von Vermietern und Anlegern. So wurde es etwa im Bereich des sozialen Wohnbaus - konkret der Wohnungsgemeinnützigkeit - Anlegern ermöglicht, gemeinnützige Wohnungen zum Sozialtarif zu kaufen und anschließend frei zu vermieten. Dadurch werden leistbare Sozialwohnungen in gewinnträchtige Renditeobjekte transformiert. Man hält an dieser Maßnahme fest - sowohl gegen jedwede Vernunft wie auch gegen umfassende Expertisen: Entgegen den Warnungen der gemeinnützigen Branche,[1] entgegen der Kritik an der mehr als zweifelhaften Legistik durch Verfassungsrichter Michael Holoubek[2] und entgegen den Sozialpartnern in Gestalt der Wirtschafts-[3] und Arbeiterkammer.[4]
Von ÖVP-Partikularinteressen gesteuerte Wohnpolitik setzt sich auch im Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes konsequent und systematisch fort. Die ungeheuren Lasten der Teuerungskrise werden mietrechtlich unmittelbar - und faktisch ausschließlich - auf die Bewohner überwälzt. Eine gesellschafts- und sozialpolitisch unverantwortliche Politik, die weite Teile der Menschen in diesem Land an den Rand der Armut oder darüber hinaus drängt. ‚Mieten steigen so stark wie noch nie‘, berichtete ‚Die Presse‘ am 31.05.2023.[5] ‚Immer mehr Menschen befürchten Zahlungsprobleme beim Wohnen‘ berichtet ‚Der Standard‘.[6] Die STATISTIKAUSTRIA weist nach: Tatsächlich sind seit Beginn der Erhebungen die Mieten nie so stark gestiegen wie gegenwärtig. Ein Ende dieser Entwicklung ist in Österreich nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die nächsten Mieterhöhungen stehen bereits an. Um 5,51 Prozent sollen die Kategoriemieten im Juli steigen - nachdem sie allein im Jahr 2022 bereits drei Mal erhöht wurden.[7] Diese vier Mietsprünge kumulieren sich auf dramatische 24 Prozent, wie etwa die Arbeiterkammer nachweist.[8]
Diese katastrophale Entwicklung ist alles andere als alternativlos. Internationale Vorbilder wie etwa die Schweiz belegen dies: Im Bereich der Eidgenossenschaft dürfen Indexierungen der Miete lediglich 40 Prozent der Inflationsrate ausmachen,[9] in Schottland und Wales wurden Mieterhöhungen ausgesetzt bzw. Mietendeckel eingezogen[10] - um nur wenige Beispiele herauszugreifen. Währenddessen werden die Menschen in Österreich mit Almosen in Form von Einmalzahlungen vertröstet. Was hinter diesem wohnpolitischen Totalversagen steckt, offenbarte die grüne Bautensprecherin Nina Tomaselli:
‚Die ÖVP stellt immer neue Gegenforderungen für eine Mietkostenbremse auf Warum? Die ÖVP möchte ihre wohlhabende Klientel beschützen, das Schicksal der vielen Mieterinnen, darf da nicht stören‘[11]
Dieser wohnpolitische ÖVP-Klientelismus gegen leistbares Wohnen, gegen die Menschen in Österreich muss gestoppt werden. Leistbares Wohnen als grundlegende Säule leistbaren Lebens ist möglich. Folgende Sofortmaßnahmen sind zunächst zu setzen, um eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt herbeizuführen:
1. Mietenstopp - Keine Erhöhung der Kategorie- und Richtwertmieten
Die Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten ist bis inklusive 2026 auszusetzen - wie es der Antrag 3090/A der laufenden Gesetzgebungsperiode bereits vorgesehen hat.[12]
2. Limitierung der Indexierung aller Mieten
Die Indexierungen sämtlicher Mieten im Wohnbereich werden daraufhin mit zwei Prozent - dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank - limitiert. Diese Maßnahme soll mittelfristig zu einem Absinken der Realmieten führen, um leistbares Wohnen zu befördern und wieder ein Gleichgewicht zwischen Mietern und Vermietern herzustellen.
3. Ausdehnung des Vollanwendungsbereiches des MRG anhand thermischenergetischer Kriterien
Thermisch-energetisch für die jeweilige Gebäudekategorie unterdurchschnittliche Bausubstanz im mehrgeschoßigen Segment soll in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes integriert werden. So werden erforderliche Sanierungsanreize gesetzt und gleichzeitig breite Segmente bisher frei vermietbarer Wohnungen in das regulierte, leistbare Spektrum verschoben. Der Trend des Abschmelzens preisgebundener Miete wird umgekehrt. Erst wenn ein überdurchschnittlicher thermisch-energetischer Gebäudestandard erreicht ist, soll für die Dauer typischer Förderungsdarlehen (ca. 35 Jahre) wieder freie Mietzinsbildung möglich sein.
4. Befristungsverbot für gewerbliche bzw. institutionelle Immobilieneigentümer
Befristete Mietverhältnisse bei Hauptwohnsitzwohnungen sind zu verbieten, sofern es sich um gewerbliche bzw. institutionelle Vermieter handelt. Es wurde etwa durch Erhebungen STATISTIK AUSTRIA nachgewiesen, dass Befristungen zu den wesentlichen Kostentreibern auf dem Wohnungsmarkt zählen[13] - und durch ein weitgehendes Verbot eine wesentliche Entschleunigung der Marktdynamik herbeigeführt würde.
5. Gesetzlich zwingende Verlängerungsoption befristeter Mietverträge
Auslaufende Mietverhältnisse führen gerade in Zeiten sinkender Kaufkraft zu besonderer sozialer Unsicherheit. Nahezu jede zweite Hauptwohnsitzwohnung wird lediglich befristet vermietet.[14] Wohnungswechsel sind mit erheblichen Mehrkosten verbunden, die für breite Teile der Bevölkerung derzeit keinesfalls tragbar sind. Folglich sind befristete Bestandsverhältnisse im Wohnbereich - die innerhalb von drei Jahren auslaufen würden mit einer gesetzlich zwingenden mieterseitigen Verlängerungsoption bei gleichbleibender Miete auszustatten.
6. Bundeszuschuss zur Wohnbauförderung
Die Ausgaben der Länder für die Wohnbauförderung rangieren derzeit bei lediglich 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dies entspricht insbesondere unter den derzeitigen Rahmenbedingungen dramatisch gestiegener Baukosten, hoher Bodenpreise und steigender Kapitalmarktzinsen in keiner Weise dem realen Bedarf. Um geförderte Neubauleistung auch mittelfristig gewährleisten zu können, ist hier ein wesentlich stärkerer Mitteleinsatz erforderlich, der durch einen bundesseitigen, jedenfalls 15-jährigen Zuschuss im Ausmaß von 0,6 Prozent des BIP ermöglich werden soll. Geförderte Wohnungen sollen bundesweit analog zu § 8 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bevorzugt an österreichische Staatsbürger vergeben werden.
7. Wohnbauinvestitionsbank
Die Situation wesentlich höherer Zinsniveaus an den Kapitalmärkten wird sich voraussichtlich weiter verschärfen und strukturell etablieren. Deshalb erneuern wir unsere Forderung nach einer Wiederbelebung der Wohnbauinvestitionsbank, um langfristige, günstige Kredite für den leistbaren Wohnbau sicherstellen zu können. Die entstehenden Wohnungen sollen analog zu § 8Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bevorzugt an österreichische Staatsbürger vergeben werden.
8. Wirksame Steuerbegünstigungen für Sanierungen und Investitionen
Umfassende Wohnpolitik muss auch geeignete Investitionsanreize setzen. Hier wäre die AfA entsprechend zu beschleunigen, um Sanierungen und Investitionen zu attraktiveren.“
Der Ausschuss für Bauten und Wohnen hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 12. Dezember 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich außer dem Berichterstatter Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl die Abgeordnete Mag. Selma Yildirim.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, dagegen: V,G, N).
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Johann Singer gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Bauten und Wohnen somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2023 12 12
Johann Singer Mag. Ruth Becher
Berichterstattung Obfrau
[1] https://kurier.at/chronik/wien/sozialwohnungen-drohen-in-die-hand-von-investoren-zu-fallen/402250359
[2] Holoubek/Hanslik-Schneider in 11/edits, Wohnrecht Taschenkommentar (2022) § 7 WGG Rz 4
[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS 20230306 OTS0115/pisecky-anlegerwohnungen-im gemeinnuetzigen-wohnbau-widersprechen-jeder-sozialen-treffsicherheit
[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS 20230405 OTS0094/ak-naechster-anschlag-auf-leistbares wohnen-droht
[5] https://www.diepresse.com/6294344/mieten-stiegen-so-stark-wie-noch-nie
[6] https://www.derstandard.at/story/3000000172503/befuerchtungen-zu-zahlungsproblemen-bei-wohn
[7] https://www.derstandard.at/story/2000139564796/kategoriemieten-steigen-im-november-schon-wieder
[8] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS 20230529 OTS0013/ak-preiskeule-schlaegt-bei-kategoriemieten im-juli-kraeftig-zu
[9] https://www.mieterverband.eh/mv/mietrecht-beratung/ratgeber-mietrecht/topthemen/mietzinserhoehung.htm
[10] https://www.derstandard.at/story/2000140983062/die-inflation-treibt-die-mieten-braucht-es-einen mietendeckel
[11] https://kurier.at/po1itik/inland/mietpreisbremse-gruene-oevp-debatte-wohnkostenzuschuss/402373167
[12] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVll/A/3090
[13] STATISTIK AUSTRIA, Wohnen 2022 (2023), https://www.statistik.at/fileadmin/userupload/Wohnen-2022_barrierefrei.pdf, Seite 52
[14] STATISTIK AUSTRIA, Wohnen 2022 (2023), https://www.statistik.at/fileadmin/user_upload/Wohnen-2022_barrierefrei.pdf, Seite 37