Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kai Jan Krainer, Katharina Kucharowits, Philip Kucher, Mag. Verena Nussbaum, Dr. Susanne Fürst, Christian Hafenecker, MA und MMMag. Dr. Axel Kassegger

zum Bericht 2404 der Beilagen des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 33 Abs. 6 GOG‑NR über das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR betreffend Aufklärung, ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden („ROT-BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“) (8/US)

Der Geschäftsordnungsausschuss hat Anträge und Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu prüfen. Er hat insbesondere zu prüfen, ob das Verlangen die verfassungsrechtlich festgelegten Voraussetzungen des Art 53 Abs 2 B-VG erfüllt (Vorliegen eines bestimmten abgeschlossenen Vorganges im Bereich der Vollziehung des Bundes; Art. 53 Abs. 2 zweiter und dritter Satz B-VG). Dem Geschäftsordnungsausschuss obliegt bei seiner Prüfung nach § 3 Abs 2 VO-UA nicht die Kontrolle der Zweckmäßigkeit des Verlangens bzw des Untersuchungsgegenstandes; vielmehr ist allein die Verfassungsmäßigkeit des Verlangens zu überprüfen (VfSlg 20.370/2020).

Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang betont, dass der Wahl des Anliegens zunächst keine Grenzen gesetzt sind; es ist allein der politischen Wertung von Abgeordneten des Nationalrates anheimgestellt, welches Anliegen der politischen Kontrolle durch einen Untersuchungsausschuss zugeführt werden soll. Es bedarf weder eines Verdachtes noch eines Anlasses.

Das Recht der 46 Abgeordneten der ÖVP, eine eigene Untersuchung anzustreben, auch wenn diese von anderen Fraktionen nicht unterstützt wird, ist daher unstrittig und selbstverständlicher Teil der parlamentarischen Spielregeln (in Deutschland bezweifelt das Bundesverfassungsgericht hingegen die Zulässigkeit einer „Paralleluntersuchung“ der parlamentarischen Minderheit durch die Mehrheit – vgl schon BVferGE 105, 197 bzw Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern3 [2016] 102f).

Entscheidend ist aber, dass – wiederum in den Worten des Verfassungsgerichtshofes – ein Verlangen nur dann zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses führen kann, wenn der Vorgang, der untersucht werden soll, den Anforderungen des Art 53 Abs 2 B-VG entspricht. Das Verlangen der Abgeordneten Hanger, Kolleginnen und Kollegen, auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses tut dies nicht.

Dies aus den folgenden Gründen (entlang den vom Verfassungsgerichtshof definierten Kriterien):

           1. Vorgang der Bundesvollziehung

Im ersten Punkt des vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstandes werden vier Bereiche genannt, auf die sich die Untersuchung beziehen soll. Davon sind drei vollständig solche der Privatwirtschaftsverwaltung und einer hoheitlich (da ausdrücklich nur von der „Betrauung“ gesprochen wird).

Beim vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstand handelt es sich jedoch nicht um einen einheitlichen Vorgang, sondern vielmehr um mehrere Vorgänge. Zwischen den verschiedenen Bereichen der Untersuchung muss ein nachvollziehbarer inhaltlicher Zusammenhang bestehen. Dieser bildet eine Voraussetzung der Untersuchung und kann nicht erst durch die Untersuchung selbst erzeugt werden.

Dazu ist festzuhalten, dass es der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 20.370/2020 der Einsetzungsminderheit aufgetragen hat, den inhaltlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen, von der Untersuchung umfassten Bereichen nachvollziehbar darzulegen.

Die Begründung des Verlangens der Abgeordneten Hanger, Kolleg:innen, führt als inhaltliche Verbindung der Themenbereiche jedoch nur an, dass in all diesen Bereichen sachfremde Motive das Verwaltungshandeln bestimmt hätten. Dies genügt nicht einmal den vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Begründungserfordernissen. Insbesondere ist diese Begründung nicht nachvollziehbar und objektivierbar. Ob solche sachfremden Motive vorliegen, hätte ja gerade erst die Untersuchung zu klären.

Der inhaltliche Zusammenhang besteht laut dem Verlangen somit lediglich in einer (unbelegten) Vermutung. Anstatt einen nachvollziehbaren, inhaltlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Themenbereichen darzulegen, wird der Zusammenhang ausschließlich durch die Einbeziehung in den Untersuchungsgegenstand selbst hergestellt. Die vier Themenbereiche seien verbunden, weil sie gemeinsam untersucht würden. Dies stellt jedoch völlig offensichtlich keinen inhaltlichen Zusammenhang dar, wie ihn Art 53 Abs 2 B‑VG fordert.

Mangels eines inhaltlichen Zusammenhanges stellen die verschiedenen Bereiche somit (zumindest) sechs verschiedene Vorgänge dar. Nachdem auch in der Begründung ein Zusammenhang zwischen dem Handeln der SPÖ und der FPÖ (bzw ihr zuzurechnender Personen) nicht einmal behauptet wird, mit beiden Parteien verbundene Personen jedoch gleichermaßen untersucht werden sollen, könnte es sich noch um weitaus mehr Vorgänge innerhalb des vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstandes handeln, was die potentielle Verfassungswidrigkeit nur verschlimmert.

Im Untersuchungsgegenstand sind darüber hinaus aber auch noch weitere Vorgänge genannt:

Zunächst soll auch staatsanwaltschaftliches Handeln im genannten Zeitraum erfasst sein. Als inhaltlicher Zusammenhang lässt sich lediglich deuten, dass sich dieser Bereich der Untersuchung auf die „erwähnten Handlungen“ (wohl gemäß Punkt 1, allenfalls auch Punkt 2 des vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstandes) beziehe. Dies kann jedoch nur bedeuten, dass auch in diesem Bereich „sachfremde Motive“ bei Handlungen des Bundesministers für Justiz und diesem „im Bundesministerium“ unterstellten Mitarbeiter:innen untersucht werden soll. Ansonsten wäre mit einer Beweisanforderung genüge getan. Die rechtsprechenden Tätigkeiten der Staatsanwaltschaften sind nicht ausgenommen.

Darüber hinaus wird in weiterer Folge auch die Tätigkeit ausgegliederter Rechtsträger vom Untersuchungsgegenstand erfasst, sofern diese der „mittelbaren oder unmittelbaren“ Ingerenz von Mitgliedern der Bundesregierung unterlagen. Der Begriff der mittelbaren Ingerenz wird nicht konkretisiert. Diese Formulierung ist dadurch so pauschal, dass auch Tätigkeiten ausgegliederter Rechtsträger, die keine Vollziehung mehr darstellen, aber der (mittelbaren) Ingerenz unterliegen (etwa erwerbswirtschaftlich tätige Unternehmen mit Staatsbeteiligung) erfasst sind. Dies ist jedoch unzulässig.

Der vierte Punkt scheint keine Ausweitung des Untersuchungsgegenstands zu bewirken, sondern lediglich eine Zielrichtung der Untersuchung zu ergänzen. Problematisch ist, dass auch der Schaden anderer Rechtsträger als des Bundes untersucht werden soll. Dabei würde es sich nicht mehr um Vollziehung des Bundes handeln.

Abschließend wird im fünften Punkt noch die gesamte Bundesvollziehung inklusive einem anderen Untersuchungszeitraum erfasst und somit die Einschränkungen der Punkte 1 bis 4 konterkariert, zumal ein beträchtlicher Zeitraum an Überschneidung zwischen den im Punkt 1 und Punkt 5 genannten Untersuchungszeiträumen besteht. Die Beifügung, dass insbesondere die COFAG gemeint sei, ändert nichts an der allumfassenden Einbeziehung der gesamten Bundesvollziehung, da diese ja nur demonstrativ ist.

Im Ergebnis handelt es sich beim vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstand somit nicht, wie von Art 53 Abs 2 gefordert, um „einen“, sondern um eine Vielzahl an Vorgängen, die sich teilweise nicht mehr im Bereich der Vollziehung des Bundes befinden.

           2. Ausreichende Bestimmtheit

Zunächst ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof auch ausgesprochen hat, dass „keine zu strengen Anforderungen an die Bestimmtheit des Gegenstandes der Untersuchung zu stellen“ sind. Dennoch sind diese Anforderungen im vorliegenden Verlangen nicht erfüllt.

Der in mehreren Punkten des Untersuchungsgegenstandes verwendete Begriff der Verbundenheit wird in der Begründung nicht erläutert. Es ist völlig unklar, welches Ausmaß an Verbundenheit vorliegen muss, ob es dabei um „Verbundenheit“ im Sinne der Bestimmungen des Parteiengesetzes, um eine subjektive Einstellung der jeweiligen Personen oder um sachliche Kriterien wie Mitgliedschaft handelt. Der potentielle Kreis der Untersuchungsobjekte ist somit unbestimmt und obliegt allein dem Untersuchungsausschuss selbst, der seine eigene Untersuchung somit ausweiten kann. In diesem Zusammenhang wird daran erinnert, dass die ÖVP im vergangenen Untersuchungsausschuss ua vor dem Verfassungsgerichtshof argumentiert hat, auch Koalitionspartner seien verbunden bzw die Tätigkeiten der Kammern seien von der Untersuchung erfasst, da an der Selbstverwaltung verschiedene politische Fraktionen mitwirken.

Die Nennung von ausgegliederten Rechtsträgern im ersten Punkt des vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstandes verwirrt insofern, als dass diese eben keine Organisationseinheiten der Bundesverwaltung sind und dort auch niemand mit der Leitung „betraut“ wird.

In Punkt 2 des vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstandes ist wie bereits ausgeführt völlig unklar, was mit „unmittelbarer oder mittelbarer Ingerenz“ gemeint ist. Ob jegliche Ingerenz (auch wenn es etwa nur Informationsrechte auf gesellschaftsrechtlicher Ebene bei Unternehmen sind) oder die Tatbestandsmerkmale des (in den Beweisthemen verwiesenen) Art 126b Abs 2 B‑VG genügen, ist unklar.

Gemäß Punkt 3 ist mehrdeutig, ob es sich um staatsanwaltschaftliches Handeln im Zeitraum von 11.1.2007 bis zum 7.1.2020 handelt oder um staatsanwaltschaftliches Handeln, dass sich auf Handlungen gemäß anderer Punkte in diesem Zeitraum bezieht und dessen Ende daher unbestimmt ist. Unklar ist gleichermaßen, ob sich die Wendung „erwähnte Handlungen“ lediglich auf die in Punkt 1 und 2 genannten Themenbereiche (Inserate, Studien, etc) bezieht oder auf den gesamten Punkt 1 und 2, also ob diesbezüglich auch die weiteren Voraussetzungen dieser Punkte vorliegen müssen, also insbesondere Handeln der jeweiligen, dort genannten Personen.

Punkt 5 bezieht die gesamte Bundesverwaltung in die Untersuchung ein. Das Verhalten der gesamten (unmittelbaren und mittelbaren sowie hoheitlichen und privatwirtschaftlichen) Bundesverwaltung im Hinblick auf „natürliche und juristische Personen, die SPÖ oder FPÖ (etwa durch Spenden) unterstützt haben oder diesen Parteien sonst nahe stehen oder standen bzw verbunden sind oder waren“ ist zu untersuchen. Mangels jeglicher Definition, was unter Unterstützung, Verbundenheit oder Nahestehen zu verstehen ist, ist diese Beschreibung uferlos und ermöglicht dem Untersuchungsausschuss, seine Untersuchung auf immer neue Bereiche auszuweiten. Es ist auch nicht ersichtlich, worin der Unterschied zwischen der schlichten Verbundenheit des ersten Punkts des vorgeschlagenen Untersuchungsgegenstandes und der umfassenderen Formulierung in diesem Punkt zu bedeuten hat. Durch die parallele Verwendung der Vergangenheitsform in diesem Punkt 5 ohne zeitliche Beschränkung führt dies dazu, dass bereits die Verbundenheit, Unterstützung, usw zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit genügt. Somit würden etwa auch Parteiwechsler (zB der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser) die Kriterien des fünften Punkts erfüllen. Zusätzlich ist das Kriterium der Bevorzugung eine Wertungsfrage, wodurch genauso gut auch Diskriminierung bzw Benachteiligung von SPÖ- bzw FPÖ-nahen Personen durch der ÖVP zuzurechnende Regierungsmitglieder untersucht werden könnte.

Dies alles verdeutlicht den eklatanten Mangel an Bestimmtheit und damit den Widerspruch zu den Anforderungen des Art 53 Abs 2 B‑VG.

           3. Erforderlicher Zusammenhang

Wie bereits ausgeführt, ist kein personeller, zeitlicher oder sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Themen des Untersuchungsgegenstands erkennbar. Dieser wird lediglich durch den Umstand, dass diese im Verlangen genannt sind, hergestellt. Bei objektiver Betrachtung besteht dieser nicht und verabsäumen es die verlangenden Abgeordneten auch, diesen Zusammenhang nachvollziehbar darzulegen, obwohl der VfGH dies ausdrücklich verlangt.

           4. Untersuchungsziele

Als Ziele sind zunächst die Aufklärung über „unsachliche“, somit nicht gesetzmäßige Ausübung von Organgewalt und möglicher Schaden genannt. Im weiteren Verlauf folgt eine Auflistung von Fragestellungen, die aus dem Verlangen 6/US auf Einsetzung eines gesonderten Untersuchungsausschusses von 46 anderen Abgeordneten zum Nationalrat abgeschrieben sind, aber nicht zum Untersuchungsgegenstand passen und großteils von diesem nicht gedeckt sein dürften.

           5. Ausführungen, welche Themenbereiche der Untersuchungsausschuss im Rahmen seines nachfolgenden Beweisverfahrens untersuchen soll und Darlegung des ausreichenden Zusammenhangs dieser Themenbereiche mit dem festgelegten Vorgang

Es werden im Verlangen insgesamt sieben Beweisthemen genannt, wobei das siebte Thema wiederum aus vier Unterthemen besteht, die aus dem Verlangen 6/US abgeschrieben sind. Zu den Beweisthemen finden sich in der Begründung keine Ausführungen, inwiefern diese inhaltlich mit dem zu untersuchenden Vorhang zusammenhängen.

Auch hier wird der Zusammenhang lediglich dadurch hergestellt, dass jeweils auf den „Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand“ verwiesen wird.

Die rechtliche Problematik dieser Formulierungen lässt sich anhand des sechsten Beweisthemas illustrieren: Demnach ist Beweisthema die „Beauftragung von Gutachten und Studien sowie Vergabe von Beratungsdienstleistungen durch die Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften betreffend Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand“. Staatsanwaltschaftliches Handeln ist aber gemäß Punkt 3 selbst Untersuchungsgegenstand. Es liegt somit ein Zirkelschluss vor. Im Ergebnis könnte der Untersuchungsgegenstand so ausgelegt werden, dass er sämtliche (!!) Gutachten und Studien der Strafverfolgungsbehörden seit dem Jahr 2007 umfasst.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass das Verlangen der Abgeordneten Hanger, Kolleginnen und Kollegen, den Anforderungen des Art 53 Abs 2 B VG („bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“) nicht entspricht, weil

-       kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Untersuchungsbereichen besteht und es sich somit um mindestens sechs, wenn nicht weitaus mehr unterschiedliche „Vorgänge“ in zwei unterschiedlichen Untersuchungszeiträumen statt um einen einheitlichen Vorgang handelt,

-       mehrere wesentlichen Formulierungen des Verlangens mehrdeutig sind, somit unterschiedlich ausgelegt werden können und damit der Untersuchungsgegenstand unbestimmbar und unzureichend abgegrenzt ist, und

-       die vom VfGH geforderte, nachvollziehbare Begründung nicht vorhanden ist.

Von den unterzeichneten Abgeordneten wurde zusätzlich auch eine Stellungnahme von Univ.‑Prof. Dr. Andreas Janko zum gegenständlichen Verlangen eingeholt, der ebenfalls zum Ergebnis kommt, dass der Geschäftsordnungsausschuss gute Gründe gehabt hätte, die Verfassungswidrigkeit des Verlangens festzustellen. Prof. Janko führt in der Stellungnahme ua folgendes aus:

„Zunächst wirft das Einsetzungsverlangen insoweit gewisse Verständnisprobleme auf, als – zumindest auf den ersten Blick – unklar bleibt, in welchem Verhältnis die Punkte 1. bis 5. zu den im Anschluss an Punkt 5. aufgeworfenen Fragen stehen. Rein optisch scheint der große Abstand zwischen Punkt 5. und den anschließenden Fragen eine Relevanz für alle fünf vorgenannten Punkte zu indizieren. Der Inhalt der Fragen (insb jener mit COFAG-Bezug) und die Parallelität zum SPÖ-FPÖ-Verlangen legen indes nahe, dass sie sich lediglich auf den fünften und letzten Punkt beziehen. Dieses Verständnis wird den nachfolgenden Ausführungen zugrunde gelegt.

An diese Feststellung anknüpfend, zerfällt das Einsetzungsverlangen augenscheinlich in zwei eigenständige Themenkomplexe – bestehend aus den („originären“) Punkten 1. bis 4. auf der einen Seite und dem (dem SPÖ-FPÖ-Einsetzungsverlangen nachgebildeten) Punkt 5. Allein diese Kombination zweier eigenständiger Themenkomplexe setzt das gegenständliche Verlangen freilich in einen de facto unlösbaren Widerspruch zu Art 53 B-VG und dem dort normierten Postulat, dass nur „ein abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ einen zulässigen Untersuchungsgegenstand abzugeben vermag. Zwischen den beiden angesprochenen Themenkomplexen besteht augenscheinlich weder in inhaltlicher noch in personeller oder zeitlicher Hinsicht ein wie auch immer gearteter Zusammenhang. Ein solcher wäre – ausweislich der Gesetzesmaterialien zur B-VGN des Jahres 2014 – jedoch unabdingbar, um von einem bundesverfassungsgesetzlich gedeckten Untersuchungsgegenstand sprechen zu können.

Aber auch bei einer isolierten Betrachtung der beiden Themenkomplexe ergeben sich relevante Bedenken in Bezug auf den durch Art 53 B-VG gesetzten Rahmen. (…)

Art 53 B-VG verlangt, wie schon erwähnt, mit seinem Postulat eines "bestimmten abgeschlossenen Vorgangs im Bereich der Vollziehung des Bundes" gemäß den Gesetzesmaterialien zur B-VGN 2014 einen inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhang der zu untersuchenden Sachverhalte. Dass dieser Forderung in casu nicht Rechnung getragen wird, indiziert schon der lange Zeitraum (2007 bis 2020), der mehrere Legislaturperioden mit unterschiedlichen Regierungskonstellationen umfasst, sowie (auch ohne die inhaltlich noch weitergehenden Punkte 2. und 3.) die personelle Abgrenzung des Untersuchungsthemas mit der Einbeziehung aller Regierungsmitglieder und Staatssekretär*innen aus den Reihen von SPÖ und FPÖ samt deren Mitarbeiter*innen. Diese (zeitliche und personelle) Breite ist zwar noch nicht per se rechtswidrig, müsste aber durch eine inhaltliche Klammer kompensiert werden, die die zu untersuchenden Sachverhalte als bestimmten zusammenhängenden Themenkomplex erkennen lässt. Wie genau diese geartet sein muss, ist bis dato mangels einschlägiger Rsp des VfGH zu dieser Frage noch weitgehend ungeklärt. Die Gesetzesmaterialien enthalten lediglich insoweit einen verwertbaren Hinweis, als sie den seinerzeitigen Noricum-UA als vom neuen Art 53 B-VG gedeckt, den vormaligen „Spitzel“-UA indes als nicht (mehr) erfasst ausweisen. Dazwischen liegt freilich ein breites Feld an möglichen Ausgestaltungen, die weder der einen noch der anderen Extremvariante zurechenbar sind. Unklar bleibt demnach etwa, ob nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser tatsächlich die Untersuchung der gesamten Medienarbeit eines Bundesministeriums über einen längeren Zeitraum hinweg als solche zulässig wäre. Selbst wenn man dies bejahen wollte, würde dies das gegenständliche Einsetzungsverlangen jedoch nicht retten. Dieses kombiniert nämlich – und, wie gesagt, noch dazu über Ministeriumsgrenzen hinweg – mehrere Tätigkeitsfelder, die miteinander keine erkennbaren Zusammenhänge aufweisen, außer dass sie potentiell geeignet sein können, „nahestehende“ Personen sachwidrig zu begünstigen. In besonderer Weise gilt dies für den in Punkt 1. genannten vierten Komplex, die Betrauung von Personen mit der Leitung von Organisationseinheiten (in einem noch dazu sehr weit verstandenen Sinne) im Verhältnis zu den ersten drei Spiegelstrichen, die zumindest irgendwie unter dem Titel „Öffentlichkeitsarbeit“ zusammengefasst werden könnten. Der Versuch, diese verschiedenartigen Aspekte in einem Untersuchungsgegenstand zusammenzuführen, erinnert doch eher an den sog „Spitzel“-UA, dessen Zulässigkeit die Gesetzesmaterialien nach dem neuen Art 53 B-VG ausdrücklich in Abrede stellen.

Auch wenn dies – in Anbetracht der vorgetragenen grundsätzlichen Einwände – eigentlich nicht mehr viel zur Sache tut, seien im Übrigen auch noch folgende weitere Kritikpunkte angemerkt:

ad Punkt 2.: Die Tätigkeit von ausgegliederten Rechtsträgern ist auch nach der jüngsten Judikatur des VfGH (COFAG-Erkenntnisse) sicher nicht zur Gänze der Verwaltung zurechenbar und damit zulässiger Untersuchungsgegenstand. Für die in Punkt 1. genannten Aktivitäten, auf die Punkt 2. offenkundig - wenn auch nicht explizit (arg "Tätigkeit") - abstellt, scheint es sogar höchst unwahrscheinlich, dass die vom VfGH in besagten Erkenntnissen herausgearbeiteten organisatorischen und funktionellen Kriterien überhaupt jemals zutreffen würden. Insoweit dürfte eigentlich nicht die Tätigkeit der ausgegliederten Rechtsträger selbst, sondern - wie es in Art 53 Abs 2 Satz 2 B-VG ausdrücklich heißt - lediglich die Wahrnehmung von Beteiligungs- und Aufsichtsrechten durch Organe des Bundes (wie die angesprochenen Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretär*innen aus den Reihen von SPÖ und FPÖ) zum Gegenstand eines Einsetzungsverlangens gemacht werden.

ad Punkt 3.: Gemäß Art 90a B-VG sind die Staatsanwaltschaften nach geltendem Recht nicht mehr - wie früher - der Verwaltung, sondern der Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Dies nimmt sie zwar noch nicht dezidiert und abschließend aus dem Anwendungsbereich des Art 53 B-VG aus; allerdings stellt sich die Frage, ob ihre Tätigkeit nicht (ganz oder jedenfalls teilweise) der "Rechtsprechung" zuzurechnen ist, deren Überprüfung gemäß Art 53 Abs 2 letzter Satz B-VG explizit ausgeschlossen ist. Nach hM ist eine solche Zurechnung der Hauptfunktion der Staatsanwaltschaften - ihrer Tätigkeit als Ermittlungs- und Anklagebehörden - zwar nicht statthaft, jedoch wird (wie auch die Gesetzesmaterialien zur B-VGN des Jahres 2014 nahelegen) vor allem dort, wo die Staatsanwaltschaften im Zuge der Implementierung des Strafprozessreformgesetzes aus dem Jahr 2004 Aufgaben von Ermittlungs- bzw Untersuchungsrichter*innen übernommen haben, im Einzelfall sehr wohl zu prüfen sein, ob nicht doch eine Zurechnung zur Rechtsprechung geboten ist.“

Aus all diesen genannten Gründen haben die unterzeichneten Abgeordneten im Geschäftsordnungsausschuss gemäß § 3 Abs 2 VO‑UA beantragt, die Unzulässigkeit des Verlangens festzustellen. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit. Die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss hat diese (ablehnende) Entscheidung auch nicht begründet, insbesondere nicht die ihrer Meinung nach bestehende Verfassungskonformität des Verlangens dargelegt.

Damit setzt der Geschäftsordnungsausschuss – der hier funktional für den Nationalrat tätig wird – die bevorstehende Untersuchung einem enormen Risiko aus. In der Literatur (vgl Scholz, Zum zulässigen Gegenstand parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nach der Untersuchungsausschuss-Reform 2014, JRP 23 (2015) 242; Bußjäger, Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, ÖJZ 2016/50, 351) wurde bislang die Ansicht vertreten, dass die Rechtmäßigkeit des Untersuchungsgegenstandes nur vom Geschäftsordnungsausschuss und in weiterer Folge vom Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren gemäß Art 138b Abs 1 Z 1 B‑VG geprüft werden kann. Dies entspricht auch der Absicht des (Verfassungs-)Gesetzgebers, der mit der Novelle des Art 53 B-VG und der entsprechenden Bestimmungen im Geschäftsordnungsgesetz 1975 mit BGBl I Nr 99/2014 und BGBl I Nr 101/2014 eine wirksame parlamentarische Kontrolle ermöglichen wollte. Aus der Systematik dieser Bestimmungen ergibt sich außerdem, dass auf Grund der konkreten zeitlichen Vorgaben an die Untersuchung und der ausschließlichen Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Beurteilung der Verfassungskonformität des Einsetzungsverlangens (Art 138b Abs 1 Z 1 B‑VG) Zweifel an der Verfassungskonformität abschließend im „Vorverfahren“ des Geschäftsordnungsausschusses geklärt werden sollten.

Dies setzt jedoch denklogisch voraus, dass den Geschäftsordnungsausschuss eine verfassungsrechtliche Verpflichtung trifft, die Verfassungskonformität des Einsetzungsverlangens zu prüfen und ggf dessen Unzulässigkeit festzustellen, da dem Verfassungsgesetzgeber nicht unterstellt werden kann, die Einsetzung verfassungswidriger Untersuchungsausschüsse in Kauf genommen zu haben.

Verletzt der Geschäftsordnungsausschuss nun aber diese Prüfpflicht und würdigt gegen die Verfassungskonformität eines Einsetzungsverlangens formal (im Wege eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit des Einsetzungsverlangens) vorgebrachte Bedenken unzureichend bzw gar nicht und kommt es daher zur Einsetzung eines (mutmaßlich verfassungswidrigen) Untersuchungsausschusses, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass kein rechtliches Mittel zur Verfügung steht, einen solchen rechtswidrigen Zustand zu beheben. Insofern wäre jeder von der Untersuchung Betroffene – insbesondere vorlagepflichtige Organe und Auskunftspersonen – befugt, gegen seine aus Art 53 Abs 3 B‑VG oder den Bestimmungen der VO‑UA entspringenden Verpflichtungen die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsgegenstandes einzuwenden. Es hätte somit jede befugte Stelle (neben dem Verfassungsgerichtshof insbesondere das Bundesverwaltungsgericht, aber auch der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses) die Verfassungskonformität des Untersuchungsgegenstandes als Vorfrage zu beurteilen. Es ist in diesem Zusammenhang denkbar, dass unterschiedliche Organe bzw Gerichte zu unterschiedlichen Beurteilungen dieser Vorfrage gelangen – mit allen negativen Konsequenzen einer solchen Situation für die Rechtssicherheit.

Diese Konsequenzen nimmt der Geschäftsordnungsausschuss aber offenbar in Kauf. Er nimmt damit aber auch in Kauf, dass das Instrument des Untersuchungsausschusses insgesamt Schaden nimmt. Um zu dokumentieren, dass dies innerhalb des Nationalrates nicht unwidersprochen geschah, wird der vorliegende Minderheitsbericht erstattet.

Wege, dies doch noch zu ändern, stehen nur noch bis zum Beginn der Behandlung des Berichts des Geschäftsordnungsausschusses im Nationalrat zur Verfügung: Der Ausschuss kann seinen Bericht etwa gemäß § 42 Abs 3 GOG-NR zurücknehmen oder die verlangenden Abgeordneten können ihr Einsetzungsverlangen gemäß § 1 Abs 7 VO‑UA zurückziehen.