Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und dessen Anhänge E und G sowie die Einfügung des neuen Anhangs H haben gesetzesändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedürfen daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Sie haben nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung der Änderung im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch die Änderung keine Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Die Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) ist eine Organisation, der alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die über ein Eisenbahnnetz verfügen, und einige Länder Afrikas sowie Asiens angehören. Völkerrechtliche Grundlage ist das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahn­verkehr (COTIF) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 (BGBl. Nr. 225/1985 idF BGBl. III Nr. 122/2006, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 129/2023).

Bei der 13. Generalversammlung der OTIF am 25. und 26. September 2018 wurden Änderungen des Übereinkommens, der Anhänge G und H sowie die Einfügung eines neuen Anhangs H beschlossen.

Diese Änderungen (inkl. Einfügung) treten gemäß Art. 34 des Übereinkommens für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme derjenigen, die vor Inkrafttreten der Änderungen erklärt haben, dass sie den Änderungen nicht zustimmen zu folgendem Zeitpunkt in Kraft: die Änderungen des COTIF nach zwölf Monaten nach der Genehmigung durch zwei Drittel der Mitgliedstaaten (Art. 34 § 2) und die Änderungen (inkl. Einfügung) der Anhänge zum COTIF zwölf Monate nach der Genehmigung durch die Hälfte der Mitgliedstaaten (Art. 34 § 3). Österreich nimmt in Aussicht, gemäß Art. 34 des Übereinkommens die Genehmigung für die Änderungen zu erteilen.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 2 B-VG („äußere Angelegenheiten“) sowie Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG („Verkehrswesen“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

1.     Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai in der Fassung des Protokolls vom 3. Juni 1999 (COTIF 1999)

Zu Artikel 2 (Ziel der Organisation) und Artikel 6 (Einheitliche Rechtsvorschriften)
Wegen einer Änderung des Titels des Anhangs E (CUI) müssen die Artikel 2 und Artikel 6 des Grundübereinkommens geändert werden. So wird in beiden Bestimmungen das Wort „Eisenbahninfrastruktur“ statt „Infrastruktur“ verwendet.
Eine neue einheitliche Rechtsordnung im Sinne von Artikel 2 § 2 COTIF wird in Form eines neuen Anhangs H (EST) eingeführt. Ziel ist die Unterstützung der Interoperabilität beim Grenzübertritt ganzer Züge. Artikel 6 § 1 COTIF wird um den neuen Anhang in der Liste der Anhänge ergänzt.

Zu Artikel 20 (Fachausschuss für technische Fragen)
Die Annahme des neuen Anhangs H (EST) bringt neue Aufgaben für den Fachausschuss für technische Fragen (CTE) mit sich. Artikel 20 § 1 COTIF wird daher angepasst, um diesen neuen Aufgaben des Fachausschusses für technische Fragen (CTE) Rechnung zu tragen. Der Fachausschuss für technische Fragen (CTE) wird berechtigt, Beschlüsse gemäß Artikel 8 des neuen Anhangs zu treffen, d. h. Anlagen zu Anhang H (EST) anzunehmen bzw. Methoden und Vorgehensweisen für den sicheren Betrieb von Zügen im internationalen Verkehr zu empfehlen.


Zu Artikel 33 (Zuständigkeiten)

Artikel 33 COTIF legt die Zuständigkeiten bei Änderungen am Übereinkommen und seinen Anhängen zwischen der Generalversammlung sowie den Ausschüssen fest. Die Zuständigkeit in Bezug auf Änderungen am neuen Anhang H (EST) muss auch bestimmt werden. Mit der Zuständigkeit für Änderungen des neuen Anhangs H (EST) kann der Fachausschuss für technische Fragen (CTE) somit Anlagen zu allen drei technischen Anhängen (Anhänge F (APTU), G (ATMF) und H (EST)) annehmen und/oder ändern.

Zu Artikel 34 (Beschlüsse der Generalversammlung)

Das Verfahren zur Änderung der Anhänge wurde bei der 26. Tagung des Revisionsausschusses und der 13. Tagung der Generalversammlung diskutiert. Im Zusammenhang mit den nationalen und regionalen rechtlichen Entwicklungen wurde das rechtzeitige Inkrafttreten von Änderungen der Anhänge unterstützt und die Generalversammlung nahm daher Änderungen des Artikels 34 §§ 3 bis 6 an. § 3 legt dabei fest, dass von der Generalversammlung angenommene Änderungen der Anhänge sechsunddreißig Monate nach Mitteilung der Änderungen durch den Generalsekretär für alle Mitgliedstaaten automatisch in Kraft treten, mit Ausnahme derjenigen Mitgliedstaaten, die vor Inkrafttreten der Änderungen erklären, dass sie ihnen nicht zustimmen, sowie derjenigen Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gemäß Artikel 42 § 1 Satz 1 abgegeben haben. Bei den vom Revisionsausschuss und der Generalversammlung beschlossenen Änderungen sehen die §§ 2 und 3 das Recht der Mitgliedstaaten vor, durch eine Erklärung über die Nichtgenehmigung „auszusteigen“. Die rechtlichen Auswirkungen dieser Maßnahme sind in Artikel 34 §§ 6 und 7 festgelegt.


Zu Artikel 35 (Beschlüsse der Ausschüsse)
In Übereinstimmung mit Artikel 35 § 4 COTIF können Mitgliedstaaten gegen jeden von einem Ausschuss getroffenen Beschluss Widerspruch erheben. Wenn sich ein Widerspruch auf eine Bestimmung eines Anhangs bezieht, wird die Anwendung des betreffenden Anhangs im Verkehr mit und zwischen denjenigen Mitgliedstaaten ausgesetzt, die Widerspruch erhoben haben. Eine ähnliche Regel wird in Bezug auf den neuen Anhang H (EST) eingeführt.

Wenn sich ein Widerspruch auf eine Anlage des Anhangs F (APTU) oder des Anhangs G (ATMF) bezieht, wird lediglich die Anwendung dieser Anlage im Verkehr mit und zwischen denjenigen Mitgliedstaaten ausgesetzt, die Widerspruch erhoben haben. Eine ähnliche Regel wird auch für die Anlagen des neuen Anhangs H (EST) eingeführt.

2.     Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (CUI – Anhang E)

Zu Artikel 1 (Anwendungsbereich)

Der Begriff „internationaler Eisenbahnverkehr“ erfordert eine neue Begriffsbestimmung mit besonderer Berücksichtigung der für diesen Verkehr genutzten Zugtrassen. Dabei muss es sich nicht zwangsweise um internationale Zugtrassen handeln; internationaler Verkehr kann auch auf zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden nationalen Zugtrassen stattfinden, die sich in mindestens zwei Staaten

befinden. Beide Fälle gelten als internationale Nutzung der Eisenbahninfrastruktur.

§ 2 dient der Klarstellung, dass auch eine von Staaten oder staatlichen Einrichtungen betriebene Eisenbahninfrastruktur, die aufgrund eines Vertrages genutzt wird, in die Anwendung des Anhangs E (CUI) fällt.

Zu Artikel 3 (Begriffsbestimmungen)
Die Begriffsbestimmungen dienen der Präzisierung sowie der redaktionellen Vereinfachung des Textes.

In Zusammenhang mit der Änderung des Anwendungsbereichs wird eine neue Begriffsbestimmung für „internationaler Eisenbahnverkehr“ erforderlich. Diese basiert auf den für den internationalen Verkehr genutzten Trassen.

Die Begriffsbestimmung für „Sicherheitszertifikat“ in Buchstabe g stellt klar, dass es nicht nur um die Sicherheit der Fahrzeuge geht, sondern dass sich diese Bescheinigung auch auf die interne Organisation des Unternehmens und das einzusetzende Personal bezieht (vgl. Richtlinie 95/19/EG).

Zu den Artikeln 5 (Inhalt und Form), 7 (Beendigung des Vertrages) und 10 (Zusammenwirken von Ursachen)
Es erfolgt eine Harmonisierung der Begriffe, wie zum Beispiel „Nutzungsvertrag“ anstatt „Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur“ oder „Eisenbahninfrastruktur“ anstatt „Infrastruktur“.

Zu Artikel 8 (Haftung des Betreibers)

Im Zusammenhang mit der Änderung des Anwendungsbereiches des Anhangs E (CUI) erfolgt auch eine Trennung von direkten Schäden (Buchstaben a/Personenschäden und b/Sachschäden) und indirekten Schäden (Buchstabe c/Vermögensschäden).


Zu Artikel 9 (Haftung des Beförderers)
Zur Vereinheitlichung der Begriffe wird statt dem Wort „Infrastruktur“ das Wort „Eisenbahninfrastruktur“ verwendet.

3.     Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (ATMF – Anhang G)

Zu Artikel 1 (Anwendungsbereich), Artikel 3 (Zulassung zum internationalen Verkehr) und Artikel 9 (Betriebsvorschriften)

Aufgrund der Austauschbarkeit der Begriffe „Fahrzeug“ und „Eisenbahnfahrzeug“ wird im Anhang G (ATMF) nur mehr der Begriff „Fahrzeug“ und nicht mehr „Eisenbahnfahrzeug“ verwendet.

4.     Einheitliche Rechtsvorschriften für den sicheren Betrieb von Zügen im internationalen Verkehr (EST – Anhang H)

Die Bestimmungen des neuen Anhangs H (EST) entsprechen im Wesentlichen den EU-Bestimmungen in der Sicherheitsrichtlinie 2004/49/EG, da der neue Anhang H (EST) diese bestehenden Bestimmungen des EU-Rechts überwiegend inhaltlich übernimmt. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass das EU-Recht die zwingende gegenseitige Anerkennung von Sicherheitsbescheinigungen von Eisenbahnverkehrsunternehmen vorsieht; das COTIF dafür aber eine bilaterale Vereinbarung erfordert (vgl. Artikel 5). Da die Bestimmungen des EU-Rechts somit umfassender sind als jene im neuen Anhang H (EST) des COTIF ist für EU-Mitgliedstaaten, somit auch für Österreich, keine zusätzliche Umsetzungsmaßnahme erforderlich.

Zu Artikel 1 (Anwendungsbereich)

Anhang H (EST) ist in Verbindung mit Anhang G (ATMF) anzuwenden. Seine Anwendung ohne die

gleichzeitige Umsetzung bzw. Anwendung des Anhangs G (ATMF) ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Staaten, die eine Erklärung über die Nichtanwendung des Anhangs G (ATMF) abgegeben haben, sollten auch den Anhang H (EST) nicht anwenden.

Zu Artikel 2 (Begriffsbestimmungen)
Die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 ergänzen diejenigen der Anhänge F (APTU) und G (ATMF), wobei die Begriffsbestimmungen nach Möglichkeit den im EU-Recht verwendeten Begriffen entsprechen.

Zu Artikel 3 (Anforderungen betreffend Betrieb und Sicherheit)

Um ein Höchstmaß an Sicherheit, Interoperabilität und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten, muss der Betrieb von Zügen im internationalen Verkehr weitestgehend standardisiert sein. Terminologie und Konzepte wurden daher, wo immer möglich, so ausgewählt, dass sie den Vorschriften des EU-Rechts entsprechen, sodass die schrittweise Übertragung und nachfolgende Entwicklungen z. B. der gemeinsamen Sicherheitsmethoden bezüglich der Anforderungen an Sicherheitsmanagementsysteme sowie der Kontrolle und der Überwachung möglich bleiben. Vertragsstaaten müssen das höchstmögliche Maß an Einheitlichkeit der Vorschriften zu Betriebs- und Sicherheitsanforderungen für Züge im internationalen Verkehr anstreben.


Zu Artikel 4 (Sicherheitsbescheinigungsbehörde)

Jeder Staat benennt eine Sicherheitsbescheinigungsbehörde, die für die Zertifizierung von Eisenbahnunternehmen zuständig ist, und informiert darüber den Generalsekretär. Die Sicherheitsbescheinigungsbehörde muss von Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern unabhängig sein. Überwachungsbehörde und Sicherheitsbescheinigungsbehörde können dabei in die selbe Organisation integriert werden, dürfen aber auch getrennt sein. Innerhalb der Europäischen Union wird beispielsweise die Eisenbahnagentur der Europäischen Union bei grenzüberschreitendem Betrieb als Sicherheitsbescheinigungsbehörde fungieren, während die Eisenbahnunternehmen für den nationalen Betrieb zwischen der Eisenbahnagentur der Europäischen Union und der nationalen Sicherheitsbehörde wählen können.

Zu Artikel 5 (Sicherheitsbescheinigung für Eisenbahnunternehmen)

Die Staaten sind frei in der Entscheidung, ob sie einem bestimmten Eisenbahnunternehmen eine Sicherheitsbescheinigung ausstellen. Die Staaten können ferner entscheiden, dass eine bestimmte, von der Sicherheitsbescheinigungsbehörde eines anderen Staates ausgestellte Sicherheitsbescheinigung unter bestimmten Voraussetzungen auch auf ihrem Hoheitsgebiet gilt.

Zu Artikel 6 (Überwachung)

Die Staaten haben die Sicherheitsmanagementsysteme der von ihnen zertifizierten Eisenbahnunternehmen zu überwachen. Diese Aufgabe fällt der Überwachungsbehörde zu. Überwachungsbehörde und Sicherheitsbescheinigungsbehörde können in dieselbe Organisation integriert werden oder auch getrennt sein.

Zu Artikel 7 (Sicherheitsmanagement und Zugbetrieb)

Dieser Artikel richtet sich an die am Betrieb beteiligten Parteien. Da die Pflichten zur Zugbildung und zur korrekten Verwendung der Fahrzeuge bereits im Anhang G (ATMF) geregelt sind, muss der Anhang H (EST) diese Themen nicht abdecken.

Zu Artikel 8 (Anlagen und Empfehlungen)

Dieser Artikel legt die Verfahren und Zuständigkeiten zum Einreichen von Vorschlägen und zur Annahme von Spezifikationen im Anwendungsbereich des Anhangs H (EST) fest. Auch die Möglichkeit zu Empfehlungen ist dabei vorgesehen.

Zu Artikel 9 (Erklärungen)

Für jeden Mitgliedstaat besteht die Möglichkeit, durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung Anhang H (EST) nicht anzuwenden.