Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Das Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Erdölexportierenden Länder (OPEC) zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der Erdölexportierenden Länder hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Protokoll Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.
Die Vorrechte und Befreiungen der OPEC sind derzeit im Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der Erdölexportierenden Länder, BGBl. Nr. 382/1974 in der geltenden Fassung [in der Folge: OPEC-Amtssitzabkommen], welches seit dem 10. Juni 1974 in Kraft ist, geregelt.
Am 29. September 2022 erklärte der Verfassungsgerichtshof durch Erkenntnis SV 1/2021 Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 9 des OPEC-Amtssitzabkommens für verfassungswidrig, da durch die genannten Bestimmungen den OPEC-Arbeitnehmer/innen im Falle arbeitsrechtlicher Streitigkeiten der Zugang zu den österreichischen Gerichten aufgrund der Immunität von OPEC verwehrt werde und das OPEC-interne Organisationsrecht keinen angemessenen alternativen Streitbeilegungsmechanismus vorsehe. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 (Recht auf ein faires Verfahren) der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 in der geltenden Fassung, dar. Die genannten Bestimmungen dürfen daher nach dem 30. September 2024 nicht mehr angewandt werden. Die EMRK steht in Verfassungsrang (siehe BGBl. Nr. 59/1964).
Durch das vorliegende Protokoll wird die OPEC nunmehr in Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses völkerrechtlich dazu verpflichtet, einen EMRK-konformen Rechtsschutzmechanismus für arbeitsrechtliche Streitigkeiten mit ihren aktuellen und ehemaligen Arbeitnehmer/innen einzuführen. Ein derartiger Mechanismus (sog. „Appeals Committee“) wurde durch einen Beschluss des OPEC-Verwaltungsrates vom 27./28. Oktober 2022 bereits geschaffen. Darüber hinaus wird festgeschrieben, dass die OPEC im Falle zivilrechtlicher Klagen auf Schadenersetz im Zusammenhang mit in ihrem Auftrag betriebenen Kraftfahrzeugen keine Immunität von der Gerichtsbarkeit genießt. Das Protokoll wurde gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 18. Jänner 2023 (siehe Pkt. 13 des Beschl.Prot. Nr. 44) verhandelt.
Besonderer Teil
Zur Präambel:
Die Präambel nimmt auf das Bestreben der Republik Österreich und der OPEC Bezug, das OPEC-Amtssitzabkommen zu ändern.
Zu Artikel I:
Die Absätze 1 und 2 des Artikel 5 werden wie bisher beibehalten und stellen klar, dass der Amtssitzbereich der OPEC auch weiterhin grundsätzlich unverletzlich ist und die österreichischen Organe in ihrer amtlichen Eigenschaft nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Generalsekretärs der Organisation betreten und dort Amtshandlungen vornehmen dürfen (Abs. 1). Dies betrifft auch gerichtliche Vollzugshandlungen (Abs. 2). Abs. 3 normiert allerdings, dass die Unverletzlichkeit den Bestimmungen des Art. 9 unterliegt. Dies bedeutet, dass für den Fall eines ausdrücklichen Verzichts durch die OPEC oder im Falle einer zivilrechtlichen Klage auf Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen der OPEC in Österreich eine gerichtliche Zustellung möglich ist. Dasselbe gilt für den Fall, dass die in Art. 9 Abs. 2 vorgesehene Verpflichtung zur Streitbeilegung bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nicht ausreichend erfüllt ist.
Zu Artikel II:
Art. 9 Abs. 1 legt die grundsätzliche Immunität von OPEC in Bezug auf die österreichische Gerichtsbarkeit fest (siehe Art. IX Abs. 2 EGJN, RGBl. Nr. 110/1895, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2010). Unter Immunität von der Gerichtsbarkeit ist im immunitätsrechtlichen Zusammenhang auch die Tätigkeit von Verwaltungsbehörden zu verstehen. Lit. a normiert den ausdrücklichen Verzicht von OPEC auf Immunität in einem bestimmten Fall. Lit. b normiert als bedeutende Ausnahme von der Immunität den Bereich der Verkehrsunfälle, in die Fahrzeuge verwickelt sind, welche im Auftrag von OPEC in Österreich betrieben werden.
Arbeitsrechtliche Streitigkeiten mit aktuellen und ehemaligen Arbeitnehmer/innen sind gemäß Abs. 2, wie auch bei anderen vergleichbaren internationalen Organisationen üblich, nach den internen Vorschriften der Organisation beizulegen. OPEC ist ausdrücklich dazu verpflichtet, dass es sich um einen unabhängigen und unparteiischen Streitbeilegungsmechanismus handelt, der die Rechte der aktuellen und ehemaligen Arbeitnehmer/innen schützt. Diese Bestimmung wird im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 6 (Recht auf ein faires Verfahren) EMRK, des Art. 47 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRC), ABl. Nr. C 202 vom 07.06.2016 S. 389 sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes SV 1/2021vom 29. September 2022 in das OPEC-Amtssitzabkommen aufgenommen. Die Verwendung des Begriffs „Angehörige ihres Personals“ stellt sicher, dass nicht nur die OPEC-Angestellten gem. Abs. 1 lit. e des OPEC-Amtssitzabkommens von dieser Bestimmung umfasst sind und damit einen umfassenden Schutz im Falle arbeitsrechtlicher Streitigkeiten genießen, sondern auch das an Ort und Stelle aufgenommene und nach Stundenlohn bezahlte Personal.
Zu Artikel III:
Artikel III regelt das Inkrafttreten des Protokolls.