2525 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über die Regierungsvorlage (2503 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Psychotherapiegesetz 2024 (PThG 2024) erlassen sowie das Musiktherapiegesetz und das Psychologengesetz 2013 geändert werden,
über den Antrag 2935/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Musiktherapie in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen sowie
über den Antrag 2515/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Akademisierung der Psychotherapie.
Regierungsvorlage 2503 der Beilagen
I. Allgemeiner Teil
Das Psychotherapiegesetz, BGBI. Nr. 361/1990, ist am 7. Juni 1990 beschlossen worden und am 1. Jänner 1991 in Kraft getreten und hat als Ausbildungs- und Berufsgesetz einen selbständigen und eigenverantwortlichen Gesundheitsberuf etabliert. Ebenfalls Anfang Jänner 1991 in Kraft getreten ist das Psychologengesetz, BGBl. Nr. 360/1990, das als Ausbildungs- und Berufsgesetz über die Führung der Bezeichnung „Psychologin“ oder „Psychologe“ und über die Ausübung der Gesundheitspsychologie und der Klinischen Psychologie zwei weitere selbständige und eigenverantwortlich tätige Gesundheitsberufe schuf.
Das Psychotherapiegesetz (1990) regelt ausgehend von einer Berufsumschreibung (§ 1) sowohl die Psychotherapieausbildung und die dafür notwendigen Voraussetzungen sowie die Anerkennung entsprechender Ausbildungseinrichtungen (§§ 2 bis 9 und § 12), als auch die selbständige Ausübung von Psychotherapie (§§ 10 und 11). Außerdem werden die Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin“ bzw. „Psychotherapeut“ geschützt (§ 13) und Berufspflichten (§§ 14 bis 16) definiert. Des Weiteren wird die Führung einer Psychotherapeutenliste (§§ 17 bis 19) mit allen zur selbständigen Ausübung von Psychotherapie berechtigten Personen verfügt. Zur Beratung der Behörde wird in allen Angelegenheiten des Psychotherapiegesetzes ein Psychotherapiebeirat etabliert (§§ 20 bis 22). Abschließend sind Strafbestimmungen (§ 23), das Verhältnis zu anderen Vorschriften (§ 24) und Übergangsbestimmungen erlassen (§§ 25 bis 26) und das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes mit 1. Jänner 1991 festgelegt.
Die Geschichte Österreichs und die Entwicklung der Psychotherapie sind untrennbar miteinander verbunden. Anfänge der Psychotherapie lassen sich 200 Jahre zurückverfolgen. Sigmund Freud, der mit Begründung der Psychoanalyse und eines eigenen Entwicklungs-, Störungs- und Behandlungsmodells Wegbereiter für die Verbreitung der Psychotherapie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin war, gilt auch weltweit als Pionier der Psychotherapie. Österreich kommt hier eine Vorreiterfunktion zu, da nahezu alle Grundorientierungen der Psychotherapie in Österreich ihren Ursprung fanden. Ebenso konnten wichtige psychosoziale Versorgungsstrukturen erstmals installiert sowie berufspolitische Zusammenschlüsse begründet und etabliert werden, was eine professionelle psychosoziale Versorgung gewährleistete und insbesondere Wien als damaliges Epizentrum internationaler Aufmerksamkeit in den Vordergrund rückte.
Die anfänglichen Bedingungen, die die Möglichkeit zur Genese der Psychotherapie gaben, sind hier besonders zu betonen. Die Psychotherapie ging von Gründerpersönlichkeiten unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und verschiedener Arbeitsfelder aus und oszilliert seit jeher in multidisziplinären Strukturen. Somit fand ein Interagieren und eine Reflexion psychotherapeutischer Kompetenzen sowie deren Erwerb und Anwendung immer vor dem Hintergrund eines interdisziplinären Erfahrungsaustausches statt. Dies unterstützte die wissenschaftlich-systematische Entwicklung der Disziplin, die zur weltweiten Verbreitung führte. Damit ist die Interdisziplinarität nicht nur ein zentraler Bestandteil der Psychotherapie an sich, sondern auch eine Definition ihres Entwicklungs- und Etablierungsprozesses.
Die Psychotherapieentwicklung in Österreich kam nach dem zweiten Weltkrieg stark zum Erliegen, da nur wenige der von den Nationalsozialisten vertriebenen Psychotherapeuten nach Österreich zurückkamen. Maßgebliche Forschung und Lehre fand daher außerhalb Europas statt, wovon sich die österreichische und europäische Psychotherapie lange nicht erholen sollte. Nach einer Regenerationszeit, die bis in die 1970er Jahre reichte, wurden im Verlauf erneut Fragen der Psychotherapie intensiver Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Lehre.
Die bis 1985 zurückreichende umfassende Beschäftigung mit der Materie führte schließlich zur Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes des ersten Psychotherapiegesetzes, woraufhin die Psychotherapie als eigenständiger Gesundheitsberuf in das österreichische Gesundheitswesen integriert werden konnte.
Mit dem Psychotherapiegesetz (1990) konnten erstmals die rechtlichen Rahmenbedingungen der psychotherapeutischen Berufstätigkeit, ein unverzichtbarer Bestandteil des Österreichischen Gesundheitssystems, sichergestellt werden und die Ausübung der Psychotherapie ist seitdem nicht mehr ausschließlich den Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Eine umfassende und zielgerichtete Ausbildung, die zur Befähigung und Berechtigung der selbständigen Ausübung der Psychotherapie führt, wurde verankert und es konnte auf diese Weise eine optimale psychotherapeutische Versorgung für die gesamte Bevölkerung durch professionell ausgebildete Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bereitgestellt werden. Gleichzeitig wurde ein bis dato für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie für Patientinnen und Patienten gleichermaßen rechtsunsicherer Raum beseitigt. Damit fungiert Österreich als Galionsfigur in Europa bezüglich einer ausführlichen berufsgesetzlichen Regelung der Berufsgruppe der Psychotherapie. Mit Erlassung des Psychotherapiegesetzes (1990) in Österreich lässt sich sowohl aus europäischer Perspektive, als auch aus nationaler Perspektive eine Entwicklung maßgeblicher Errungenschaften in der Psychotherapielandschaft skizzieren.
Im selben Jahr nach Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes in Österreich wurde der Europäische Psychotherapieverband „The European Association of Psychotherapy (EAP)“ mit Hauptsitz in Wien ins Leben gerufen. Er repräsentiert 128 Organisationen aus 41 europäischen Ländern und setzt sich vor dem Hintergrund der „Straßburger Deklaration für Psychotherapie 1990“ und dem Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine wissenschaftlich fundierte Psychotherapie und qualitativ hochwertige Standards in der Psychotherapieausbildung ein. Damit verfolgt die Organisation mit ihren Aktivitäten die Etablierung eines Berufsprofils, das einer freien und unabhängigen Ausübung der Psychotherapie entspricht. Dieser Organisation gehört auch der Österreichische Berufsverband für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (ÖBVP) an, der seit seiner Vereinsgründung 1992 eine unabhängige Interessensvertretung des Berufsstandes darstellt. Im Jahre 1994 tagte die erste ständige Ethik-Arbeitsgruppe des Europäischen Psychotherapieverbandes zum Austausch bezüglich der zukünftigen ethischen Herausforderungen des Berufsstandes. In Österreich wurde das erste Berufsethische Gremium des ÖBVP im Jahre 1995 gegründet, woraufhin sich in allen Bundesländern Beschwerde- und Schlichtungsstellen mit unterschiedlichen Organisationsformen etablierten.
Die Berücksichtigung der Relevanz der Schnittstellen zwischen Berufsrecht und Berufsethik führte zudem zur Etablierung wesentlicher qualitätssichernder Maßnahmen in der Psychotherapie. Dabei ist auf die Richtlinien des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen zu verweisen, die auf Grundlage eines Gutachtens des Psychotherapiebeirates erstellt worden sind und maßgebliche Verhaltensregeln und Handlungsanleitungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten definieren.
Das Richtlinienkompendium setzt sich aus der Anerkennungsrichtlinie (Kriterien für die Anerkennung als psychotherapeutische Ausbildungseinrichtung), der Ausbildungsvertragsrichtlinie (Kriterien zur Ausgestaltung von Ausbildungsverträgen im psychotherapeutischen Fachspezifikum), dem Berufskodex (Ethikrichtlinien), der Diagnostik-Leitlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, der Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, der Gutachterrichtlinie (Kriterien für die Erstellung von Gutachten durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten), der Internetrichtlinie (Kriterien zur Ausgestaltung der psychotherapeutischen Beratung via Internet), der Lehrtherapeutinnen/Lehrtherapeuten Richtlinie für das Fachspezifikum (Kriterien für die Bestellung von Lehrpersonen für das psychotherapeutische Fachspezifikum), dem Manual - Psychotherapeutischer Status zur Diagnostik-Leitlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, der Supervisionsrichtlinie (Kriterien für die Ausübung psychotherapeutischer Supervision durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten) und der Visitationsrichtlinie zur Überprüfung propädeutischer und fachspezifischer Ausbildungseinrichtungen im Rahmen der Qualitätssicherung zusammen. Die Einhaltung der Richtlinien ist für die Ausbildung und für die Ausübung der Psychotherapie qualitätskonstituierend.
Der österreichische Gesetzgeber hat in Folge dessen die Psychotherapie auch in anderen Bereichen der österreichischen Rechtsordnung verankert, wobei es stets zu einem Gleichklang mit den entsprechenden Änderungen im Hinblick auf das Psychologengesetz (1990) kam, welches parallel mit dem Psychotherapiegesetz mit 01.01.1991 in Kraft getreten ist. Seit 1991 sind weitere gesetzliche Regelungen entstanden, die einen Ausbau der psychotherapeutischen und klinisch-psychologischen sowie gesundheitspsychologischen Leistungen in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens mit sich gebracht haben. Zu nennen sind hier insbesondere der § 135 Abs. 1 Z 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, der § 11b des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes – KAKuG, BGBl. Nr. 1/1957, sowie § 1 Abs. 2 Z 9 des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes – KA-AZG, BGBl. I Nr. 8/1997.
In Folge dessen wurden auch die Empfänger psychotherapeutischer Leistungen beispielsweise durch das Verbrechensopfergesetz – VOG, BGBl. Nr. 288/1972, das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl. Nr. 161/1989 und das Strafgesetzbuch – StGB, BGBl. Nr. 60/1974, stärker abgesichert.
Die Psychotherapie steht in Österreich im Lichte der Leitideen der EAP, die vor dem Hintergrund einer qualitativ hochwertigen und wissenschaftlichen Ausbildung einen psychotherapeutischen Beruf definieren, der zur selbständigen und eigenverantwortlichen Ausübung der Psychotherapie als eigenständiger wissenschaftlicher Disziplin führt.
Psychotherapieforschung hat sich als eigenständige Wissenschaftsdisziplin neben der medizinischen und der klinisch-psychologischen Forschung etabliert. Sie ist charakterisiert durch eine umfassende wissenschaftstheoretische Verankerung und impliziert einen multiparadigmatischen und methodenpluralistischen Forschungsansatz. Psychotherapieforschung dient dazu, den Bedarf an Psychotherapie aufzuzeigen sowie die Qualität, Effektivität und Effizienz dieser zentralen Versorgungsleistung zu belegen und zu verbessern.
Die Koordinationsstelle Psychotherapieforschung wurde im Jahre 2012 vom Gesundheitsressort an der Gesundheit Österreich GmbH eingerichtet. Mehrmals im Jahr tagt der sogenannte Qualitätszirkel Psychotherapieforschung als beratendes Expertengremium mit den Zielen der Steigerung der Forschungsaktivität der Fachspezifika und um ein Forschungsbewusstsein zu schaffen.
Regelmäßige Veranstaltungen der sich aus dem Qualitätszirkel entwickelten Koordinationsstelle Psychotherapieforschung an der Gesundheit Österreich GmbH bieten eine Möglichkeit zu Austausch und Diskussion relevanter Erkenntnisse für Psychotherapieforscher:innen, Praktiker:innen der Psychotherapie, universitäre und praxisnahe Institutionen der Psychotherapie bzw. Psychotherapieforschung sowie der betreffenden Ausbildungsanbieter (Fachspezifika, Universitäten, Ambulanzen etc.).
Die Gesundheit Österreich GmbH – Koordinationsstelle für Psychotherapieforschung – erstellte im Auftrag des Gesundheitsressorts den Bericht „Praxisorientierte Psychotherapieforschung. Leitfaden zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in der psychotherapeutischen Ausbildung“, der im März 2018 veröffentlicht wurde, unter fachlicher Begleitung durch den wissenschaftlichen Expertinnen- und Expertenbeirat der Koordinationsstelle Psychotherapieforschung. Dieser Leitfaden wurde unter https://jasmin.goeg.at/420/1/Leitfaden_Praxisorientierte_Psychotherapieforschung.pdf veröffentlicht.
Der Leitfaden bereitet die aktuellen Erkenntnisse, Prinzipien und umsetzungsorientierten Aspekte rund um wissenschaftliches Arbeiten und Forschen im Kontext der Psychotherapie anwendungsorientiert auf und liefert weiterführende Literaturhinweise, so dass sich die Ausbildungseinrichtungen bei der Planung bzw. Durchführung von Forschungsprojekten daran orientieren können. In der Psychotherapieausbildung, insbesondere bei der Erstellung bzw. Betreuung wissenschaftlicher Abschlussarbeiten oder Masterthesen, ist er eine wichtige Unterstützung für Auszubildende bzw. für Lehrende.
Basierend auf dem aktuellen State of the Art der Psychotherapieforschung werden Empfehlungen zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in der psychotherapeutischen Ausbildung für die psychotherapeutischen Ausbildungseinrichtungen abgeleitet. Der Nachweis der Qualität, Effektivität und Effizienz der Psychotherapieforschung in den psychotherapeutischen Ausbildungseinrichtungen soll damit aufgezeigt und verbessert werden.
Die Recherchen für den Leitfaden beziehen psychotherapiewissenschaftliche Grundlagenwerke, klassische sozialwissenschaftliche Methodenbücher und aktuelle wissenschaftliche bzw. wissenschaftstheoretische Diskurse mit ein. Als Grundlage für die Entwicklung des Stufenplans zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in der psychotherapeutischen Ausbildung dienten die Core Competencies of a European Psychotherapist der European Association of Psychotherapy (EAP):
Teil A – Theorie der Psychotherapieforschung stellt die aktuellen Erkenntnisse zur wissenschaftstheoretischen Reflexion, zu Paradigmen, Gütekriterien und Zielsetzungen der (praxisorientierten) Psychotherapieforschung dar.
In Teil B – Praxis der Psychotherapieforschung werden die umsetzungsorientierten Aspekte zu Forschungsansätzen, -designs und -methoden sowie Qualitätskriterien für wissenschaftliche Arbeiten anwendungsorientiert aufbereitet. Auch weiterführende Literaturhinweise ermöglichen, sich in Planung, Abwicklung und Darstellung von Forschungsprojekten zu orientieren.
Teil C enthält abgeleitete Empfehlungen für die psychotherapeutischen Ausbildungseinrichtungen, die auf einem Stufenplan zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in den psychotherapeutischen Ausbildungseinrichtungen basieren.
Dieser sieht drei Ebenen vor:
1. Förderung der rezeptiven Auseinandersetzung mit Psychotherapieforschung
2. Förderung des wissenschaftlichen Arbeitens in der Psychotherapieausbildung
3. Förderung der aktiven empirischen Psychotherapieforschungstätigkeit
Praxisorientierte Psychotherapieforschung und insbesondere verfahrensübergreifende, patientinnen- und patientenorientierte Aspekte stellen den aktuellen State of the Art dar, der die Interessen der Praxis sowie die akademischen Anforderungen sinnvoll verbindet. Der vorliegende Leitfaden dient als Orientierungshilfe in Bezug auf Grundlagen für Wissenschaft und Forschung und möchte ein verfahrensübergreifendes Selbstverständnis von wissenschaftlich fundierter Psychotherapie fördern.
Die Forschungsaktivität der österreichweiten Fachspezifika sowie der (kooperierenden) Universitäten im Bereich der Psychotherapieforschung ist sehr reichhaltig und vielfältig geworden. Das breite Spektrum der österreichischen Psychotherapieforschungslandschaft bzw. das weite Einsatzgebiet von Psychotherapie wird auf diesen Tagungen gut sichtbar.
Die Bedeutung der Psychotherapieforschung ist nicht hoch genug einzuschätzen. In vergleichbaren Gesundheitsbereichen ist Forschung seit Jahrzehnten geradezu dominant und für die Psychotherapie soll das nicht anders sein. Ein neues Psychotherapiegesetz kann diesen Schwerpunkt noch mehr bekräftigen.
Psychotherapieforschung ermöglicht den Nachweis v.a. von Bedarf, Wirksamkeit, Evidenz, Effizienz und Qualität in (klinischer) Praxis und Ausbildung und ist daher für die langfristige Absicherung und Akzeptanz dieses Gesundheitsberufes zentral. Entscheidend ist aber auch das Aufzeigen der identitätsstiftenden (verfahrensübergreifenden) Gemeinsamkeit der Berufsgruppe (ihres wissenschaftlichen Selbstverständnisses) bzw. einer wissenschaftlich fundierten Psychotherapie durch die Psychotherapieforschung.
Der Einfluss der Psychotherapieforschung als Instrument für die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung von Lehre und klinischer Praxis der Psychotherapie ist hoch. Entsprechend der Vielfalt der psychotherapeutischen Ansätze unterscheiden sich auch deren Zugänge zur Psychotherapieforschung. Trotz dieser Vielfalt gibt es jedoch übergreifende Ansätze und Qualitätsmerkmale psychotherapeutischer Forschung. Hier setzt sich der Leitfaden das Ziel, Grundlagen für solche Ansätze und Gemeinsamkeiten von Psychotherapieforschung darzustellen und das wissenschaftliche Selbstverständnis sowie die gemeinsame Identität von wissenschaftlich fundierter Psychotherapie über die psychotherapeutischen Schulen bzw. Verfahren hinweg zu fördern. Psychotherapieforschung wird so als Kernelement einer forschungsbasierten psychotherapeutischen Wissenschaft sichtbar gemacht.
Der Reformbedarf ergibt sich zunächst insbesondere aufgrund der durch den Bologna-Prozess veränderten Studienstrukturen (Bachelor- und Masterstudien), die sich auf die gesetzlich geregelten Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung auswirken. Diese Reform der Psychotherapieausbildung soll zukünftig dann auch die fachliche Qualität im Kontext einer universitären Ausbildung weiterhin bei gleichzeitiger Qualitätssicherung gewährleisten und unter kritischer Beachtung internationaler Vorbilder, erfolgen. In Entsprechung dessen sollte eine universitäre Ausbildung, also die Absolvierung eines Psychotherapiestudiums (Bachelor- und Masterabschluss) samt einer weiteren postgraduellen Ausbildungsphase zum praktischen Kompetenzerwerb in die Wege geleitet werden. Hierfür soll die Einrichtung insbesondere von psychotherapeutische Ambulanzen, allenfalls in Zusammenwirken mit den Sozialversicherungsträgern ermöglicht werden.
Anzumerken ist, dass die Berufsgruppe bereits jetzt einen hohen Akademiker:innenanteil von mehr als 70 % aufweist (Drossos, Pawlowsky, Kierein, Sagl (2023): Hochschulen, anerkannte Ausbildungseinrichtungen und Studienabschlüsse von Psychotherapeut’innen - Bestandsaufnahme und Entwicklungstendenzen. In: Datler, Wilfried et al. (Hrsg.): Akademisierung der Psychotherapie. Facultas, Wien, S 86ff). Dieser Anteil soll durch die geplante Reform auf 100 % angehoben und insbesondere eine akademische Ausbildung in der Psychotherapie Grundlage für eine spätere Berufsausübung Voraussetzung werden soll. Rund zwei Drittel der 46 aktiven fachspezifischen Ausbildungseinrichtungen befinden sich bereits in Kooperationen mit Universitäten oder sind in der Planungsphase einer Kooperationsbildung (ebd. S 77ff.). Diese Fachspezifika sollen, sofern sie sich als Psychotherapeutische Fachgesellschaften etablieren in den dritten Ausbildungsabschnitt integriert werden. Bestehende psychotherapeutische Ausbildungseinrichtungen werden daher durch die vorgesehenen Übergangszeiten und universitären Kooperationen eingebunden.
Daraus ergibt sich, dass eine Psychotherapieausbildung die sogenannte allgemeine oder besondere Universitätsreife voraussetzt. Damit würde die im Psychotherapiegesetz 1990 vorgesehene Zulassung zur Absolvierung des psychotherapeutischen Propädeutikums (sogenannte Eignungszulassung für das Propädeutikum) entfallen.
Eine Gleichwertigkeit des Berufsstandes der Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten im Gesundheitssystem neben anderen Berufsgruppen, die bei weitem nicht eine mit dem Psychotherapieberuf vergleichbare Eigenständigkeit aufweisen und bereits zumindest auf Bachelorniveau angesiedelt sind, muss erreicht werden.
Daneben darf nicht übersehen werden, dass die Psychotherapie als solche sich sowohl in Bezug auf die Patientinnen- bzw. Patientenbehandlung wie auf die wissenschaftlichen Entwicklungen seit Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes in hohem Maße weiterentwickelt und verändert hat. Auch dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) ist die Akademisierung der psychotherapeutischen Ausbildung seit Langem ein wichtiges Anliegen (Stippl, Schimböck (2023): Anmerkungen zur Akademisierug der Psychotherapie aus der Sicht der Vertretung des Berufsstandes. In: Datler, Wilfried et al. (Hrsg.): Akademisierung der Psychotherapie. Facultas, Wien, S 191ff.).
Wesentliche Neuerung in der Psychotherapieausbildung stellt insbesondere die Einführung des dritten Ausbildungsabschnitts dar, in dem unter anderem dem Wunsch der gesetzlichen Sozialversicherung für das Vorliegen von „besonderer Krankenbehandlungserfahrungen“ gefolgt und der Schwerpunkt auf die praktische Tätigkeit gesetzt wurde. Diese Tätigkeiten sollen im Wesentlichen in Psychiatrien, psychotherapeutischen Ambulanzen, Primärversorgungseinrichtungen und entsprechenden Einrichtungen mit klinikartigen Settings erfolgen.
Eine Einrichtung des Gesundheitswesens im engeren Sinne, die über ein „klinikartiges Setting" verfügt, ist gekennzeichnet durch systematische, fallbezogene, multiprofessionelle Zusammenarbeit, insbesondere mit Ärztinnen bzw. Ärzten. Diese sollen in der Einrichtung selbst regelmäßig anwesend sein, zumindest zwei Mal pro Woche, insbesondere für Fallverlaufs- und Übergabebesprechungen, Planung und Evaluierung des Behandlungsverlaufs, Besprechung in Bezug auf Medikamenteneinnahme, Aufnahme- und Entlassungsprozesse etc.
Darüber hinaus soll eine Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, wie auch mit Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen bzw. Sozialpädagogen etc. gegeben sein.
Das Regierungsprogramm 2020-2024 hält Folgendes fest: „Um die Zusammenarbeit der Gesundheits-berufe zu verbessern, sollen auch neue Gesundheits- und Sozialberufe gestärkt werden, psychotherapeutische Leistungen ausgeweitet und ein besonderer Fokus auf Kindergesundheit gelegt werden.“ (S 185) Ebenso ist der substanzielle stufenweise bedarfsorientierte Ausbau der Sachleistungsversorgung bis 2024 im Bereich der psychischen Gesundheit mit dem Ziel der Bedarfsdeckung festgelegt (vgl. S 186). Die hohe Stellenwertigkeit der psychischen Gesundheit wurde auch durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Bevölkerung mehr angenommen und akzeptiert.
Eine Analyse der Versorgungswirksamkeit von Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten in freier Praxis samt Ergebnisbericht der Gesundheit Österreich GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und des (damaligen) Hauptverbands der Österreichischen Sozialversicherungsträger aus dem Jahr 2020 ergab, dass Psychotherapie überwiegend von Frauen ausgeübt wird (73 %). 39 % der eingetragenen Berufsangehörigen waren über 54 Jahre alt, neun Prozent davon sind mindestens 65 Jahre alt. Ein:e Berufsangehörige:r der Psychotherapie behandelt im Durchschnitt jährlich rund 46 Patientinnen bzw. Patienten. 52 % der Patientinnen bzw. Patienten erhalten einen Kostenzuschuss von der Krankenversicherung, weitere rund 27 % voll kassenfinanzierte Psychotherapie, während 21 % Selbstzahler:innen sind. 94 % der durchschnittlichen geleisteten Gesamtstunden betreffen Patientinnen bzw. Patienten mit einer krankheitswertigen Störung (Krankenbehandlung). Im Median arbeitet ein:e Psychotherapeut:in in freier Praxis zehn Wochenstunden therapeutisch mit Patientinnen bzw. Patienten mit einer krankheitswertigen Störung. Nur für Dokumentationstätigkeiten werden im Median drei Stunden pro Woche aufgewandt. (Tanios, Aida; Valady, Sonja; Grabenhofer-Eggerth, Alexander (2020): Analyse der Versorgungswirksamkeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in freier Praxis. Gesundheit Österreich, Wien)
Rund 23 % der Bevölkerung erkranken jährlich an psychischen, krankheitswertigen Störungen, wobei nur 14 % im aktuellen Versorgungssystem erfasst werden. 7 % der Bevölkerung könnten für psychotherapeutische Behandlung motiviert werden. Durch die aktuellen Versorgungsangebote können derzeit lediglich die Hälfte (3,8 %) der registrierten Betroffenen psychotherapeutisch behandelt werden. Der volkswirtschaftliche Schaden aus psychischer Erkrankung beträgt jährlich EUR 13,9 Milliarden, somit 4,3 % des Bruttoinlandsproduktes.
Nach einer aktuellen Studie der Gesundheit Österreich GmbH zur Versorgungslage und künftigen Bedarf an Psychotherapie wird bei einer gleichbleibenden Entwicklung der Absolventinnen- und Absolventenzahlen sowie der Pensionsantritte in unterschiedlichen Varianten (Cut‐off mit 60 Jahren, 65 Jahren bzw. 70 Jahren) basiert - ein Personenangebot zwischen 10 660 und 14 329 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Jahr 2040 angenommen. Das Erreichen eines moderaten Versorgungsziels von 3,5 % der Bevölkerung (leichter Versorgungsausbau), welches 13 125 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden und 40 Behandlungswochen pro Jahr pro Patientin bzw. Patienten vorsieht, scheint so jedenfalls möglich. Für das Erreichen eines höheren Versorgungsziels von fünf Prozent der Bevölkerung (durch einen entsprechend intensiveren Versorgungsausbau) wären in Zukunft 18 750 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erforderlich. Hierfür werden jährlich zwischen 1 888 und 2 567 Ausbildungsplätze benötigt, um im Jahr 2040 die Anzahl an Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sicherzustellen, die dem derzeitigen Stand und Versorgungsgrad entspricht.
Nach dem ersten Ausbildungsabschnitt (Erreichen eines Grundsets an psychosozialen Kompetenzen) kommt es oft zu keiner Fortsetzung der Ausbildung (25 %) bzw. sind die Ausbildungsabbrüche im ersten Abschnitt (Propädeutikum) deutlich höher (13 %) und reduzieren sich sehr stark im zweiten Abschnitt (unter 3 %), weswegen die erforderliche Zahl an Ausbildungsplätzen im ersten und zweiten Abschnitt unterschiedlich geplant werden muss. (Riess, Gabriele; Kern, Daniela; Sagerschnig, Sophie (2023): Versorgungslage und zukünftiger Bedarf im Bereich Psychotherapie. Grobkalkulation. Gesundheit Österreich, Wien)
Aktuelle Zahlen zur Psychotherapie
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten:
Zur Berufsgruppe der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Österreich haben bei in Krafttreten des Psychotherapiegesetzes im Jahr 1991 950 Personen angehört.
Bis zum 18. März 2024 wurden jemals 13 086 Personen in die Psychotherapeutenliste eingetragen, davon werden aktuell 11 930 Personen aktiv in Ausübung des Berufes, verzeichnet.
Im Jahr 2021 wurden 469 Personen,
im Jahr 2022 505 Personen und
im Jahr 2023 594 Personen in die Psychotherapeutenliste eingetragen.
Etwa 88 % der aktuell eingetragenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten führen eine methodenspezifische Zusatzbezeichnung. 74 % der Berufsangehörigen sind Frauen (9 653), mit linear steigender Tendenz. Rund 39 % der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind über 54 Jahre alt. Rund 46 % von ihnen arbeiten ausschließlich in freier Praxis, und 54 % arbeiten auch im Rahmen einer Institution psychotherapeutisch.
Zur staatlichen Herkunft lässt sich festhalten, dass rund 94 % der eingetragenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die österreichische und 3,6 % die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Ausbildungseinrichtungen
Mit Stand vom 01. Juni 2023 waren 25 propädeutische Ausbildungseinrichtungen anerkannt, von denen vier nicht ausbilden und eine die Ausbildung noch nicht begonnen hat.
Das psychotherapeutische Propädeutikum wird in allen Bundesländern, ausgenommen dem Burgenland angeboten. Konzentriert ist die Ausbildung auf die Landeshauptstädte, insbesondere auf Wien.
Die Ausbildung beträgt in geschlossenen Ausbildungsgruppen in der Regel zwei Jahre, durch Anrechnungen von Inhalten aus Studien kann sie sich verkürzen.
Mit Stand vom 01. März 2023 waren 48 fachspezifische Ausbildungseinrichtungen anerkannt, davon haben zwei ihre Ausbildung ruhend gestellt.
Auch das psychotherapeutische Fachspezifikum wird in allen Bundesländern mit Ausnahme vom Burgenland angeboten. Die Ausbildung konzentriert sich ebenfalls auf die Landeshauptstädte.
Die Dauer der Ausbildung beträgt zwischen drei und zehn Jahren, je nach Curriculum und Anrechnungsmöglichkeit.
Lehrtherapeutinnen und Lehrtherapeuten
Zum Stichtag 01. Juni 2023 waren an den fachspezifischen Ausbildungseinrichtungen 1 139 Lehrtherapeutinnen und Lehrtherapeuten tätig, von denen rund 14 % für zwei oder mehrere Ausbildungseinrichtungen arbeiteten. Rund 66 % von ihnen sind Frauen. Insgesamt haben rund 58 % zumindest an einer Ausbildungseinrichtung eine volle Lehrbefugnis inne, und zwar rund 63 % der Männer und rund 55 % der Frauen.
Ausbildungskandidatinnen und Ausbildungskandidaten
Die Ausbildungsanbieter sind dazu verpflichtet, jährlich über die Ausbildungskandidatinnen und Ausbildungskandidaten, das Lehrpersonal und die Lehrtätigkeit im vorangegangenen Jahr zu berichten. Diese Daten werden im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch die Gesundheit Österreich GmbH ausgewertet und veröffentlicht, zuletzt unter Sagerschnig, Mikulcik (2023): Ausbildungsstatistik 2023. Daten zum Ausbildungsgeschehen in Psychotherapie, Klinischer Psychologie und Gesundheitspsychologie in Österreich. Gesundheit Österreich, Wien.
Psychotherapeutisches Propädeutikum: Mit Stand 01. Juni 2023 waren 5 329 Personen in einem psychotherapeutischen Propädeutikum in Ausbildung, wobei der Frauenanteil bei rund 77,5 % lag. Etwa zwei Drittel der Ausbildungskandidatinnen und Ausbildungskandidaten war zwischen 24 und 40 Jahre alt. Die Anzahl der Ausbildungskandidatinnen und Ausbildungskandidaten erhöht sich seit 2002 jährlich. Im vergangenen Berichtsjahr wurden 1 734 Aufnahmen, 1 205 Ausbildungsabschlüsse und 432 Ausbildungsabbrüche verzeichnet.
Rund 47 % der Personen haben ihren Wohnsitz in Wien, 13 % in Niederösterreich, je rund 11 % in Oberösterreich und der Steiermark, Tirol 5 %, Kärnten und Salzburg je rund 4 %, Vorarlberg und das Burgenland je rund 2 %.
Rund 87 % der Personen besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft, rund 7 % die deutsche, 0,7 % die italienische und rund 6 % die Staatsbürgerschaft anderer Staaten.
Psychotherapeutisches Fachspezifikum: Mit Stand 01. Juni 2023 befanden sich insgesamt 5 021 Personen in einer fachspezifischen Psychotherapieausbildung, davon waren mehr als drei Viertel (rund 78 %) weiblich. Rund 2 799 Personen befanden sich im Status Psychotherapeut:in in Ausbildung unter Supervision. Im vergangenen Berichtsjahr wurden 875 Personen in die fachspezifische Ausbildung aufgenommen, 514 schlossen sie ab und 85 Personen schieden ohne Abschluss aus. Aufnahmen und Abschlüsse im psychotherapeutischen Fachspezifikum sind längerfristig gestiegen. In Hinblick auf die Quellenberufe sind über die Jahre eine Abnahme der Zahl der Personen mit einem medizinischen Quellenberuf und eine Zunahme der Zahl der per Bescheid zugelassenen Personen zu verzeichnen.
Das Alter der in fachspezifischer Ausbildung befindlichen Personen liegt im Schnitt bei Ausbildungsbeginn 32,9 Jahre und die Ausbildungsdauer im Schnitt bei fünf Jahren. Diese Dauer hat insbesondere Auswirkungen auf das Alter der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bei Eintragung in die Psychotherapeutenliste. Etwas mehr als ein Fünftel der in einer fachspezifischen Psychotherapieausbildung stehenden Personen ist jünger als 31 Jahre. Die größte Gruppe bilden die 31‐ bis 40‐Jährigen mit rund 43 %, 34,4 % sind über 40 Jahre alt.
Rund 45 % aller Ausbildungskandidatinnen und Ausbildungskandidaten mit Wohnsitz in Österreich leben in Wien, ihr Anteil ist damit mehr als doppelt so hoch wie jener der Wiener:innen an der österreichischen Bevölkerung. Im Gegensatz dazu sind die Personen aus allen anderen Bundesländern unterrepräsentiert. Vor allem der Anteil der Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Burgenland, aus Vorarlberg, Kärnten und Oberösterreich ist im Verhältnis zu den Einwohnerinnen und Einwohnern dieser Bundesländer besonders gering.
Die in Österreich anerkannten Psychotherapiemethoden werden den vier übergeordneten Grundorientierungen (Cluster) zugeordnet, wobei die psychoanalytischen Methoden (AP, GP, IP, PA und PoP) und die tiefenpsychologisch fundierten Methoden nunmehr unter dem Überbegriff „Psychoanalytisch-Psychodynamische Therapie“ zusammengeführt werden:
1. Humanistische Therapie
2. Psychoanalytisch-Psychodynamische Therapie
3. Systemische Therapie
4. Verhaltenstherapie
Ein Vergleich der Verteilung auf die vier Grundorientierungen zwischen Personen in fachspezifischer Ausbildung und in die Psychotherapeutenliste eingetragene Personen ergibt folgendes Bild:
|
Grundorientierung (zugehörige Fachspezifika) |
Verteilung in Prozent |
Verteilung in Prozent |
|
Humanistische Therapie: E, EL, GTP, IG, IT, PZ, PD |
39,4 |
45,2 |
|
Psychoanalytisch-Psychodynamische Therapie: AP, GPs, IP, PA, PoP, ATP, DA, DG, HY, KIP, KBT, TA |
24,9 |
25,4 |
|
Systemische Therapie: SF, NLPt |
23,8 |
15,3 |
|
Verhaltenstherapie: VT |
11,9 |
14,2 |
* Stichtag: 31. 12. 2021
** Stichtag: 1. 6. 2023
AP = Analytische Psychologie; ATP = Autogene Psychotherapie; DA = Daseinsanalyse;
DG = Dynamische Gruppenpsychotherapie; E = Existenzanalyse; EL = Existenzanalyse und Logotherapie;
GPs = Gruppenpsychoanalyse / Psychoanalytische Psychotherapie; GTP = Gestalttheoretische Psychotherapie;
HY = Hypnosepsychotherapie; IG = Integrative Gestalttherapie; IP = Individualpsychologie; IT = Integrative Therapie;
KBT = Konzentrative Bewegungstherapie; KIP = Katathym Imaginative Psychotherapie;
NLPt = Neuro‐Linguistische Psychotherapie; PA = Psychoanalyse / Psychoanalytische Psychotherapie; PD = Psychodrama; PoP = Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie; PZ = Personzentrierte Psychotherapie;
SF = Systemische Familientherapie; TA = Transaktionsanalytische Psychotherapie; VT = Verhaltenstherapie
Quelle: BMSGPK; Berechnungen: GÖG
Der Wunsch der Berufsvertretung sowie die Erfahrungen der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass neben einer Liste für Berufsangehörige eine Liste für Ausbildungskandidatinnen bzw. Ausbildungskandidaten von großer Bedeutung im Sinne des Patientinnen- und Patientenschutzes und für die Schaffung von Informationsklarheit ist, weshalb diese Personen ausgewiesen als „Psychotherapeutin in Fachausbildung unter Lehrsupervision“ bzw. „Psychotherapeut in Fachausbildung unter Lehrsupervision“ in die Berufsliste (vormals „Psychotherapeutenliste“) integriert werden sollen.
Im vorliegenden Entwurf erfolgt eine neue Berufsumschreibung im § 6, womit das im § 1 des Psychotherapiegesetzes (1990) normierte Berufsbild um Klarstellungen zur Krankenbehandlung, Diagnostik und Begutachtung erweitert wird. Ebenso werden die Berufspflichten neu strukturiert und erfolgten Klarstellungen, so etwa die Anwendung der Berufspflichten auf Ausbildungskandidatinnen bzw. Ausbildungskandidaten in Lehrsupervision bereits vor Eintragung in die Berufsliste, aufgrund der zum Teil selbständigen und eigenverantwortlichen psychotherapeutischen Arbeit mit Patientinnen bzw. Patienten.
Kern der psychotherapeutischen Behandlung ist das subjektive und individuelle Erleben der Patientinnen und Patienten, welches psychische und psychosomatische Leiden, Krankheiten und Symptome hervorbringt (vgl. Datler, Hochgerner, Korunka, Löffler-Stastka, Pawlowsky, Disziplin, Profession und evidenzbasierte Praxis: Zur Stellung der Psychotherapie im Gesundheitssystem. Eine Bilanz, Psychotherapie Forum (2021) 25:7–21).
Dieser Entwurf wurde unter Mitarbeit der Arbeitsgruppe „Psychotherapiegesetz Neu“ erarbeitet und ist das Ergebnis der Umsetzung der Resolution des Psychotherapiebeirates vom 11. Oktober 2022 sowie der ÖBVP-Stellungnahme zur Resolution des Psychotherapiebeirates vom 11. Oktober 2022 unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen, insbesondere der Achtung der Autonomie der Universitäten gemäß Art. 81c Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930.
Sowohl im Psychotherapiegesetz als auch parallel dazu im Musiktherapiegesetz und im Psychologengesetz 2013 wird die Vollziehung von der für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministerin bzw. dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister an die Landeshauptleute übertragen.
Die überwiegende Aufgabenbesorgung durch die bzw. den für das Gesundheitswesen zuständige:n Bundesminister:in haben insbesondere im Hinblick auf eine bundeseinheitliche Vollzugspraxis und Gründen der Qualitätssicherung in der seit 1991 etablierten Art zu erfolgen. Mangels kammeraler Vertretung dieser Berufe ist die erstinstanzliche Zuständigkeit seit über dreißig Jahren beim Bund. Seitens der Länder wurden keine Bestrebungen angestellt, die gesamte Zuständigkeit zu übernehmen und stellt die möglichst effektive und effiziente Verwaltungsform auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit dar.
Die Überführung der Listenführung der in dem Gesetzesentwurf betroffenen Berufsgruppen etwa an das Gesundheitsberuferegister ist derzeit in Prüfung und wird als nächster Schritt angedacht.
Gemäß Art. 102 Abs. 1 B-VG üben im Bereich der Länder die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung), die Landeshauptfrau bzw. der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). Soweit in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, Bundesbehörden mit der Vollziehung betraut sind, unterstehen diese Bundesbehörden in den betreffenden Angelegenheiten der Landeshauptfrau bzw. dem Landeshauptmann und sind an deren bzw. dessen Weisungen (Art. 20 Abs. 1) gebunden; ob und inwieweit solche Bundesbehörden mit Akten der Vollziehung betraut werden, bestimmen die Bundesgesetze; sie dürfen, soweit es sich nicht um die Betrauung mit der Vollziehung von
im Abs. 2 angeführten Angelegenheiten handelt, nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.
Art. 102 B-VG ordnet an, dass die Angelegenheiten der Bundesverwaltung grundsätzlich in Form der mittelbaren Bundesverwaltung – d.h. durch die Landeshauptfrau bzw. den Landeshauptmann und die ihr bzw. ihm unterstellten Landesbehörden – zu besorgen sind; diese Organe üben insoweit Funktionen aus, die dem Bund zuzurechnen sind, sie sind daher Bundesorgane im funktionellen Sinn (VfSlg 5681, 12.281). Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden (unmittelbare Bundesverwaltung) ist – ohne Zustimmung der Länder: Abs. 4 – nur in den in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannten Angelegenheiten zulässig. Die Mitwirkung der Länder an der Vollziehung des Bundes in Form der mittelbaren Bundesverwaltung ist ein Element des bundesstaatlichen Prinzips (VfSlg 11.403). Die mittelbare Bundesverwaltung ist eine besondere Ausnahme vom Prinzip der Trennung der Vollziehungsorgane von Bund und Ländern (VfSlg 4413). Das zentrale Organ der mittelbaren Bundesverwaltung ist die Landeshauptfrau bzw. der Landeshauptmann; sie bzw. er ist insofern „Träger der mittelbaren Bundesverwaltung“, als ausschließlich sie bzw. er dem Bund gegenüber die Verantwortung trägt (Art. 142 Abs. 2 lit. e B-VG) und sie bzw. er alleinige Adressatin bzw. alleiniger Adressat der Weisungen der Bundesregierung bzw. der zuständigen Bundesminister:innen ist (Art. 103 Abs. 1 B-VG). Mittelbare Bundesverwaltung liegt nur vor, wenn eine Landesbehörde (Landeshauptfrau bzw. Landeshauptmann oder eine ihr bzw. ihm unterstellte Landesbehörde, zB Bezirkshauptmannschaft) Aufgaben für den Bund besorgt. Für die Aufgabenbesorgung auf Landesebene ist jedenfalls die Landeshauptfrau bzw. der Landeshauptmann verantwortlich (Muzak, B-VG6 Art. 102 [Stand 01.10.2020, rdb.at]).
Die durch bestimmte Abweichungen und Ausnahmen ergänzte Grundregel des Art 102 Abs. 1 besagt, dass es die Landeshauptfrau bzw. der Landeshauptmann und die ihr bzw. ihm unterstellten Landesbehörden sind, die im Bereich der Länder die Vollziehung des Bundes ausüben sollen. Ungeachtet seiner sprachlichen Fassung enthält Abs. 1 Satz 1 nicht eine empirische Beschreibung, sondern ein an den die einzelnen Verwaltungsmaterien (aus dem Vollziehungsbereich des Bundes) regelnden Gesetzgeber gerichtetes rechtliches Gebot. Insbesondere kommt es nicht auf das faktische Bestehen, sondern auf das rechtlich zulässige Betrauen von Behörden an. Die Bestimmung des Abs. 1 Satz 1 ist daher wie folgt zu lesen: Gesetze, welche die Vollziehung des Bundes im Bereich der Länder regeln, haben die Zuständigkeit der Landeshauptfrau bzw. des Landeshauptmannes oder der ihr bzw. ihm unterstellten Landesbehörden vorzusehen, soweit sich aus den folgenden (Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 4) oder aus anderen Verfassungsbestimmungen nicht die Zulässigkeit der Betrauung anderer Behörden ergibt. Mittelbare Bundesverwaltung im materiellen Sinn soll durch Organe der mittelbaren Bundesverwaltung im organisatorisch-funktionellen Sinn ausgeübt werden. Mittelbare Bundesverwaltung im materiellen Sinn meint jene Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Bundessache ist und die gleichzeitig nicht in Art. 102 Abs. 2 oder in einer gleichbedeutenden Verfassungsbestimmung angeführt sind. Erweitert wird dieser Kreis von Angelegenheiten durch einzelne besondere Verfassungsbestimmungen, die die Vollziehungszuständigkeit des Bundes begründen und keinen Vorbehalt zugunsten von Bundesbehörden umfassen. Dieses Gebot ist an den Gesetzgeber gerichtet, der in Bezug auf die einzelnen Verwaltungsbereiche zur Regelung der sachlichen und funktionellen Zuständigkeit der Behörden kompetent ist. Im Regelfall, den Art. 102 vor Augen hat, ist das Gebot an den Bundesgesetzgeber gerichtet. Dieser hat daher für hoheitliches Verwaltungshandeln im Bereich der Länder, das dem Bund zurechenbar sein soll, die Zuständigkeit der Landeshauptfrau bzw. des Landeshauptmannes und der ihr bzw. ihm unterstellten Landesbehörden vorzusehen (vgl. Raschauer in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, Art. 102 B-VG).
Zentrales Organ der mittelbaren Bundesverwaltung ist somit die Landeshauptfrau bzw. der Landeshauptmann (vgl. Art. 102 Abs. 1, Art. 103 B-VG; vgl. in diesem Sinne auch die Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, RV 1618 dBlgNR XXIV. GP, 15).
Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis VfSlg. 11.403/1987 fest, dass „es verfassungsrechtlich an sich nicht ausgeschlossen ist, im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Grenzen dem Bundesminister auch Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen. Auch ist es an sich zulässig, vorzusehen, daß sich der Bundesminister zur Besorgung solcher Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient. Diese Ermächtigung ist aber von Verfassungs wegen beschränkt. Insbesondere darf sie nicht dazu führen, das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das zu den wesentlichen Elementen der Realisierung des bundesstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung zählt (…), zu unterlaufen.“ Im Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof jedoch die Wahrnehmung der (hier:) Weinaufsicht durch relativ selbständige, dekonzentrierte, im Bereich der Länder lokalisierte und dem Bundesminister unmittelbar unterstellte Einrichtungen der (hier:) Bundeskellereiinspektoren als eine Umgehungskonstruktion und daher für verfassungswidrig erachtet.
Die herrschende Lehre erachtet daher die Betrauung einer Bundesministerin bzw. eines Bundesministers im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung als erste und letzte Instanz grundsätzlich für zulässig. Da es sich dabei um keinen Fall des Art. 102 Abs. 1 oder des Abs. 4 B-VG handelt, kommt eine Zustimmung der Länder hierbei nicht in Betracht (vgl. Bußjäger in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 3. Lfg. [2004] Art. 102 B-VG Rn. 9 f mwN). Allerdings ist eine solche Betrauung als Ausnahme vom Grundsatz der mittelbaren Bundesverwaltung nur in sehr engen Grenzen zulässig, wobei über die Reichweite dieser Grenzen in der Literatur Uneinigkeit herrscht (vgl. Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016), Rn. 305: „Grundsatz der mittelbaren Bundesverwaltung nicht völlig aushöhlen“; Mayer, B-VG5 [2015] 373: „nicht so weit gehen, dass die mittelbare Bundesverwaltung schlechthin ausgeschaltet wird“; Schäffer, Weinaufsicht und mittelbare Bundesverwaltung, ZfV 1988, 361 [366]: Unzulässigkeit der Betrauung einer Bundesministerin bzw. eines Bundesministers als einzige Instanz „in einem ganzen Verwaltungszweig“). Laut Raschauer unterliegt die Vollziehung den Regeln des Art. 102 B-VG, soweit sie ihrer Art nach „im Bereich der Länder“ ausgeübt werden kann. Eine Zuständigkeitskonzentration bei der/dem Bundesminister:in sei vor diesem normativen Hintergrund rechtfertigungsbedürftig, wobei der Umstand, dass ein bestimmtes Vorhaben den Bereich eines einzelnen Landes überschreitet, für sich allein noch keine ausreichende Rechtfertigung darstelle, da auch ein einvernehmliches Vorgehen der beteiligten Landeshauptleute sachgerecht sein könne (vgl. Raschauer in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, 4. Lfg. [2001] Art. 102 B-VG Rn. 64).
Art. 102 Abs. 1 B-VG spricht von der Landeshauptfrau bzw. dem Landeshauptmann unterstellten Landesbehörden. Dies können nicht nur die (in der Regel zuständigen) Bezirksverwaltungsbehörden, sondern zB auch das Amt der Landesregierung und sonstige Landesbehörden sein, die die Länder im Rahmen ihrer Organisationskompetenz eingerichtet haben.
Die vorliegenden Gesetzesnovellen setzen im Sinne obiger Ausführungen die Vorgaben des Art. 102 B-VG im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und der relevanten Literatur um.
Das sogenannte „Beschwerdemanagement“ wird sowohl im Psychotherapiegesetz 2024 als auch im Musiktherapiegesetz und im Psychologengesetz 2013 unter Zugrundelegung der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur sowie der Fachliteratur einheitlich und detailliert ausgestaltet, wobei die Verfahrensführung verfassungskonform an die Landeshauptleute übertragen wird. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Umschreibung der Begriffe „gesundheitliche Eignung“ und „Vertrauenswürdigkeit“.
Im Musiktherapiegesetz wird erstmals ein Musiktherapiebeirat entsprechend dem Psychotherapiebeirat und dem Psychologenbeirat normiert.
In Bezug auf die Verwendung gendergerechter Sprache ist festzuhalten, dass die Wortwahl in Art. 2 und 3 bewusst bzw. gezielt jeweils an die entsprechende Form in der Stammfassung des Musiktherapiegesetzes und des Psychologengesetzes 2013 angepasst wurde, um weiterhin eine einheitliche Lesbarkeit dieser Gesetze auch in der konsolidierten Fassung zu gewährleisten.
Kompetenzgrundlage:
Das Gesetzesvorhaben stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG („Gesundheitswesen“), Art. 10 Abs. 1 Z 12a B-VG („Universitäts- und Hochschulwesen“) sowie auf Art. 11 Abs. 1 Z 2 B-VG („berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Art. 10 fallen“).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Keine.
Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union
Die vorgesehenen Regelungen stehen im Einklang mit der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom 30.09.2005 S 22, mit den Empfehlungen in den Bereichen Lebenslanges Lernen, Europäischer Qualifikationsrahmen und Validierung non-formalen und informellen Lernens, der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, ABl. Nr. L 88 vom 04.04.2011 S 45, der Richtlinie 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. Nr. L 173/25 vom 28. Juni 2018, der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 betreffend das Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises und die Anwendung des Vorwarnmechanismus gemäß der Richtlinie 2005/36/EG, ABl. Nr. L 159 vom 25.06.2015 S. 27 sowie der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission ("IMI-Verordnung"), ABl. Nr. L 316 vom 14.11.2012 S 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2014/67/EU, ABl. Nr. L 159 vom 28.05.2014 S 11.
Antrag 2935/A(E)
Die Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 15. November 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Am 5. Oktober 2022 wurde im zuständigen Gesundheitsausschuss und am 12. Oktober 2022 im Nationalrat folgender Entschließungsantrag beschlossen:
Entschließung
des Nationalrates vom 12. Oktober 2022
betreffend Musiktherapie in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen
Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit die Verankerung von Musiktherapie in den österreichischen Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern zu gewährleisten.
https://www.parlament.gv.at/PAKTNHGIXXVll/A/A 02714/index.shtml
Siehe dazu den Bericht der Parlamentskorrespondenz:
Musiktherapie als Basisangebot in Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern
Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS sprach sich der Ausschuss dafür aus, Musiktherapie in den heimischen Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern zu verankern. Gesundheitsminister Johannes Rauch wird aufgefordert, diese Maßnahme im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit zu etablieren. Der Entschließungsantrag von ÖVP, Grünen und NEOS (2714/A(E)) regt außerdem an, zumindest in speziellen Fällen eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen zu prüfen. Auch eine Stärkung des gesetzlich anerkannten Berufsbildes Musiktherapie sowie die Aufnahme der Musiktherapeut:innen in die Strukturpläne Gesundheit wird darin gefordert.
Gerade in Zeiten großer Herausforderungen könne Musiktherapie äußerst effizient insbesondere in der Beziehungs- und Emotionsregulation, aber auch in Form von hochspezialisierten funktionalen Anwendungen von der Neonatologie bis hin zum Palliativ- und Hospizsektor eingesetzt werden. Sie soll daher als Basisangebot in allen wesentlichen Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden, lautete die Begründung.
Es handle sich um einen ‚Herzensantrag‘ für sie, legte Fiona Fiedler (NEOS) dar. Die Verankerung der Musiktherapie sei ihr schon sehr lange ein Anliegen, weil sich gezeigt habe, dass sie ein sehr wirksames Angebot sei. Zusätzlich unterstrich Fiedler den Wunsch, das Berufsbild zu stärken. Ralph Schal/meiner (Grüne) zeigte sich ebenso wie Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) froh darüber, dass ein gemeinsamer Antrag zu diesem Thema gelungen ist. Scheucher-Pichler betonte, dass gerade kreative Elemente in der Therapie sehr wirksam seien. Sie berichtete von guten Erfahrungen mit Musiktherapie bei der Behandlung von Traumata, Suchterkrankungen und Demenz.
Um dieser Initiative eine rasche Umsetzung garantieren, bedarf es daher einer konkreten Firstsetzung, die die nachfolgende Entschließung beinhaltet.“
Antrag 2515/A(E)
Die Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 18. Mai 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Die Debatte über die psychische Versorgung der österreichischen Bevölkerung hält sei Jahren an und wurde durch die Pandemie massiv verschärft. Hohe Kosten für Privatpatient_innen, komplizierter Zugang zu Kassenversorgungsplätzen und lange Bearbeitungszeiten, bis mehr als zehn Therapieeinheiten von Kassen bezuschusst werden. Hintergrund ist oftmals die schwierige Debatte über einen Rahmenvertrag der Sozialversicherungsträger, der trotz dreißigjähriger Verhandlungen einfach nicht zustande kommt (1). Je nach Gesprächspartner_in ist die komplizierte Ausbildungssituation auf lange zurückliegende Systemfehler zurückzuführen. So wurde Anfang der 1990er das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz reformiert, um Psychotherapie auf Krankenschein zu ermöglichen und einen Anspruch dafür zu schaffen. Nach Jahren zeigte sich aber, dass dieser nicht so gehandhabt oder zumindest unterschiedlich interpretiert wurde (2). Der Bundesverband für Psychotherapie wiederholte damals erneut die Forderung nach einem Rahmenvertrag, der damalige Hauptverband verwies auf den Mangel an einheitlichen Qualifikationen bei Therapeut_innen. Obwohl die Debatte über die Ausbildung sich weiterentwickelte und bereits 2005 an der Sigmund-Freud-Universität sozusagen der erste Studiengang zu Psychotherapie startete (3), ist die Frage der Akademisierung nach wie vor nicht geklärt. 2013 befürwortete der Psychotherapiebeirat im Gesundheitsministerium eine Umstellung der Ausbildung auf ein ECTS-System, auch um ‚die Wissenschaftlichkeit der Psychotherapie [zu] unterstreichen und kann als Vorarbeit für eine allfällige zukünftige Akademisierung der Psychotherapieausbildung in Österreich gesehen werden‘(4).
Die Pandemie und der resultierende gesellschaftliche Fokus auf psychische Gesundheit haben die öffentliche Debatte über psychische Versorgung massiv befeuert. Wer wie und unter welchen Umständen eine Versorgung bekommt und ob diese erstattungsfähig ist, wurde seit Jahren nicht mehr so intensiv diskutiert. Besonders der Fokus auf Kinder und Jugendliche beschäftigt, immerhin wurden dazu auch Runde Tische im Ministerium einberufen - in denen die Akademisierung der Psychotherapie erneut eine Rolle spielte (5). Eine Akademisierung könnte auch die Debatten über Qualität beenden, da die Ausbildung nicht mehr über individuelle Ausbildungsvereine und unterschiedliche Universitäten abgewickelt würde, sondern bundesweite Vorgaben erhalten würde. Aufgrund der hohen Bereitschaft aller involvierten Stakeholder und dem steigenden Bedarf beziehungsweise auch als Rolle der Vorarbeit für einen Gesamtvertrag mit Sozialversicherungspartnern, ist es daher höchste Zeit, die Vorarbeiten der Vergangenheit zu nutzen und die Psychotherapieausbildung (inhaltlich) zu vereinheitlichen und zu akademisieren.
1. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_05309/index.shtml
2. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/oesterreich/370121_Therapie-auf-Krankenschein-ist-Rechtsanspruch.html
3. https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=1357&cHash=58e3b875ca50
e79dbc5e1c032fd29df9
4. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Medizin-und-Gesundheitsberufe/Berufe-A-bis-Z/Psychotherapeutin,-Psychotherapeut/ECTS-Bewertung-psychotherapeutischer-Pro%C3%A4deutika-und-Fachspezifika.html
5. https://www.sn.at/panorama/oesterreich/ministerium-fordert-einfacheren-zugang-zu-psychotherapie-93185701“
Der Gesundheitsausschuss hat den Entschließungsantrag 2515/A(E) erstmals in seiner Sitzung am 5. Oktober 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Fiona Fiedler, BEd die Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda, Mag. Verena Nussbaum, Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Dietmar Keck und Rosa Ecker, MBA, sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Mag. Gerhard Kaniak. Im Anschluss wurden die Verhandlungen vertagt.
Der Gesundheitsausschuss hat den Entschließungsantrag 2935/A(E) erstmals in seiner Sitzung am 15. Februar 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA, die Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Gabriele Heinisch-Hosek und Mag. Gerald Hauser sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Mag. Gerhard Kaniak. Im Anschluss wurden die Verhandlungen vertagt.
In seiner Sitzung am 11. April 2024 hat der Gesundheitsausschuss die gegenständliche Regierungsvorlage 2503 der Beilagen erstmals sowie die ob zitierten Entschließungsanträge erneut in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter über die gegenständliche Regierungsvorlage fungierte Abgeordneten Ralph Schallmeiner. An der Debatte beteiligten die Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Dr. Josef Smolle, Fiona Fiedler, BEd, Philip Kucher und Gabriele Heinisch-Hosek sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Ralph Schallmeiner und Dr. Josef Smolle einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu Z 1 (Art. 1 § 2 Abs. 2 Z 3 bis 6 des Psychotherapiegesetzes 2024):
Es handelt sich um redaktionelle Ergänzungen.
Zu Z 2 und 3 (Art. 1 § 10 Abs. 1 Z 1 und Z 2 des Psychotherapiegesetzes 2024):
Die Formulierung soll es allen anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung ermöglichen, ein Bachelorstudium im Sinne des PThG 2024 sowie ein Masterstudium Psychotherapie einzurichten. Der Begriff wird gleichlautend etwa in § 4 Abs. 1 Psychologengesetz 2013, BGBl. I Nr. 182/2013, verwendet. Sollten an anderen anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung als öffentlichen Universitäten entsprechende Studienplätze eingerichtet werden, wären die mit der Einrichtung zusammenhängenden erforderlichen Kosten hierfür von den jeweiligen Trägern der Bildungseinrichtung selbst zu tragen und werden diese nicht in die in § 71c Abs. 2 UG vorgesehenen Studienplätze eingerechnet.
Zu Z 4 (Art. 1 § 10 Abs. 2 Z 7 bis 10 des Psychotherapiegesetzes 2024):
Aufgrund der Gleichwertigkeit der Ausbildungen sind Personen mit der Ausübung zur Berechtigung der Ausübung des Hebammenberufes gemäß § 10 HebG ebenso dem Abschluss des ersten Ausbildungsabschnittes gleichzustellen. Hierbei ist festzuhalten, dass Studierende eines Bachelorstudiums der Hebammenwissenschaften bzw. Bachelorstudiengang Hebamme eine Reihe von psychosozialen Ausbildungsinhalten und Arbeit mit Patientinnen und Familien in belastenden Situation im Rahmen der praktischen Ausbildung aufweisen.
Der erfolgreiche Abschluss eines Bachelorstudiums im Bereich Psychosoziale Beratung, dessen Inhalt dem Ausbildungscurriculum für Lebens- und Sozialberatung (Psychosoziale Beratung) gemäß Anlage 1 der Lebens- und Sozialberatungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 116/2022, ist aus Gleichwertigkeitsgründen ebenso dem Abschluss des ersten Ausbildungsabschnittes gleichzustellen.
Zu Z 5 (Art. 1 § 14 Abs. 1 des Psychotherapiegesetzes 2024):
Es soll gesetzlich klargestellt werden, dass neben Berufsangehörigen der Psychotherapie auch Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin bzw. Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Fachärztinnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin bzw. Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Ärztinnen für Allgemeinmedizin bzw. Ärzte für Allgemeinmedizin oder Fachärztinnen bzw. Fachärzte mit ÖÄK-Diplom Psychotherapeutische Medizin (PSY I, II und III) oder Ärztinnen für Allgemeinmedizin bzw. Ärzte für Allgemeinmedizin oder Fachärztinnen bzw. Fachärzte mit Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin und ÖÄK-Diplom Psychotherapeutische Medizin (PSY III) Lehrpaxeninhaber:in von psychotherapeutischen Lehrpraxen sein können.
Zu Z 6 (Art. 1 § 18 Abs. 3 des Psychotherapiegesetzes 2024):
Aufgrund der spezifischen Vorqualifikationen der in § 18 Abs. 3 letzter Satz genannten Personen ist ausdrücklich festzuhalten, dass diese nicht erneut über medizinische Inhalte, wie etwa Psychopharmakologie, medizinische Terminologie etc., im Rahmen einer Psychotherapeutischen Approbationsprüfung durch Berufsangehörige der Psychotherapie zu prüfen sind. Dies ist insbesondere bei der Konzeption der Prüfung im Einzelfall zu berücksichtigen.
Zu Z 7 (Art. 2 Z 32 [§ 37a des Musiktherapiegesetzes], 8 (Art. 2 Z 33 [§ 39 Abs. 6 des Musiktherapiegesetzes]), 9 (Art. 3 Z 26 [§ 49a des Psychologengesetzes 2013]) und 10 (Art. 3 Z 27 [§ 50 Abs. 9 des Psychologengesetzes 2013]):
Die Änderungen dienen der Bereinigung von Redaktionsversehen.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Ralph Schallmeiner und Dr. Josef Smolle mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, N, dagegen: S) beschlossen.
Die Entschließungsanträge 2935/A(E) und 2515/A(E) gelten als miterledigt.
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Ralph Schallmeiner gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2024 04 11
Ralph Schallmeiner Mag. Gerhard Kaniak
Berichterstattung Obmann