2565 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 4067/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG) erlassen wird

Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 16. Mai 2024 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„I. Allgemeiner Teil

Im Rahmen des Maßnahmenpakets der Bundesregierung gegen Gewalt soll als weiterer wichtiger Schritt des Gewaltschutzes und der Gewaltprävention der Abschluss von Förderverträgen mit Betreibern von Gewaltambulanzen ermöglicht werden.

Gerade in Strafverfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum ist die möglichst frühe und fundierte Objektivierung von Verletzungen ein zentrales Beweisthema. Aussagekräftige gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten können die Verurteilungswahrscheinlichkeit merkbar erhöhen. Bei den derzeit bestehenden Projekten zur Dokumentation von Verletzungen bei Gewaltopfern, nämlich der klinisch forensischen Untersuchungsstelle des Diagnostik- und Forschungs-Instituts für Gerichtliche Medizin der MedUni Graz, der Forensischen Kinder- und Jugenduntersuchungsstelle FOKUS im AKH Wien, der Toolbox für Ärztinnen und Ärzte sowie einer Initiative der Österreichischen Gesellschaft für Kinderschutzmedizin, handelt es sich um Einzellösungen, teilweise ohne Einbeziehung gerichtsmedizinischer Expertise und ohne rechtliche Sicherung des Fortbestands, die einer Gewaltambulanz nach internationalen Standards nur eingeschränkt nahekommen.

Bereits im MRV 7/14 vom 24. November 2021 erfolgte daher zum Thema ‚Förderung der Gewaltprävention und des Schutzes von Frauen und Mädchen vor Gewalt‘ eine Schwerpunktsetzung, um dem herrschenden Mangel an gerichtsmedizinischen Sachverständigen wirksam zu begegnen, den Ausbau von klinisch-forensischen Untersuchungsstellen zu forcieren und ein Konzept für die flächendeckende Einrichtung von Gewaltambulanzen zu erstellen.

Im MRV 38/20 vom 23. November 2022 im Rahmen der ‚16 Tage gegen Gewalt: Förderung von Gewaltprävention und des Schutzes von Frauen und Mädchen vor Gewalt‘ erfolgte eine umfassende Darstellung der durch die Ressorts ergriffenen gewaltpräventiven Maßnahmen. Dabei wurde auch die angestrebte Forcierung der Einrichtung von Gewaltambulanzen aufgegriffen, um durch Dokumentation von Verletzungen bei Gewaltopfern unter Einbeziehung von gerichtsmedizinischer Expertise die Beweisführung in Strafverfahren entscheidend zu verbessern.

Zur Umsetzung des Projekts Gewaltambulanzen und um dem in Österreich seit Jahren herrschenden Mangel an gerichtsmedizinischen Sachverständigen wirksam zu begegnen, wurden zunächst ressortübergreifende Gespräche zwischen dem Bundesministerium für Justiz, Bundesministerium für Inneres, Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt sowie Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz geführt und auch an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung herangetreten.

Die gemeinsam beauftragte Studie zum Status quo der Gerichtsmedizin und zur Erstellung eines Konzepts für die Einrichtung von Gewaltambulanzen wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Inneres und Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Justiz organisierten Gewaltschutzgipfels am 6. Dezember 2022 vorgestellt. Die Ergebnisse der Studie wurden sodann im Rahmen eines interministeriellen Austauschs zum Thema Gewaltambulanzen unter Einbeziehung von Fachexpertinnen und Fachexperten am 30. März 2023 diskutiert.

Da es sich bezogen auf die Kompetenzen der Ressorts um eine Querschnittsmaterie handelt, wurde zur faktischen Umsetzung des Projekts eine Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung, eingerichtet, die sich am 13.April 2023 in ihrer ersten Sitzung konstituierte. Zur raschen Umsetzung des Projekts verständigten sich schließlich das Bundesministerium für Justiz, Bundesministerium für Inneres, Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt sowie Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf Pilotprojekte zur Einrichtung von Gewaltambulanzen in den Modellregionen Ost (Wien, Niederösterreich, nördliches Burgenland) und Süd (Steiermark, Kärnten, südliches Burgenland) samt Finanzierung durch eine gemeinsam zu tragende Förderungsvereinbarung und die parallele Ausarbeitung eines gesetzlichen Rahmens für die bundesweite Errichtung der Gewaltambulanzen zur kostenlosen und verfahrensunabhängigen Untersuchung für Gewaltbetroffene. Diese Vorgehensweise wurde jüngst im MRV 80/15 vom 5. Dezember 2023 festgehalten.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die erforderlichen legistischen Maßnahmen für die Schaffung dieses gesetzlichen Rahmens zur Förderung von Gewaltambulanzen umgesetzt werden.

Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich insbesondere auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten des Zivil- und des Strafrechtswesens sowie der Justizpflege), sowie Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG (Gesundheitswesen).

 

II. Besonderer Teil

Zu § 1:

§ 1 stellt das allgemeine Ziel des Gesetzes voran, welches in § 2 durch die Aufgaben der Gewaltambulanzen konkretisiert wird.

Primär sollen Gewaltambulanzen zur Erkennung von Gewalt und zur Aufklärung gewalttätiger Angriffe beitragen, von Gewalt betroffene Personen unterstützen und auch dem Schutz der von Gewalt betroffenen Personen vor weiteren gewaltsamen Übergriffen und damit der Prävention dienen.

Ein wesentlicher Aspekt ist, dass Gewaltambulanzen durch eine qualitätsvolle Befundung und Dokumentation der Verletzungen und Sicherung von Spuren einen wichtigen Beitrag zur Erkennung und Aufklärung von Gewalt leisten, soweit dies möglich ist. Für die Betroffenen sollen niederschwellig erreichbare Einrichtungen zur Verfügung stehen, in denen sie sich kostenlos untersuchen lassen können. Die dabei gesicherten Spuren und sonstigen Beweise können zu einer Erhöhung der Verurteilungsrate beitragen. Durch die Anbindung der Gewaltambulanzen an die Gerichtsmedizin sollen eine besonders qualitätsvolle, fundierte Tätigkeit und die gerichtliche Verwertbarkeit gewährleistet werden.

Darüber hinaus sollen betroffene Personen durch Information über weitere Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten unterstützt und so möglichst auch weitere Übergriffe verhindert werden. Gewaltambulanzen sollen durch Informationsangebote und die Tätigkeit als Ansprechstelle für Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal eine wichtige Drehscheibenfunktion für betroffene Personen im Kampf gegen Gewalt erfüllen.

Um sicherzustellen, dass die Ziele des Gesetzes erreicht werden, sollen die Gewaltambulanzen evaluiert werden.

Zu § 2:

Diese zentrale Bestimmung regelt die Art und Weise, wie Gewaltambulanzen gefördert werden können, welche Aufgaben sie jedenfalls zu erfüllen haben und wie diese Aufgaben zu erbringen sind.

Nach Abs. 1 ist der Bund, vertreten durch die Bundesministerin beziehungsweise den Bundesminister für Justiz, gemeinsam mit den für Frauen, für Familie, für Inneres, für Gesundheit und/oder Wissenschaft zuständigen Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesministern, ermächtigt, insbesondere Universitäten, die über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, und auch andere geeignete Betreiber, die eine Gewaltambulanz eingerichtet haben oder eine solche einrichten, zu fördern, wenn diese sich mindestens zur Erbringung der im Katalog des Abs. 1 festgelegten Leistungen verpflichten. In den jeweiligen Förderverträgen können diese Leistungen konkretisiert und auch weitere Aufgaben vereinbart werden, etwa die Durchführung oder Teilnahme an einer zweckmäßigen Begleitforschung.

Die Eignung von Betreibern wird beim Abschluss des Fördervertrags geprüft werden. Eine Eignung ist wohl jedenfalls dann gegeben, wenn eine organisatorische Anbindung an gerichtsmedizinische Institute besteht und die für die Aufsicht des beschäftigten medizinischen Personals erforderlichen gerichtsmedizinischen Fachkenntnisse vorliegen.

Gefördert werden können nur Universitäten, die über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, und andere geeignete Betreiber. Diese müssen entweder bereits eine Gewaltambulanz eingerichtet haben, die den Mindestleistungskatalog erfüllt, oder sich verpflichten, eine solche einzurichten und die Pflichten in Zukunft zu erfüllen.

Im Rahmen dieses Fördervertrags verpflichten sich Universitäten, die über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, und andere geeignete Betreiber, die in den Z 1 bis 6 angeführten Tätigkeiten zu übernehmen. Die Hauptaufgabe der Gewaltambulanzen besteht darin, alle Personen, die von körperlicher Gewalt oder strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung betroffen sind oder sein können, gerichtsmedizinisch zu untersuchen und Verletzungen und Spuren am sowie im Körper und an Gegenständen, wie etwa der Bekleidung, ausführlich zu dokumentieren. Darüber hinaus sind Spuren und andere Beweise, wie etwa Bilder einer Verletzung oder die Dokumentation von Aussagen oder anderer wesentlicher Umstände, auch zu sichern und aufzubewahren und – nach medizinischer Indikation sowie technischen und personellen Möglichkeiten – möglichst so aufzubereiten, dass sie in allfälligen Verfahren als Beweismittel verwertbar sind. Diese Tätigkeiten zielen primär darauf ab, durch eine fach- und opfergerechte gerichtsmedizinische Untersuchung eine fundierte Objektivierung von Verletzungen zu ermöglichen und Spuren professionell zu sichern. Diese Möglichkeiten sollen allen betroffenen Personen niederschwellig zugänglich gemacht werden, um eine bessere Beweislage in einem etwaigen Straf- oder sonstigen Verfahren zu schaffen.

Gewaltambulanzen sollen aber auch als Drehscheibe und Unterstützungsstelle fungieren. Die betroffenen Personen sollen nicht nur untersucht werden, sondern auch über weitergehende Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten, insbesondere über notwendige medizinische Abklärung und Behandlung, Betreuung durch Opferhilfe- und Gewaltschutzeinrichtungen sowie psychologische, psychotherapeutische oder rechtliche Beratung informiert werden. Falls sich Personen, die ausschließlich von psychischer Gewalt ohne denkbare körperliche Folgen betroffen sind, an eine Gewaltambulanz wenden, sollen diese Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 3 über weitergehende Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten informiert werden, auch wenn es keiner gerichtsmedizinischen Tätigkeit bedarf. Damit soll gewährleistet werden, dass die Betroffenen niederschwellig und rasch zu den richtigen Stellen weitergeleitet werden, ohne dass sie selbst umfangreiche Recherchen anstellen müssen. Darüber hinaus sollen Gewaltambulanzen auch für Ärztinnen und Ärzte sowie für sonstiges medizinisches Personal eine Ansprechstelle sein, insbesondere in Form einer konsiliarischen Tätigkeit und für Fragen des Erkennens von Gewalt, sowie die Funktion der Unterstützungseinrichtung für die nach dem KAKuG eingerichteten Kinder- und Opferschutzgruppen wahrnehmen und dabei je nach identifiziertem Bedarf unterstützen.

Schließlich müssen Gewaltambulanzen ihre eigene Tätigkeit in nachvollziehbarer Weise dokumentieren und an der Evaluierung mitwirken.

Abs. 2 bestimmt, dass die ärztlichen Leistungen durch Fachärztinnen und Fachärzte für Gerichtsmedizin zu erbringen sind. Nur wenn solche vorerst nicht zur Verfügung stehen, können speziell geschulte Ärztinnen und Ärzte unter gerichtsmedizinischer Aufsicht tätig werden. Damit soll eine besonders fundierte und qualitätsvolle Arbeit gewährleistet werden. Die Aufsicht ist dabei nicht so eng zu verstehen, dass eine Fachärztin oder ein Facharzt für Gerichtsmedizin in den Gewaltambulanzen stets räumlich anwesend sein muss. Es kommt vielmehr darauf an, dass die fachgerechte Ausführung der Tätigkeiten etwa durch Schulungen, regelmäßigen fachlichen Austausch und Überprüfungen oder sonstige geeignete Maßnahmen sichergestellt ist. Tätigkeiten, für die keine gerichtsmedizinischen Fachkenntnisse benötigt werden, wie etwa die Information über weitergehende Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten, können auch durch Hilfspersonen erbracht werden. Die in den Gewaltambulanzen tätigen Ärztinnen und Ärzte unterliegen einer allgemeinen Verschwiegenheitspflicht. Alle anderen in der Gewaltambulanz tätigen Personen sollen im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht als ärztliche Hilfspersonen gelten und daher ebenso bestimmten Verschwiegenheitspflichten unterliegen (§ 54 Abs. 1 ÄrzteG 1998).

Die Leistungen der Gewaltambulanzen sind für alle betroffenen Personen kostenlos. Sie dürfen nicht von einer Anzeige oder einem behördlichen Verfahren abhängig gemacht werden.

Zu § 3:

Die Bestimmung regelt die Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten.

Zu § 4:

Die Fördernehmerinnen nach diesem Gesetz unterliegen einer Berichtspflicht. Sie haben den fördergebenden Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesministern jährlich einen schriftlichen Bericht zu übermitteln, der über ihre Tätigkeit, ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen im vergangenen Kalenderjahr Auskunft gibt. Die Verpflichtung zur Legung des Berichts besteht unabhängig von den Verpflichtungen, eine nachvollziehbare Dokumentation der Tätigkeit zu führen und an der Evaluierung der Gewaltambulanz mitzuwirken.

Zu § 5:

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

Zu § 6:

Die Bestimmung enthält die Vollzugsklausel.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 29. Mai 2024 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Johanna Jachs die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Henrike Brandstötter, Mag. Christian Ragger und Mag. Georg Bürstmayr sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag. Dr. Susanne Raab.

Ein im Zuge der Debatte von der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim eingebrachter Antrag auf Ausschussbegutachtung fand keine Mehrheit.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, dagegen: S, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2024 05 29

                            Mag. Johanna Jachs                                                  Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau