Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Nach Hochrechnungen des Amtes für Betrugsbekämpfung auf Basis der Geldwäscheverdachtsmeldungen des Bundeskriminalamtes wird von einem ungeklärten Abfluss von Bargeld in Höhe von jährlich bis zu 800 Millionen Euro über Scheinunternehmen ausgegangen. Einerseits werden diese Mittel zur Auszahlung von Schwarz- oder Teilschwarzlöhnen verwendet, andererseits werden Gewinne gezielt geschmälert und Gewinnentnahmen sowie -verschiebungen ermöglicht.

Scheinunternehmen stellen Scheinrechnungen aus, die von sogenannten Durchleiterfirmen bezahlt werden. Sobald das Geld am Konto eingeht, wird es behoben und in Folge als Schwarzgeld an das tatsächlich die Arbeiten ausführende Unternehmen übergeben (sog. „Kick-back-Zahlungen“). Ebenso werden Scheinrechnungen für zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuern verwendet.

Der Bericht des Rechnungshofes, Finanzstrafsachen in der Steuerverwaltung, Reihe BUND 2023/26 (III–1022 der Beilagen) enthält Empfehlungen zu legistischen Anpassungen und Änderungen in Zusammenhang mit Scheinunternehmen und Sozialbetrug. Zudem sollten Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden, da sich Einzelne durch rechtswidriges Verhalten wirtschaftliche Vorteile verschaffen.

Zum Finanzstrafgesetz:

Einerseits soll die Strafbarkeit im Zusammenhang mit Schein- und Deckungsrechnungen verschärft, andererseits sollen verfahrensbeschleunigende Maßnahmen vorgesehen werden.

Zum Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung:

Mit den Änderungen des ABBG sollen zum Zweck der Effizienzsteigerung Ergänzungen des Aufgabenkatalogs der Finanzpolizei vorgenommen werden.

Zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz:

Mit der Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes wird die Parteistellung des Amts für Betrugsbekämpfung abschließend im ASVG normiert.

Zum Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz:

Hinsichtlich der im Gesetz enthaltenen Aufbewahrungspflichten sollen Klarstellungen vorgenommen werden, zusätzlich soll eine Strafbestimmung bei Verletzung hiervon aufgenommen werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG (Bundesfinanzen und Monopolwesen) und aus § 7 F-VG 1948.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Finanzstrafgesetzes)

Zu Z 1 (§ 22 Abs. 3):

§ 22 Abs. 3 wurde mit dem Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, eingeführt. Finanzvergehen werden häufig im Zusammenhang mit Urkundendelikten oder Beweismitteldelikten begangen. Zufolge des engen Zusammenhangs dieser Delikte sollen sowohl bei ein- als auch bei mehrtätigem Zusammentreffen nur die Finanzvergehen strafbar sein, ausgenommen jene Delikte, die durch § 224 StGB besonders geschützte Urkunden betreffen (ErlRV 451 der Beilagen XXII. GP 31). Der Tatbestand der Datenfälschung nach § 225a StGB wurde als Paralleltatbestand zum Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 223 StGB konzipiert (ErlRV 1166 BlgNR 21. GP 30). Tatobjekt ist keine Schrift, sondern Daten iSd § 74 Abs. 2 StGB, also sowohl personenbezogene und nicht personenbezogene Daten als auch Programme. Letztere kommen aber typischerweise mangels Urkundenähnlichkeit nicht als Tatobjekt in Frage (Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 225a Rz 3). Der Täter stellt immer dann falsche Daten her, wenn er den Eindruck erweckt, dass die Daten von einem anderen Aussteller stammen. Der Täter verfälscht Daten hingegen, wenn er einen bereits bestehenden Datensatz verändert und den Anschein erweckt, als stamme der neue Inhalt vom Erschaffer der Daten (Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 225a Rz 5 und 6). Demgemäß soll bei ein- oder mehrtätigem Zusammentreffen von Finanzvergehen mit dem Delikt der Datenfälschung gemäß § 225a StGB ebenso nur das Finanzvergehen strafbar sein.

Zu Z 2 (§ 30a Abs. 1 und 5):

Durch die Bestimmungen des § 30a werden die Abgabenbehörden berechtigt, bei sich im Zuge einer abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahme ergebenden Nachforderungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgabenerhöhung iHv 10 % festzusetzen (Verkürzungszuschlag). Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, durch Bezahlung der Abgabennachforderung und Abgabenerhöhung binnen Monatsfrist eine finanzstrafrechtliche Verfolgung abzuwenden. Die Festsetzung eines Verkürzungszuschlags steht – bei Erfüllung aller Voraussetzungen – im Ermessen der Abgabenbehörde. Der Wegfall der bisherigen strikten jährlichen Betragsgrenzen von 10 000 Euro sowie die Schaffung der Möglichkeit, auch im Falle der Gewährung von Zahlungserleichterungen im Ausmaß von höchstens sechs Monaten für die betroffenen Abgabennachforderungen die Festsetzung einer Abgabenerhöhung zuzulassen, sollen die Anwendung der Bestimmung erleichtern. Dies entspricht insbesondere der ursprünglichen Intention, nämlich sowohl einer Entkriminalisierung als auch der Konzentration der Tätigkeit der Finanzstrafbehörden auf Fälle mit höherem deliktischen Gehalt (ErlRV 874 BlgNR 24. GP 8). Die vorgeschlagene Änderung soll auch der Umsetzung der Empfehlung des Rechnungshofes, die Anwendung des im Finanzstrafgesetz vorgesehenen Verkürzungszuschlags durch weitere Maßnahmen zu forcieren, dienen (Bericht des Rechnungshofes, Finanzstrafsachen in der Steuerverwaltung, Reihe BUND 2023/26 (III–1022 der Beilagen)).

In § 30a Abs. 5 soll klargestellt werden, dass die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nur bei jenen Finanzvergehen unzulässig sein soll, bei denen im Tatbestand eine Mindeststrafdrohung vorgesehen ist. Dies ist derzeit nur bei § 11 Abs. 3 Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994, der Fall.

Zu Z 3 und 6 (§§ 31 Abs. 2 und 51b):

Die Einführung des § 51b soll die finanzstrafrechtliche Sanktionslücke im Zusammenhang mit verfälschten, falschen und unrichtigen Belegen, insbesondere Schein- und Deckungsrechnungen, welche für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen hergestellt oder verwendet werden, schließen. Unter solchen Belegen sind jene zu verstehen, welche einen Geschäftsvorgang vortäuschen oder dessen wahren Gehalt verschleiern sollen. Einen echten Beleg verfälscht, wer dessen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme sein jetziger Inhalt vom Aussteller (vgl. Kienapfel/Schroll in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 223 Rz 196). Ein Beleg ist falsch, wenn scheinbarer und wirklicher Aussteller nicht identisch sind (vgl. Kienapfel/Schroll in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 223 Rz 170). Ein Beleg ist unrichtig, wenn eine inhaltlich unrichtige Tatsache als richtig dargestellt wird („Lugurkunde“, vgl. Plöchl in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 293 Rz 19). Unter den Begriff „verwendet“ fällt auch das Aushändigen oder Überlassen solcher Belege an dritte Personen. Mit der Einführung der vorgeschlagenen Finanzordnungswidrigkeit soll zum einen ein zeitnahes und wirksames Vorgehen gegen Scheinunternehmen gewährleistet werden. Durch Vorverlegung des strafbaren Deliktsbereichs in das bisher finanzstrafrechtlich straflose Vorbereitungsstadium soll der gängigen Kurzlebigkeit solcher Scheinunternehmen und der damit einhergehenden fehlenden Greifbarkeit von Verantwortlichen und Vermögenswerten wirksam entgegengewirkt werden. Zum anderen soll mit Einführung des § 51b eine abschreckende Sanktion auch für alle sonstigen Fälle der Erstellung und Verwendung von verfälschten, falschen und unrichtigen Belegen für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen geschaffen werden.

Den von § 51b umfassten Manipulationen ist eine hohe kriminelle Energie inhärent, sodass die vorgesehene Höchststrafe von 100 000 Euro angemessen ist.

Die Finanzordnungswidrigkeit soll nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar sein. Die Verjährungsfrist soll wie für die Finanzordnungswidrigkeiten nach §§ 49 bis 49e drei Jahre betragen.

Zu Z 4 (§ 35 Abs. 5):

Durch die Ergänzung in § 35 Abs. 5 sollen allfällige Bedenken ausgeräumt werden, die hinsichtlich der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages beim Schmuggel durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFG zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer bei Verstößen gegen das Zollrecht entstanden sind. Es soll festgelegt werden, dass für die Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages in den Fällen des Abs. 1 (Schmuggel) sämtliche Eingangsabgaben als im Inland entstanden gelten und daher als rechnerische Größe für den Strafrahmen heranzuziehen sind.

Abgabenrechtlich gilt die Einfuhrumsatzsteuer nach der Rechtsprechung des EuGH erst bei Verlassen des Amtsplatzes und Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union als entstanden (vgl EuGH vom 29.4.2010, C-230/08 Dansk und BFG vom 29.6.2021, GZ. RV/1200008/2021). Wird der Amtsplatz nicht verlassen, entsteht die Einfuhrumsatzsteuer nicht und wäre somit auch nicht bei der Sanktionierung von Schmuggel iSd § 35 Abs. 1 in den strafbestimmenden Wertbetrag miteinzuberechnen. Um eine effektive Sanktionierung des Schmuggels zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass die Einfuhrumsatzsteuer auch dann in den strafbestimmenden Wertbetrag miteinzubeziehen ist, wenn sie mangels Verlassens des Amtsplatzes nicht entstanden ist.

Beispiel:

Eine Person schmuggelt einen Laptop (Zollwert 5 000 Euro) und wird bei der Zollkontrolle am Amtsplatz des Zollamtes erwischt. Die Ware wird beschlagnahmt und für verfallen erklärt.

Lösung:

Die Einfuhrumsatzsteuer ist aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht entstanden, gilt jedoch für Zwecke der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages als entstanden. Hätte die Ware den Amtsplatz verlassen, wäre Einfuhrumsatzsteuer bei einem Steuersatz von 20 % iHv 1 000 Euro entstanden. Dieser Betrag ist gemäß § 35 Abs. 5 zweiter Satz bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages zu berücksichtigen.

Wäre die nicht entstandene Eingangsabgabe im obigen Beispiel nicht Teil des strafbestimmenden Wertbetrages, würde dieser null betragen. Das finanzstrafrechtliche Strafrahmensystem, mit der Anknüpfung an den Abgabenanspruch, macht es erforderlich, im Fall des Schmuggels die Abgabenhöhe (unabhängig von seiner Entstehung oder seinem Erlöschen) als Rechengröße heranzuziehen. Dies ist nur folgerichtig, da das vorschriftswidrige Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Union unter Strafe gestellt ist. Der Tatbestand selbst knüpft nicht an das Entstehen oder Erlöschen eines Abgabenanspruchs an.

Verbrauchsteuerpflichtige Waren werden nach Artikel 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2020/262 vom 19.12.2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (idF „Systemrichtlinie“) mit ihrer Einfuhr oder ihrem unrechtmäßigen Eingang in das Gebiet der Union verbrauchsteuerpflichtig. Der Verbrauchsteueranspruch entsteht nach Artikel 6 Abs. 2 der Systemrichtlinie zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. Nach Artikel 6 Abs. 3 Buchst. d der Systemrichtlinie gilt als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr unter anderem der unrechtmäßige Eingang verbrauchsteuerpflichtiger Waren, es sei denn die Einfuhrzollschuld erlischt gemäß Artikel 124 Abs. 1 Buchst. e ZK, wenn einfuhr- oder ausfuhrabgabenpflichtige Waren eingezogen oder beschlagnahmt und gleichzeitig oder nachfolgend eingezogen werden. Die Verbrauchsteuer gilt abgabenrechtlich als nicht entstanden, weil die Ware nach dem unrechtmäßigen Eingang in das Steuergebiet eingezogen und für verfallen erklärt wurde. Erlischt die Zollschuld gemäß Artikel 124 Abs. 1 Buchst. e ZK, können die Mitgliedstaaten nach Artikel 6 Abs. 3 Buchst. d der Systemrichtlinie in ihrem nationalen Recht eine Geldbuße vorsehen, die dem Verbrauchsteuerbetrag, der fällig geworden wäre, Rechnung trägt. Daher soll auch dahingehend eine Klarstellung erfolgen, dass die Verbrauchsteuer, die fällig geworden wäre, wäre die Zollschuld nicht nach Artikel 124 Abs. 1 Buchst. e ZK erloschen, in den strafbestimmenden Wertbetrag einzubeziehen ist.

Zu Z 5 (§ 43 Abs. 1):

Die Verweise auf das Tabaksteuergesetz sollen an die aktuelle Rechtslage angepasst werden.

Zu Z 7 (§ 146 Abs. 1):

Durch das Abgabenänderungsgesetz 2022 – AbgÄG 2022, BGBl. I Nr. 108/2022, wurde der Anwendungsbereich des § 146 Abs. 1 dahingehend erweitert, dass das mögliche Strafmaß und damit auch die Grenzen der strafbestimmenden Wertbeträge angehoben sowie die Deliktsgruppen ausgeweitet wurden. Dies sollte einerseits verfahrensbeschleunigend wirken und andererseits das Zollamt Österreich entlasten. Da das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde bei einem Überschreiten der in dieser Bestimmung angeführten Betragsgrenzen ein ordentliches Finanzstrafverfahren durchzuführen hat, sollten höhere Betragsgrenzen dem Zollamt Österreich die Möglichkeit schaffen, vermehrt vereinfachte Strafverfügungen zu erlassen. Ebenso sollte für Beschuldigte die Möglichkeit eröffnet werden, den Einspruchsverzicht zu widerrufen. In diesem Fall ist ein Finanzstrafverfahren durchzuführen (siehe ErlRV 1534 BlgNR 27. GP 50). Die Möglichkeit des Widerrufs des Einspruchsverzichts führt in der Praxis jedoch nicht zu der gewünschten Verfahrensbeschleunigung und Entlastung des Zollamtes Österreich, sondern im Gegenteil zu Verfahrensverzögerungen und erhöhtem Verwaltungsaufwand, was der Intention des vereinfachten Verfahrens zuwiderläuft. Diese Widerrufsmöglichkeit soll daher entfallen, wobei damit kein Rechtsschutzverlust für den Beschuldigten verbunden ist, da dieser sich ohnehin mit dem vereinfachten Verfahren einverstanden erklären muss. Andernfalls ist von vornherein ein Finanzstrafverfahren durchzuführen.

Außerdem sollen die Zitate des Alkoholsteuergesetzes 2022 und des Mineralölsteuergesetzes 2022 richtiggestellt werden.

Zu Z 8 (§ 200b):

§ 100 Abs. 3a StPO wurde mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, in Kraft getreten mit 1.1.2015, eingeführt. Diese Bestimmung sieht eine Berichtspflicht der Kriminalpolizei auch bei Nichtvorliegen eines Anfangsverdachtes vor. Ziel des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes war unter anderem die eindeutige Abgrenzung des Begriffs des Beschuldigten von Personen, die ohne hinreichendes Tatsachensubstrat angezeigt werden, und damit der Definition des zur Führung eines Ermittlungsverfahrens hinreichenden Anfangsverdachts nicht entsprechen (ErlRV 181 BlgNR 25. GP. 1). § 1 Abs. 3 StPO bestimmt daher seitdem, dass ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist. Gemäß § 196 Abs. 1 werden die Finanzstrafbehörden bei der Aufklärung und Verfolgung gerichtlich strafbarer Finanzvergehen im Dienste der Strafrechtspflege tätig. Sie haben daher in diesem Bereich die der Kriminalpolizei zukommenden Aufgaben und Befugnisse wahrzunehmen (§ 196 Abs. 1) und unterliegen den Berichtspflichten des § 100 StPO, somit auch den Berichtspflichten nach § 100 Abs. 3a StPO.

In der Literatur wird jedoch auch die Meinung vertreten, die Finanzstrafbehörden unterlägen nicht den Berichtspflichten des § 100 Abs. 3a StPO, weil es grundsätzlich in die originäre (verwaltungsrechtliche) Kompetenz der mit besonderem juristischen Fachwissen ausgestatteten Finanzstrafbehörden fiele, aus Eigenem zu beurteilen, ob ein Finanzstrafverfahren überhaupt einzuleiten und – wenn ja – in welchem Verfahren, verwaltungsbehördlich oder gerichtlich, jenes zu führen ist (§§ 54, 82). Für den Fall, dass eine vorläufige Prüfung, ob das Gericht zur Ahndung des Finanzvergehens sachlich zuständig ist, (zunächst) noch nicht vorgenommen werden könne, sähe die „Zweifelsregel“ des § 53 Abs. 8 eine Beweissicherungspflicht (nur) der Finanzstrafbehörde in deren eigenem Wirkungsbereich vor. Auch die Variante, dass die Finanzstrafbehörde, die in ihrer verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit bis zu den relevanten strafbestimmenden Wertbeträgen des § 53 Abs. 1 und Abs. 2 auch vorsätzliche Finanzvergehen wie Abgabenhinterziehungen nach § 33 verfolgt, bei Überschreiten dieser Schwellenbeträge (und sohin des grundsätzlich möglichen Vorliegens der gerichtlichen Strafbarkeit) plötzlich außer Stande wäre, die Frage, ob nun eine vorsätzliche Begehungsweise vorliegt (oder nicht), selbst zu beurteilen und somit entsprechend § 100 Abs. 3a StPO die Staatsanwaltschaft um rechtliche Unterstützung ersuchen müsste, sei wohl reine Theorie und realiter gerade nicht zu erwarten (vgl. Mayerhöfer/Poppenwimmer, Staatsanwaltschaftliche Erledigungen im gerichtlichen Finanzstrafverfahren [Teil 1], ZSS 2020, 208).

Auch im Lichte der dargestellten Literaturmeinung kann der Entfall der Berichtspflicht nach § 100 Abs. 3a StPO hinsichtlich Finanzvergehen, bei denen aus Sicht der mit besonderem juristischen Fachwissen ausgestatteten Finanzstrafbehörden kein Anfangsverdacht vorliegt, jedenfalls als sachlich gerechtfertigt und überdies aus verfahrensökonomischen Erwägungen als sinnvoll angesehen werden, um eine Fülle von Erledigungen gemäß § 35c StAG (Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des OGH hinzuweisen, wonach die Staatsanwaltschaft nach § 35c StAG von einem Ermittlungsverfahren auch dann abzusehen hat, wenn Ermittlungen (trotz bejahter Tatbestandsmäßigkeit des angezeigten Verhaltens) wegen eines Strafausschließungsgrundes (im weiteren Sinn) unterbleiben (OGH vom 25.6.2018, 17 Os 3/18x).

Ein Vorgehen nach § 35c StAG ist laut Erlass des BMJ vom 26. August 2019, BMVRDJ-S578.028/0005-IV 3/2019, daher nicht nur dann zulässig, wenn nach dem Inhalt der Anzeige (§ 80 Abs. 1 StPO) und dem Ergebnis allfälliger Erkundigungen nach § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person ein objektiv und subjektiv tatbestandsmäßiges Verhalten iS eines strafrechtlichen Delikts gesetzt hat, sondern auch dann, wenn zusätzlich zu diesem tatbestandsmäßigen Verhalten vom Vorliegen von Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen oder von Verfolgungshindernissen auszugehen ist. Dies betrifft vor allem Selbstanzeigen nach § 29.

Weiterhin unterliegen die Finanzstrafbehörden unverändert den Berichtspflichten des § 100 Abs. 2 StPO.

Zu Artikel 2 (Änderung des Bundesgesetzes über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung)

Zu Z 1 und 3 (§ 3 Z 2 lit. h und § 8 Abs. 5):

Mit der Aufnahme der Bestimmung des § 28c AuslBG (Beschäftigung einer größeren Zahl von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet oder eines minderjährigen Ausländers ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet) wird die mit 1. Oktober 2022 in Kraft getretene Novelle des § 28c AuslBG (BGBl. I Nr. 106/2022) nachvollzogen. Damit werden die bereits in § 28c Abs. 5 AuslBG der Finanzpolizei übertragenen Aufgaben der Strafrechtspflege aus Transparenzgründen auch in den Aufgabenkatalog der Finanzpolizei übernommen.

Weiters soll die neu zu schaffende Möglichkeit der Untersagung der Abwicklung von Geldtransaktionen in den Aufgabenkatalog der Finanzpolizei mit aufgenommen werden.

Zu Z 2 und 3 (§ 3 Z 2 lit. i und § 8 Abs. 5):

Der auf das Jahr 2003 zurückgehende § 89 Abs. 3 EStG 1988 hatte ursprünglich das Ziel, die damals funktionell als Zollorgane tätigen Organe der KIAB (als Vorläufer der Finanzpolizei) zu berechtigen, abgabenrechtlich tätig zu werden. Es wurde daher in § 89 Abs. 3 die Möglichkeit geschaffen, dass Zollorgane abgabenrechtliche Feststellungen auf Basis der BAO treffen durften und unter einem – sohin im Rahmen abgabenrechtlicher Feststellungen – auch sozialversicherungsrechtliche Umstände und Meldepflichten mach dem ASVG, Meldepflichten nach dem AlVG sowie Verstöße gegen (bestimmte) Regelungen der GewO 1994 zu kontrollieren hatten. In Folge der Überführung der KIAB zu den Finanzämtern im Jahr 2007 wurde die ausdrückliche abgabenrechtliche Ermächtigung jedoch obsolet.

Mit der Schaffung des Amtes für Betrugsbekämpfung und der nunmehr im ABBG zweifelsfrei geregelten Organstellung der Organe der Finanzpolizei, ist eine ausdrückliche abgabenrechtliche Ermächtigung aufgrund des § 4 Abs. 2 ABBG jedoch nicht mehr notwendig. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung soll klargestellt werden, dass Kontrollen der Verpflichtungen des ASVG, des AlVG (vor allem § 50 AlVG), der GewO 1994 und des AZG ausdrücklich auch außerhalb der abgabenrechtlichen Aufgaben gemäß lit. a (nämlich in den Fällen der lit. e und h) ausgeübt werden können. Die Bestimmung des § 89 Abs. 3 EStG 1988 bleibt für die Organe der Abgabenbehörden bestehen und verpflichtet diese auch weiterhin im Rahmen ihrer Aufgabenstellung bekannt gewordene Verdachtsfälle zu melden.

Durch die Implementierung der Parteistellung für sämtliche in der Bestimmung genannten Verfahren erfolgt eine Angleichung der Regelung der Parteistellung in den Verfahren an die Regelungen des AuslBG, AÜG und LSD-BG. Da sich die Parteistellung des ABB bei Verstößen gegen sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten bereits aus § 111a ASVG ergibt, muss diese nur mehr für die restlichen Tatbestände (Verstöße gegen das AlVG, die GewO 1994 oder das AZG) im ABBG grundgelegt werden. Der Vorschlag folgt damit auch den Empfehlungen des Österreichischen Juristentages 2022 (vgl. Kert/Kirchmayr-Schliesselberger/Windisch-Graetz, Sozialbetrug im Unternehmensbereich – eine interdisziplinäre Herausforderung für den Rechtsstaat, 21. ÖJT Band III/1 17).

Zu Z 2 und 3 (§ 3 Z 2 lit. j und § 8 Abs. 5):

Die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen im Zusammenhang mit Registrierkassen erfolgt durch das ABB im Geschäftsbereich Finanzpolizei. Die von der Finanzpolizei getroffenen Feststellungen werden dem Geschäftsbereich Finanzstrafsachen zugeleitet. Von diesem werden dann allfällige Finanzstrafverfahren durchgeführt. Um diese amtsinterne Schnittstelle einzusparen und den Geschäftsbereich Finanzstrafsachen zu entlasten, soll das vereinfachte Verfahren wegen der Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 51 Abs. 1 lit. c und d FinStrG künftig auch im Geschäftsbereich Finanzpolizei geführt werden können, statt wie bisher nur im Geschäftsbereich Finanzstrafsachen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 111a Abs. 1):

Abgestimmt auf die Regelung in § 3 Abs. 2 lit. i ABBG in der vorgeschlagenen Fassung über die Aufgaben des Amtes für Betrugsbekämpfung soll eine einheitliche Anpassung der Parteistellung der Abgabenbehörden des Bundes bzw. des Amtes für Betrugsbekämpfung in Verwaltungsstrafverfahren nach § 111a ASVG erfolgen. Die Parteistellung soll auf jene Fälle erstreckt werden, in denen durch deren Organe eine der Verwaltungsübertretung zugrundeliegende Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs. 1 ASVG festgestellt wurde.

Zu Artikel 4 (Änderung des Gemeinsamer Meldestandard-Gesetzes)

Zu Z 1 (§ 7a):

Als Klarstellung soll eine Mindestaufbewahrungsfrist für sämtliche Dokumente und Informationen, die für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach den Hauptstücken 3 bis 7 erforderlich sind, eingefügt werden.

Zu Z 2 (§ 108 Abs. 1):

Die Sorgfaltspflichten der meldenden Finanzinstitute zur Gewährleistung der Einhaltung der Meldepflichten nach GMSG umfasst auch die Aufbewahrungspflicht. Die Aufnahme der Aufbewahrungspflicht in § 7a erfordert eine eigene Strafbestimmung für deren Verletzung. Die vorgeschlagene Änderung soll diesem Erfordernis Rechnung tragen. Die Sanktionierung der grob fahrlässigen Verletzung der Aufbewahrungspflicht soll der Umsetzung der vom OECD-Weltforum zu Transparenz und Informationsaustausch für steuerliche Zwecke (Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes) geforderten Änderungen der österreichischen Rechtslage dienen.