Entwurf
Erläuterungen:
Allgemeiner Teil
Hauptgesichtspunkte der Richtlinie 2020/1828 und des Gesetzesvorschlags zur Umsetzung
1. Die Richtlinie (EU) 2020/1828 vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (im Folgenden kurz „Richtlinie 2020/1828“ oder „Verbandsklagen-Richtlinie“) wurde am 4.12.2020 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 409/1) veröffentlicht. Sie möchte sicherstellen, dass in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten wirksame prozessuale Mittel zur Verfügung stehen, um unerlaubte Praktiken, welche die Interessen einer großen Zahl von Verbrauchern bedrohen oder schädigen, zu beenden und für Verbraucher überdies in derartigen Konstellationen die Möglichkeit für Abhilfe in jeglicher Form schaffen. Sie weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass das Fehlen wirksamer Mittel zur Durchsetzung des dem Verbraucherschutz dienenden Unionsrechts auch zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen nicht gesetzestreuen und gesetzestreuen Unternehmern führen könne, die ihre Geschäftstätigkeit innerstaatlich oder grenzüberschreitend ausüben. Diese Verzerrungen können das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen.
Bereits mit der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen wurden Qualifizierte Einrichtungen in die Lage versetzt, Verbandsklagen zu erheben, die in erster Linie darauf abzielen, Verstöße gegen das Unionsrecht, welche die Kollektivinteressen der Verbraucher verletzen, zu unterbinden und zu verbieten. Allerdings konstatiert der Unionsgesetzgeber nunmehr, dass dabei die Probleme bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts nicht in ausreichendem Maß angegangen worden seien. Um in einem zunehmend globalisierten und digitalisierten Markt besser vor unerlaubten Praktiken abzuschrecken und den Schaden für die Verbraucher zu verringern, müssen die Verbandsklageverfahren zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher dahingehend gestärkt werden, dass sie sowohl Unterlassungsentscheidungen als auch Abhilfeentscheidungen umfassen. Angesichts der zahlreichen erforderlichen Änderungen sei es angebracht, die Richtlinie 2009/22/EG aufzuheben und durch die vorliegende Verbandsklagen-Richtlinie zu ersetzen.
2. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Richtlinie 2020/1828 die Zielsetzung, die Verbandsklageverfahren auf Unterlassungsentscheidungen und auf Abhilfeentscheidungen unionsweit in ihren Grundsätzen zu harmonisieren; dies war insbesondere aufgrund des Umstands bedeutsam, dass einige Mitgliedstaaten über keine Verbandsklageverfahren auf Abhilfeentscheidungen verfügten. Die Verbandsklagen-Richtlinie hält dazu fest, dass durch diese Situation das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmern in den Binnenmarkt und ihre Fähigkeit, auf diesem Markt tätig zu sein, verringert werde. Dies verzerre den Wettbewerb und beeinträchtige die wirksame Durchsetzung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes.
Ausgehend von der Richtlinie 2009/22/EG soll die vorliegende Verbandsklagen-Richtlinie sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Verstöße abdecken, insbesondere, wenn die von einem Verstoß betroffenen Verbraucher in einem anderen Mitgliedstaat leben als dem Mitgliedstaat, in dem der zuwiderhandelnde Unternehmer niedergelassen ist (vergleiche ErwGr 20 der Richtlinie 2020/1828).
3. Mit dem vorgeschlagenen Entwurf sollen die beschriebenen Zielsetzungen und Vorgaben der Richtlinie 2020/1828 im nationalen Recht verwirklicht werden. Zu diesem Zweck sieht der Entwurf die Berechtigung für Qualifizierte Einrichtungen vor, im kollektiven Interesse von Verbrauchern Klagen auf Unterlassung (Beendigung und Verbot) und auf Abhilfe (Gestaltung sowie Leistung) gegen Unternehmer zu erheben.
4. Soweit der Entwurf Begriffe verwendet, die auch im normativen Text der Richtlinie 2020/1828 vorkommen, ist eine richtlinienorientierte Anwendung und Auslegung geboten; hierbei ist insbesondere auf die Begriffsbestimmungen in Art. 3 der Richtlinie 2020/1828 Bedacht zu nehmen.
Vorarbeiten
Das Bundesministerium für Justiz hat die Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie in acht Sitzungen einer Arbeitsgruppe mit Vertreter:innen aller betroffenen Stakeholder besprochen.
Inhalte des Gesetzesvorschlags
Zum Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetz (QEG):
Nach dem Grundkonzept der Richtlinie 2020/1828 sollen Verbandsklagen von sogenannten Qualifizierten Einrichtungen, die von den Mitgliedstaaten „benannt“ werden, erhoben werden können. Aus diesem Grund verlangt die Richtlinie 2020/1828 von den Mitgliedstaaten, ein Regelungssystem zur „Benennung“ und „Überwachung“ dieser Einrichtungen zu schaffen; dabei geht es somit um ein Zulassungs- und Überwachungsverfahren. Die Umsetzung dieser Verpflichtung bildet das Kernstück des Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetzes.
Der erste Abschnitt des Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetzes regelt die Anerkennung von Qualifizierten Einrichtungen zur Erhebung von grenzüberschreitenden (§ 1) sowie die Anerkennung von Qualifizierten Einrichtungen zur Erhebung von innerstaatlichen Verbandsklagen (§ 2) und deren Aufsicht. Die Kriterien für die Anerkennung von Qualifizierten Einrichtungen zur Erhebung von grenzüberschreitenden Verbandsklagen werden damit entsprechend den Vorgaben der Verbandsklagen-Richtlinie in das österreichische Recht übernommen. Einrichtungen, welche die Anerkennung zur Erhebung innerstaatlicher Verbandsklagen beantragen, müssen zwei weitere Anforderungen erfüllen. Zur Entscheidung über einen Antrag auf Anerkennung als Qualifizierte Einrichtung ist der Bundeskartellanwalt berufen. Ihm obliegt auch die regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der Kriterien betreffend anerkannte Qualifizierte Einrichtungen (§ 4). Darüber hinaus wird im ersten Abschnitt festgelegt, welche Einrichtungen bereits ex lege als Qualifizierte Einrichtungen anerkannt werden (§ 3).
Der zweite Abschnitt stellt quasi das „Verbindungsstück“ zu den neu in einem „Fünften Abschnitt“ des Sechsten Teils in die ZPO aufgenommenen Regelungen über Verbandsklageverfahren dar und regelt die Klagslegitimation auf Unterlassung und Abhilfe.
Mit dem nur einen Paragraphen umfassenden dritten Abschnitt wird die Drittfinanzierung von Verbandsklagen auf Abhilfe ausdrücklich zugelassen, wobei die Ausgestaltung von Verträgen über eine Drittfinanzierung bewusst einer privatautonomen Regelung überlassen wird.
Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit den Informations- und Berichtspflichten der Qualifizierten Einrichtungen und deren Verpflichtungen zur Veröffentlichung von Informationen und Daten zu ihrer Tätigkeit generell sowie zu den von ihnen jeweils eingebrachten Verbandsklagen.
Der fünfte Abschnitt regelt die bereits von der Verbandsklagen-Richtlinie vorgegebenen Aufgaben und Pflichten der Aufsichtsbehörde und setzt diese somit in das nationale österreichische Recht um.
Im sechsten Abschnitt finden sich die üblichen Schlussbestimmungen.
Zu den Verbandsklagen auf Unterlassung:
§ 5 Abs. 1 und 3 QEG in Verbindung mit §§ 619 ff. ZPO sollen Qualifizierten Einrichtungen gemäß den §§ 1 bis 3 und 5 Abs. 5 QEG ermöglichen, gegen Rechtsverletzungen von Unternehmern, welche die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, mit einer Klage auf Unterlassung vorgehen zu können.
Die vorgeschlagene Verbandsklage auf Unterlassung soll den gemäß geltendem österreichischen Recht bereits vorhandenen Rechtsschutz durch Verbandsklagen gemäß anderen gesetzlichen Bestimmungen, etwa gemäß den §§ 28 ff. KSchG und § 14 UWG, unberührt lassen. Vielmehr will der Entwurf in Umsetzung der Richtlinie 2020/1828 einen dazu parallelen Rechtsschutzweg ermöglichen, der den Qualifizierten Einrichtungen, sofern diese auch gemäß anderen gesetzlichen Regelungen zur Einbringung einer Verbandsklage legitimiert sind, die Wahl lässt, gemäß welchen Bestimmungen diese eine allfällige Klage erheben wollen. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass die bewährten Systeme bestehender Verbandsklagen und die dazu im Laufe der Jahre herausgebildete reichhaltige Rechtsprechung der Gerichte unbeeinträchtigt erhalten bleiben und die einschlägige Judikatur überall dort, wo sich der Entwurf daran orientiert oder gleichlautende Regelungen vorsieht, auch für die nunmehr „neue“ Verbandsklage genutzt werden kann.
Der Entwurf orientiert sich mit diesem Konzept an den ausdrücklichen Vorgaben der Richtlinie 2020/1828 (vergleiche etwa Art. 1 Abs. 2 und 3; ErwGr 11 und 18).
Lediglich bei der Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs der Klagsbefugnis der Qualifizierten Einrichtungen auf Unterlassung geht der Entwurf über die Mindesterfordernisse der Richtlinie 2020/1828 hinaus. Deren Klagslegitimation ist nicht auf die Unterlassung von einem von den Regelungsbereichen der in Anhang I der Richtlinie 2020/1828 genannten Rechtsakte der Europäischen Union umfassten Verstoß beschränkt, sondern es ist grundsätzlich jegliche Rechtsverletzung, welche die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht, von der Klagsbefugnis der Qualifizierten Einrichtungen erfasst.
Auch die Richtlinie 2020/1828 möchte den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit eröffnen. Gemäß ErwGr 18 sollten die Mitgliedstaaten weiterhin befugt sein, Bestimmungen der Verbandsklagen-Richtlinie auf Bereiche anzuwenden, die nicht in den Anwendungsbereich der Verbandsklagen-Richtlinie fallen. Beispielsweise sollten die Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften, die den Bestimmungen der Verbandsklagen-Richtlinie entsprechen, für Streitigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich von Anhang I fallen, beibehalten oder einführen können.
Der Entwurf erachtet diese Erweiterung als notwendig und zweckmäßig, zumal dadurch in der Praxis oftmals unklaren und schwer zu beurteilenden Abgrenzungsfragen vorgebeugt wird, ob eine als rechtswidrig erachtete unternehmerische Praktik eine Norm verletzt, die thematisch den Regelungsbereich eines in Anhang I der Richtlinie 2020/1828 aufgezählten Rechtsaktes betrifft oder nicht. Die vorgeschlagene generelle Öffnung des Anwendungsbereichs sorgt insofern für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und fördert eine straffe und ökonomische Verfahrensführung vor Gericht. Außerdem haben die Erfahrungen mit der Richtlinie 2009/22 gezeigt, dass der verpflichtende gemeinschaftsrechtliche Anwendungsbereich der verbraucherrechtlichen Verbandsklage auf Unterlassung stetig erweitert wurde. Damit ist auch im Zusammenhang mit der künftigen Entwicklung (nicht nur) des Verbraucherschutzrechts zu rechnen. Durch den gewählten weiten Anwendungsbereich beugt der Entwurf dadurch erforderlich werdenden künftigen Anpassungen der betreffenden Regelungen vor. Der Entwurf deckt auf diese Weise die ganze Vielfalt des Geschäftslebens in den sensiblen Schutzbereichen ab und unterstellt diese der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichte.
Zu den Verbandsklagen auf Abhilfe:
§ 5 Abs. 2 sowie Abs. 3 Z 1 lit. b und Abs. 3 Z 2 QEG in Verbindung mit §§ 623 ff. ZPO sollen Qualifizierten Einrichtungen gemäß den §§ 1 bis 3 und 5 Abs. 5 QEG ermöglichen, gegen Rechtsverletzungen von Unternehmern, die nicht nur die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, sondern bereits bei konkreten Verbrauchern Ansprüche auf Abhilfe entstehen haben lassen, die aber außergerichtlich bestritten werden, mit einer Klage auf Abhilfe vorgehen zu können; dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass bereits mindestens 50 solcher Ansprüche bestehen und diese einen gemeinsamen Kern haben.
Die Vorgaben der Verbandsklagen-Richtlinie erfordern ein völlig neues Verfahrenskonzept, weil einerseits Partei und Träger des Abhilfeverfahrens eine Qualifizierte Einrichtung sein soll, andererseits die einzelnen Verbraucher den Nutzen aus dem Verfahren ziehen sollen. Nach den Rahmenbedingungen des Regierungsprogramms sollen an einer Verbandsklage auf Abhilfe nur Verbraucher beteiligt sein, die sich dieser auch aktiv anschließen (opt-in). Die Qualifizierte Einrichtung kann Leistungsansprüche für alle Verbraucher, die der Klage beitreten, und im Rahmen einer Klage auf Abhilfe einen Zwischenfeststellungsantrag geltend machen, der sich auf die Klärung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses bezieht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, und das alle vom geltend gemachten Anspruch betroffenen Verbraucher in derselben Weise betrifft. Zu den näheren Voraussetzungen siehe unten zu § 5 Abs. 2.
Die Fragen, die sich im Rahmen einer Verbandsklage auf Abhilfe stellen, sollen separat in verschiedenen Verfahrensabschnitten geklärt werden: In einem ersten Verfahrensabschnitt soll das Gericht darüber verhandeln und entscheiden, ob die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen eines Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe vorliegen. In einem allfälligen zweiten Verfahrensabschnitt kann das Gericht über den Zwischenfeststellungsantrag der Qualifizierten Einrichtung bzw. der beklagten Partei entscheiden und dazu über die Streitpunkte verhandeln, die diesem Zwischenfeststellungsantrag (und allen Individualansprüchen) zu Grunde liegen. In einem dritten Verfahrensabschnitt soll das Gericht schließlich – allenfalls auf der Basis der Entscheidung über einen Zwischenfeststellungsantrag – über die einzelnen Leistungsbegehren von Verbrauchern entscheiden.
Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Der Gesetzesvorschlag dient der Umsetzung von Unionsrecht. Er geht punktuell über eine verpflichtende Umsetzung zwingender Vorschriften des Unionsrechtes hinaus; dies erscheint aus den oben ausgeführten Gründen erforderlich.
Kompetenzgrundlage:
Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG („Zivilrechtswesen“).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Keine.
Besonderer Teil
Zu Art. 1 (Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetz)
Allgemein zum Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetz
Nach dem Grundkonzept der Verbandsklagen-Richtlinie sollen Verbandsklagen von sogenannten Qualifizierten Einrichtungen, die von den Mitgliedstaaten „benannt“ werden, erhoben werden können. Aus diesem Grund verlangt die Verbandsklagen-Richtlinie von den Mitgliedstaaten ein Regelungssystem zur „Benennung“ und „Überwachung“ dieser Einrichtungen zu schaffen. Dieser aus der Verbandsklagen-Richtlinie resultierenden Verpflichtung soll in Österreich mit dem Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetz nachgekommen werden.
Zum 1. Abschnitt
Der 1. Abschnitt des Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetzes regelt die Anerkennung von Qualifizierten Einrichtungen zur Erhebung von grenzüberschreitenden und die Anerkennung von Qualifizierten Einrichtungen zur Erhebung von innerstaatlichen Verbandsklagen. Darüber hinaus wird in diesem Abschnitt festgelegt, welche Einrichtungen bereits ex lege als Qualifizierte Einrichtungen anerkannt werden. Außerdem wird die Aufsicht über die und die Überprüfung der Qualifizierten Einrichtungen geregelt.
Zu § 1
1. Die Verbandsklagen-Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die in der Verbandsklagen-Richtlinie vorgesehenen Verbandsklagen von hierzu von den Mitgliedstaaten benannten Qualifizierten Einrichtungen erhoben werden können (Art. 4 Abs. 1 Verbandsklagen-Richtlinie). Aus diesem Grund haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Organisationen, insbesondere Verbraucherorganisationen einschließlich solcher, die Mitglieder aus mehr als einem Mitgliedstaat repräsentieren, als Qualifizierte Einrichtungen für die Erhebung innerstaatlicher Verbandsklagen, für die Erhebung grenzüberschreitender Verbandsklagen oder für die Erhebung beider Arten von Verbandsklagen benannt werden können (Art. 4 Abs. 2 Verbandsklagen-Richtlinie).
Art. 4 Abs. 3 Verbandsklagen-Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie unter Art. 4 Abs. 2 der Verbandsklagen-Richtlinie fallende Organisationen auf deren Antrag hin als Qualifizierte Einrichtung für die Erhebung grenzüberschreitender Verbandsklagen benennen, wenn diese Einrichtungen sämtliche in Art. 4 Abs. 3 lit. a bis f genannten Kriterien einhalten (siehe dazu unten).
Die Umsetzung dieser Vorgaben erfolgt mit § 1 Abs. 1 und 2. Diese Bestimmung sieht vor, dass eine gemäß österreichischem Recht errichtete juristische Person, wenn sie einen entsprechenden Antrag an den Bundeskartellanwalt stellt, von diesem mit Bescheid als Qualifizierte Einrichtung zur Erhebung grenzüberschreitender Verbandsklagen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verbandsklagen-Richtlinie berechtigt anzuerkennen ist. Voraussetzung für diese Anerkennung ist, dass die Antragstellerin die in § 1 Abs. 1 Z 1 bis 5 genannten kumulativen Kriterien nachweislich erfüllt. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien entsprechen jenen, die bereits in der Verbandsklagen-Richtlinie selbst angeführt sind. Für ein grenzüberschreitendes Tätigwerden strengere Kriterien vorzusehen, lässt die Verbandsklagen-Richtlinie nicht zu. Da gerade die exakte Formulierung der Kriterien bei den Verhandlungen über die Verbandsklagen-Richtlinie auf europäischer Ebene sehr umstritten war, ist geboten, dass der österreichische Gesetzgeber diese nahezu unverändert übernimmt. Lediglich sprachliche Unschärfen sollen korrigiert werden.
So muss es sich um eine gemäß österreichischem Recht errichtete juristische Person handeln und diese muss bereits vor der Antragstellung zwölf Monate zum Schutz der Verbraucherinteressen tätig gewesen sein. Aus dem Satzungszweck muss sich ergeben, dass die antragstellende Einrichtung ein legitimes Interesse am Schutz der Verbraucherinteressen hat. Der Begriff Satzung ist hier weit auszulegen und umfasst auch Statuten und Ähnliches. Die Verbandsklagen-Richtlinie lässt offen, was alles unter eine Tätigkeit zum Schutz der Verbraucherinteressen fällt. Zu denken wäre beispielsweise an eine Organisation, die Verbrauchern online oder offline vielfältige Informationen über Verbraucherrechte oder Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung in diesem Bereich zur Verfügung stellt, Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt, Rechtsberatung anbietet und Ähnliches. Die Einrichtung darf keinen Erwerbszweck verfolgen. Bei der Diskussion dieses Kriteriums auf europäischer Ebene ging es darum, den Befürchtungen mancher Mitgliedstaaten entgegenzusteuern, dass sich ein neuer Geschäftszweig entwickeln könnte, indem Qualifizierte Einrichtungen gegründet werden und mit Verbandsklagen „Geld verdient“ wird. Nicht hingegen ging es darum, etwa ideelle Vereine, wie sie das österreichische Recht kennt, als Qualifizierte Einrichtungen auszuschließen.
Zudem darf die Einrichtung weder für insolvent erklärt, noch über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sein. Darüberhinausgehend darf die finanzielle Situation einer Einrichtung im Verfahren über die Anerkennung einer Einrichtung als Qualifizierte Einrichtung nicht Berücksichtigung finden. Ein Kriterium einer stabilen finanziellen Situation wurde in den Richtlinientext auf Wunsch mancher Mitgliedstaaten gerade nicht aufgenommen. Lediglich die Quellen der Finanzierung müssen veröffentlicht werden.
Weiters muss eine Einrichtung, die als Qualifizierte Einrichtung anerkannt werden will, unabhängig sein. Sie darf abgesehen von Verbrauchern nicht unter dem Einfluss von Personen stehen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Erhebung einer Verbandsklage haben. Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf eine mögliche Einflussnahme durch Unternehmer oder durch (Dritt-)Finanzierer zu legen. Die Einrichtung muss zu diesem Zweck über Verfahren verfügen, die eine solche Einflussnahme sowie Interessenkonflikte zwischen ihr, ihren Finanzierern und Verbraucherinteressen verhindern. Der Drittfinanzierer bestimmt freilich das Ausmaß der zur Verfügung gestellten Finanzierung; eine derartige indirekte Einflussnahme des Drittfinanzierers auf das Verfahren ist naturgemäß zulässig.
Als weiteres Kriterium wird vorgesehen, dass eine Einrichtung in klarer und verständlicher Sprache insbesondere auf ihrer Website Angaben zur Einhaltung der verlangten Kriterien macht, sowie die Quellen ihrer Finanzierung im Allgemeinen, ihre Organisations-, Management- und Mitgliederstruktur, ihren Satzungszweck und ihre Tätigkeiten öffentlich zugänglich macht.
Zu § 2
Was die Benennung von Qualifizierten Einrichtungen für die Zwecke der Erhebung innerstaatlicher Verbandsklagen betrifft, so verpflichtet die Verbandsklagen-Richtlinie die Mitgliedstaaten ausdrücklich, nur solche Kriterien für die Benennung einer Organisation als Qualifizierte Einrichtung heranziehen, die mit den Zielen der Verbandsklagen-Richtlinie im Einklang stehen, um ein wirksames und effizientes Funktionieren dieser Verbandsklagen zu gewährleisten (Art. 4 Abs. 4 Verbandsklagen-Richtlinie). Ausdrücklich im Text der Verbandsklagen-Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten die in der Verbandsklagen-Richtlinie für die Benennung von Qualifizierten Einrichtungen für die Erhebung grenzüberschreitender Verbandsklagen vorgesehenen Kriterien auch für die Benennung von Qualifizierten Einrichtungen für die Erhebung innerstaatlicher Verbandsklagen heranziehen können (Art. 4 Abs. 5 Verbandsklagen-Richtlinie). Diesen Kriterien weitere Voraussetzungen hinzuzufügen ist somit zulässig, solange ein wirksames und effizientes Funktionieren der Verbandsklagen sichergestellt ist.
Da damit zu rechnen ist, dass Qualifizierte Einrichtungen viel häufiger innerstaatlich als grenzüberschreitend tätig werden, wird als zusätzliches Kriterium – zum Schutz der Verbraucher, für die Qualifizierte Einrichtungen Verbandsklagen einbringen – vorgesehen, dass für eine solche Einrichtung auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheinen muss, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird.
Das heißt, eine Einrichtung muss entsprechend der Regelungen in ihrer Satzung auch tatsächlich im Interesse von Verbrauchern, etwa durch Beratung, Aufklärung, Unterstützung bei der Rechtsdurchsetzung oder Ähnlichem tätig sein. Dies muss sie sowohl organisatorisch als auch inhaltlich sachgerecht und wirksam tun. Sie muss dafür über die notwendige finanzielle und organisatorische Ausstattung verfügen, um im ausschließlichen Interesse der Verbraucher tätig werden zu können. Durch diese Anforderung wird sichergestellt, dass eine Einrichtung über die notwendige Kompetenz im Bereich des Verbraucherschutzes und Erfahrung in der Durchsetzung von Verbraucherrechten verfügt. Dies dient somit zugleich der Qualitätssicherung.
Als weiteres und konkretes Kriterium zur Absicherung der Unabhängigkeit der Einrichtung darf sie nicht mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch unentgeltliche finanzielle Zuwendungen von Unternehmern wie Spenden und Schenkungen beziehen. Dadurch soll eine ungebührliche Einflussnahme durch Unternehmer auch anhand eines objektivierbaren Kriteriums möglichst ausgeschlossen werden.
Zu § 3
Gemäß Art. 4 Abs. 7 der Verbandsklagen-Richtlinie können die Mitgliedstaaten öffentliche Stellen als Qualifizierte Einrichtungen für die Erhebung von Verbandsklagen benennen. Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass öffentliche Stellen, die bereits als Qualifizierte Einrichtungen im Sinne des Art. 3 der Richtlinie 2009/22/EG benannt wurden, weiterhin als Qualifizierte Einrichtungen im Sinne der vorliegenden Verbandsklagen-Richtlinie benannt bleiben.
Diese Richtlinienbestimmung ermöglicht es somit ungeachtet der Vorschriften über die von der Verbandsklagen-Richtlinie vorgegebenen zu erfüllenden Kriterien für die Anerkennung einer Qualifizierten Einrichtung, öffentliche Stellen (public bodies) zu benennen. Dies sollen grundsätzlich die in § 29 KSchG genannten öffentlichen Stellen sein, die auch schon bisher verbandsklagebefugt waren. Da diese Möglichkeit einer Anerkennung ex lege von der Verbandsklagen-Richtlinie nur für öffentliche Stellen vorgesehen ist, sind alle anderen in § 29 KSchG Genannten nur als Qualifizierte Einrichtungen gemäß § 2 zu bestimmen; einer Anerkennung bedarf es in beiden Fällen nicht. Wenn Letztere grenzüberschreitend tätig werden wollen, müssen sie aber die in § 1 genannten Kriterien erfüllen und ihre Anerkennung beantragen.
Dementsprechend wird in § 3 geregelt, dass die Wirtschaftskammer Österreich und die Bundesarbeitskammer als Körperschaften öffentlichen Rechts Qualifizierte Einrichtungen im Sinn der §§ 1 und 2 und der Österreichische Landarbeiterkammertag, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gewerkschaftsbund, der Verein für Konsumenteninformation und der Österreichische Seniorenrat Qualifizierte Einrichtungen im Sinn des § 2 sind.
Zu § 4
Die Verbandsklagen-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht nur dazu, in einem Anerkennungsverfahren zu prüfen, ob eine Einrichtung sämtliche vorgeschriebenen Kriterien erfüllt, sondern auch mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen, ob die Qualifizierten Einrichtungen die geforderten Kriterien nach wie vor einhalten; widrigenfalls ist sicherzustellen, dass eine Einrichtung ihren Status als Qualifizierte Einrichtung verliert (Art. 5 Abs. 3 Verbandsklagen-Richtlinie).
Auch für den Fall, dass ein anderer Mitgliedstaat der EU oder die Europäische Kommission Bedenken in Hinblick auf die Einhaltung der geforderten Kriterien durch eine anerkannte Qualifizierte Einrichtung erhebt, ist ein Überprüfungsverfahren durchzuführen und gegebenenfalls die Anerkennung zu revidieren. Dies kann aber wohl nur im Hinblick auf eine für ein grenzüberschreitendes Tätigwerden anerkannte Qualifizierte Einrichtung relevant sein. Die gleiche Möglichkeit, ein Überprüfungsverfahren in die Wege zu leiten, soll die beklagte Partei eines anhängigen Verbandsklageverfahrens haben (Art. 5 Abs. 4 Verbandsklagen-Richtlinie). Allerdings soll es nur dann zu einem Überprüfungsverfahren kommen, wenn die Bedenken ausreichend begründet dargetan werden. Weder soll es dadurch zu Verfahrensverzögerungen kommen, noch darf die Überprüfung der Einhaltung der Kriterien zu einem missbräuchlich genutzten Instrument werden, das Qualifizierten Einrichtungen ungerechtfertigter Weise einen Mehraufwand bereitet. Aus Gründen der Ausgewogenheit soll diese Möglichkeit allerdings nicht nur der beklagten Partei eines grenzüberschreitenden, sondern auch eines rein innerstaatlichen Verbandsklageverfahrens offenstehen.
Da wesentliches Element die Unabhängigkeit der Qualifizierten Einrichtung ist und es gerade im Falle einer Drittfinanzierung eines Verfahrens in diesem Zusammenhang zu heiklen Konstellationen kommen könnte, wird mit Abs. 2 sichergestellt, dass der Bundeskartellanwalt im Rahmen seiner Überprüfung der Einhaltung der geforderten Anerkennungskriterien durch eine Qualifizierte Einrichtung, wenn dies im Rahmen und aufgrund eines anhängigen Verbandsklageverfahrens stattfindet, auch den konkreten Drittfinanzierungsvertrag prüfen kann.
Um den Aufsichtsanforderungen gemäß der Verbandsklagen-Richtlinie nachzukommen regelt § 4, dass der auch für das Anerkennungsverfahren zuständige Bundeskartellanwalt die Qualifizierten Einrichtungen (mit Ausnahme der ex lege anerkannten gemäß § 3) in Abständen von fünf Jahren in Hinblick auf die Einhaltung der Kriterien des § 1 Abs. 1 zu überprüfen hat. Die Überprüfung der Qualifizierten Einrichtungen für innerstaatliche Verbandsklagen ist dazu parallel geregelt. Die Einhaltung der Kriterien durch diese hat ebenfalls im Abstand von längstens fünf Jahren zu erfolgen.
Zusätzlich zu dieser regelmäßigen Überprüfung wird in § 4 Abs. 1 angeordnet, dass eine Überprüfung dann durchzuführen ist, wenn die Europäische Kommission oder ein Mitgliedstaat Bedenken gegen die Einhaltung der Kriterien durch eine für eine grenzüberschreitende Tätigkeit anerkannte Einrichtung erhebt.
Kommt der Bundeskartellanwalt im Rahmen einer Überprüfung zum Ergebnis, dass eine Qualifizierte Einrichtung die für ihre Qualifizierung notwendigen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, so teilt er dies der Qualifizierten Einrichtung mit und informiert sie darüber, welche Änderungen zur Aufrechterhaltung der Anerkennung erforderlich sind und fordert die Einrichtung dazu auf, die Änderungen innerhalb von zwei Monaten durchzuführen.
Für den Fall, dass die Qualifizierte Einrichtung für insolvent erklärt wurde oder über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kommt eine Aufforderung zur Durchführung von Änderungen innerhalb von zwei Monaten naturgemäß nicht in Frage. In diesem Fall ist der Einrichtung, ebenso wie im Fall, dass diese die erforderlichen Änderungen nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Aufforderung gemäß Abs. 1 durchführt, die Anerkennung mit Bescheid abzuerkennen. Dies gilt auch, wenn die Qualifizierte Einrichtung der Aufforderung des Bundeskartellanwalts zur Vorlage eines Prozessfinanzierungsvertrags nicht nachkommt.
Auch im Fall, dass eine Qualifizierte Einrichtung aufgelöst wird, erlischt oder sonst beendet wird, hat der Bundeskartellanwalt das Erlöschen der Anerkennung mit Bescheid festzustellen (Abs. 4).
Um eine möglichst rasche Information der Gerichte über eine Aberkennung oder ein Erlöschen der Anerkennung einer Einrichtung als Qualifizierte Einrichtung sicherzustellen, ordnet Abs. 5 an, dass der Bundeskartellanwalt die Aberkennung gemäß Abs. 3 oder das Erlöschen gemäß Abs. 4 den Gerichten, bei denen ein Verfahren anhängig ist, in dem die Qualifizierte Einrichtung Partei ist, mitzuteilen hat.
Zum 2. Abschnitt
Zwar stellt das Qualifizierte‑Einrichtungen‑Gesetz nicht die eigentlichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen für Verbandsklagen bereit, § 5 bildet aber die Grundlage und die Verbindung zu den neu in einem „Fünften Abschnitt“ in die ZPO aufgenommenen Regelungen.
Zu § 5
Zu Abs. 1 und 3:
Umsetzung der Art. 1; 2 Abs. 1; 7 Abs. 1, 4, 5 und 6; 8 Abs. 1, 2 lit. a und 3 der Richtlinie 2020/1828
Die vorgeschlagene Bestimmung des Abs. 1 regelt die Anspruchsberechtigung der Qualifizierten Einrichtungen im Sinne des QEG, indem sie diese berechtigt, die Unterlassung (Beendigung und Verbot) zu verlangen, wenn das rechtswidrige Verhalten die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.
Abs. 3 räumt den Qualifizierten Einrichtungen im Sinne des QEG die dementsprechende gerichtliche Klagslegitimation ein.
Die bekämpfte rechtswidrige Praxis muss geeignet sein, gemäß der Terminologie der Verbandsklagen-Richtlinie die „Kollektivinteressen der Verbraucher” zu beeinträchtigen, also sich auf die Interessen der Allgemeinheit der Verbraucher oder einer Gruppe des betroffenen Verkehrskreises nachteilig auszuwirken.
Auch die Auslegung und Rechtsprechung zum Tatbestand der „allgemeinen Interessen der Verbraucher“ in § 28a Abs. 1 KSchG wird in diesem Zusammenhang zu beachten sein.
Demnach wird das Vorliegen dieses Tatbestandselements etwa bei Massengeschäften – bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die jeweilige Anspruchsverfolgung – in der Regel zu bejahen sein. Damit soll jedem gemäß dem Gesetz für unzulässig befundenen Verhalten, das sich zu einer Praxis des jeweiligen Unternehmers entwickelt hat, wirksam vorgebeugt werden können. Nur vereinzelt oder gelegentlich vorkommende Unrechtmäßigkeiten sollen auch von der Verbandsklage gemäß der Richtlinie 2020/1828 nicht erfasst werden, weil derartige Verhaltensweisen wohl nicht geeignet sind, die „Kollektivinteressen der Verbraucher” zu beeinträchtigen.
Zur Verbandsklage auf Unterlassung
Umsetzung des Art. 8 Abs. 3 lit. a und b der Richtlinie 2020/1828
Die Richtlinie 2020/1828 verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Qualifizierte Einrichtungen Verbandsklagen (ua.) auf Unterlassung von Verstößen durch Unternehmer gegen die in Anhang I enthaltenen Vorschriften des Unionsrechts einschließlich ihrer Umsetzung in nationales Recht, welche die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigen oder zu beinträchtigen drohen, zu erheben berechtigt sind (vergleiche Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 4 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der Verbandsklagen-Richtlinie). Die Richtlinie 2020/1828 gilt für innerstaatliche und grenzüberschreitende Verstöße, und zwar auch dann, wenn diese Verstöße vor Erhebung der Verbandsklage oder vor Abschluss der Verbandsklage eingestellt wurden (vergleiche Art. 2 Abs. 1 letzter Satz der Verbandsklagen-Richtlinie).
Der Entwurf setzt diese Vorgaben mit den vorgeschlagenen §§ 5 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 QEG und §§ 619 bis 622 ZPO um.
Bei der Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs der Klagsbefugnis der Qualifizierten Einrichtungen auf Unterlassung geht der Entwurf insofern über die Mindesterfordernisse der Richtlinie 2020/1828 hinaus, als deren Klagslegitimation nicht auf die Unterlassung von einem von den Regelungsbereichen der in Anhang I der Verbandsklagen-Richtlinie genannten Rechtsakte der Europäischen Union umfassten Verstoß beschränkt ist. Vielmehr ermächtigt der Entwurf die Qualifizierten Einrichtungen im Sinne des QEG, die Unterlassung (Beendigung und Verbot) jeglichen rechtswidrigen unternehmerischen Verhaltens unter der Voraussetzung gerichtlich zu begehren, dass das rechtswidrige Verhalten die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.
Der Entwurf stützt sich bei dieser Erweiterung auf die ausdrücklich in der Verbandsklagen-Richtlinie genannte Möglichkeit (vergleiche ErwGr 18), dass die Mitgliedstaaten weiterhin befugt sein sollen, Bestimmungen der Verbandsklagen-Richtlinie auf Bereiche anzuwenden, die nicht in den Anwendungsbereich der Verbandsklagen-Richtlinie fallen. Beispielsweise sollten die Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften, die den Bestimmungen der Verbandsklagen-Richtlinie entsprechen, für Streitigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich von Anhang I fallen, beibehalten oder einführen können.
Gegenstand einer Klage gemäß § 5 Abs. 3 Z 1 QEG in der Fassung des Entwurfs ist ein Unterlassungsanspruch. Ein solcher setzt Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr voraus; diesbezüglich sei auf die reichhaltige Judikatur der österreichischen Gerichte verwiesen.
Zu Abs. 2:
Die vorgeschlagene Bestimmung des Abs. 2 regelt, dass die Qualifizierte Einrichtung Leistungsansprüche für alle Verbraucher, die der Klage beitreten, und im Rahmen einer Klage auf Abhilfe einen Zwischenfeststellungsantrag geltend machen kann, der sich auf die Klärung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses bezieht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, und das alle vom geltend gemachten Anspruch betroffenen Verbraucher in derselben Weise betrifft. Voraussetzung dafür ist außerdem, dass die betroffenen Verbraucher ein rechtliches Interesse daran haben, dass jenes Recht oder Rechtsverhältnis durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird, sowie eine Betroffenheit von mindestens 50 Verbrauchern.
Zu Abs. 4:
Umsetzung des Art. 8 Abs. 3 lit. a und b der Richtlinie 2020/1828
Zu Abs. 5:
Umsetzung der Art. 2 Abs. 1 sowie 6 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2020/1828
Die vorgeschlagene Bestimmung räumt Qualifizierten Einrichtungen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnisse der Qualifizierten Einrichtungen gemäß diesem Bundesgesetz ein.
Sie bildet demnach die gesetzliche Grundlage der materiellen Anspruchsberechtigung und der Klagslegitimation für die von der Europäischen Kommission gemäß Art. 5 der Richtlinie 2020/1828 veröffentlichten Stellen und Organisationen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, um Verbandsklagen gemäß diesem Bundesgesetz zu erheben, unter der Voraussetzung, dass deren Satzungszweck die Klagsführung rechtfertigt.
Die vorgeschlagene Bestimmung setzt damit die (verpflichtenden) Vorgaben insbesondere des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1828 um, indem sie sicherstellt, dass Qualifizierte Einrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat für die Zwecke grenzüberschreitender Verbandsklagen vorab benannt wurden, vor dem zuständigen österreichischen Gericht die Verbandsklagen gemäß dem vorgeschlagenen § 5 Abs. 1 und 2 erheben können. Außerdem trägt sie der Vorgabe des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1828 Rechnung, indem sie für die Anspruchs- und Klagsberechtigung auf das Verzeichnis gemäß Art. 5 Abs. 1 als Nachweis der Befugnis einer Qualifizierten Einrichtung, grenzüberschreitende Verbandsklagen zu erheben, abstellt. Dies gilt vorbehaltlich des Rechts des angerufenen Gerichts zu prüfen, ob der Satzungszweck der Qualifizierten Einrichtung deren Klage im konkreten Fall rechtfertigt. An weitere Voraussetzungen ist das Einschreiten ausländischer Qualifizierter Einrichtungen als Verbandskläger (anders als gemäß § 29 Abs. 2 KSchG in der geltenden Fassung und in der Fassung des Entwurfs) gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 5 nicht gebunden.
Zum 3. Abschnitt
Zu § 6
Die Verbandsklagen-Richtlinie überlässt die Entscheidung, ob Abhilfeklagen im Wege der Drittfinanzierung finanziert werden dürfen oder nicht, den nationalen Gesetzgebern. Für Österreich wurde bereits im Regierungsprogramm 2020-2024, S 31, die Entscheidung getroffen, dass im Rahmen der Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie die Möglichkeit der Prozessfinanzierung beizubehalten ist.
Die Verbandsklagen-Richtlinie wiederum verlangt von Mitgliedstaaten, die eine Drittfinanzierung zulassen, sicherzustellen, dass Interessenkonflikte vermieden werden und dass bei einer Finanzierung durch Dritte, die ein wirtschaftliches Interesse an der Erhebung oder am Ausgang der Verbandsklage auf Abhilfeentscheidungen haben, der Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher im Rahmen der Verbandsklage nicht aus dem Fokus gerät. Letzteres ist in Zusammenschau mit dem Anerkennungskriterium in Art. 4 Abs. 3 lit. e der Verbandsklagen-Richtlinie zu sehen.
Konkret erwähnt die Verbandsklagen-Richtlinie als Situationen, die Interessenkonflikte wahrscheinlich machen, Entscheidungen Qualifizierter Einrichtungen im Zusammenhang mit einer Verbandsklage, etwa Entscheidungen über Vergleiche. Solche Entscheidungen dürfen nicht in einer Weise von einem Dritten beeinflusst werden, die den Kollektivinteressen der von der Verbandsklage betroffenen Verbraucher abträglich wäre.
Außerdem darf eine Verbandsklage nicht gegen einen Beklagten erhoben werden, der Wettbewerber des Finanzierers ist oder von dem der Finanzierer abhängig ist.
Mit dieser Bestimmung soll ausdrücklich klargestellt werden, dass eine Drittfinanzierung von Verbandsklagen zulässig ist. Die konkrete Ausgestaltung hingegen soll der Privatautonomie überlassen bleiben. Gesetzliche Vorgaben dazu scheinen weder notwendig noch sinnvoll, vielmehr soll jeweils eine auf den Einzelfall zugeschnittene Vereinbarung gefunden werden. Das bedeutet, dass die Qualifizierte Einrichtung für einen konkreten Klagsfall mit einem Drittfinanzierer eine entsprechende Vereinbarung treffen kann. Außerdem darf eine Qualifizierte Einrichtung Beitritte zu einer Verbandsklage auf Abhilfe (bei Verbandsklagen auf Unterlassung ist ein Beitritt nicht möglich) davon abhängig machen, dass die Beitretenden mit dem ihnen von der Qualifizierten Einrichtung bekannt gegebenen Drittfinanzierer den zwischen der Qualifizierten Einrichtung und dem Drittfinanzierer vereinbarten Vertrag abschließen. Dies ist notwendig, damit das System der Drittfinanzierung in der Praxis funktionieren kann. Könnte es keine Verpflichtung für Beitretende zum Abschluss einer Vereinbarung mit dem Drittfinanzierer geben, so wäre zu befürchten, dass viele von einer von manchen anderen abgeschlossenen Drittfinanzierung profitieren möchten, ohne im Falle eines Obsiegens selbst auch einen entsprechenden Beitrag leisten zu wollen. Gleichzeitig muss betont werden, dass weder jemand dazu gezwungen wird, bei einer Verbandsklage „mitzumachen“, noch dazu, eine Vereinbarung mit einem Drittfinanzierer abzuschließen. Die Einzelrechtsverfolgung bleibt jedermann, ebenso wie auf eine Rechtsverfolgung zu verzichten, offen.
Wichtig ist aber, dass sichergestellt wird, dass die Einflussnahme des Drittfinanzierers nicht über das schon allein aus der Drittfinanzierung heraus resultierende finanzielle Interesse hinausgeht. Zusätzlich ist immer eine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Drittfinanzierers und den Interessen der einer Abhilfeklage Beitretenden vorzunehmen. Dabei darf der Schutz der kollektiven Interessen der dem Verfahren Beitretenden nicht aus dem Fokus geraten. Gerade im Rahmen des Abschlusses von Vergleichen muss darauf geachtet werden, dass Drittfinanzierer nicht ungebührlich Einfluss nehmen.
Die Drittfinanzierung einer bestimmten Verbandsklage durch einen Unternehmer, der auf demselben Markt wie der Beklagte tätig ist, ist grundsätzlich als Interessenkonflikt anzusehen, weil der Drittfinanzierer ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang der Verbandsklage haben könnte, das vom Interesse der Beitretenden abweicht. Schwierig wird die Beurteilung allerdings in jenen Fällen, in denen der Beklagte beispielsweise ein Finanzinstitut oder Ähnliches ist. Hier wird im Einzelfall eine Abwägung getroffen und entschieden werden müssen, aus welchem Interesse die Drittfinanzierung stattfindet. Vermieden werden muss nämlich eine Situation, in der für eine Klage eine Drittfinanzierung faktisch nicht möglich ist, weil sämtliche sonst als Drittfinanzierer tätige Unternehmer in einer Wettbewerbssituation zum Beklagten stehen.
Wenn die Qualifizierte Einrichtung für eine konkrete Verbandsklage eine Drittfinanzierung in Anspruch nimmt, so hat sie das unter Angabe des oder der Drittfinanzierer(s) dem Gericht gegenüber bei nächster Gelegenheit mitzuteilen. Den Prozessfinanzierungsvertrag selbst oder auch nur dessen wesentlichen Inhalt muss sie jedoch nicht dem Gericht bzw. den Gerichten, die für das Verbandsklageverfahren in erster Instanz oder als Rechtmittelgericht zuständig sind, sondern nur nach Maßgabe von dessen Anordnungen im Verfahren vor dem Bundeskartellanwalt vorlegen bzw. offenlegen.
Zum 4. Abschnitt
Der 4. Abschnitt beschäftigt sich mit den Informations- und Berichtspflichten der Qualifizierten Einrichtungen und deren Verpflichtungen zur Veröffentlichung von Informationen und Daten zu ihrer Tätigkeit generell sowie den von ihnen jeweils eingebrachten Verbandsklagen.
Zu § 7
§ 7 verpflichtet Qualifizierte Einrichtungen, wichtige allgemeine Informationen auf ihrer jeweiligen Website in einfacher, verständlicher Form zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um ihre Satzung und gegebenenfalls ihren Anerkennungsbescheid (letzteren nur, sofern es sich nicht um gesetzlich anerkannte Qualifizierte Einrichtungen gemäß § 3 QEG handelt), die Kontaktdaten, einschließlich der Postanschrift und einer E-Mail-Adresse. Außerdem ist anzuführen, dass es sich um eine anerkannte Qualifizierte Einrichtung handelt und anzugeben, ob diese nur innerstaatlich oder auch grenzüberschreitend tätig werden darf. Die Qualifizierte Einrichtung hat zudem über ihren Satzungszweck und ihren Tätigkeitsbereich zu informieren und Angaben zu ihren Finanzierungsquellen im Allgemeinen und zu ihrer Organisations-, Management- und Mitgliederstruktur zu machen. Was die Finanzierungsquellen angeht, so geht es bei den hier geforderten Angaben nur um die allgemeine Finanzierung der Qualifizierten Einrichtung und nicht um die Finanzierung eines einzelnen Verbandsklageverfahrens.
Die Verbandsklagen-Richtlinie verlangt, dass Qualifizierte Einrichtungen ein Verfahren vorsehen, mit dem verhindert wird, dass es zu einer Einflussnahme auf prozessuale Entscheidungen durch Drittfinanzierer kommt, die im Widerspruch zu den Interessen der dem Verfahren beigetretenen Verbraucher stehen könnten. Entsprechend den Richtlinienvorgaben sieht Z 7 daher vor, dass Qualifizierte Einrichtungen das Verfahren darstellen müssen, das sie zur Verhinderung einer Einflussnahme sowie von Interessenkonflikten zwischen ihnen, ihren Finanzierern und den Interessen der einem von ihnen geführten Verbandsklageverfahren beigetretenen Verbrauchern eingerichtet haben. Die Verpflichtung zur Etablierung eines entsprechenden Verfahrens zur Verhinderung von Einflussnahme und Interessenkonflikten resultiert bereits aus dem Zulassungskriterium für Qualifizierte Einrichtungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 4.
Gemäß Abs. 2 sind die Qualifizierten Einrichtungen zudem verpflichtet, ihren Tätigkeitsbericht (§ 8) und die Liste sämtlicher europäischer Qualifizierter Einrichtungen zu veröffentlichen, wobei Letzteres durch einen Link zur entsprechenden Website der Europäischen Kommission zu erfolgen hat, wodurch abgesichert ist, dass die Liste immer ebenso aktuell ist, wie die Daten, die der Europäischen Kommission vorliegen. Die Veröffentlichung des Tätigkeitsberichts fördert die Transparenz der Aktivitäten und Bemühungen im Bereich der Verfolgung von kollektivierten Ansprüchen.
Zu § 8
Mit dieser Bestimmung werden Qualifizierte Einrichtungen, die tatsächlich als solche tätig werden, dazu verpflichtet, einmal pro Jahr, spätestens bis 1. April des Folgejahres, einen Bericht über ihre Tätigkeiten zu erstellen. Der den Qualifizierten Einrichtungen durch § 8 abverlangte jährliche Tätigkeitsbericht ist als Ergänzung zu den Pflichten der Qualifizierten Einrichtungen gemäß § 9 zu sehen.
Konkret sollen in den Tätigkeitsbericht verpflichtend Angaben aufgenommen werden, die einerseits einen Überblick über das Ausmaß der Betätigung der Qualifizierten Einrichtung im Bereich der kollektiven Rechtsdurchsetzung geben, dies ist etwa die Anzahl und Art der eingebrachten Klagen (also Unterlassung, Abhilfe), die Art der Verstöße (zB [Behauptung] sittenwidrige[r] Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers) und die Ergebnisse dieser Verbandsklagen (zB Vergleich, Urteil, Klagsrückziehung).
Die den Qualifizierten Einrichtungen abverlangten Angaben dienen dazu, den Informationspflichten an die Kommission nachkommen zu können und rasch Probleme mit diesem neu geschaffenen Verfahren und weitere Potentiale erkennen zu können. Die Qualifizierten Einrichtungen sollen dadurch aber nicht über die Maßen belastet werden. Die Angaben der Qualifizierten Einrichtungen müssen daher nicht Detailberechnungen oder ähnliches enthalten, auch müssen aufgewendete Zeiten nicht minutiös statistisch ausgewertet werden, vielmehr können die Angaben auch schematisch und überblicksartig erfolgen.
Zu § 9
Gemäß § 9 Abs. 1 ist eine Qualifizierte Einrichtung, die als solche tätig ist, dazu verpflichtet, Informationen zu geplanten, laufenden und abgeschlossenen Verbandsklageverfahren auf ihrer Website bereitzustellen.
Diese Informationen haben Angaben zu sämtlichen Verbandsklagen zu enthalten, die die Qualifizierte Einrichtung plant, bei Gericht einzubringen, wobei dabei auch anzugeben ist, gegen wen sich die Klage richten wird. Es geht hierbei also um Klagen, die sich in Vorbereitung befinden. Darunter sollen aber nur Klagen fallen, deren Einbringung in relativ naher Zukunft, also etwa im nächsten Vierteljahr geplant sind. Über erste Überlegungen eine Klage anzustrengen, muss die Öffentlichkeit hingegen keineswegs verpflichtend auf der Website der Qualifizierten Einrichtung informiert werden; dies könnte im Einzelfall vorprozessualen Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung mit dem Gegner äußerst abträglich sein.
Auf der Website auch zu informieren ist über Verbandsklageverfahren, bei denen die Klage bereits bei Gericht erhoben wurde. Auch was diese Verfahren angeht ist anzugeben, gegen wen sich die Klage richtet. Außerdem müssen Angaben zum Stand des Verfahrens gemacht werden. Letzteres kann etwa im Falle von Abhilfeklagen für Betroffene hilfreich sein, wenn mehrere Qualifizierte Einrichtungen Klagen eingebracht haben und Betroffene entscheiden müssen, welchem Verfahren sie beitreten.
Was die Abhilfeklagen betrifft, so werden den Qualifizierten Einrichtungen noch zusätzliche Informationen, die sich insbesondere an Betroffene richten, abgefordert. Dabei geht es um die von Klagen betroffenen Ansprüche und die Frage, wie Betroffene einem Abhilfeverfahren beitreten können. Außerdem haben Qualifizierte Einrichtungen Informationen zu den Wirkungen eines allfälligen Beitritts bereitzustellen und zur Frage, wie sich ein Beitritt auf die Verjährung von Ansprüchen auswirkt. Dabei geht es also insbesondere um die Hemmung der Verjährungsfrist (siehe dazu auch § 635 ZPO). Im Hinblick auf vor der Einbringung stehende oder bereits laufende Verbandsklageverfahren ist darüber zu informieren, ob und in welcher Höhe von den Beitretenden Kosten zu tragen sind, und insbesondere auch, ob eine Beitrittsgebühr bezahlt oder ein Drittfinanzierungsvertrag abgeschlossen werden muss.
Weiters haben Qualifizierte Einrichtungen Informationen über die Rechtswirkungen der möglichen Ergebnisse der Verfahren bereitzustellen und über die Ergebnisse abgeschlossener Verbandsklageverfahren zu berichten.
Abs. 2 stellt klar, dass Anspruch auf über die sich aus Abs. 1 ergebenden Informationsanforderungen hinausgehende Informationen zu einem Verfahren nur die dem jeweiligen Verfahren beigetretenen Verbrauchern haben. Dritte hingegen haben keinen Anspruch auf weitere Informationen über laufende Verfahren.
Abs. 3 verpflichtet die Qualifizierten Einrichtungen dazu, ein Formblatt für den Beitritt zu einem Verfahren aufzulegen, das entsprechende Belehrungen zur Information von Verbrauchern, die über einen Beitritt nachdenken, zu enthalten hat. Darin sind Ausführungen zu den Voraussetzungen, zum Ablauf und über die Wirkungen eines Verbandsklageverfahrens aufzunehmen und es ist über die voraussichtlichen Kosten zu informieren. Dadurch soll geschädigten rechtsunkundigen Verbrauchern der Zugang zum Recht und zur Rechtsdurchsetzung erleichtert und sollen diese unterstützt werden. Die Qualifizierten Einrichtungen haben das Formblatt auf ihrer Website zum Download bereit zu stellen.
Die Verbandsklagen-Richtlinie erlaubt es, dass Qualifizierte Einrichtungen eine moderate Beitrittsgebühr verlangen dürfen. Eine nähere Determinierung hält die Verbandsklagen-Richtlinie hingegen nicht bereit. Um eine ausgewogene Grenze festzulegen, wird mit Abs. 4 dieses Entwurfs vorgeschlagen, dass für den Fall, dass die Qualifizierte Einrichtung eine Beitrittsgebühr fordert, diese einerseits weder höher als 20 Prozent der geltend gemachten Anspruchssumme (des jeweils Beitretenden) sein noch andererseits den Betrag von 250 Euro überschreiten darf.
Um beitrittswilligen Verbrauchern die Rechtsverfolgung zu erleichtern, verpflichtet Abs. 5 die Qualifizierten Einrichtungen, Beitrittserklärungen samt Unterlagen on- und offline entgegen zu nehmen. Beitrittserklärungen können ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden.
Aus Klarstellungsgründen betont Abs. 6, dass die Qualifizierten Einrichtungen die Interessen der Beigetretenen in der konkreten Verbandsklage repräsentieren und diese über den Fortgang des Verfahrens regelmäßig informieren müssen. Außerdem müssen die Qualifizierten Einrichtungen gemäß Abs. 7 die Beigetretenen über die geplanten Abwicklungsmodalitäten einer allenfalls eingehenden Zahlung informieren und die Abwicklung der Auszahlung unverzüglich durchführen.
Abs. 8 stellt klar, dass Qualifizierte Einrichtungen dazu berechtigt sind, die erforderlichen personenbezogenen Daten zu verarbeiten, soweit diese für die beabsichtigte Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens erforderlich sind.
Zu § 10
Mit dieser Bestimmung werden die Qualifizierten Einrichtungen dazu verpflichtet, die Aufsichtsbehörde über sämtliche relevante Änderungen umgehend zu informieren. Dabei geht es um die Änderung des Namens oder der Adresse der Qualifizierten Einrichtung, des Satzungszwecks sowie sämtliche Änderungen in Hinblick auf Faktoren, die für die Anerkennung relevant waren bzw. als Voraussetzung für die Anerkennung gemäß den §§ 1 und 2 genannt werden.
Außerdem sind die Qualifizierten Einrichtungen dazu verpflichtet, der Aufsichtsbehörde jährlich ihren Tätigkeitsbericht zu übermitteln (Abs. 2).
Qualifizierte Einrichtungen haben der Aufforderung der Aufsichtsbehörde über deren Verlangen alle abverlangten Informationen zu erteilen.
Zum 5. Abschnitt
Der 5. Abschnitt regelt die bereits von der Verbandsklagen-Richtlinie vorgegebenen Aufgaben und Pflichten der Aufsichtsbehörde und setzt diese somit in das nationale österreichische Recht um.
Zu § 11
Nach § 11 Abs. 1 ist der Bundeskartellanwalt als Aufsichtsbehörde verpflichtet, der Europäischen Kommission ein Verzeichnis aller zur Erhebung grenzüberschreitender Verbandsklagen Qualifizierter Einrichtungen zu notifizieren. Dieses Verzeichnis hat Namen, Satzungszweck und Adresse der Qualifizierten Einrichtungen zu enthalten.
Kommt es zu Änderungen an diesem Verzeichnis so ist der Bundeskartellanwalt als Aufsichtsbehörde gemäß Abs. 2 verpflichtet, diese der Europäischen Kommission unverzüglich mitzuteilen.
Außerdem ist der Bundeskartellanwalt dazu verpflichtet, die Europäische Kommission bis zum 26. Juni 2027 und danach jährlich über die Anzahl und die Art der Verbandsklagen, die von österreichischen Gerichten abgeschlossen wurden, die Art der Verstöße und die Ergebnisse dieser Verbandsklagen zu informieren. Dieser Bericht hat zudem allgemeine Angaben zu den Verfahrensparteien, insbesondere ob es sich um eine öffentliche Stelle handelt und in welcher Branche der beklagte Unternehmer tätig ist, zu enthalten.
Zu § 12
§ 12 Abs. 1 regelt in Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie die weiteren Aufgaben des Bundeskartellanwalts als Aufsichtsbehörde. Und zwar ist der Bundeskartellanwalt Kontaktstelle gemäß Art. 5 Abs. 5 der Verbandsklagen-Richtlinie für die Zwecke des § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes. Dies hat er der Kommission unter Anführung der genauen Bezeichnung und unter Angabe der Kontaktdaten mitzuteilen.
Nach Abs. 2 hat der Bundeskartellanwalt als Aufsichtsbehörde auf seiner Website ein aktuelles Verzeichnis der Qualifizierten Einrichtungen mit Namen, Adresse und Satzungszweck und zudem eine Liste aller europäischen Qualifizierten Einrichtungen durch einen Link zur Website der Europäischen Kommission zu veröffentlichen.
Zum 6. Abschnitt
Dieser Abschnitt enthält die erforderlichen und üblichen Schlussbestimmungen.
Zu § 13
Diese Bestimmung enthält die Vollzugsklausel.
Zu § 14
Diese Bestimmung enthält den Umsetzungshinweis.
Zu § 15
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.
Zu Art. 2 (Änderung der Zivilprozessordnung)
Zu Z 1 (§ 636 [§ 619 „alt“])
Durch die Einfügung des Abschnitts „Kollektive Rechtsverfolgung“ muss der Siebente Teil, der Inkrafttreten, Schluss- und Übergangsbestimmungen enthält, verschoben werden.
Zu Z 2 (§ 619):
Zu Abs. 1
Umsetzung der Art. 1; 2 Abs. 1; Art. 7 Abs. 1, 4, 5 und 6; Art. 8 Abs. 1, 2 lit. a der Richtlinie 2020/1828
Auf die Erläuterungen zu § 5 Abs. 1 und 3 QEG im Rahmen der vorliegenden Novelle darf verwiesen werden.
Die vorgeschlagene Regelung des Abs. 1 bildet die regelungstechnische Brücke zwischen der vorgeschlagenen Bestimmung des § 5 Abs. 1 und 3 QEG und der ZPO. Die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung und die gerichtliche Klagslegitimation der Qualifizierten Einrichtungen gemäß dem QEG sind in § 5 Abs. 1 und 3 QEG in der Fassung des Entwurfs zu Grunde gelegt, auf welche der vorgeschlagene Abs. 1 lediglich verweist und gleichzeitig anordnet, dass für die Verfolgung dieser Ansprüche die Bestimmungen der §§ 619 bis 622 ZPO in der Fassung des Entwurfs anzuwenden sind.
Zu Abs. 2
Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2020/1828, ErwGr 34, 65
Der vorgeschlagene Abs. 2 ordnet an, dass die Qualifizierte Einrichtung in einer Klage gemäß Abs. 1 hinreichende Angaben zu den vom geltend gemachten Anspruch betroffenen Verbrauchern zu machen hat.
Die vorgeschlagene Regelung entspricht der (zwingenden) Vorgabe des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2020/1828. Sie soll sicherstellen, dass in einer Klage gemäß Abs. 1 ausreichend dargetan wird, dass und in welchem Umfang Verbraucher vom klagsgegenständlichen Sachverhalt betroffen sind.
Damit soll zum einen das Gericht in die Lage gebracht werden, beurteilen zu können, ob der materiell-rechtliche Anwendungsbereich für die Einbringung einer Verbandsklage durch eine Qualifizierte Einrichtung gemäß § 5 Abs. 1 und 3 QEG in der Fassung des Entwurfs überhaupt gegeben ist, setzt eine solche Klagsführung ja voraus, dass der behauptete Verstoß des beklagten Unternehmers die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.
Es muss also hinreichend dargetan werden, dass die in der Klage vorgebrachte Rechtsverletzung durch die beklagte Partei quantitativ derart weitreichend ist und sozusagen „systematisch“ begangen wird, dass diese die kollektiven Interessen der Verbraucher betrifft. Siehe zum Begriff der „kollektiven Interessen“ auch die Erläuterungen zu § 5 QEG im vorliegenden Entwurf.
Zum anderen dient die vorgeschlagene Regelung dem Zweck, den Kreis der vom Streitgegenstand der Unterlassungsbegehren betroffenen Verbraucher so konkret wie möglich abzustecken. Dadurch soll ausreichende Rechtsklarheit auch darüber hergestellt werden, welcher Personenkreis sich auf die Hemmung der Verjährungsfrist seines individuellen Anspruchs (gemäß dem vorgeschlagenen § 619 Abs. 4) gegen die beklagte Partei in einem späteren Individualverfahren oder Verbandsklageverfahren auf Abhilfe berufen kann (vergleiche dazu auch die Ausführungen in den ErwGr 34 und 65 der Richtlinie 2020/1828).
Wie genau bei den erforderlichen Angaben in der Klage über die betroffenen Verbraucher auf Einzelheiten eingegangen werden muss, ist von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig, insbesondere davon, in welcher Detailliertheit der klagenden Qualifizierten Einrichtung Informationen zu den konkret von einer behaupteten Rechtsverletzung betroffenen Verbrauchern überhaupt bekannt bzw. zugänglich sind. Diese Flexibilität der Regelung ist durch die gewählte Formulierung („hinreichende Angaben“) gewährleistet.
Damit eine Qualifizierte Einrichtung eine Entscheidung gemäß Abs. 1 erwirken kann, müssen einzelne Verbraucher nicht ihren Willen äußern, sich durch diese Qualifizierte Einrichtung repräsentieren zu lassen. Die einzelnen betroffenen Verbraucher sind nicht Partei eines Verfahrens gemäß Abs. 1 und müssen bzw. können diesem nicht beitreten.
Zu Abs. 3
Umsetzung des Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2020/1828
Nach der vorgeschlagenen Regelung ist eine Klage auf Unterlassung gemäß § 5 Abs. 3 lit. a QEG in der Fassung des Entwurfs unbegründet, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine klageberechtigte Qualifizierte Einrichtung binnen zwei Wochen eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.
Die Regelung ist durch Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2020/1828 vorgezeichnet und übernimmt inhaltlich die geltende Bestimmung zum Abmahnverfahren des § 28 Abs. 2 KSchG, welches sich in der Praxis bewährt hat und auch zur Entlastung der Gerichte beiträgt. Dadurch soll auch die umfangreiche Judikatur zum Abmahnverfahren des § 28 Abs. 2 KSchG für die Anwendung und Auslegung der vorgeschlagenen Bestimmung nutzbar gemacht werden.
Ein Abmahnverfahren vor Klagsführung ist demnach – wie auch gemäß der geltenden Bestimmung des § 28 Abs. 2 KSchG – auch bei den Verbandsklagen auf Unterlassung gemäß dem vorliegenden Entwurf nicht zwingend vorgesehen. Es wird ein solches Vorgehen jedoch für die Qualifizierte Einrichtung auch hier sinnvoll sein, um schon vor Klagsführung Klarheit über Vorliegen oder Fehlen des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses und der Wiederholungsgefahr zu erlangen.
Die vorgeschlagene Bestimmung stellt klar, dass eine Abmahnung, sofern sie im Einzelfall erfolgt ist, Auswirkungen auf das Vorliegen der Wiederholungsgefahr einer nachfolgenden Verbandsklage auf Unterlassung hat, wenn der Abgemahnte eine mit angemessener Konventionalstrafe besicherte Unterlassungserklärung gemäß den Vorgaben der vorgeschlagenen Regelung abgibt. Diesfalls wäre die Verbandsklage auf Unterlassung mangels Wiederholungsgefahr abzuweisen. Wird jedoch ohne Abmahnung geklagt, so ist der vorgeschlagene Abs. 3 nicht anwendbar.
Auch was die sonstigen erforderlichen Inhalte des Abmahnverfahrens betrifft, soll auf die einschlägige Auslegung des § 28 Abs. 2 KSchG zurückgegriffen werden.
Zu Abs. 4
Umsetzung des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1828; ErwGr 65
Die vorgeschlagene Bestimmung setzt die zwingende Vorgabe des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1828 um.
Diesem Artikel der Richtlinie 2020/1828 zufolge haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine anhängige Verbandsklage auf Unterlassung eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfristen für die Ansprüche der von dieser Verbandsklage betroffenen Verbraucher bewirkt. Dadurch will die Richtlinie 2020/1828 verhindern, dass eine nachfolgende Klage dieser Verbraucher auf Abhilfe daran scheitert, dass die Verjährungsfrist ihres Individualanspruchs während der Dauer des Verbandsklageverfahrens auf Unterlassung abgelaufen ist. Im gleichen Sinn unmissverständlich führt diesbezüglich auch ErwGr 65 der Richtlinie 2020/1828 aus.
Der vorgeschlagene Abs. 4 ordnet eine Hemmung der Verjährungsfrist für die mit dem Streitgegenstand der Klage in Zusammenhang stehenden Ansprüche der Verbraucher gegen die beklagte Partei an, welche mit dem Zeitpunkt der gerichtlichen Einbringung einer Verbandsklage auf Unterlassung gemäß Abs. 1 beginnt und mit der rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens endet. In Ergänzung dazu sieht die Regelung vor, dass der Verbraucher den Individualanspruch, dessen Verjährung gemäß dem ersten Satz der Bestimmung gehemmt ist, nach Ende der Hemmung des Fristenlaufs jedenfalls noch bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens mit Klage oder Beitritt zu einem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe geltend machen kann.
Durch diese Ergänzung soll jedem Verbraucher, dessen Individualanspruch mit dem Streitgegenstand der Verbandsklage auf Unterlassung gemäß Abs. 1 in Zusammenhang steht, ermöglicht werden, diesen Anspruch auch nach dem Ende der Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist innerhalb einer für die ordnungsgemäße und sorgfältige Vorbereitung einer individuellen Klagsführung oder einer Verbandsklage auf Abhilfe angemessenen Zeitspanne gerichtlich verfolgen zu können.
Zu § 620:
Diese Bestimmung regelt die sachliche und örtliche Zuständigkeit für die Durchführung von Verbandsklageverfahren auf Unterlassung gemäß § 619 und legt fest, dass in erster Instanz ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands ausschließlich das Handelsgericht Wien zuständig ist. Die Zuständigkeit soll bei einem Gericht österreichweit zentralisiert werden, um für diese Art der Verfahren eine Spezialisierung der Entscheidungsorgane (auch jener in zweiter Instanz) zu ermöglichen – dies nicht nur hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Besonderheiten, sondern auch was das „Fallmanagement“, also die organisatorische Abwicklung betrifft. Eine Zentralisierung ist sowohl für das einzelne Entscheidungsorgan, das entsprechendes know-how aufbauen kann, als auch für die Justizverwaltung, die mit Hard- und Software Support gezielt unterstützen kann, von Vorteil. Auch die Zuweisung weiterer Personalressourcen bei hohem Anfall lässt sich leichter bewerkstelligen.
Die Regelung berücksichtigt aber auch Fälle, in denen die beklagte Partei im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, indem sie durch die Schaffung eines Gerichtsstands auch die internationale Zuständigkeit begründet („inländische Gerichtsbarkeit“ in der Terminologie des § 27a JN). Damit können auch Ansprüche gegen Beklagte mit (Wohn-)Sitz in einem Staat außerhalb der Europäischen Union (Drittstaat, genauer: in den Fällen, in denen die beklagte Partei keinen [Wohn]Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder in einem LGVÜ-Vertragsstaat hat) kollektiv geltend gemacht werden.
Für grenzüberschreitende Fälle innerhalb der EU gilt die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO), ABl. Nr. L 351 vom 20.12.2012 S 1, zuletzt geändert durch die delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/281, ABl. Nr. L 54 S 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 264 vom 30.9.2016 S 43. Für die Fälle der kollektiven Rechtsverfolgung wird in erster Linie deren Art. 7 Z 2 in Frage kommen. Nach dieser Bestimmung steht als Wahlgerichtsstand auch das Gericht des Ortes zur Verfügung, an dem ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Nach der diesem Gerichtsstand zu Grunde liegenden Ubiquitätstheorie kann also sowohl an dem Ort geklagt werden, an dem das unerlaubte Verhalten gesetzt wurde, als auch dort, wo der Schaden eingetreten ist.
Durch die Regelung werden auch Unklarheiten vermieden, wenn etwa mehrere Gerichte für das Verbandsklageverfahren zuständig wären, weil die Ansprüche gegen mehrere Streitgenossen gerichtet sind, deren allgemeiner Gerichtsstand bei unterschiedlichen Gerichtshöfen gelegen ist, indem ein einziger Gerichtsstand festgelegt wird, der problemlos eruierbar ist. Damit stellt die Regelung auch für grenzüberschreitend tätige Qualifizierte Einrichtungen eine Erleichterung dar.
Gleichzeitig können auch allfällige Synergieeffekte dahingehend genützt werden, dass mehrere Verbandsklagen, die sich auf ein und denselben Verstoß stützen, aber gegen unterschiedliche beklagte Parteien richten (mehrere Kreditinstitute verwenden die wortgleiche Klausel, die als sittenwidrig bekämpft wird), vor dem selben Gericht geführt werden, um allfällige Verbindungen (§ 187 ZPO) zu ermöglichen.
Die Übertragung der Zuständigkeit unabhängig vom Streitwert auf den Gerichtshof und nicht das Bezirksgericht trägt dem Gedanken Rechnung, dass lediglich die Gerichtshöfe erster Instanz die erforderliche Organisationsstruktur aufweisen, um den Anforderungen eines Verbandsklageverfahrens gerecht zu werden. Damit gelten auch die Bestimmungen über das Verfahren vor den Gerichtshöfen, ua über die Anwaltspflicht.
Durch die Zentralisierung beim Handelsgericht Wien fallen auch Ansprüche in Angelegenheiten, die in die sachliche Kompetenz der Arbeits- und Sozialgerichte fallen würden, in die Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien, wenn sie im Rahmen eines Verbandsklageverfahrens geltend gemacht werden.
Abs. 2 der Bestimmung regelt, dass abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen für das Verbandsklageverfahren unzulässig sind. Damit ist eine individuelle Zwangszuständigkeit des Handelsgerichts Wien festgelegt.
Abs. 3 entspricht inhaltlich der geltenden Regelung des § 30 Abs. 2 KSchG. Die vorgeschlagene Regelung schließt die Beteiligung fachkundiger Laienrichter im Senatsprozess erster Instanz und im Berufungsverfahren im Rahmen von Verbandsklageverfahren auf Unterlassung gemäß dem vorliegenden Entwurf aus.
Zu § 621:
Umsetzung des Art. 8 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2020/1828; ErwGr 40
Art. 8 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2020/1828 räumt den Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung die Möglichkeit ein, dass Unterlassungsentscheidungen in Verbandsklageverfahren gemäß der Richtlinie 2020/1828 die Verpflichtung enthalten, die Entscheidung im vollständigen Wortlaut oder in Auszügen in einer vom Gericht für angemessen erachteten Form oder eine berichtigende Erklärung zu veröffentlichen.
Die vorgeschlagene Bestimmung normiert einen solchen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung für Verbandsklagen auf Unterlassung gemäß dem vorgeschlagenen § 619 und übernimmt dabei (wie auch § 30 Abs. 1 KSchG in der geltenden Fassung für Verbandsklagen auf Unterlassung gemäß den §§ 28 ff. KSchG durch dessen Verweis auf § 25 Abs. 3 bis 7 UWG) inhaltlich unverändert die Regelungen zur Urteilsveröffentlichung gemäß § 25 UWG.
Somit kann auf die langjährige Rechtsprechung zu den genannten Regelungen im UWG bzw. KSchG zurückgegriffen werden.
Die Urteilsveröffentlichung dient der Aufklärung der Öffentlichkeit – im Fall der Klagsstattgebung – über die Rechtsverletzung. Sie soll die Allgemeinheit informieren und Betroffene vor weiteren Rechtsnachteilen bewahren.
Freilich steht die Möglichkeit der Urteilsveröffentlichung unter denselben Voraussetzungen auch dem beklagten Unternehmer offen, der ebenso ein berechtigtes Interesse haben kann, die klagsabweisende Entscheidung der Allgemeinheit bekanntzumachen.
Dieses Instrumentarium hat sich in der Praxis österreichischer Verbandsklagen bewährt und ist seit langer Zeit bestens etabliert. Es soll daher auch im Rahmen der Verbandsklagen auf Unterlassung in Umsetzung der Richtlinie 2020/1828 nutzbar gemacht werden.
Zu § 622:
Umsetzung des Art. 8 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2020/1828, ErwGr 40
Art. 8 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2020/1828 verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Unterlassungsentscheidungen einstweilige Verfügungen umfassen sollen (vergleiche auch ErwGr 40 der Verbandsklagen-Richtlinie).
Zu § 623:
Mit dieser Bestimmung soll der Anwendungsbereich des folgenden Titels definiert werden. Was eine Qualifizierte Einrichtung ist, ergibt sich aus dem QEG, was eine Verbandsklage auf Abhilfe ist, ergibt sich aus § 624 in richtlinienkonformer Auslegung. Auch in einem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe gelten grundsätzlich dieselben verfahrensrechtlichen Bestimmungen wie in einem Individualprozess zwischen Verbraucher und Unternehmer. In diesem Titel sind daher nur jene Verfahrensbesonderheiten (abweichend) zu regeln, deren Notwendigkeit sich aus der Verbandsklagen-Richtlinie selbst ergibt, oder die für eine Einfügung in das bestehende System des österreichischen Zivilprozesses erforderlich sind. Im Übrigen gelten die allgemeinen Bestimmungen der ZPO (etwa: über Schriftsätze, …) subsidiär.
Zu § 624:
Grundgedanke der Verbandsklage auf Abhilfe ist gemäß der Verbandsklagen-Richtlinie, dass an ihr – anders als bei der Verbandsklage auf Unterlassung – konkrete Verbraucher mit ihren Einzelansprüchen beteiligt sind. Einer Festlegung im Regierungsprogramm folgend, wählt Österreich bei der Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie für die Verbandsklage auf Abhilfe ein opt-in System; Verbraucher können der Verbandsklage auf Abhilfe im Wege der Qualifizierten Einrichtung beitreten, wenn sie ihre Ansprüche kollektiv verfolgen wollen. Um eine Verbandsklage auf Abhilfe erheben zu können, muss die Qualifizierte Einrichtung bereits bei Einleitung des Verfahrens die gesetzlich festgelegte Anzahl an konkreten Verbrauchern vorweisen können, deren Ansprüche auf Abhilfe außergerichtlich strittig sind und die ihre Ansprüche im Wege der Qualifizierten Einrichtung in einem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe verfolgen wollen. Das soll schon von Beginn an garantieren, dass keine „abstrakten“ Verbandsklageverfahren auf Abhilfe eingeleitet werden. Diese Anzahl an Verbrauchern ist Voraussetzung für eine Verbandsklage auf Abhilfe, aber soll – um keinen Anreiz dafür zu schaffen, bloß einzelne Verbraucher zu befriedigen, um die im kollektiven Interesse erhobene Klage zu torpedieren – nur im Zeitpunkt der Klagserhebung vorliegen müssen, wie die entsprechende Formulierung („die Klage hat … zu enthalten“) ausweist.
Eine neue Möglichkeit bei der Verbandsklage auf Abhilfe ist der Zwischenfeststellungsantrag der Qualifizierten Einrichtung, bestimmte Rechte und Rechtsverhältnisse im Interesse der Verbraucher feststellen zu lassen. Die Feststellung liegt deshalb im Interesse der Verbraucher, weil die Entscheidung über die Ansprüche auf Abhilfe einer größeren Zahl an Verbrauchern jeweils ganz oder zum Teil davon abhängt. Das den Ansprüchen aller Verbraucher Gemeinsame kann daher in einem ersten Schritt gemeinsam verhandelt und entschieden werden. Bei einem Zwischenfeststellungsantrag ist daher auch dann, wenn die begehrte Abhilfe für die einzelnen Verbraucher in einer Geldleistung besteht, das österreichische oder europäische Mahnverfahren stets ausgeschlossen.
Die beklagte Partei kann in ihrem ersten Schriftsatz auch einen Zwischenfeststellungsantrag stellen.
Wenn – wie es regelmäßig der Fall sein wird – die Qualifizierte Einrichtung nicht bereits alle Ansprüche der aus ihrer Sicht betroffenen Verbraucher in der Klage geltend macht, kann sie weiteren Verbrauchern einen späteren Beitritt zum Verfahren eröffnen. Damit aber schon zu Beginn des Verfahrens für alle erkennbar ist, welcher Kreis an Verbrauchern angesprochen ist, muss die Qualifizierte Einrichtung für diesen Fall abstrakt die tatsächlichen und allenfalls auch rechtlichen Kriterien nennen, die ein Anspruch aufweisen muss, um vom Verfahren betroffen zu sein. Das können beispielsweise bestimmte persönliche, sachliche oder örtliche Aspekte des Anspruchs sein. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass die Qualifizierte Einrichtung nicht alle Verbraucher vertreten will oder kann, für die jene Feststellungen präjudiziell wären, welche die Qualifizierte Einrichtung anstrebt. Beispielsweise könnte eine Qualifizierte Einrichtung in einem Verfahren, in dem es um Ansprüche von Verbrauchern aus Kapitalanlage geht, zwar Fragen des Prospekts thematisieren wollen, aber nur Verbraucher versammeln wollen, die ihre Anlage noch immer halten und noch nicht veräußert haben. Dazu kommt, dass die Qualifizierte Einrichtung in der Auswahl der Verbraucher frei ist, und daher auch zusätzliche – nicht auf den Anspruch selbst bezogene – Voraussetzungen bestimmen kann, unter denen sie überhaupt bereit ist, einen Beitritt zu akzeptieren. Das kann beispielsweise der Abschluss eines Vertrags mit einem vorgegebenen Inhalt mit einem Prozessfinanzierer sein.
Die Verbandsklagen-Richtlinie lässt Verbandsklagen auf Abhilfe nur von jenen Qualifizierten Einrichtungen zu, aus deren Satzungszweck sich ergibt, dass sie ein legitimes Interesse am Schutz der Verbraucherinteressen hat; gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verbandsklagen-Richtlinie muss der Satzungszweck der Qualifizierten Einrichtung auch deren Klage in einem konkreten Fall rechtfertigen. Mit Abs. 4 soll Art. 6 Abs. 3 der Verbandsklagen-Richtlinie umgesetzt werden und der Qualifizierten Einrichtung zugleich entsprechende Ausführungen in der Klage aufgetragen werden, damit dieses Kriterium vom Gericht auch überprüft werden kann. Da die Klage auch zusammen mit weiteren Informationen für die angesprochenen Verbraucher gemäß § 627 veröffentlicht werden soll (wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren), muss die Qualifizierte Einrichtung die einschlägigen Informationen bereits der Klage anschließen. Bei diesen beiden besonderen Voraussetzungen für die Klage wird es sich jeweils um einen verbesserungsfähigen Mangel handeln.
Da gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verbandsklagen-Richtlinie sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Europäische Kommission Verzeichnisse der benannten Qualifizierten Einrichtungen öffentlich zugänglich zu machen haben, müssen Qualifizierte Einrichtungen ihren Status gemäß § 5 Abs. 5 QEG nicht besonders nachweisen, sondern können dazu auf die entsprechenden Verzeichnisse verweisen.
Das Erfordernis von Tatsachen- und Beweisvorbringen wird insoweit modifiziert, als die Klage (und spätere Beitritte) zwar schlüssig zu sein hat, aber die Anforderungen an die Plausibilität des Tatsachenvorbringens und seine Substantiierung gelockert werden.
Zu § 625:
Mit dieser Bestimmung soll die Entscheidung über die Durchführung eines Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe beschleunigt werden, die durch ein Eingehen auf Einzelansprüche verzögert werden könnte. Solange Einwendungen gegen Einzelansprüche nicht dazu führen, dass die Anzahl der für eine Klage notwendigen Verbraucher unter die Vorgaben des Gesetzes sinkt, und daher nicht mehr alle besonderen Voraussetzungen des Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe vorliegen, kann die Entscheidung darüber auch gesondert ergehen. Damit kann das Gericht schnell entscheiden, ob ein Verbandsklageverfahren auf Abhilfe durchgeführt werden kann, und sich mit Einwendungen, die lediglich einzelne Ansprüche betreffen, zu einem späteren Zeitpunkt beschäftigen.
Zu § 626:
Nach den allgemeinen Bestimmungen der ZPO muss das Gericht keine abgesonderte Entscheidung über Verfahrensvoraussetzungen fällen, sondern kann diese auch mit der Endentscheidung verbinden (§ 261 Abs. 1). Im Verbandsklageverfahren auf Abhilfe soll aber von Beginn an feststehen, ob ein solches zulässig ist, damit nicht zu einem späteren Zeitpunkt der verfahrensrechtliche Aufwand, insbesondere für die von der Qualifizierten Einrichtung begehrten Feststellungen, frustriert ist. Daher ist in Abs. 1 eine solche abgesonderte (und damit auch: abgesondert anfechtbare) Entscheidung vorgesehen.
Mit einer Entscheidung, in der das Gericht die Durchführung des Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe bejaht, soll es auch schon bekannt geben, über welche Streitpunkte es im nächsten Verfahrensabschnitt verhandeln und entscheiden wird.
Zu § 627:
Die Verbandsklage auf Abhilfe soll eine ökonomische Art der Bereinigung von massenweise auftretenden, im Wesentlichen gleich gelagerten Rechtsstreitigkeiten bieten; die deshalb wünschenswerte Publizität im Hinblick auf Beitritte all jener, die meinen, einen passenden Anspruch verfolgen zu wollen, streitet allerdings mit der von manchen beklagten „Prangerwirkung“ eines solchen Verfahrens. Es soll daher erst dann zu einer gerichtlichen Veröffentlichung kommen, wenn feststeht, ob ein Verbandsklageverfahren stattfindet oder nicht.
Die Information der von der Verbandsklage auf Abhilfe angesprochenen Verbraucher wird regelmäßig außergerichtlich durch die Parteien des Verfahrens erfolgen. Dennoch soll eine bestimmte formalisierte Mindestinformation der am Verfahren Interessierten auch im Rahmen der gerichtlichen Veröffentlichung geschehen. Dazu sollen die in den Z 1 bis 4 genannten Informationen auf der Basis der von der Qualifizierten Einrichtung zur Verfügung gestellten Daten und gemäß Z 5 eine Belehrung durch das Gericht dienen.
Auf Antrag der beklagten Partei soll gemäß Z 6 auch ihr (außer Streit stellendes und bestreitendes) Vorbringen veröffentlicht werden, damit die angesprochenen und interessierten Kreise erkennen können, wie sich die beklagte Partei zum Vorbringen der klagenden Partei stellt und sich ein abgerundetes Bild des Streitstandes machen können.
Die Veröffentlichungen haben ihren primären Zweck erfüllt, wenn die Frist dafür abgelaufen ist, auf der Grundlage dieser Informationen dem Verfahren beizutreten. Sie sollen daher eine gewisse Zeit nach Ablauf dieser Frist auch wieder gelöscht werden, weil dann auch ihr sekundärer Zweck – die Information darüber, dass diese Frist abgelaufen ist – erfüllt ist.
Zu § 628:
Der Beitritt zum Verbandsklageverfahren auf Abhilfe durch einzelne Verbraucher ist eine dem österreichischen Verfahrensrecht neue, den Vorgaben der Verbandsklagen-Richtlinie entsprechende Art der Beteiligung am Verfahren. Der Beitritt erfolgt „gefiltert“ durch die Qualifizierte Einrichtung, der ja auch die Entscheidung zukommt, ob sie einzelne Verbraucher auch vertreten will. Grundsätzlich kann jeder von der Verbandsklage auf Abhilfe betroffene Verbraucher beitreten, also jeder Verbraucher, der einen Anspruch behauptet und gerichtlich in diesem Verfahren durchsetzen will, der den rechtlichen Kriterien entspricht, die durch die Verbandsklage auf Abhilfe festgelegt werden und der die sonstigen Voraussetzungen erfüllt, welche die Qualifizierte Einrichtung festlegt.
Der Beitritt erfolgt zweistufig, indem sich der Verbraucher zunächst außergerichtlich und verfahrensrechtlich unverbindlich an die Qualifizierte Einrichtung wendet. Akzeptiert die Qualifizierte Einrichtung diesen Wunsch, teilt sie diesen verfahrensrechtlich verbindlich dem Gericht und dem Verfahrensgegner mit. Für diesen Schriftsatz gelten die Voraussetzungen eines Schriftsatzes und – bis auf Angaben zu den Beweisen – auch die inhaltlichen Voraussetzungen einer Klage, damit der Anspruch ausreichend schlüssig und individualisiert ist; dabei werden dort, wo sich die Anspruchsvoraussetzungen decken, Verweisungen auf die Klage der Qualifizierten Einrichtung ausreichen. Als zusätzliches Kriterium kommt die ausdrückliche Erklärung hinzu, dass der Anspruch weder im Inland noch im Ausland geltend gemacht wurde oder wird, um die negativen Prozessvoraussetzungen der Streitanhängigkeit und der entschiedenen Rechtssache zu verdeutlichen.
Als Zeitraum des Beitritts werden drei Monate nach Veröffentlichung der Entscheidung über die Durchführung eines Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe gemäß § 627 Abs. 1 ZPO vorgeschlagen. Es steht der Qualifizierten Einrichtung aber frei, diesen Zeitraum zu verkürzen, etwa, wenn sich aus der Organisation der Verbandsklage auf Abhilfe oder ihrer (Dritt-)Finanzierung ein früherer Zeitpunkt als zweckmäßig oder notwendig erweist. Als Ausgleich dafür wird ein Austritt aus dem Verfahren ausgeschlossen.
Zu § 629:
Grundsätzlich soll das Verbandsklageverfahren auf Abhilfe von Fragen entlastet werden, welche die Prozessfähigkeit der Qualifizierten Einrichtung betreffen. Daher ist keine ad hoc Zulassung einer Qualifizierten Einrichtung vorgesehen und die Prüfung der Prozessfähigkeit der Qualifizierten Einrichtung durch das Gericht beschränkt sich auf die Überprüfung, ob die Qualifizierte Einrichtung gesetzlich oder durch eine zuständige Aufsichtsbehörde (in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union) anerkannt ist. Darüber hinaus soll es Aufgabe der Aufsichtsbehörde gemäß dem QEG sein, die Einhaltung der Kriterien für eine Qualifizierte Einrichtung zu überwachen und zu überprüfen. Bedenken hinsichtlich der Prozessfähigkeit der Qualifizierten Einrichtung, die sich im Verfahren ergeben, sind daher an die Aufsichtsbehörde weiterzuleiten.
Um keinen Anreiz zu schaffen, die Überprüfung der Prozessfähigkeit der Qualifizierten Einrichtung zum Gegenstand prozesstaktischer Überlegungen zu machen, soll auch ein Verfahren vor der Aufsichtsbehörde, das auf die Aberkennung der Eigenschaft als Qualifizierte Einrichtung abzielt, nicht verfahrensunterbrechend wirken; lediglich mit der Endentscheidung ist zuzuwarten.
Wird einer Qualifizierten Einrichtung die Eigenschaft als Qualifizierte Einrichtung aberkannt, so ist die Klage zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ist gemäß dem Vorbild des sachnächsten § 51 zu fällen.
Die Beendigung des Verfahrens führt – was die Einzelansprüche der beigetretenen Verbraucher betrifft – dazu, dass ab Rechtskraft des Beendigungsbeschlusses die Einzelansprüche nicht mehr als streitanhängig gelten und auch die Hemmungswirkung des Beitritts in diesem Zeitpunkt endet.
Zu § 630:
Mit Abs. 1 wird eine individuelle Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien in Form eines Zwangsgerichtsstandes geschaffen. Die Konzentration der inländischen Verbandsklageverfahren auf Abhilfe soll eine Zersplitterung der Rechtsverfolgung vermeiden und dazu beitragen, an diesem Standort, der wohl auch in den meisten Fällen der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten gewesen wäre, rasch Erfahrungen mit dem neuen Verfahrenstypus zu sammeln.
Abs. 3 entspricht inhaltlich der geltenden Regelung des § 30 Abs. 2 KSchG. Die vorgeschlagene Regelung schließt die Beteiligung fachkundiger Laienrichter im Senatsprozess erster Instanz und im Berufungsverfahren im Rahmen von Verbandsklageverfahren auf Unterlassung gemäß dem vorliegenden Entwurf aus.
Zu § 631:
Abs. 1 setzt Art. 11 Abs. 1 und 3 der Verbandsklagen-Richtlinie um. Diese Variante der gerichtlichen Kontrolle eines Vergleichsvorschlags entspricht dem geltenden österreichischen System mehr als die von der Richtlinie 2020/1828 als Alternative zur Verfügung gestellte Aufforderung, binnen angemessener Frist einen Vergleich zu vereinbaren. Eine Prüfung und gerichtliche Bestätigung kommt erst in Betracht, wenn ein Widerruf des Vergleichs durch die Parteien nicht mehr möglich ist.
Abs. 2 setzt Art. 11 Abs. 2 der Verbandsklagen-Richtlinie um, macht aber keinen Gebrauch von der Möglichkeit, die „Fairness“ des Vergleichs als weiteres Bestätigungskriterium einzuführen. Es ist davon auszugehen, dass die Qualifizierte Einrichtung und der Unternehmer regelmäßig aus Eigenem zu einem „fairen“ Ergebnis gelangen.
In Abs. 3 wird festgelegt, dass ein gerichtlich bestätigter Vergleich auch die beigetretenen Verbraucher bindet.
Abs. 4 setzt Art. 11 Abs. 5 der Verbandsklagen-Richtlinie explizit um, obwohl dieses Ergebnis gemäß österreichischem Verfahrensrecht unter Zugrundelegung der herrschenden Rechtsprechung zum Streitgegenstand wohl auch auf interpretativem Weg zu erzielen gewesen wäre.
Zu § 632:
Diese Bestimmung setzt Art. 12 Abs. 3 der Verbandsklagen-Richtlinie um. Um die zum Kostenersatz berechtigte Partei jedoch nicht das Insolvenzrisiko dieses Verbrauchers tragen zu lassen, wird lediglich eine solidarische Haftung des Verbrauchers angeordnet, was im Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers (Art. 12 Abs. 3 der Verbandsklagen-Richtlinie ist eine Kann-Bestimmung) liegt. Systemkonform ist – wie auch sonst im österreichischen Kostenersatzrecht – eine entsprechende und zeitgerechte Antragstellung Voraussetzung einer solchen Entscheidung.
Zu § 633:
Grundsätzlich wird die Verpflichtung zur Leistung an den einzelnen Verbraucher selbst am ehesten dem Gedanken der Abhilfe entsprechen. Es sind jedoch auch Konstellationen denkbar, in denen eine Leistung an die Qualifizierte Einrichtung vorzuziehen ist. Das können sowohl Fälle aus dem Bereich der Drittfinanzierung sein, als auch Fälle, in denen diese Form der Abwicklung einfacher oder billiger ist, weshalb die Bestimmung nicht auf Geldleistungen eingeschränkt ist. Die abweichende Bestimmung des Leistungsempfängers kann auch bloß Teile der Leistung betreffen (arg. „soweit“), ist es doch denkbar, dass bestimmte Formen der Abhilfe sinnvollerweise nur direkt gegenüber dem Verbraucher erbracht werden können, während für andere Aspekte das oben Gesagte zutrifft. Damit entsprechende Dispositionen der Qualifizierten Einrichtung auch beachtlich sind, soll der Leistungsempfänger zum einen spruchmäßig bestimmt werden und zum anderen durch die andernfalls nicht eintretende Schuldbefreiung auch eine entsprechende Befolgung aus ökonomischen Überlegungen heraus sichergestellt werden. Das erfordert freilich, dass die Qualifizierte Einrichtung einen entsprechenden Antrag auch zeitgerecht stellt.
Zu § 634:
Die wesentlichen Entscheidungen im Verbandsklageverfahren auf Abhilfe, und zwar die Entscheidung über die Durchführung eines Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe, jene über einen Zwischenfeststellungsantrag und die Entscheidung über die Einzelansprüche oder allfällige eine solche Entscheidung ersetzende Vergleiche sollen gemäß Abs. 1 in der Ediktsdatei veröffentlicht werden. Damit ist eine (weitere) Schiene der Information für vom Verfahren direkt oder indirekt Betroffene eröffnet, die sich nicht mit der Information durch eine der beiden Parteien oder der Medienberichterstattung begnügen wollen, und die auch dem öffentlichen Interesse an der Verbreitung von Entscheidungen in einem Rechtsstreit dieser Dimension entspricht.
Für die Veröffentlichung der Entscheidung über die Durchführung eines Verbandsklageverfahrens auf Abhilfe sieht § 627 eigene zusätzliche Regeln vor, auf die hier nur verwiesen wird.
Das Gericht soll gemäß Abs. 2 auch weitere Entscheidungen oder Informationen veröffentlichen können, wenn der Verfahrenszweck das erfordert.
Zu § 635:
Durch die rückwirkende Hemmung der Verjährung ist sichergestellt, dass ein Anspruch eines Verbrauchers nicht während des Verfahrens verjährt, sofern der Verbraucher mit seinem Anspruch rechtzeitig – spätestens bis drei Monate nach der Veröffentlichung der Entscheidung gemäß § 627 – dem Verfahren beitritt.
Wenn das Verfahren durch eine Entscheidung oder einen Vergleich in der Sache endet, spielt die Frage der Verjährung keine weitere Rolle, weil nunmehr die Verjährung des Urteils oder des Vergleichs relevant ist. Für die restlichen Fälle der Verfahrensbeendigung ohne eine Entscheidung oder einen Vergleich muss jedoch Vorsorge getroffen werden. Sofern nicht ohnehin eine längere Verjährungsfrist oder eine andere Verjährungshemmung, etwa durch Vergleichsgespräche oder eine Verbandsklage auf Unterlassung greift, soll ein Verbraucher seinen Anspruch jedenfalls noch binnen einer Frist von drei Monaten anderweitig verfolgen können. Das ist entweder durch eine Einzelrechtsverfolgung oder durch einen Beitritt zu einer anderen Verbandsklage auf Abhilfe möglich. Keine Auswirkung auf die Verjährung des Anspruchs hat ein zu Unrecht erfolgter formeller Beitritt zu einem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe, wenn der Anspruch inhaltlich nicht betroffen ist.
Zu Z 3 (§ 636)
Neben der Regelung des Inkrafttretens und von Übergangsbestimmungen enthält die Bestimmung auch einen ausdrücklichen Umsetzungshinweis.
Zu Art. 3 (Änderung des Konsumentenschutzgesetzes)
Zu Z 1 (§ 29 Abs. 2)
Die vorgeschlagene Regelung wird durch die Aufhebung der Richtlinie 2009/22 mit der Richtlinie 2020/1828 erforderlich.
Der bisherige Verweis soll durch einen entsprechenden Verweis auf Art. 5 der Richtlinie 2020/1828 ersetzt werden, um auch in Hinkunft ausländischen Qualifizierten Einrichtungen die Klagslegitimation für Verbandsklagen gemäß den §§ 28ff. KSchG zu erhalten (siehe dazu auch die Erläuterungen zu § 5 Abs. 5 QEG in der Fassung des Entwurfs). Inhaltlich bleibt die Bestimmung darüber hinaus unverändert.
Es handelt sich bei der vorgeschlagenen Regelung nicht um eine Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 2020/1828. Vielmehr dient die Regelung dem bereits im Allgemeinen Teil der Erläuterungen dargelegten Zweck, die im geltenden Recht bestehenden Verbandsklagen inhaltlich unverändert beizubehalten.
Zu Art. 4 (Änderung des Gerichtsgebührengesetzes)
Zu Z 1 (§ 15 Abs. 6)
Da der Zweifelsstreitwert in § 56 Abs. 2 JN mittlerweile 5 000 Euro beträgt, soll dies aus systematischen Gründen auch im GGG abgebildet werden. Da zwischen 4 000 und 5 000 Euro kein Tarifsprung existiert, hat diese Änderung keine praktischen Auswirkungen.
Zu Z 2, 3 und 4 (§§ 15a, 18 und 19a)
Für die Bemessung der Gerichtsgebühren einer Verbandsklage auf Abhilfe gemäß §§ 623 ff. ZPO bedarf es gebührenrechtlicher Sonderbestimmungen, die auf die Parallelität eines allfälligen Zwischenfeststellungsantrags gemäß § 624 Abs. 2 ZPO und der bestimmten Begehren auf Abhilfe gemäß § 624 Abs. 1 ZPO eingehen. Die Verbandsklage auf Unterlassung gemäß den §§ 619 ff. ZPO benötigt hingegen keine Sonderbestimmungen; diese ist wie auch die bisherigen Verbandsklagen gemäß den §§ 28 ff. KSchG zu vergebühren.
Bei der Verbandsklage auf Abhilfe wird vorgeschlagen, für die Bemessung eines Zwischenfeststellungsantrags gemäß § 624 Abs. 2 ZPO an die Bewertung gemäß § 7a Abs. 1 erster Satz RATG anzuknüpfen. Da die Gebühren aber vorab für das gesamte Verfahren bis zur Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag mit der Klagseinbringung fällig werden, sollen auch die bestimmten Begehren auf Abhilfe gemäß § 624 Abs. 1 ZPO für die Zwecke der Gebührenermittlung in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Denn im Zeitpunkt der Klagseinbringung steht noch nicht fest, ob das Gericht über diese Ansprüche zugleich mit einem Urteil absprechen wird. Wenn über diese Ansprüche nicht abgesprochen wird, sollen die Gebühren auf Antrag insofern zurückgezahlt werden.
Die Beitritte gemäß § 628 ZPO sollen keine gebührenrechtlichen Konsequenzen auslösen. Wird allerdings ein gerichtlicher Vergleich über die Ansprüche geschlossen, die mit Beitritt geltend gemacht wurden, dann ist dieser Vergleich Streitwert erhöhend im Sinne des § 18 Abs. 2 Z 2 erster Satz: Es ist daher dafür jene Gebühr zu entrichten, die auch für einen prätorischen Vergleich zu entrichten wäre (die Hälfte der für die Klage zu entrichtenden Pauschalgebühr, Anmerkung 2 zur Tarifpost 1). Die Gebührenpflicht tritt mit der Beurkundung durch das Entscheidungsorgan ein, ist aber aufschiebend bedingt durch die Bestätigung des Gerichts (§ 631 Abs. 2 ZPO) und die Rechtswirksamkeit. Zahlungspflichtig ist in erster Linie die Klägerin, also die Qualifizierte Einrichtung (vergleiche VwGH 11. 7. 2000, 99/16/0183).
Für das Rechtsmittelverfahren gilt im Prinzip weiterhin der Grundsatz des § 3 Abs. 5, dass die Pauschalgebühren von jedem Rechtsmittelwerber nur einmal zu entrichten ist, auch wenn die betreffende Instanz im Zuge des Verfahrens mehrmals angerufen wird. § 15a Abs. 1 gilt mit der Maßgabe des § 18 Abs. 2 Z 3 auch für das Rechtsmittelverfahren: Wird nur die Entscheidung über einen Zwischenfeststellungsantrag angefochten, dann ist nur der von der Qualifizierten Einrichtung gemäß § 7a Abs. 1 erster Satz RATG gewählte Streitwert maßgeblich. Wird auch ein allfälliges Urteil über konkrete Ansprüche auf Abhilfe mitangefochten, dann sind diese hinzuzurechnen. Wird ein späteres Urteil über einen Individualanspruch angefochten, dann bildet dieser Anspruch den Streitwert, weil darüber noch kein Rechtsmittelverfahren stattgefunden hat und die Einmaligkeitsregel des § 3 Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt.
Zu Art. 5 (Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes)
Allgemeines:
Dem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe und seinen Besonderheiten ist auch im Bereich des rechtsanwaltlichen Kostenrechts Rechnung zu tragen. Einer der Vorteile der neuen Verfahrensform soll auch in einer wesentlichen Kostenersparnis für alle am Verbandsklageverfahren auf Abhilfe beteiligten Verbrauchern liegen (vergleiche ErwGr 9 und 70, Art. 20 Abs. 1 der Verbandsklagen-Richtlinie), zumal in der Vergangenheit gerade das Kostenrisiko viele potenziell anspruchsberechtigte Verbraucher davon abgehalten haben dürfte, ihre Ansprüche gegen oft finanzstarke Beklagte gerichtlich geltend zu machen. Dieses Hemmnis soll mit entsprechenden Maßnahmen auch im Bereich des RATG überwunden werden. Konkret schlägt der Entwurf dazu zum einen Höchstentlohnungsbeträge in den Tarifposten 1 bis 3 vor, denen eine Bemessungsgrundlage von zwei Millionen Euro zugrunde liegt. Zum anderen soll in Verbandsklageverfahren generell kein Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 gebühren. Ferner geht der Entwurf mit einer im neu einzufügenden § 7a vorgeschlagenen Regelung einen neuen Weg. Den Parteien soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich auf eine von gesetzlichen Bewertungsregeln unabhängige Bemessungsgrundlage für den allfälligen Zwischenfeststellungsantrag zu einigen, die für das gesamte Verbandsklageverfahren gilt und für das Gericht bindend ist. Andernfalls hat das Gericht die Bemessungsgrundlage gemäß den §§ 4 und 12 festzusetzen. Lediglich Verfahrenshandlungen, die sich nur auf Individualansprüche beziehen, sind gemäß den für diese geltenden generellen Regelungen des RATG zu entlohnen.
Zu Z 1 (§ 7a RATG)
§ 12 Abs. 1 sieht vor, dass bei Geltendmachung mehrerer Ansprüche in derselben Klage die Werte der Streitgegenstände zusammenzurechnen sind (und die solcherart ermittelte Summe als Bemessungsgrundlage der anwaltlichen Entlohnung zugrunde zu legen ist). Der Wert des einzelnen Streitgegenstands ist dabei auch hier grundsätzlich gemäß den Vorschriften der §§ 54 bis 59 JN zu ermitteln (vergleiche § 4). An diesen Grundregeln des anwaltlichen Kostenersatzrechts soll sich auch im Zusammenhang mit dem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe im Wesentlichen nichts ändern. Die gesetzlich gebotene Zusammenrechnung der Streitwerte führt aber gerade in einem Verfahren, das schon von seinem Konzept her auf eine „Bündelung“ einer möglichst großen Anzahl gleichgelagerter Ansprüche gerichtet ist, zwangsläufig zu einer regelmäßig sehr hohen Bemessungsgrundlage für das anwaltliche Honorar. Trotz einer Vielzahl von Verbrauchern, die der Verbandsklage auf Abhilfe beitreten, könnte dies potenziell Anspruchsberechtigte davon abhalten, sich am Verbandsklageverfahren auf Abhilfe zu beteiligen. Auf der anderen Seite drohen auch dem Beklagten für den Fall des Prozessverlusts in weiterer Folge zum Teil massive aus dem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe resultierende Kostenersatzforderungen.
Aufgrund dieser besonderen Ausgangslage geht der Entwurf mit dem vorgeschlagenen § 7a einen neuen Weg. Den Parteien soll die Möglichkeit eröffnet werden, eine auch für das Gericht verbindliche Bemessungsgrundlage für das gesamte Verbandsklageverfahren auf Abhilfe zu vereinbaren, bei deren Ermittlung nicht auf gesetzliche Bewertungsregeln Bedacht genommen werden muss. Das „Vorschlagsrecht“ für eine solche Bewertung soll dabei der Qualifizierten Einrichtung in der Verbandsklage auf Abhilfe zukommen. Ist der Beklagte damit nicht einverstanden, so hat er die Bewertung spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung zu bemängeln, widrigenfalls sie das Gericht bei der Ermittlung der Rechtsanwaltskosten als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen hat. Andernfalls hat das Gericht selbst die Bemessungsgrundlage festzusetzen und dabei §§ 4 und 12 sowie § 7 Abs. 2 anzuwenden.
Die Bemessungsgrundlage für einen Zwischenfeststellungsantrag der Qualifizierten Einrichtung ist in den Verfahrensabschnitten bis zur Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag für die Entlohnung heranzuziehen, ohne dass die in der Klage ebenfalls geltend gemachten Individualansprüche einzelner Verbraucher mit diesem zusammenzurechnen sind. Solange das Verfahren sich den allen Ansprüchen gemeinsamen Tat- und Rechtsfragen widmet, gibt es keine Grundlage dafür, die Einzelansprüche als die Bemessungsgrundlage erhöhend heranzuziehen, weil nicht über sie verhandelt wird; widmet sich hingegen das Verfahren den Individualansprüchen, so ist eine andere Bemessungsgrundlage (siehe sogleich unten) heranzuziehen.
Da sich die Beitrittserklärungen (siehe § 628 ZPO) einzelner Parteien zwangsläufig nur auf den jeweiligen individuellen Anspruch beziehen, wäre es nicht sachgerecht, auch für solche Schriftsätze jeweils die Bemessungsgrundlage für das gesamte Verbandsklageverfahren auf Abhilfe heranzuziehen. Sie – und alle anderen Verfahrenshandlungen, die sich nur auf Individualansprüche beziehen – sollen daher grundsätzlich gemäß der sich für die jeweilige Verfahrenshandlung ergebenden Bemessungsgrundlage entlohnt werden.
Zu Z 2 (§ 15 RATG)
Nach § 15 gebührt dem Rechtsanwalt eine Erhöhung seiner Entlohnung, wenn er in einer Rechtssache mehrere Personen vertritt oder mehreren Personen gegenübersteht. In Verbandsklageverfahren auf Abhilfe gibt es – den Vorgaben der Verbandsklagen-Richtlinie folgend – eine neue Form der Beteiligung am Verfahren. Würde diese als Streitgenossenschaft eingeordnet, hätte dies zur Folge, dass dem als Klagevertreter einschreitenden Rechtsanwalt wohl regelmäßig der maximale „Streitgenossenzuschlag“ im Ausmaß von 50 v. H. gebühren würde. Dies würde das Verfahren für die Qualifizierte Einrichtung nicht nur erheblich verteuern, sondern auch den besonderen Verhältnissen im Verbandsklageverfahren auf Abhilfe nicht gerecht werden, wo ja mit der Qualifizierten Einrichtung eine Partei vorhanden ist, welche die gemeinsamen Interessen der Verbraucher im Verfahren wahrzunehmen und solcherart zu „bündeln“ hat. Auf die Abgeltung des Koordinationsaufwandes von mehreren Parteien mit unterschiedlichen Voraussetzungen durch einen mehrere Personen vertretenden Rechtsanwalt zielt aber an sich der Streitgenossenzuschlag ab, sodass dessen Gewährung beim Verbandsklageverfahren auf Abhilfe für die Personenmehrheit auf Klägerseite nicht sachgerecht wäre. Letztlich gilt dies aber auch für den Fall, dass der vertretende Rechtsanwalt auf Beklagtenseite in einem Verbandsklageverfahren auf Abhilfe mehreren Personen gegenübersteht, weil in einem derartigen Verfahren bis zur Entscheidung über den Feststellungsantrag regelmäßig keine oder nur geringe individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen sind, sondern grundsätzlich über gemeinsame Tat- oder Rechtsfragen prozessiert wird. Die Besonderheit individueller Abweichungen, die einen deutlichen und damit besonders abzugeltenden Mehraufwand bedingen würden, stellt sich hier im Ergebnis also weder auf Klags- noch auf Beklagtenseite. Zu einer vollständigen Erledigung der geltend gemachten Ansprüche kommt es ja erst dann, wenn nach der Entscheidung über den Feststellungsantrag Einzelansprüche in einem weiteren Verfahrensabschnitt gesondert verfolgt werden müssen. Nach dem vorgeschlagenen § 15 Abs. 2 sollen die Bestimmungen über den Streitgenossenzuschlag in Verbandsklageverfahren auf Abhilfe daher nicht gelten.
Zu Z 4 bis 9 (TP 1 bis 3 C RATG)
Zunächst sei auf das zu Art. 5 Z 1 (§ 7a) Gesagte verwiesen. Die Zusammenrechnungsregel des § 12 und die sich danach für das Verbandsklageverfahren auf Abhilfe ergebende Bemessungsgrundlage für die anwaltliche Entlohnung könnte insbesondere in Verfahren, in denen die einzelnen Ansprüche oder deren Summe sehr hoch sind, zu einer Honorarhöhe führen, mit der das Ziel einer ökonomischen und damit für die Parteien auch kostenmäßig attraktiven gemeinsamen Prozessführung im Verbandsklageverfahren unterlaufen wird. Um dies zu vermeiden und die drohende massive Kostenbelastung einigermaßen einzugrenzen, schlägt der Entwurf Höchstentlohnungsbeträge für Schriftsätze und die Teilnahme an Verhandlungen gemäß den Tarifposten 1 bis 3 vor, denen eine Bemessungsgrundlage von zwei Millionen Euro zugrunde liegt. Unter diesem Betrag soll sich aber im anwaltlichen Kostengefüge – sieht man von der vorgeschlagenen Nichtanwendbarkeit des § 15 auf das Verbandsklageverfahren auf Abhilfe ab –nichts ändern.